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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 01.09.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 1231/04
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 2 I
Zur Berechnung einer in der Versorgungsordnung vorgesehenen "Mindestrente" eines vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers, bei einer Gesamtversorgungsobergrenze
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 08.06.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 17 Ca 13483/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten über die Höhe der Betriebsrente. Der am 20.04.1941 geborene Kläger war in der Zeit vom 24.01.1962 bis zum 30.09.1994 bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger bezieht seit dem 01.08.2000 Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Beklagte zahlt eine Betriebsrente von 351,26 EUR monatlich. Auf die in der Sitzung vom 08.06.2004 überreichte Berechnung (Bl. 65 d.A.) wird verwiesen. Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe eine Mindestrente von monatlich 499,02 EUR zu, die er mit der vorliegenden Klage geltend macht. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien galten die Richtlinien für die betriebliche Altersversorgung vom 06.05.1968, die Erwerbsunfähigkeits-, Alters- und Hinterbliebenenrenten umfassten. Die Richtlinien haben, soweit das hier interessiert, im Abschnitt VIII B Ziffer 1a, 2a und b folgenden Wortlaut: 1. a. Die Erwerbsunfähigkeits- und Altersrente beträgt bei Ablauf der Wartezeit monatlich 15 % des letzten Grundgehaltes und steigt für jedes nach Erfüllung der Wartezeit im Unternehmen abgeleistete anrechnungsfähige Dienstjahr um monatlich 1 % des letzten Grundgehaltes. Zum Grundgehalt rechnen auch die darüber hinausgehenden, regelmäßigen monatlichen Bezüge; jedoch nicht fallweise bezahlte Überstunden, Sondervergütungen, Abschlussvergütungen, Weihnachtsvergütungen und ähnliche nicht regelmäßige Bezüge. 2. a. Die Bezüge des Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Versorgung werden durch Kürzung der Betriebsrente wie folgt begrenzt: Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren auf 65 % des letzten Grundgehaltes. Für jedes weitere Dienstjahr erhöht sich dieser Prozentsatz um 0,75 % bis zu höchstens 80 % bei 45 Dienstjahren. Bezüge des Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die auf freiwilliger Höherversicherung oder freiwilliger Weiterversicherung beruhen, bleiben unberücksichtigt.

b. Unabhängig von der Bestimmung in 2 a. wird die betriebliche Rente in jedem Falle mit einem Mindestrentenbetrag in Höhe von 40 % der gemäß 1. ermittelten Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente gewährt.

Seit 1980 versuchte die Beklagte mehrfach, im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die in den Richtlinien von 1968 enthaltenen Gesamtversorgungsobergrenzen entsprechend der Entwicklung der Nettoarbeitseinkommen abzuändern. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung. Die daraufhin errichtete Einigungsstelle beschloss am 04.12.1993, Abschnitt VIII B 2a und b wie folgt zu ändern: 2. a. Die Bezüge der Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Versorgung werden durch Kürzung der Betriebsrente wie folgt begrenzt:

Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren auf 59 % des letzten Grundgehaltes. Für jedes weitere Dienstjahr erhöht sich dieser Prozentsatz um 0,6 % bis zu höchstens 71 % bei 45 Dienstjahren. Bezüge der Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die auf freiwilliger Höherversicherung oder freiwilliger Weiterversicherung beruhen, bleiben unberücksichtigt. b. Unabhängig von der Bestimmung in 2. a wird die betriebliche Rente in jedem Fall mit einem Mindestrentenbetrag in Höhe von 40 % der gemäß 1. ermittelten Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente gewährt; sie darf jedoch zusammen mit der Sozialversicherungsrente 100 % des pensionsfähigen Nettoentgelts nicht überschreiten.

Die Beklagte berechnete die Betriebsrente nach diesem Spruch der Einigungsstelle. Der Kläger hat geltend gemacht, die von ihm beanspruchte Mindestrente von 976,-- DM = 499,02 EUR unterliege nicht der ratierlichen Kürzung. Er sei nicht freiwillig vorzeitig aus dem Unternehmen ausgeschieden, denn die Einstellung der Produktion und den Wegfall des Arbeitsplatzes habe er nicht zu vertreten. Die Beklagte hat demgegenüber geltende gemacht, die Betriebsrente sei allein nach § 2 des Betriebsrentengesetzes zu berechnen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn mit Wirkung ab 01.08.2000 eine Betriebsrente in Höhe von 499,02 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. I. Eine höhere Erwerbsunfähigkeitsrente als 351,26 EUR, die die Beklagte zahlt, steht dem Kläger nicht zu. Die von der Beklagten vorgenommene ratierliche Kürzung ist nicht zu beanstanden. Sie ergibt sich aus § 2 Abs. 1 des Betriebsrentengesetzes. Diese gesetzliche Berechnungsvorschrift in den Fällen vorzeitigen Ausscheidens greift unabhängig davon ein, ob der Arbeitnehmer freiwillig oder unfreiwillig ausgeschieden ist. Selbst in den Fällen der Insolvenz des Arbeitgebers und dadurch bedingtem vorzeitigen Ausscheiden ist ratierlich zu kürzen (vgl. § 7 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 2 BetrAVG). Auch die vom Kläger begehrte Mindestrente unterliegt im Streitfall der ratierlichen Kürzung unter Berücksichtigung der Gesamtversorgungsobergrenze. Die Berechnung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Im Einzelnen: 1. Der Kläger hatte bei seinem Ausscheiden eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erworben. Bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft sind Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen, wenn wie vorliegend nach den Versorgungsrichtlinien Betriebsrente und Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusammen eine Obergrenze nicht übersteigen dürfen. Die Richtlinien für die betriebliche Altersversorgung aus dem Jahre 1968 sehen in Abschnitt VIII B Ziffer 2.a eine bruttolohnbezogene Gesamtversorgungsobergrenze vor. Maßgebend für die Berechnung der Anwartschaft sind aber die Verhältnisse im Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers. Das gilt auch für die Berechnung der später zu erwartenden Sozialversicherungsrente. Der Kläger hatte bei seinem Ausscheiden ein pensionsfähiges Entgelt von 5.547,58 DM. Bis zum Versorgungsfall der Erwerbsunfähigkeit am 01.08.2000 hätte er bei 39 zurückgelegten Dienstjahren nach Abschnitt VIII B Ziffer 1 a i.V. mit Ziffer 2 a auf der Grundlage des Spruchs der Einigungsstelle rechnerisch eine Betriebsrente von 67,4 % von 5.547,58 DM = 3.739,07 DM. Anzurechnen ist die hochzurechnende Sozialversicherungsrente in Höhe von 2.809,80 DM, so dass sich eine mögliche Betriebsrente von 929,27 DM ergibt. Auf den so für den Versorgungsfall der Erwerbsunfähigkeit ermittelten Betrag ist der Zeitwertfaktor anzuwenden (BAG, Urteil vom 12.11.1991 - 3 AZR 520/90 - AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG). Der Zeitwertfaktor beträgt unstreitig 73,88 % (32,6889 : 44,2445). Daraus ergibt sich für den Versorgungsfall der Erwerbsunfähigkeit eine Rente von 351,26 EUR. 2. Die Mindestrente, auf die sich der Kläger demgegenüber beruft, ergibt keinen höheren Anspruch. a. Unstreitig beträgt die ungekürzte Mindestrente im Versorgungsfall 976,38 DM = 499,22 EUR. Die nach Abschnitt VIII B Ziffer 1 a zu ermittelnde Rente beläuft sich nämlich auf 2.440,94 DM (44 % von 5.547,58 DM). Diese Rente ist jedoch unter Berücksichtigung der Gesamtversorgungsobergrenze von 100 % des pensionsfähigen Nettoentgelts ratierlich zu kürzen, so dass sich ein Betrag von 518,81 DM = 265,26 EUR ergibt. Bei der Berechnung wurde entsprechend der Vorgehensweise der Beklagten im Hinblick auf die Nettoobergrenze bei der Sozialversicherungsrente der Krankenversicherungsbeitrag abgezogen. Im Versorgungsfalle rechnet sich somit ein Betrag von 3.555,66 DM (2.579,28 SVR + 976,38 DM Mindestrente), der den letzten Nettoverdienst von 3.281,51 DM um 274,15 DM übersteigt. Die auf 702,23 DM im Versorgungsfall verbleibende Mindestrente ergibt nach ratierlicher Kürzung mit dem Zeitwertfaktor 73,88 % den Betrag von 518,81 DM. Er liegt niedriger als die tatsächlich gezahlte Rente von 687,-- DM = 351,26 EUR. b. Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Klägers, dass die Mindestrente weder einer Obergrenze noch einer ratierlichen Kürzung unterliegt. aa. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die von der Einigungsstelle auch bezüglich der Mindestrente beschlossene Gesamtversorgungsobergrenze angewandt hat. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 28. Juli 1998 - 3 AZR 77/98 - (nicht amtlich veröffentlicht) auch zur Frage der Mindestrente im Versorgungswerk der Beklagten Stellung genommen und ausgeführt, dass der später eingetretene Umfang der Überversorgung planwidrig gewesen war und auch die Mindestversorgung der zwischenzeitlichen Entwicklung angepasst werden durfte. Dieser Auffassung ist unter Berücksichtigung des Umstandes zu folgen, dass die Beklagte im Rahmen der Nettoobergrenze nicht die Bruttorente berücksichtigt, sondern die Sozialversicherungsrente nach Abzug der Beiträge zur Krankenversicherung in Ansatz bringt. Soweit das BAG in einer anderen Entscheidung vom 06.04.1993 - 3 AZR 527/92 - auch bei einer Nettoobergrenze für die Gesamtversorgung die Bruttorente unter Einschluss des Eigenanteils des Rentners zur Krankenversicherung anrechnet, lag dem ein anderer Sachverhalt zugrunde, bei dem bereits vorher eine Gesamtversorgungsobergrenze bestand und diese nur abgesenkt worden ist. bb. Der für den Versorgungsfall der Erwerbsunfähigkeit per 01.08.2000 unter Beachtung der Nettoobergrenze ermittelte Mindestrentenbetrag von 702,23 DM unterliegt einer ratierlichen Kürzung, weil der Kläger vor dem Versorgungsfall aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Die Kammer verkennt nicht, dass eine zugesagte "Mindestrente" auch einen Verzicht auf eine zeitanteilige Kürzung beinhalten kann. Dies ist eine Frage der Auslegung der Versorgungszusage. Von § 2 Abs. 1 BetrAVG kann zugunsten der Anwartschaftsberechtigten abgewichen werden. Die Versorgungsordnung enthält aber keine Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Besserstellung vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer gewollt war. Im Gegenteil: Die vor dem Betriebsrentengesetz erlassene Versorgungsordnung der Beklagten machte die Zahlung von Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrenten davon abhängig, dass der Arbeitnehmer nicht vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Unternehmen ausscheidet (Abschnitt X der Versorgungsrichtlinien). Diese Einschränkung verstößt zwar gegen die Unverfallbarkeitsvorschrift des § 1 BetrAVG und ist nach § 17 Abs. 3 BetrAVG, § 134 BGB unwirksam. Aus dieser Regelung ergibt sich aber, dass vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht mehr als die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Betriebsrente erhalten sollen (BAG, Urteil vom 28.07.1998 aaO).

Das in § 2 Abs. 1 BetrAVG enthaltene Quotierungsprinzip trägt dem Umfang der Betriebstreue Rechnung. Dies gilt auch für den Arbeitnehmer, der die "Mindestrente" in Anspruch nehmen will. Der Begriff "Mindestrente" meint mangels anderer Anhaltspunkte in der Versorgungsordnung im Zweifel nur den Versorgungsanspruch bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt des Versorgungsfalles und nicht den Verzicht auf eine gesetzlich vorgeschriebene zeitanteilige Kürzung, wie sie § 2 Abs. 1 BetrAVG vorsieht (BAG, Urteil vom 04.10.1994 - 3 AZR 215/94 - NZA 1995, Seite 788). cc. Auch bei Anwendung der Nettoobergrenze und der ratierlichen Kürzung ist bei der Berechnung der Mindestrente die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass diese zunächst unabhängig von der Obergrenze ratierlich zu berechnen und der so ermittelte Betrag erst bei Überschreiten der Obergrenze zu kürzen ist. Bei einem solchen Vorgehen beliefe sich die ratierlich gekürzte Mindestrente auf 721,35 DM (73,88 % von 976,38 DM). Wird dieser Betrag zusammen mit der anrechenbaren Sozialversicherungsrente an der Gesamtversorgungsobergrenze von 100 % des letzten Nettoentgelts (3.281,51 DM) gemessen, wäre die zeitanteilig gekürzte Mindestrente nur um 19,12 DM zu kürzen (2.579,28 DM SVR + 721,35 DM = 3.300,63 DM - 3.281,51 DM). Die Mindestrente beliefe sich auf 702,23 DM = 359,04 EUR und läge damit über der von der Beklagten gezahlten Betriebsrente von 351,26 EUR. Eine solche Auslegung einer Höchstbegrenzungsklausel hat das BAG im Zweifel in den Fällen angenommen, in denen der Arbeitnehmer vorzeitig in den Ruhestand getreten ist, weil die Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 BetrAVG ein Versorgungsfall sei. Die darauf zugeschnittene Auslegungsregel lässt sich nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalls übertragen. Für diese Fallgestaltung enthält § 2 BetrAVG eine gesetzliche Berechnungsvorschrift (BAG, Urteil vom 28.07.1998 aaO).

Allein der Umstand, dass die Begrenzungsklausel bei der Mindestrente - ebenso wie bei der Rente in Abschnitt VIII B 2a des Versorgungswerks - Überversorgung verhindern will, rechtfertigt es noch nicht, die Gesamtversorgungsgrenze erst auf die zeitanteilig ermittelte Rente anzuwenden. Würde die Mindestrente zunächst unabhängig von der Gesamtversorgungsobergrenze ermittelt und ratierlich gekürzt, erhielte der vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer dieselbe Mindestrente wie derjenige, der bis zum Versorgungsfall im Unternehmen verblieben ist, nämlich 702,23 DM = 359,04 EUR. Anhaltspunkte für eine solche Gleichstellung unterschiedlicher Sachverhalte lassen sich dem Versorgungswerk nicht entnehmen. Die Begrenzungsklausel ist auch bei der Mindestrente als Berechnungsvorschrift im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems zu verstehen mit der Konsequenz, dass die festgelegte Gesamtversorgungsobergrenze nach § 2 Abs. 1 BetrAVG bereits bei der Berechnung des Teilanspruchs zu berücksichtigen und nicht erst auf die zeitanteilig ermittelte Rente anzuwenden ist. Auf die vorstehend erörterte Möglichkeit der differenzierten Auslegung und Berechnung der Mindestrente hat sich der Kläger im Übrigen nicht berufen. II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. III. Für die Zulassung der Revision fehlt es am gesetzlichen Grund. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde unter den Voraussetzungen des § 72 a ArbGG wird verwiesen.

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