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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 08.04.2003
Aktenzeichen: 1 Sa 1219/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a Abs. 1 Satz 2
§ 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB ist teleologisch dahin zu reduzieren, dass der Betriebserwerber nach Ablauf der einjährigen Veränderungssperre eine beim Betriebsveräußerer durch Betriebsvereinbarung geregelte betriebliche Altersversorgung nach kollektivrechtlichen Grundsätzen kündigen kann und nicht zu individualrechtlichen Änderungskündigungen greifen muss.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 Sa 1219/02

Verkündet am: 08.04.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 08.04.2003 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Isenhardt als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Bierhoff und Hilger

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.03.2002 - 3 Ca 9639/00 - abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

4. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Lossagung der Beklagten von einer durch Betriebsvereinbarung zugesagten Betriebsrente.

Der Kläger trat am 01.10.1972 als Ingenieur in die Dienste des T R e.V.. Sein Arbeitsverhältnis ging aufgrund eines Betriebsteilübergangs mit Wirkung vom 01.01.1993 auf die T R S u U G über. Diese Gesellschaft gründete in der Folgezeit die Beklagte als Tochtergesellschaft, auf die das Arbeitsverhältnis des Klägers durch einen weiteren Betriebsteilübergang mit Wirkung vom 01.07.1995 überging.

Nach Nr. 9 des Arbeitsvertrages des Klägers aus dem Mai 1972 gelten für das Arbeitsverhältnis die Betriebsvereinbarungen des T R . Beim T R war die betriebliche Altersversorgung durch eine Betriebsvereinbarung vom 25.06.1976 (Bl. 43 - 51 d.A.) geregelt, die durch Betriebsvereinbarungen vom 06.01.1981 (Bl. 52, 53 d.A.), 14.09.1983 (Bl. 54 - 56 d.A.), 15.11.1985 (Bl. 57 d.A.), 20.12.1989 (Bl. 58 d.A.) und 04.06.1993 (Bl. 59 - 63 d.A.) ergänzt und geändert wurde. Nach dieser Regelung erhielt der Mitarbeiter für jedes vollendete Jahr der anrechnungsfähigen Beschäftigungszeit einen Anteil seiner ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge als seinen persönlichen Versorgungsprozentsatz. Die persönlichen Versorgungsprozentsätze entwickelten sich in Abhängigkeit von den anrechnungsfähigen Dienstjahren wie folgt:

- nach zehn Jahre 35 %

- zuzüglich 2 % für jedes Jahr bis zum vollendeten 25. Dienstjahr

- zuzüglich 1 % für jedes Jahr bis zum vollendeten 35. Dienstjahr.

Die Versorgungsprozente gaben den Anteil an dem versorgungsfähigen Einkommen an, auf den der Mitarbeiter beim Eintritt des Versorgungsfalls als Gesamtversorgungsbetrag Anspruch hatte. Auf den Betrag der Gesamtversorgung wurde der anrechnungsfähige Betrag der Sozialversicherungsrente angerechnet.

Nach Aufhebung der Sonderstellung der T -Institutionen geriet die Beklagte in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie entschloss sich daher zu einer grundlegenden Sanierung, wozu auch die Neuregelung der Altersversorgung gehörte. Verhandlungen mit dem Betriebsrat über die Neuordnung der Betriebsrente scheiterten. Der Betriebsrat löste sich auf. Spätestens seit April 2000 besteht bei der Beklagten kein Betriebsrat mehr.

Parallel zu den Bemühungen der Beklagten nahmen auch andere Gesellschaften der T R eine Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung in Angriff. Die T R H A und die T S G schlossen mit ihren jeweiligen Betriebsräten bzw. Gesamtbetriebsräten am 15.06.2000 eine "Gesamtbetriebsvereinbarung zur Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung bei der T R H A und der T S G - Unternehmensgruppe T R " ab. Das Grundkonzept der Neuordnung besteht darin, dass auf der einen Seite im Hinblick auf Dienstzeiten in der Vergangenheit eine Besitzstandsrente gewährt und auf der anderen Seite im Hinblick auf die Dienstzeiten in der Zukunft eine Neuregelung eingeführt wird. Die Neuregelung sieht vor, dass zusätzlich zu der zum Neuordnungsstichtag erworbenen Besitzstandsrente eine Altersversorgungsgrundstufe für die Dienstzeiten in der Zukunft hinzukommt, die durch eine Eigenbeteiligung der Mitarbeiter (Entgeltumwandlung) ausgebaut werden kann. Die Grundstufe der Altersversorgung gemäß der Neuregelung besteht darin, dass jeder Versorgungsberechtigte für jedes Geschäftsjahr innerhalb der anrechnungsfähigen Dienstzeit einen von dem Unternehmen finanzierten Rentenbaustein erhält, für den das Unternehmen 1 % des ruhegehaltsfähigen Einkommens bereitstellt. Dieser Betrag wird auf der Basis einer Tabelle in einen Rentenbaustein umgerechnet.

Die Beklagte wollte dieses Konzept auch für ihre Mitarbeiter übernehmen. Von den 60 betroffenen Mitarbeitern haben sich inzwischen 47 mit der Neuregelung einverstanden erklärt. Der Kläger, dessen Versorgungsbezüge - wie die Beklagte behauptet - nach altem Leistungsrecht 3.566,44 DM (1.823,49 €), nach neuem 3.361,75 DM (1.718,84 €) betragen sollen, war dazu nicht bereit. Daraufhin übersandte die Beklagte dem Kläger das Schreiben vom 27.10.2000, in dem sie die alten Betriebsvereinbarungen über die Altersversorgung kündigte bzw. sich von ihnen lossagte. Außerdem erklärte sie in dem Schreiben die Teilkündigung bzw. den Widerruf der Altersversorgung. Schließlich sprach sie vorsorglich eine außerordentliche Änderungskündigung bezüglich des Arbeitsverhältnisses aus, um hilfsweise auf diesem Wege die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung vom 15.06.2000 durchzusetzen. Angesichts dessen, dass der Kläger bis zum 14.04.2000 Betriebsratsmitglied war, sprach die Beklagte im Hinblick auf den nachwirkenden Kündigungsschutz mit Schreiben vom 23.05.2001 erneut vorsorglich eine außerordentliche Änderungskündigung zum 31.12.2001 aus.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, weil die durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersversorgungsansprüche durch zweimaligen Betriebsteilübergang in individualrechtliche arbeitsvertragliche Ansprüche transformiert und bei der Beklagten nicht durch eine neue Betriebsvereinbarung geregelt worden seien, könnten sie einseitig nur durch eine betriebsbedingte Änderungskündigung geändert werden. Die soziale Rechtfertigung einer solchen Kündigung richte sich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die Senkung von Personalkosten, für die die Beklagte nicht genügend vorgetragen habe. Im Übrigen sei er aufgrund der bei der Beklagten bestehenden Arbeitsordnung nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit nicht mehr ordentlich kündbar.

Weiterhin hat der Kläger gemeint, seine Rentenminderung betrage - anders, als von der Beklagten berechnet - 28 %. Schließlich hat er die gutachterlichen Angaben zur wirtschaftlichen Situation der Beklagten bestritten und sie für nicht mehr aktuell gehalten. Er hat behauptet, die wirtschaftliche Situation der Beklagten sei auf überproportionale Kostensteigerungen zurückzuführen, die von der Muttergesellschaft der Beklagten verursacht worden seien. Daher komme es, so hat er gemeint, auf die wirtschaftliche Lage des Konzerns insgesamt an.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Änderungskündigungen vom 27.10.2000 und 23.05.2001 nicht wirksam geändert worden ist und zu unveränderten Arbeitsbedingungen mit einer Regelung zur betrieblichen Altersversorgung, basierend auf der Betriebsvereinbarung über die Altersversorgung des T R e.V. vom 25.06.1976 und den hierzu bis zum 31.12.1992 ergangenen Ergänzungsvereinbarungen, fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Rechtscharakter der Betriebsvereinbarungen, die bei einem Betriebsübergang nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert würden, bleibe kollektivrechtlich, so dass diesem kollektivrechtlichen Charakter auch die Änderungsmöglichkeiten des Betriebserwerbers entsprechen müssten. Dem Betriebserwerber stehe jedenfalls bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen ein einseitiges Lossagungsrecht zu, dass nicht dem individualrechtlichen Kündigungsschutz unterliege und dass bei dauerndem Wegfall des Betriebsrats gegenüber den Arbeitnehmern auszusprechen sei. Die Beklagte hat gemeint, sie habe triftige Gründe für den Eingriff in die erdiente Dynamik der betrieblichen Altersversorgung. Sie hat sich dazu auf eine Prognoseberechnung zur Entwicklung der Pensionsverpflichtungen vom 08.01.2001 (Bl. 140 - 142 d.A.), Jahresabschlüsse 1997 bis 1999 (Bl. 143 - 151 d.A.) und ein Gutachten zur wirtschaftlichen Lage, erstellt von der P Deutsche Revision vom 31.12.1998 (Bl. 152 - 196 d.A.), berufen. Schließlich hat sie vorgetragen, sie habe im Jahr 1999 einen Jahresfehlbetrag von 811.000,00 DM und im Jahr 2000 von 1,15 Mio. DM zu verkraften gehabt. Der durch Eigenkapital nicht gedeckte Fehlbetrag habe danach per Ende 1999 1,845 Mio. DM und per Ende 2000 2,991 Mio.DM betragen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage gegen eine von ihm angenommene Änderungskündigung vom 27.10.2000 stattgegeben; die Klage gegen eine nach seiner Auffassung vorliegende Änderungskündigung vom 23.05.2001 hat es abgewiesen. Begründet hat es dies im Wesentlichen damit, dass die Änderung der Altersversorgung nur mit individualrechtlichen Mitteln hätte bewerkstelligt werden können. Die individualrechtliche Änderungskündigung vom 23.05.2001 sei gerechtfertigt.

Gegen das der Beklagten am 28. und dem Kläger am 29.10.2002 zugestellte erstinstanzliche Urteil haben beide Seiten Berufung eingelegt, und zwar die Beklagte am 27. und der Kläger am 28.11.2002. Die Berufung begründet haben die Beklagte am 27.11. und der Kläger am 16.12.2002. Beide Parteien verfolgen ihre Rechtsstandpunkte weiter.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung ddes angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 23.05.2001 geändert worden ist und zu unveränderten Arbeitsbedingungen mit einer Regelung zur betrieblichen Altersversorgung, basierend auf der Betriebsvereinbarung über die Altersversorgung des T R e.V. vom 25.06.1976 und den hierzu bis zum 31.12.1992 ergangenen Ergänzungsvereinbarungen, fortbesteht.

Wegen der weiteren Einzelheiten haben die Parteien auf ihre im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufungen sind zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden sind (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. In der Sache hat jedoch nur die Berufung der Beklagten Erfolg. Das Rechtsmittel des Klägers war dagegen zurückzuweisen. Die Lossagung der Beklagten vom 27.10.2000 bezüglich der Betriebsvereinbarungen, die die betriebliche Altersversorgung regelten, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Richtig ist zwar, dass die Betriebsvereinbarungen schon durch den ersten Betriebsteilübergang nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB im Jahre 1993 zum "Inhalt der Arbeitsverhältnisse" zwischen dem neuen Inhaber und den Arbeitnehmern mit einer - hier nicht tangierten - einjährigen Sperre der nachteiligen Veränderung geworden waren. Dieser Vorgang wird gemeinhin als Transformation von kollektivrechtlichen Regelungen auf die Ebene des Einzelarbeitsvertrags bezeichnet; es gelte der Grundsatz der individualrechtlichen Weitergeltung der beim Betriebsveräußerer bestehenden Betriebsvereinbarungen (s. im Einzelnen nur ErfK-Preis, 3. Aufl. 2003, § 613 a BGB Rz. 108 ff). An der individualrechtlichen Weitergeltung der Betriebsvereinbarungen zur Altersversorgung hat sich (selbstverständlich) nichts durch den zweiten Betriebsübergang im Jahre 1995 geändert.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich die Beklagte, nachdem die einjährige Veränderungssperre abgelaufen war, nur noch - abgesehen von der Ablösungsmöglichkeit durch eine Betriebsvereinbarung nach § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB - nach individualrechtlichen Kriterien von den Betriebsvereinbarungen über die Altersversorgung hätte lösen können (a.A. Preis, aaO., Rz. 116; Küttner-Kreitner, Personalbuch, 8. Aufl. 2001, Betriebsübergang Rz. 55; beide ohne ins Einzelne gehende Begründung). Dazu hat das Bundesarbeitsgericht, dem die erkennende Kammer zumindest aus Rechtssicherheitsgründen beitritt, festgestellt, § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB sei teleologisch darauf zu reduzieren, dass die jetzt individualrechtlich als Inhalt des Arbeitsverhältnisses geltenden kollektivrechtlichen Regelungen lediglich entsprechend ihrem kollektivrechtlichen Ursprung geschützt seien. Weiterhin hat das Bundesarbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die Betriebsübergangs-Richtlinie 77/187/EWG keine andere Auslegung des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB gebietet. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie fordere nur, dass nach einem Betriebsübergang "der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung (!) oder dem Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maß (aufrechterhalte), wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen (gewesen seien)". Danach entspreche bereits eine kollektivrechtliche Fortgeltung der Arbeitsbedingungen bei der Betriebsveräußerung der Richtlinie. Daraus hat das Bundesarbeitsgericht den Schluss gezogen, eine Betriebsvereinbarung, die im Zuge eines Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB zum - individualrechtlichen - Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden sei, werde vor der Ablösung durch eine spätere Betriebsvereinbarung nicht in weiterem Umfang geschützt, als wenn sie kollektivrechtlich weitergegolten hätte. Im Verhältnis zu der neuen Betriebsvereinbarung gelte damit nicht das Günstigkeits-, sondern das Ablösungsprinzip (BAG vom 14.08.2001 - 1 AZR 619/00, DB 2002, 380).

Steht somit fest, dass die kollektivrechtliche Regelung in einer Betriebsvereinbarung auch nach ihrer Transformation in die individualrechtlichen Beziehungen der Parteien nach kollektivrechtlichen Kriterien einverständlich abgelöst werden kann, so gebietet die teleologische Reduktion des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB aus denselben Gründen darüber hinaus, dass sich der Arbeitgeber nach Ablauf der einjährigen Veränderungssperre auch einseitig von der Betriebsvereinbarung nach kollektivrechtlichen Prinzipien lossagen kann. Der Wortlaut des Gesetzes in § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB steht dem nicht entgegen, da er keine Aussage dazu macht, auf welche Weise nach Ablauf der einjährigen Veränderungssperre die Regelung in einer Betriebsvereinbarung abgelöst werden kann. Satz 3 des § 613 a Abs. 1 BGB besagt ebenfalls nichts Gegenteiliges. Der Vorschrift kann nichts Anderes entnommen werden, als dass vor Ablauf der Veränderungssperre die Betriebsvereinbarung ausschließlich durch kollektiven Vertrag und nach Ablauf der Jahresfrist a u c h durch kollektiven Vertrag abgelöst werden kann (zu letzterem s. Wank, NZA 1987, 505 (510)). Ein Verbot, eine Betriebsvereinbarung nach der Jahresfrist einseitig auch nach kollektivrechtlichen Kriterien ablösen zu können, enthält das Gesetz nicht. Bei anderer Auffassung wären die Arbeitnehmer im Falle eines Betriebsübergangs nach Ablauf der Jahresfrist stärker geschützt als vor dem Betriebsübergang. Eine solche Zwecksetzung lässt sich - gleichgültig, zu wievielen Betriebsübergängen hintereinander es gekommen ist - dem § 613 a BGB nicht entnehmen. Regelungsziel des § 613 a Abs. 1 BGB ist allein, dass auch im Fall eines Betriebsübergangs der Schutz der kollektivvertraglichen Regelung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen nicht verloren gehen soll. § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB stellt nur einen Auffangtatbestand für die Fälle dar, in denen die bis zum Betriebsübergang anzuwendenden Normen einer Betriebsvereinbarung nicht ohnehin weiter unmittelbar und zwingend für das von dem neuen Betriebsinhaber fortzuführende Arbeitsverhältnis gelten (BAG vom 21.02.2001 - 4 AZR 18/00, EzA § 613 a BGB Nr. 195; ErfK-Preis, aaO., Rz. 109, 110). Die individualrechtliche Lösung statt einer kollektivrechtlichen ist in § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB im Interesse des neuen Betriebsinhabers normiert worden (ErfK-Preis, aaO., Rz. 108). Der Wechsel von der kollektiv- auf die individualrechtliche Ebene sollte demzufolge allein dem Bestandsschutz, keinesfalls aber - abgesehen von der Veränderungssperre, die für ein Jahr einseitige kollektivrechtliche Maßnahmen verhindert - der individualrechtlichen Verstärkung der Position der Arbeitnehmer dienen. Dementsprechend ist Sinn des § 613 a BGB schließlich auch nicht, im Fall des Übergangs nur eines Betriebsteils die beim Betriebsveräußerer verbliebenen Arbeitnehmer schlechter zu stellen als die übernommenen Arbeitnehmer (s. dazu § 613 a Abs. 1 Satz 4, 1. Alt. BGB und Preis, aaO., Rz. 117).

Die Erkenntnis, sich von Betriebsvereinbarungen einseitig nach kollektivrechtlichen Grundsätzen lösen zu können, hilft zwar nicht weiter bei solchen, die auf erzwingbarer Mitbestimmung beruhen. Diese wirken nämlich im Anschluss an eine Kündigung nach (§ 77 Abs. 6 BetrVG). Die Nachwirkung kann nur durch kollektivrechtlichen Vertrag oder, falls - wie hier - kein Betriebsrat mehr besteht, durch individualrechtlichen Änderungsvertrag bzw. nach individualrechtlichen Kriterien zu beurteilende Änderungskündigung beendet werden (s. nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, 21. Aufl. 2002, § 77 Rz. 183). Anders ist dies jedoch bei gänzlich freiwilligen und bei teils freiwilligen, teils erzwingbaren Betriebsvereinbarungen wie den hier vorliegenden. Will der Arbeitgeber mit der Kündigung der Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung nur eine Verringerung des mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmens mit der Folge, dass kein Raum für eine Neuverteilung bleibt, herbeiführen, scheidet eine Nachwirkung aus (BAG vom 17.08.1999 - 3 ABR 55/98, EzA § 1 BetrAVG Nr. 2) und es verbleibt bei dem auf kollektivrechtlichem Wege herbeigeführten Ende der Betriebsvereinbarung.

b) Für die Entscheidung unerheblich ist, die Frage zu klären, ob das Schreiben der Beklagten vom 27.10.2000 als kollektivrechtliche Kündigung nach § 77 Abs. 5 BetrVG oder als individualrechtliche Kündigung bzw. Lossagung einzuordnen ist, die nach kollektivrechtlichen Maßstäben zu beurteilen ist. Beides führt zu demselben Ergebnis. Dass der Beklagten, weil bei ihr kein Betriebsrat besteht, ein Kündigungsadressat fehlte, ist unschädlich. In solchen Fällen hat der Arbeitgeber die Kündigung bzw. Lossagung von der Betriebsvereinbarung gegenüber allen betroffenen Arbeitnehmern zu erklären (Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, aaO., 77 Rz. 175; Berg in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 8. Aufl. 2002, § 77 Rz. 52).

c) Die Kündigung/Lossagung von den Betriebsvereinbarungen über die betriebliche Altersversorgung war wirksam, denn der Arbeitgeber kann nach § 77 Abs. 5 BetrVG auch Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung kündigen, ohne hierfür eine Rechtfertigung zu benötigen. Die Ausübung des Kündigungsrechts unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle (BAG vom 21.08.2001 - 2 ABR 44/00, DB 2002, 952). Allerdings sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Wirksamkeit und die Rechtsfolgen der Kündigung einer Betriebsvereinbarung zu unterscheiden. Die Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung eröffnet dem Arbeitgeber keine weitergehende Einwirkungsmöglichkeit auf die Versorgungsanwartschaften als der Abschluss einer Aufhebungs- oder Änderungsvereinbarung mit dem Betriebsrat. Die auch in § 75 BetrVG verankerten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit begrenzen die Wirkungen dieser rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmittel. Je stärker in den Besitzstand eingegriffen werden soll, desto gewichtiger müssen die Gründe des Arbeitgebers für den Eingriff sein. Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Prüfungsmaßstab durch folgende Dreiteilung präzisiert: Der auf seltene Ausnahmefälle begrenzte Eingriff in den bereits erdienten, nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 BetrAVG errechneten Teilbetrag setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse aus variablen, dienstzeitunabhängigen Berechnungsfaktoren (sog. erdiente Dynamik) können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für den Eingriff in dienstzeitabhängige Zuwächse genügen sachlich-proportionale Gründe (BAG, aaO).

Die Beklagte hat ausführlich unter Vorlage von Gutachten dazu vorgetragen, dass aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage triftige Gründe zum Eingriff in die erdiente Dynamik der Betriebsrente vorliegen. Der Kläger hat dies pauschal bestritten, ohne auch nur einen nachprüfbaren Gesichtspunkt darzulegen, warum die von der Beklagten vorgetragenen Daten falsch sein sollen. Demzufolge war insoweit der Vortrag der Beklagten als zugestanden zu werten. Der Auffassung des Klägers, die wirtschaftlichen Daten der Beklagten seien nicht mehr aktuell, ist entgegenzuhalten, dass Beurteilungsgrundlage für die erforderliche Prognose die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag ist, soweit daraus Schlüsse für die weitere Entwicklung gezogen werden können; dazu muss die bisherige Entwicklung über einen längeren, repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden (BAG vom 17.04.1996 - 3 AZR 56/95, EzA § 16 BetrAVG Nr. 30). Daran hat sich die Beklagte gehalten.

Soweit der Kläger meint, bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten müsse im Rahmen eines Konzerndurchgriffs auch diejenige des herrschenden Unternehmens einbezogen werden, beachtet er nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung. Für einen solchen Berechnungsdurchgriff müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zwischen dem Versorgungsschuldner und dem herrschenden Unternehmen muss eine verdichtete Konzernverbindung bestehen. Darüber hinaus muss die schlechte wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners darauf zurückzuführen sein, dass sich ein konzerntypisches Risiko realisiert hat. Dies ist der Fall, wenn die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausgeübt worden ist, die auf die Belange des abhängigen Tochterunternehmens keine angemessene Rücksicht genommen und so die mangelnde Leistungsfähigkeit der Versorgungsschuldnerin verursacht hat (BAG vom 23.10.1996 - 3 AZR 514/95, DB 1997, 1287). Für solche Zusammenhänge hat der Kläger keinen substantiierten Tatsachenvortrag unterbreitet.

3. Da die Beklagte mit ihrer Berufung obsiegt hat und der Kläger mit seinem Rechtsmittel unterlegen ist, muss letzterer nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 91, 97 ZPO die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Die Revision war nicht nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hat die Rechtsache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die angesprochenen Rechtsfragen höchstrichterlich insbesondere durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.08.2001 - 1 AZR 619/00, DB 2002, 380 als geklärt angesehen werden können.

Ende der Entscheidung

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