Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 03.04.2008
Aktenzeichen: 10 Sa 1352/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Hat der Arbeitgeber in einem Zweischichten-Betrieb einer Arbeitnehmerinn den ausschließlichen Einsatz in der Frühschicht zugestanden, damit sie sich um ihre vormittags betreuten Kinder nachmittags kümmern kann, entfällt der Anspruch auf diesen Einsatz mit dem Wegfall des familiären Grundes. Es bedarf keiner Änderungskündigung, wenn die Zweckbestimmung abrede immanent ist.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.09.2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen - 2 Ca 3273/06 - abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hat, im Warenhaus der Beklagten nur in der Frühschicht eingesetzt zu werden.

Die Klägerin wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma A , zum 15.02.1989 eingestellt und im Kassenbereich eingesetzt. Ihre wöchentliche Arbeitszeit beträgt 26,25 Stunden. Im Arbeitsvertrag ist eine bestimmte Arbeitszeitlage nicht festgeschrieben. Die Klägerin war von 1999 bis 2006 Betriebsratsvorsitzende.

Im Betrieb der Beklagten gibt es eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeiten. Nach § 8 dieser Betriebsvereinbarung arbeiten die Beschäftigten - sofern arbeitsvertraglich nichts Abweichendes geregelt ist - grundsätzlich im Zweischichtsystem. Hierzu werden Beschäftigte einer Abteilung gleichmäßig im regelmäßigen wöchentlichen Wechsel zu je 5 Tage Früh- und je 5 Tage Spätdienst eingeteilt. Vor Einstellung des Besetzungsplans sind die Arbeitszeitwünsche von dem Planungsverantwortlichen abzufragen, damit die sozialen Belange der Beschäftigten bei der Einteilung der Arbeitszeit gemäß § 5 Abs. 3 MTV Einzelhandel NRW berücksichtigt werden können (§ 8 Nr. 3 der Betriebsvereinbarung).

Seit November 1990 arbeitete die Klägerin im Frühdienst. Er umfasste die Zeit von 08:00 Uhr bis 14:00 Uhr. Am 13.11.1990 hat der Betriebsrat eine interne Mitteilung an die damalige Geschäftsleitung gerichtet, mit der er den Arbeitszeiten der Klägerin montags bis freitags von 09:00 Uhr bis 14:00 Uhr und samstags 14-tägig kurz und lang zugestimmt hat. Die Zustimmung zur Arbeitszeit am Samstag galt danach nur bis zum 31.12.1990 (Bl. 14 d. A.).

In der Woche vom 31.07.2006 bis 06.08.2006 wurde die Klägerin von der Betriebsleitung in dem Besetzungsplan für die Zeit von 15:00 Uhr bis 20:10 Uhr montags bis donnerstags und von 15:25 Uhr bis 20:10 Uhr am Samstag eingesetzt.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Arbeitseinsatz außerhalb der Frühschicht. Sie hat behauptet, im November 1990 sei mit dem Betriebsleiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten, dem Zeugen K , vereinbart worden, was zu der internen Mitteilung des Betriebsrats an die Geschäftsleitung geführt habe, nämlich ein Einsatz innerhalb der Frühschicht. Die Klägerin hat auf die Notwendigkeit der Betreuung ihrer beiden im Jahre 1985 und 1987 geborenen Kinder hingewiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Arbeitszeit der Klägerin innerhalb der nachfolgenden Zeiten liegt:

Montag bis Freitag von 08:00 Uhr bis 14:00 Uhr und alle 14-Tage Samstag von 08.00 Uhr bis 16:00 Uhr.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die behauptete Vereinbarung über einen Arbeitseinsatz nur im Frühdienst bestritten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht unter anderem ausgeführt, auch der Zeuge K , der Marktleiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten, habe sich noch daran erinnern können, dass es mit der Klägerin ein Gespräch über ihre häusliche Situation mit ihrer Familie gegeben habe. Dies habe das Gericht in seiner Ansicht bestärkt, dass es in diesem Zusammenhang auch die Regelung bezüglich der Arbeitszeiten der Klägerin gegeben habe; es habe für die Klägerin kein Anlass bestanden, mit der Geschäftsleitung über die Situation ihrer Familie zu sprechen, wenn dies nicht Konsequenzen für die Arbeitsbedingungen hätte haben sollen (Seite 6 des Urteils, Bl. 93 d. A.).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die vorträgt, der damalige Geschäftsleiter ihrer Rechtsvorgängerin habe zwar keine Einwände erhoben, die Klägerin zunächst nur vormittags arbeiten zu lassen, allerdings nur zum Zwecke der Kinderbetreuung. Nach der Betriebsvereinbarung hätten die Beschäftigten grundsätzlich im Zweischichtsystem zu arbeiten. Dies müsse auch für die Klägerin gelten. Bis 2006 habe sie immer im Frühdienst eingesetzt werden können, weil sie damals noch Betriebsratsvorsitzende gewesen sei und aus diesem Grunde ohnehin weniger Arbeitszeit auf die betriebliche Tätigkeit verwendet worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet eine verbindliche Abrede auf unbestimmte Dauer. Dementsprechend sei bis Anfang August 2006 auch verfahren worden. Dass es keine schriftliche Abrede über bestimmte Arbeitszeiten gebe, sei im Betrieb üblich. Es gebe zahlreiche Individualvereinbarungen zur Arbeitszeit. Nach dem Vortrag der Beklagten sind diese allerdings schriftlich vereinbart und beliefen sich in einer Größenordnung von 10 - 20 von 150 Arbeitnehmern.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Die nach § 256 ZPO zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, stets nur innerhalb der Frühschicht eingesetzt zu werden.

I. Selbst wenn mit dem Arbeitsgericht von einer im November 1990 getroffenen Vereinbarung über einen Einsatz nur in der Frühschicht ausgegangen wird, muss berücksichtigt werden, in welchem Zusammenhang diese Vereinbarung steht. Das Arbeitsgericht führt in seinem Urteil selbst aus, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Vereinbarung im Zusammenhang mit der familiären Situation der Klägerin stand, auf die Rücksicht genommen werden sollte.

Vor diesem Hintergrund ist die Vereinbarung nach §§ 133, 157 BGB in ihrer Reichweite nicht dahingehend auszulegen, dass sie unabhängig vom familiären Grund Verbindlichkeit entfalten soll und auch Gültigkeit beansprucht, wenn es keinen familiären Grund mehr gibt. So liegt der Fall hier unter Berücksichtigung der Erörterung in der Berufungsverhandlung und der Erklärung der Klägerin, dass auch der zweite in Betracht zu ziehende familiäre Grund, die Betreuung ihres Vaters, durch dessen zwischenzeitlichen Tod entfallen ist.

Diesem rechtlichen Ergebnis steht nicht entgegen, dass eine zeitliche Begrenzung des Arbeitseinsatzes nur in der Frühschicht nicht ausdrücklich vereinbart worden ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich nicht von vorneherein die Dauer der Kinderbetreuung fixieren lässt. Entscheidend ist die abredeimmanente Zweckbestimmung. Sie spricht gegen eine Verbindlichkeit des ausschließlichen Einsatzes im Frühdienst auch dann, wenn die Kinderbetreuung entfallen ist. Es gibt keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte gegenüber der Klägerin für alle Zeiten unabhängig vom vorgetragenen Grund der Sonderregelung binden wollte. Dagegen spricht zum einen die betriebliche Regelung über den Einsatz grundsätzlich im Zweischichtensystem. Außerdem muss auch für die Klägerin erkennbar gewesen sein, dass sich die Frage der Vereinbarkeit mit der Kinderbetreuung auch für andere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen stellt, und zwar nicht nur hinsichtlich der Frage der Teilzeitarbeit, sondern auch der Lage der Arbeitszeit mit Rücksicht auf die Kinderbetreuung. Mangels entgegenstehender greifbarer Anhaltspunkte konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesichtspunkt der Kinderbetreuung die Verpflichtung zum Einsatz ausschließlich im Frühdienst bis zum Rentenalter festschreiben und damit auch die Möglichkeit des Arbeitgebers zu Lasten anderer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eingeschränkt werden sollte, kinderbetreuungsbedingte Frühschichteinsätze für diesen Personenkreis offen zu halten. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, eine Änderungskündigung auszusprechen, da die zeitlich begrenzte Kinderbetreuung als Sonderregelung gegenüber dem betrieblichen Zweischichtsystem abredeimmanent war.

Der Umstand, dass die Klägerin bis 2006 in der Frühschicht gearbeitet hat und damit offensichtlich auch in Zeiten, in denen der Grund der Kinderbetreuung nicht mehr bestand, hat die arbeitsvertragliche Abrede aus dem Jahre 1990 nicht im Nachhinein dahingehend konkretisiert, dass die Klägerin nach wie vor einen strikten Rechtsanspruch auf Arbeitseinsatz im Frühdienst hätte. Die zeitliche Dauer allein begründet keinen Anspruch. Soweit die Klägerin in der Protokollerklärung vom 26.09.2007 vor dem Arbeitsgericht die Pflege ihres Vaters angesprochen hat, die vormittags durch eine Pflegerin und nachmittags durch sie erfolgt ist, ist dieser familiäre Grund durch den Tod ihres Vaters entfallen.

II. Für den Frühdiensteinsatz an Samstagen gilt das zuvor Ausgeführte entsprechend. Insoweit kann sich die Klägerin bereits nicht auf die interne Mitteilung des Betriebsrats vom 13.11.1990 berufen, weil die Regelung zur Samstagsarbeit - unabhängig von einem familiären Grund - nur bis zum 31.12.1990 Geltung haben sollte. Dass der Betriebsrat ausweislich der Bekundung des Zeugen M diese Arbeitszeiten über das Jahresende 1990 hinaus "ohne einen entsprechenden Beschluss geduldet" hat, besagt nichts über einen individualrechtlichen Anspruch der Klägerin auf bestimmte Arbeitszeiten an Samstagen.

III. Steht somit der Klägerin kein strikter Rechtsanspruch auf Arbeitseinsätze ausschließlich im Frühdienst zu, kann die Zuweisung von Arbeit zu anderen Zeiten gleichwohl rechtsfehlerhaft sein, wenn der Arbeitgeber bei Ausübung seines Direktionsrechts nicht nach billigem Ermessen verfährt (§§ 106 GewO, 315 BGB). Die Beklagte darf nicht willkürlich vorgehen, sondern hat die Interessen beider Seiten zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 11.02.1998 - 5 AZR 492/97 -).

Das der Beklagten grundsätzlich zustehende Ermessen ist bei der Klägerin nicht dahingehend eingeschränkt, dass sie diese billigerweise nur in der Frühschicht einsetzen muss. Auf Seiten der Beklagten ist anzuerkennen, dass sie auch die Klägerin flexibel einsetzen kann und auch am Nachmittag arbeitet. Auch andere Arbeitnehmerinnen im Kassenbereich wollen nach der Erklärung der Beklagten im Termin vor dem Arbeitsgericht vom 26.09.2007 nicht nur nachmittags arbeiten. Grundsätzlich gilt das Zweischichtsystem im Betrieb. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin, nachdem sie nicht mehr Betriebsratsvorsitzende ist und für die betriebliche Tätigkeit in größerem Umfang zur Verfügung steht, am Zweischichtsystem teilnehmen soll. Demgegenüber hat die Klägerin kein besonderes Interesse vorgetragen, dass auch heute noch ihren ausschließlichen Einsatz im Frühdienst rechtfertigt. Im vorliegenden Verfahren geht es nur um die Frage des Rechtsanspruchs der Klägerin auf bestimmte Arbeitszeiten. Ob die Beklagte im Einzelfall ihr Weisungsrecht durch Zuweisung bestimmter Zeiten rechtsfehlerfrei ausübt und bei den jeweiligen Dienst- bzw. Besetzungsplänen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beachtet, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

V. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da es hierfür am gesetzlichen Grund fehlt.

Ende der Entscheidung

Zurück