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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.12.2007
Aktenzeichen: 8 Ta 355/07
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 5
1. Die Unkenntnis von der Klagefrist des Kündigungsschutzgesetzes kann einen Arbeitnehmer nicht im Sinne des § 5 KSchG entschuldigen. Es gehört zu den an jeden Arbeitnehmer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, dass er sich zumindest nach Ausspruch einer Kündigung unverzüglich darum kümmert, ob und wie er gegen eine Kündigung vorgehen kann und gegebenenfalls muss (BAG, Urteil vom 26.08.1993 - 2 AZR 376/93 - NZA 1994, 281 - 284; Stahlhacke/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz in Arbeitsverhältnis Rz. 1855).

2. Krankheit rechtfertigt eine nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage nur ausnahmsweise dann, wenn im Ergebnis das Krankheitsbild in Verbindung mit den sonstigen Begleitumständen sich derartig ausgewirkt haben, dass die Klageerhebung tatsächlich unmöglich geworden ist (ebenso LAG Köln, Beschluss vom 19.03.2006 - 14 Ta 21/06 -; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 03.08.2007 - 4 Ta 182/07 -; Ascheidt/Preis/Schmidt § 5 KSchG Rz. 38).

3. Sind Unkenntnis von der Klagefrist und bestehende Erkrankung glaubhaft gemacht, so rechtfertigt dies eine nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage nur ausnahmsweise dann, wenn im Ergebnis das Krankheitsbild in Verbindung mit den sonstigen Begleitumständen sich derart ausgewirkt haben, dass eine Erkundigung, was gegen die Kündigung zu unternehmen ist, tatsächlich unmöglich war.


Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 12.10.2007 - 2 Ca 6373/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.031,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat mit ihrer am 01.08.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage vom 01.08.2007 gegen die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2007 Klage erhoben.

Die Beklagte hat zur Zuleitung des Kündigungsschreibens den Weg des sogenannten Einwurfeinschreibens gewählt. Das Einschreiben ist in den Briefkasten der Klägerin am 29.06.2007 eingeworfen worden.

Die Klägerin ist mit ihrem Ehemann am 22.06.2007 nach T gereist und von dort am 28.07.2007 gegen 23:00 Uhr zurückgekommen.

Vom 25.06.2007 datiert eine Krankschreibung des Arztes Dr. K L zunächst für die Dauer von 15 Tagen. Die Erkrankung hat die Klägerin mit Angina Tonsillaris, Mandelentzündung, angegeben.

In einem Telefonat am 2. oder 3. Juli 2007 teilte die Tochter der Klägerin ihrem Vater mit, dass das Kündigungsschreiben der Beklagten zugegangen sei. Der am 04.07.2007 aus Deutschland nachgereiste Sohn der Klägerin hat das Kündigungsschreiben mitgebracht.

Das Kündigungsschreiben ist vom Ehemann der Klägerin der Klägerin erst in der Zeit um den 10.07.2007 herum ausgehändigt worden.

Weder die Klägerin noch der mitreisende Ehemann haben davon gewusst, dass man gegen eine Kündigung innerhalb von drei Wochen Klage beim Arbeitsgericht einreichen muss. Am 30.07.2007 hat der Ehemann der Klägerin versucht, den jetzigen Prozessbevollmächtigten unter dessen alter Kanzleianschrift K M aufzufinden. Da dies nicht gelungen ist, hat der Ehemann der Klägerin mit Hilfe seines Sohnes die neue Anschrift und Telefonnummer des Prozessbevollmächtigten herausgefunden und sich am Dienstag, den 31.07.2007, mit ihm in Verbindung gesetzt.

Sodann ist die am 01.08.2007 beim Arbeitsgericht eingegangene Kündigungsschutzklage erhoben worden.

Die vorstehenden tatsächlichen Umstände sind glaubhaft gemacht durch eidesstattliche Versicherung der Klägerin und ihres Ehemannes.

Das Arbeitsgericht hat in diesen glaubhaft gemachten tatsächlichen Umständen keine die nachträgliche Zulassung rechtfertigenden Gründe gesehen. Letztlich hätte die Klägerin jedenfalls die Möglichkeit gehabt mit ihrer Tochter in Deutschland Kontakt aufzunehmen, um durch diese klären zu lassen, was in der Kündigungsangelegenheit zu unternehmen sei. Bei der Diagnose der Erkrankung könne jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, die Klägerin sei krankheitsbedingt außerstande gewesen Vorsorge zu treffen, um fristwahrend die Kündigungsschutzklage zu erheben.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter dem 16.10.2007 zugestellt worden.

Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde vom 30.10.2007.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 04.12.2007 begründet die Klägerin ihre sofortige Beschwerde ergänzend damit, dass ihre Erkrankung mindestens bis zum 26.07.2007 angehalten habe. Zwar habe es sich dabei um eine Mandelentzündung gehandelt. Allerdings sei diese mit schweren Schmerzen - auch im Bereich beider Nieren - einhergegangen, so dass die Klägerin für mindestens drei Wochen bettlägerig krank gewesen sei. Sie habe während dieser Zeit Penicillinspritzen erhalten.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 12.10.2007 - 2 Ca 6373/07 - abzuändern und die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG. Sie ist auch in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist des § 569 Abs. 1 ZPO nach Beschlusszustellung eingelegt worden.

2. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein ausreichender Grund, der die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage rechtfertigt nicht vorliegt.

Die Unkenntnis der Klägerin von der fristgebunden erforderlichen Kündigungsschutzklage, die Ortsabwesenheit der Klägerin und ihr Aufenthalt in T sowie die Erkrankung der Klägerin in T rechtfertigen weder jeweils für sich gesehen noch in ihrem Zusammenwirken die nachträgliche Zulassung der Klage.

a) Die Unkenntnis von der Klagefrist des Kündigungsschutzgesetzes kann einen Arbeitnehmer nicht im Sinne des § 5 KSchG entschuldigen. Es gehört zu den an jeden Arbeitnehmer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, dass er sich zumindest nach Ausspruch einer Kündigung unverzüglich darum kümmert, ob und wie er gegen eine Kündigung vorgehen kann und gegebenenfalls muss (BAG, Urteil vom 26.08.1993 - 2 AZR 376/93 - NZA 1994, 281 - 284; Stahlhacke/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis Rz. 1855).

b) Krankheit allein rechtfertigt ebenso nicht die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage, da allein maßgeblich ist, ob die rechtzeitige Klageerhebung durch die Erkrankung objektiv unmöglich gewesen ist. Maßgebend für die Beurteilung dieser Frage sind daher die Schwere der Erkrankung und die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers. Dabei ist anerkannt, dass schwere physische oder psychische Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers mit Krankheitswert die rechtzeitige Klageerhebung unmöglich machen können. Es kann dann kein Verschulden des Arbeitnehmers angenommen werden, wenn er durch die Krankheit an der Erhebung der Klage verhindert war, weil die Krankheit so beschaffen gewesen ist, dass der Arbeitnehmer aus medizinischen Gründen die Wohnung nicht verlassen konnte und deshalb die Klage weder selber noch durch beauftragte dritte Personen einreichen konnte. Kriterium für die Beurteilung dieser Frage ist es auch, wie der Arbeitnehmer seine anderen persönlichen Angelegenheiten in dieser Zeit besorgt hat.

Im Ergebnis muss daher das Krankheitsbild in Verbindung mit den sonstigen Begleitumständen sich derartig ausgewirkt haben, dass die Klageerhebung tatsächlich unmöglich geworden ist (ebenso LAG Köln, Beschluss vom 19.03.2006 - 14 Ta 21/06 -; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 03.08.2007 - 4 Ta 182/07 -; Ascheidt/Preis/Schmidt § 5 KSchG Rz. 38).

Einem solchen Krankheitsbild, das die Klageerhebung hinderte, entspricht die Erkrankung der Klägerin nicht.

c) Berücksichtigt man alles zusammen, die attestierte Erkrankung, die Erkrankung der Klägerin im Ausland, die Umstände der Klägerin während der Erkrankung und die Unkenntnis vom Erfordernis einer fristgebundenen Erhebung der Kündigungsschutzklage, so vermag auch dies insgesamt die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht zu rechtfertigen. Dies belegen bereits die sonstigen tatsächlichen Umstände, durch die die Klägerin Kenntnis von der Kündigung erhalten hat. Unstreitig bestand Kontakt mit den in Deutschland lebenden Kindern der Klägerin. Die Tochter der Klägerin hat telefonisch über den Zugang der Kündigung informiert und demzufolge zuvor das Kündigungsschreiben geöffnet haben müssen.

Der Sohn der Klägerin hat wiederum einige Tage später bei seiner Anreise nach T das Kündigungsschreiben mitgebracht und dem Vater, dem Ehemann der Klägerin, ausgehändigt. Der Ehemann der Klägerin, der nicht erkrankt gewesen ist und sich im übrigen nach der Rückkehr nach Deutschland um die Klageerhebung gekümmert hat, hat seiner Ehefrau das Kündigungsschreiben spätestens am 10.07.2007 ausgehändigt. Mit Hilfe in der Türkei vor Ort anwesenden Personen Sohn und Ehemann wäre es der Klägerin daher unter Einschaltung der in Deutschland befindlichen Tochter möglich gewesen, sich um die ordnungsgemäße Klageerhebung unverzüglich zu kümmern und gegebenenfalls zu klären, ob hierbei Fristen zu beachten sind. Hierzu, die Familienangehörigen entsprechend zu beauftragen, war die Klägerin durch die bestehende Erkrankung nicht gehindert.

Dies, die Beauftragung ihrer Familienangehörigen, hat die Klägerin schlicht unterlassen und Weiteres erst unternommen, nachdem sie zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klagefrist bereits abgelaufen war am 28.07.2007 nach Deutschland zurückgekehrt ist.

Dies entsprach nicht dem Gebot sich unverzüglich darum zu bemühen, zu klären was gegen eine Kündigung zu unternehmen ist.

Damit hat das Arbeitsgericht zu Recht den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen.

III.

Die sofortige Beschwerde war mit der Kostenfolge nach § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Beschwerdewert entspricht dem Wert der Hauptsache, deren Ausgang vom vorliegenden Verfahren abhängt:

IV.

Gegen diesen Beschluss ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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