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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.05.2008
Aktenzeichen: 7 TaBV 6/08
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 103
BGB § 626
1. Bei der Verdachtskündigung sind an die Dringlichkeit des Tatverdachts strenge Anforderungen zu stellen. Der Verdacht muss so dringlich sein, dass der Grad der Wahrscheinlichkeit der vermuteten Tatbegehung nur geringfügig hinter dem Grad der Gewissheit bei der Tatkündigung zurückbleibt.

2. Die Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Verdachtskündigung muss sich gerade auf diejenigen Verdachtsmomente beziehen, die für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ausschlaggebend sind. Lagen diese bei einer ersten Anhörung noch nicht vor, ist erneut anzuhören.

3. Zu den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung wegen des Verdachts vorsätzlich falscher Arbeitszeitaufzeichnungen durch ein freigestelltes Betriebsratsmitglied.


Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin/Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 30.10.2007 in Sachen 11 BV 49/07 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin/Beschwerdeführerin möchte den Beteiligten zu 3), ein gemäß § 38 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied, außerordentlich kündigen. Sie möchte erreichen, dass die hierzu nach § 103 Abs. 1 BetrVG notwendige Zustimmung des Betriebsrats, die dieser verweigert hat, von den Arbeitsgerichten gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG ersetzt wird.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 11. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, den Antrag zurückzuweisen, wird auf den vollständigen Beschluss des Arbeitsgerichts vom 30.10.2007 Bezug genommen.

Der arbeitsgerichtliche Beschluss wurde der Antragstellerin am 13.12.2007 zugestellt. Sie hat hiergegen am 10.01.2008 Beschwerde eingelegt und diese am 08.02.2008 begründet.

Die Beschwerdeführerin führt aus, es sei von dem dringenden Verdacht auszugehen, dass der Beteiligte zu 3) in systematisch-betrügerischer Weise seine Arbeitszeiten falsch aufgeschrieben habe. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Abgleich der vom Beteiligten zu 3) als endgültig bezeichneten letzten Arbeitszeitaufzeichnungen mit den den Beteiligten zu 3) betreffenden Zutrittsdaten für den Betrieb Flughafen K /B , den sie, die Beschwerdeführerin, im Auftrage der Ermittlungsbehörden vorgenommen habe. Die Beschwerdeführerin verweist insoweit insbesondere auf die bereits erstinstanzlich vorgelegte Anlage AST 12.

Das Arbeitsgericht sei bei der Würdigung der Verdachtsmomente von einem falschen Prüfungsmaßstab ausgegangen. Nicht zielführend sei auch die Annahme des Arbeitsgerichts, die Kammer habe sich nicht von einem vorsätzlichen Verhalten des Beteiligten zu 3) überzeugen können. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass sie, die Beschwerdeführerin, durch den Abgleich der Arbeitszeitaufzeichnungen des Beteiligten zu 3) mit den Zutrittsdaten des Flughafens mitbestimmungswidrig gehandelt habe und die mitbestimmungswidrig erlangten Erkenntnisse einem Beweisverwertungsverbot unterlägen.

Ferner wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass es auch an einer hinreichenden Anhörung des Beteiligten zu 3) gefehlt habe und die Frist des § 626 Abs. 2 BGB verletzt worden sei. Schließlich habe das Arbeitsgericht die nachgeschobenen Kündigungsgründe nicht ordnungsgemäß gewürdigt.

Die Beschwerdeführerin beantragt nunmehr,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 30.10.2007, Az.: 11 BV 49/07, abzuändern und die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu ersetzen.

Der Antragsgegner/Beschwerdegegner und der Beteiligte zu 3) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner und der Beteiligte zu 3) verteidigen im Einzelnen die Entscheidungsgründe des angegriffenen arbeitsgerichtlichen Beschlusses und machen hierzu ergänzende Ausführungen rechtlicher und tatsächlicher Art. Sie verweisen ferner darauf, dass die Beschwerdeführerin in einem vom Beteiligten zu 3) gegen sie angestrengten Zahlungsprozess (Arbeitsgericht Köln, 15 Ca 5998/07) zunächst die Aufrechnung mit einem Gegenanspruch erklärt hatte, welcher aus dem angeblichen betrügerischen Verhalten des Beteiligten zu 3) habe resultieren sollen, welches im vorliegenden Verfahren die Grundlage der Verdachtskündigung darstelle. Zwischenzeitlich habe die Beschwerdeführerin jedoch auf dringendes Anraten des Arbeitsgerichts sich im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches verpflichtet, den aufgerechneten Betrag auszuzahlen.

Auf die vollständigen Einzelheiten der Beschwerdebegründungsschrift und der Beschwerdeerwiderungsschrift mit den jeweiligen Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.

II.A. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 30.10.2007 ist zulässig. Die Beschwerde ist statthaft und wurde fristgerecht eingelegt und begründet.

B. Die Beschwerde konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht Köln hat den Antrag der Beschwerdeführerin, die vom Beschwerdegegner verweigerte Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) zu ersetzen, zu Recht zurückgewiesen.

Zu Beginn seiner Entscheidungsgründe hat das Arbeitsgericht zutreffend referiert, unter welchen Voraussetzungen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG eine so genannte Verdachtskündigung in Betracht kommen kann. Auf die Ausführungen unter II 1 und 2 des angegriffenen Beschlusses wird Bezug genommen.

Ebenfalls zutreffend hat das Arbeitsgericht im Weiteren ausgeführt, dass auf der Grundlage des von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Sachverhalts der Ausspruch einer Verdachtskündigung gegenüber dem Beteiligten zu 3) gleich aus mehreren Gründen nicht in Betracht kommen kann.

Der von der Beschwerdeführerin unterbreitete Sachverhalt ist bei weitem nicht geeignet, mit dem für den Ausspruch einer Verdachtskündigung erforderlichen Grad an Dringlichkeit den Verdacht zu begründen, dass der Beteiligte zu 3) mit Hilfe der von ihm angefertigten streitgegenständlichen Arbeitszeitaufzeichnungen den Versuch unternommen hätte, die Beschwerdeführerin in betrügerischer Absicht zu schädigen. Den Darlegungen der Beschwerdeführerin lässt sich nicht einmal zweifelsfrei entnehmen, dass und falls ja, in welchem Umfang die von dem Beteiligten zu 3) abgegebene "letzte Version" seiner Arbeitszeitaufzeichnungen überhaupt fehlerhaft war. Unterstellt man, dass sie teilweise fehlerhafte Angaben enthält, fehlt es bei objektiver Betrachtung an hinreichend dringlichen Anhaltspunkten dafür, dass es sich um vorsätzliche Falschaufzeichnungen handelt. Schließlich scheitert die von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Verdachtskündigung auch daran, dass sie den Beteiligten zu 3) nicht in gehöriger Weise angehört hat, bevor sie den Beschwerdegegner über ihre Kündigungsabsicht informiert und um seine Zustimmung hierzu gebeten hat.

Im Einzelnen:

1. Die Beschwerdeführerin stützt ihre Behauptung, der Beteiligte zu 3) habe im Zeitraum nach seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied im Sinne von § 38 BetrVG ab Oktober 2006 in erheblichem Umfang falsche Arbeitszeitangaben abgeliefert, im Wesentlichen auf den Abgleich der in der " letzten Version" der Aufzeichnungen des Beteiligten zu 3) enthaltenen Daten mit den Zutrittsdaten zum Betrieb Flughafen K /B .

a. Diese Vorgehensweise erscheint schon im Ansatz unschlüssig. Ein solcher Datenabgleich wäre im Sinne der von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorwürfe nur dann aussagekräftig, wenn man zu unterstellen hätte, dass sich der Beteiligte zu 3) immer dann, wenn er "arbeitet", indem er Betriebsratsarbeit verrichtet, in der Betriebsstätte Flughafen K /B aufzuhalten hätte. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Der Arbeitsplatz des Beteiligten zu 3) befindet sich nicht mehr, wie vor seiner Freistellung gemäß § 38 BetrVG, in räumlicher Hinsicht auf dem Betriebsgelände der Beschwerdeführerin am Flughafen K /B . Ein gemäß § 38 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied wie der Beteiligte zu 3) erfüllt seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dadurch, dass es Betriebsratsarbeit leistet. In räumlicher Hinsicht bezieht sich die Tätigkeit des freigestellten Betriebsratsmitglieds auf alle Betriebsstätten des Betriebes, für den der Betriebsrat gewählt ist. Das freigestellte Betriebsratsmitglied ist dem Arbeitgeber auch keine Rechenschaft darüber schuldig, welche Art von Betriebsratstätigkeit es jeweils in welcher Betriebsstätte zu verrichten gedenkt. Geht man davon aus, dass Ziffer 7 der allgemeinen Arbeitsordnung der Beschwerdeführerin ihrem Sinn und Zweck nach überhaupt auf freigestellte Betriebsratsmitglieder anwendbar ist, so folgt auch aus dieser Vorschrift nur die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds, wahrheitsgemäß anzugeben, dass und in welchem zeitlichen Umfang es Betriebsratsarbeit verrichtet hat.

b. Die Beschwerdeführerin verfügt bekanntlich neben der Betriebsstätte am Flughafen K /B über eine weitere Betriebsstätte in T /S . Auch für diese Betriebsstätte ist der Betriebsrat, dessen freigestelltes Mitglied der Beteiligte zu 3) ist, zuständig. An der Betriebsstätte T /S sind immerhin 300 Arbeitnehmer tätig. Für einen selbständigen Betrieb dieser Größenordnung wäre nach § 9 BetrVG ein immerhin 9-köpfiger Betriebsrat zu wählen. Der Betriebsrat unterhält nicht nur im Betrieb Flughafen K /B , sondern auch im Betrieb T /S ein Betriebsratsbüro.

c. Die Beschwerdeführerin hat solche Zeiten, zu denen nach ihrer Kenntnis in der Betriebsstätte T /S Sitzungen des Betriebsrats oder seiner Ausschüsse stattgefunden haben, bei dem Abgleich der Arbeitszeitaufzeichnungen mit den Zutrittsdaten zum Betrieb Flughafen K /B zugunsten des Beteiligten zu 3) berücksichtigt. Schon das Arbeitsgericht hat jedoch zutreffend auf die auf der Hand liegende Tatsache hingewiesen, dass sich die Betriebsratstätigkeit eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nicht in der Teilnahme an Sitzungen erschöpft. Abgesehen davon, dass bei einer 300-köpfigen Belegschaft des Teilbetriebs T /S eine Vielzahl von Kontaktaufnahmen im Rahmen der Betriebsratsarbeit auch außerhalb irgendwelcher Sitzungen erforderlich werden kann, stünde es dem freigestellten Betriebsratsmitglied auch frei, solche Betriebsratstätigkeiten, die sich auf den Gesamtbetrieb beziehen oder aus anderen Gründen nicht notwendig eine Anwesenheit in dem einen oder anderen Teilbetrieb erfordern, in dem in T /S eingerichteten Betriebsratsbüro wahrzunehmen.

d. Dies alles verdeutlicht, dass Unstimmigkeiten zwischen den Arbeitszeitaufzeichnungen des Beteiligten zu 3) und seinen Zutrittsdaten zum Teilbetrieb Flughafen K /B nach Lage der Dinge von vorneherein ungeeignet erscheinen, um einen für eine Verdachtskündigung hinreichend dringlichen Verdacht betrügerischer Arbeitszeitaufzeichnungen zu belegen. Der Abgleich ist nicht einmal geeignet, zweifelsfrei zu belegen, dass die Arbeitszeitangaben des Beteiligten zu 3) überhaupt fehlerhaft sind.

2. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass die "letzte Version" der vom Beteiligten zu 3) eingereichten Arbeitszeitangaben teilweise objektiv unzutreffende Angaben enthält, so fehlt es doch an einem hinreichend dringlichen Verdacht dafür, dass der Beteiligte zu 3) solche Angaben vorsätzlich und in Täuschungsabsicht fehlerhaft aufgezeichnet und abgeliefert hat. Auch dies hat das Arbeitsgericht bereits in seinen Entscheidungsgründen zutreffend festgestellt.

a. Bevor der Beteiligte zu 3) seine als endgültig bezeichnete Version der Arbeitszeitaufstellung abgegeben hatte, hatte es unstreitig zwischen ihm und den zuständigen Mitarbeitern der Personalabteilung diverse Kontakte wegen der zu erstellenden Aufzeichnungen gegeben. Im Rahmen dieser Kontakte hatte der Beteiligte zu 3) seinen guten Willen bekundet, ordnungsgemäße Aufzeichnungen vorzulegen. Er hatte jedoch auch darauf hingewiesen, dass er aufgrund fehlender Unterlagen zum Teil auf eine Rekonstruktion aus dem Gedächtnis angewiesen sei. Wie in der Beschwerdeerwiderung ausgeführt, hatte er in diesem Zusammenhang sogar vorgeschlagen, für den Monat November 2006 jegliche in Frage kommenden Nachtzuschläge unberücksichtigt zu lassen. Wenn bei dieser Sachlage die zuständigen Mitarbeiter der Beschwerdeführerin gleichwohl darauf bestanden, dass der Beteiligte zu 3) vollständige Arbeitszeitaufzeichnungen nachzureichen habe, mussten sie damit bei realistischer Betrachtung auch einen gewissen Grad an Ungenauigkeit der Aufzeichnungen in Kauf nehmen.

b. Betrachtet man die von der Beklagten herangezogene Anlage AST 12, so fällt ferner auf, dass selbst die für sich betrachtet wenig aussagefähigen Daten der Zutrittskontrolle für den Betrieb Flughafen K /B für den 09.10.2006, den 12.10.2006, den 02.11.2006, den 05.12.2006 und den 24.01.2007 Anwesenheitszeiten des Beteiligten zu 3) an der Betriebsstätte Flughafen K /B dokumentiert haben, die in ihrer zeitlichen Länge - zum Teil weit - über die Angaben des Beteiligten zu 3) über seine Gesamtarbeitszeit an den fraglichen Tagen hinausgehen. Hätten die Arbeitszeitaufzeichnungen des Beteiligten zu 3) "systematischen, betrügerischen" Charakter, wie die Beschwerdeführerin meint behaupten zu müssen, so wären solche Fehlangaben zu seinen eigenen Ungunsten nicht erklärlich.

c. Die Beschwerdeführerin kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass der Beteiligte zu 3) die letzte von ihm eingereichte Version der Arbeitszeitaufzeichnungen als "endgültig" bezeichnet hätte. Wenn der Beteiligte zu 3) schon selbst darauf hingewiesen hatte, dass er aufgrund fehlender Unterlagen keine vollständig zuverlässigen Angaben mehr würde beibringen können, so liegt es auf der Hand, dass seine Korrekturmöglichkeiten irgendwann erschöpft sein mussten.

d. Es darf aber auch nicht außer Acht bleiben, dass die Beschwerdeführerin zu dem Zeitpunkt Mitte März 2007, zu dem der Beteiligte zu 3) seine Angaben als endgültig bezeichnet haben soll, diesen dadurch unter Druck gesetzt hatte, dass sie ihm bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal die unstreitigen Teile der ihm zustehenden Vergütung für den Monat Februar 2007 ausgezahlt hatte.

e. Bei alledem geht der Vorwurf der Beschwerdeführerin fehl, das Arbeitsgericht habe bei seiner Betrachtungsweise einen falschen Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt, da es nicht um eine beabsichtigte Tatkündigung gehe, sondern "nur" um eine Verdachtskündigung. Die Beschwerdeführerin scheint grundlegend zu verkennen, dass nach ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung bei der Verdachtskündigung strenge Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts zu stellen sind. Der Verdacht muss so dringlich sein, dass der Grad der vermuteten Tatbegehung nur geringfügig hinter dem Grad der Gewissheit bei der Tatkündigung zurückbleibt (BAG vom 10.2.2005, 2 AZR 189/04; BAG vom 26.9.1990, 2 AZR 602/89; LAG Köln vom 12.12.2007, 7 Sa 120/07; Eylert/Friedrichs, DB 2007, 2203); denn gerade bei Anwendung des Rechtsinstituts der Verdachtskündigung besteht die Gefahr, dass ein im Sinne des ihn treffenden Vorwurfs Unschuldiger erhebliche, im Falle des Arbeitsplatzverlustes potenziell Existenz bedrohende Rechtsnachteile erleidet.

3. Zu Recht hat das Arbeitsgericht schließlich auch darauf hingewiesen, dass vorliegend eine Verdachtskündigung gegenüber dem Beteiligten zu 3) auch deshalb ausscheidet, weil die Beschwerdeführerin, bevor sie sich zur Kündigung entschlossen und den Betriebsrat um seine Zustimmung gebeten hat, den beschuldigten Beteiligten zu 3) nicht so, wie es bei einer Verdachtskündigung geboten ist, zu den potentiellen Kündigungsvorwürfen angehört hat. Die unzureichende Anhörung hat zur Folge, dass die Beschwerdeführerin ihre Obliegenheit, alle ihr möglichen Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts zu unternehmen, bevor sie sich zu einer Verdachtskündigung entschließt, verletzt hat.

Auch hier geht der Einwand der Beschwerdeführerin fehl, dass Verdikt der fehlerhaften Anhörung des Beteiligten zu 3) beruhe auf einer Verkennung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Gerade das in der Beschwerdebegründung wiedergegebene Zitat aus der Entscheidung des BAG vom 28.11.2007 (5 AZR 952/06) belegt, dass vorliegend gerade keine derjenigen Konstellationen angenommen werden kann, in der eine Anhörung des Verdächtigten ausnahmsweise entbehrlich erscheint.

a. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin den Beteiligten zu 3) zwar mehrfach auf wirkliche oder vermeintliche Unstimmigkeiten in seinen Arbeitszeitaufzeichnungen hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, zuletzt am 15.03.2007.

b. Entscheidend für den Entschluss der Beschwerdeführerin, dem Beteiligten zu 3) wegen des Verdachts des Arbeitszeitbetruges zu kündigen, war jedoch nach eigenem Bekunden der Beschwerdeführerin der erst nach dem Gespräch vom 15.03.2007 erfolgte Abgleich der vom Beteiligten zu 3) übermittelten Daten mit dessen Zutrittsdaten zum Betrieb Flughafen K /B , die sich die Beschwerdeführerin erst nach dem Gespräch vom 15.03.2007 beschafft hatte. Zu dem Ergebnis dieses Abgleichs, also zu den letztlich für die Beschwerdeführerin entscheidenden Verdachtsmomenten, hat sie den Beteiligten zu 3) aber gerade nicht angehört.

c. Eine solche Konfrontation des Beteiligten zu 3) mit den für die Beschwerdeführerin letztlich ausschlaggebenden Verdachtsmomenten war aber auch nicht wegen des vorherigen Verhaltens des Beteiligten zu 3) entbehrlich. Wie der Geschehensablauf bis zum 15.03.2007 zeigt, handelte es sich bei dem Beteiligten zu 3) gerade nicht um einen Arbeitnehmer, der "von vorneherein nicht bereit" war, "sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen substantiiert zu äußern und so an der Aufklärung mitzuwirken". Im Gegenteil: Der Beteiligte zu 3) hat im Vorfeld des 15.03. mehrere Versuche unternommen, seine Arbeitszeitaufzeichnungen zu überarbeiten und den Bedenken der Personalabteilung der Beschwerdeführerin Rechnung zu tragen. Es liegt allerdings auf der Hand, dass die Möglichkeiten zur Selbstkorrektur irgendwann erschöpft sind, gerade wenn man zuvor darauf hingewiesen hat, nicht mehr über alle erforderlichen Unterlagen zu verfügen und einen Teil der Daten aus dem Gedächtnis rekonstruieren zu müssen. Wenn der Beteiligte zu 3) in dieser Situation, in der er überdies unter dem Druck stand, dass ihm die Beschwerdeführerin auch den unstreitig berechtigten Teil der Vergütung aus dem Vormonat vorenthielt, seine mehrfach überarbeiteten Aufzeichnungen nunmehr als endgültig bezeichnete, so kann daraus unter Würdigung aller Umstände gerade nicht der Schluss gezogen werden, dass er auch bei dem konkreten Vorhalt der Zutrittsdaten zum Betrieb Flughafen K /B keine weiteren eigenen Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts mehr unternommen und sich nicht weiter zu den Vorgängen geäußert hätte. Die Weigerung des Beteiligten zu 3) zu weiteren Einlassungen am 15.03.2007 ist somit ersichtlich nur auf den für ihn erkennbaren Sachstand bezogen, der im Zeitpunkt des Gesprächs vom 15.03.2007 erreicht war. Sie lässt gerade nicht darauf schließen, dass er auch nicht mehr bereit gewesen wäre, sich zu konkreten neu ermittelten Fakten zu äußern.

4. Da der Abgleich der Arbeitszeitaufzeichnungen des Beteiligten zu 3) mit den Zutrittsdaten zum Betrieb Flughafen K /B ohnehin nicht geeignet erscheint, einen für eine Verdachtskündigung hinreichend dringlichen Betrugsverdacht gegenüber dem Kläger zu begründen, kommt es auf die Frage, ob die Zutrittsdaten zu dem Flughafen K /B einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, weil sie von der Beschwerdeführerin mitbestimmungswidrig erlangt worden seien, nicht entscheidungserheblich an.

a. Zwar spricht einiges für die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Beschwerdeführerin die in der Anlage AST 12 verarbeiteten Daten der Betreibergesellschaft des Flughafens mitbestimmungswidrig erlangt hat. Insbesondere kann sie sich nicht darauf zurückziehen, dass sie mit dem Abgleich der Daten lediglich einen Auftrag der Ermittlungsbehörden ausgeführt habe; denn es steht zur Überzeugung des Beschwerdegerichts fest, dass die Beschwerdeführerin die gegen den Beteiligten zu 3) gerichtete Strafanzeige in erster Linie gerade zu dem Zweck erstattet hat, um in den Besitz der Zutrittsdaten zu gelangen. Das belegt eindrucksvoll die E-Mail des Mitarbeiters T W vom 15.03.2007, wie sie in der Anlage AG 13 zur Akte gereicht wurde.

b. Fraglich ist indessen, ob mitbestimmungswidrig erlangte Daten einem generellen Beweisverwertungsverbot unterliegen. Diese streitige Rechtsfrage bedarf hier keiner Entscheidung, da sie letztlich, wie bereits ausgeführt, nicht entscheidungserheblich ist.

5. Zu Recht hat das Arbeitsgericht schließlich auch die nachgeschobenen Kündigungsgründe nicht als ausreichend angesehen, um das Kündigungsbegehren der Beschwerdeführerin rechtfertigen zu können.

a. Wieso die Geltendmachung von Nachtzuschlägen für 6 Stunden am 11.04. und 20.04.2007 eine außerordentliche Verdachtskündigung begründen können soll, ist bereits aus sich heraus nicht nachvollziehbar. Ein irgendwie gearteter Betrugsvorwurf scheidet von vorneherein aus, wenn der Beteiligte zu 3) in ein und derselben Aufstellung in jeweils in ein und derselben Zeile nebeneinanderstehenden Kästchen Daten eingibt, wonach er an den beiden fraglichen Tagen 11.04. und 20.04.2007 zwar keinerlei Arbeitsleitung erbracht hat, gleichwohl aber Nachtzuschläge erhalten möchte. Worüber der Beteiligte zu 3) bei dieser Sachlage durch die Geltendmachung der Nachtzuschläge getäuscht haben könnte, erschließt sich nicht. Vielmehr ist seine Eintragung entweder so zu interpretieren, dass er aus rechtlichen Gründen glaubt, auch ohne Arbeitsleistung für die fraglichen Tage Nachtzuschläge beanspruchen zu können, eine Ansicht, die in Anbetracht von § 37 Abs. 3 BetrVG jedenfalls nicht von vorneherein völlig abwegig erscheint. Oder aber aus den Eintragungen im Stundennachweis für April 2007 ist zu schließen, dass dem Beteiligten zu 3) entweder bei der Angabe der Tagesarbeitszeit ein Irrtum unterlaufen ist, oder aber die Geltendmachung der Nachtzuschläge irrtümlich erfolgte. In keinem der genannten Fälle ist eine versuchte Täuschung gegeben. Schlimmstenfalls ist der Vorwurf einer unsorgfältigen Bearbeitung des Stundennachweises berechtigt.

b. An dieser Stelle ist klarzustellen, dass der von der Beschwerdeführerin insgesamt unterbreitete Sachverhalt zwar aus objektiver Sicht keinen hinreichenden Verdacht eines (versuchten) Arbeitszeitbetruges des Beteiligten zu 3) gegenüber der Beschwerdeführerin begründet, wohl aber die Annahme nahelegt, dass der Beteiligte zu 3) seit seiner im Oktober 2006 erfolgten Freistellung die von ihm nunmehr verlangten Arbeitszeitnachweise nicht immer mit der gebotenen Sorgfalt und Zuverlässigkeit erstellt hat. Dieser Tatbestand kann sogar als unstreitig gewertet werden, spricht der Beteiligte zu 3) in der Beschwerdeerwiderung doch selbst von einer "Schusseligkeit bzw. Nachlässigkeit", die ihm im Zusammenhang mit der Erstellung der Arbeitszeitnachweise vorgeworfen werden könne. Mag der Vorwurf fehlender Sorgfalt bei der Erstellung der Arbeitszeitnachweise somit in gewissen Umfang berechtigt sein, so rechtfertigt er dennoch nicht den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Dies sieht die Beschwerdeführerin offensichtlich auch selbst so, da sie ihre Kündigungsabsicht gerade nicht auf eine Schlechterfüllung der Verpflichtung zur Abgabe ordnungsgemäßer Arbeitszeitnachweise stützt, sondern auf den Vorwurf des (versuchten) Betruges.

c. In diesem Zusammenhang fällt insbesondere auch auf, dass etwaige Unstimmigkeiten bei den Arbeitszeitaufzeichnungen des Beteiligten zu 3) erst aufgetreten sind, seit der Beteiligte zu 3) im Oktober 2006 als Betriebsratsmitglied gemäß § 38 BetrVG von der Arbeitsleistung freigestellt wurde und bei seiner Arbeitszeitaufzeichnung nunmehr sowohl in technischer Hinsicht wie auch inhaltlich andere Kriterien als früher zu beachten hatte. Während der Dauer des 1997 begründeten Arbeitsverhältnisses bis zum Oktober 2006 hat es Probleme wegen der Arbeitszeitnachweise des Beteiligten zu 3), soweit ersichtlich, nicht gegeben. Vor seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied hatte der Beteiligte zu 3) regelmäßige feste Schichtarbeitszeiten und konnte seine Arbeitszeiten per EDV registrieren. Aufgrund seiner Freistellung stellten sich sodann jedoch naturgemäß gänzlich unregelmäßige Arbeitszeiten ein. Es drängt sich somit der Eindruck auf, dass Probleme des Beteiligten zu 3) mit der zuverlässigen Arbeitszeitaufzeichnung ab Oktober 2006 durch die mit der Freistellung als Betriebsratsmitglied verbundenen Änderungen, die äußeren Umstände seiner nunmehrigen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen betreffend, bedingt waren. Bevor somit die Schwierigkeiten des Beteiligten zu 3) mit einer zuverlässigen Arbeitszeitaufzeichnung in der Zeit ab dem Oktober 2006 zu einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses insgesamt hätten führen können, wären nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorrangig einer Reihe anderer weniger einschneidender arbeitsvertraglicher Maßnahmen möglich und geboten gewesen.

d. Schließlich vermag auch der nachgeschobene Kündigungsgrund der kurzfristigen "Selbstbeurlaubung" vom 20.04.2007 keine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

aa. Der Beteiligte zu 3) hatte an diesem Tage bekanntlich kurzfristig durch einen Dritten mitteilen lassen, dass er dem Betrieb fernbleiben werde, um Überstunden abzubauen. Der Beteiligte zu 3) blieb dem Betrieb somit nicht heimlich fern. Ein Arbeitszeitbetrug kann ihm insofern nicht vorgeworfen werden. Die Frage, ob ihm tatsächlich ein Überstundenkontingent zur Verfügung stand, war für die Beschwerdeführerin jederzeit überprüfbar.

bb. Ob dem Beteiligten zu 3) zum fraglichen Zeitpunkt ein Überstundenkontingent zustand, das er an dem 20.04.2007 hätte abfeiern können, ist streitig. Ebenso ist streitig, ob es im Betrieb der Beschwerdeführerin üblich war, wie bei der Führung eines Arbeitszeitkontos auch Minusstunden anzuhäufen, die dann später nachzuarbeiten waren.

cc. Beide Fragen bedürfen jedoch keiner Aufklärung und können dahingestellt bleiben; denn selbst wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin unterstellt, dass der Beteiligte zu 3) am 20.04.2007 keine Überstunden abzufeiern hatte und dass es auch nicht den üblichen Gepflogenheiten entsprach, ein Minus-Konto aufzubauen, so läge zwar eine Pflichtverletzung des Beteiligten zu 3) vor, die aber nicht so schwer wiegt, um eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen zu können. Das freigestellte Betriebsratsmitglied, das unberechtigt der Arbeit fernbleibt, schädigt in erster Linie den Betriebsrat und die durch diesen repräsentierte Belegschaft der Arbeitnehmer. Die Beschwerdeführerin konnte den Beteiligten zu 3) für den 20.04.2007 nicht zur normalen Arbeitsleistung eingeteilt haben, war somit durch dessen kurzfristig angekündigtes Fernbleiben in ihren eigenen arbeitsorganisatorischen Dispositionen nicht beeinträchtigt. Auch kann davon ausgegangen werden, dass der Beteiligte zu 3) sich bewusst war, die Fehlstunden vom 20.04.2007 nachholen zu müssen, wenn sich seine Annahme, er habe noch ein Überstundenkontingent zum Abfeiern zur Verfügung, als unzutreffend herausstellen würde. Die negativen Folgen einer etwaigen Pflichtverletzung des Beteiligten zu 3) vom 20.04.2007 für die Beklagte als Arbeitgeberin erscheinen somit nicht so schwerwiegend, um vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses und geschweige denn eine außerordentliche Auflösung rechtfertigen zu können.

6. Der Antrag der Beschwerdeführerin, die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu ersetzen, konnte somit auch in der Beschwerdeinstanz keinen Erfolg haben, da das Arbeitsgericht den Rechtsstreit richtig entschieden hat.

7. Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen im vorliegenden Fall nicht vor.

Ende der Entscheidung

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