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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 766/06
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 7 Abs. 2
Zur Frage der Wirksamkeit der nachträglichen Heraufsetzung der Altersgrenze bei Frauen vom 60. auf das 65. Lebensjahr in der betrieblichen Altersversorgung.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 24.05.2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 20 Ca 9120/05 - wird mit der Maßgabe kostenpflichtig zurückgewiesen, dass der Klägerin ab 01.07.2005 eine monatliche Altersversorgungsleistung in Höhe von 295,11 Euro und eine zusätzliche einmalige Kapitalzahlung von 10.292,91 Euro zusteht.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der der Klägerin zustehenden insolvenzgeschützten betrieblichen Altersversorgung, insbesondere darüber, ob bei der Berechnung der Besitzstandsrente beim Zeitwertfaktor das 60. oder 65. Lebensjahr als Altersgrenze zugrunde zu legen ist.

Die am 06.01.1945 geborene Klägerin war vom 01.07.1971 - 31.08.2003 bei der Firma M GmbH B bzw. deren Rechtsnachfolgerin M N GmbH beschäftigt. Der Klägerin war eine Altersversorgung nach der Versorgungsordnung von Oktober 1976 zugesagt. Mit Wirkung vom 01.01.1989 wurde diese Versorgungsordnung durch die vom 28.02.1989 (Bl. 165 - 172 d. A., inhaltsgleich vom 22.03.1989, Bl. 11 - 18 d. A.) ersetzt. Für Betriebsangehörige, die vor dem 01.01.1989 bei der Firma eingetreten waren und weiterhin in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen, galt eine separate Besitzstandsregelung. Diese Besitzstandsregelung vom 28.02.1989 (Bl. 19 d. A.) bestimmt :

"1. Alle Betriebsangehörige, die vor dem 1.1.1930 geboren sind, erhalten ihre Versorgungsleistungen nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung vom Oktober 1976.

2. Alle Betriebsangehörige, die nach dem 31.12.1929 geboren sind und vor dem 1.1.1989 in die Dienste der Firma M GmbH (oder deren Rechtsvorläufer) getreten sind, erhalten

1. eine Besitzstands-Rente für die Dienstzeit vor dem 1.1.1989 nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung vom Oktober 1976 und den Vorschriften des § 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) und

2. ein Versorgungskapital für die Dienstzeit ab dem 1.1.1989 in Höhe von 40 % des bei Umstellung (31.12.1988) gültigen rentenfähigen Arbeitsverdienstes für jedes anrechenbare Dienstjahr.

2. Die Höhe der betrieblichen Altersversorgung (Besitzstands-Rente und Versorgungskapital) bei Erreichen der Altersgrenze (65 bei Männer, 60 bei Frauen), bei Eintritt der Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit (nach Erfüllen der Wartezeit) und bei Tod wird jedem einzelnen mitgeteilt.

Bei der Berechnung des Invalidenkapitals und des davon abgeleiteten Witwen- oder Witwerkapitals (60 % des Invalidenkapitals) werden die Dienstjahre bis Alter 55 (mindestens aber 5 Dienstjahre) hinzugerechnet (Zurechnungszeit).

Die Besitzstands-Rente wird analog der individuellen Gehaltsentwicklung angepasst, während die Höhe des Kapitalbetrages in der noch abzuleistenden Dienstzeit konstant bleibt.

3. Für die Besitzstands-Rente gelten die Rahmenbestimmungen der Versorgungsordnung vom Oktober 1976 und für das Versorgungskapital die Rahmenbestimmungen der Versorgungsordnung vom 28.2.1989."

Mit einem "Nachtrag zur Versorgungsordnung vom 28.02.1989" setzte die Firma mit Wirkung vom 01.12.1992 folgende Änderung in Kraft:

"In Übereinstimmung mit dem Rentenreformgesetz 1992 gilt für Frauen und Männer das 65. Lebensjahr als Altersgrenze. Wird von der Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme (§ 41 SGB VI) Gebrauch gemacht, wird entsprechend der Versorgungsordnung ebenfalls vorzeitig das betriebliche Alterskapital gewährt."

Am 01.06.2003 wurde über das Vermögen der Firma M N GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin schied aufgrund eines Aufhebungsvertrages vom 19.03.2003 mit Ablauf des 31.08.2003 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Die der Klägerin aus dem Versorgungswerk von 1989 zustehenden unverfallbaren Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung blieben durch die Aufhebungsvereinbarung unberührt. Seit dem 01.07.2005 bezieht die Klägerin Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Mit Leistungsbescheid vom 03.11.2005 (Bl. 47 - 48 d. A.) errechnete der Beklagte eine monatliche Rente von 310,52 € und einen Kapitalbetrag von 1.653,60 €. Beim Zeitwertfaktor legte der Beklagte auch bei der Besitzstandsrente das 65. Lebensjahr als feste Altersgrenze zugrunde.

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr stehe eine monatliche Leistung in Höhe von 295,84 € sowie eine einmalige Kapitalzahlung von 12.416,00 € zu. Bei der Berechnung des Zeitwertfaktors sei vom 60. und nicht vom 65. Lebensjahr als fester Altersgrenze auszugehen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Aufhebung der Leistungsbescheide vom 25.07.2005 und vom 02.11.2005, jeweilige PSVaG-Nr. 2003.0242.5039, einen Leistungsbescheid (Mitteilung gemäß § 9 Abs. 1 BetrAVG) über eine monatliche Altersversorgungsleistung ab 01.07.2005 in Höhe von 295,84 € (Besitzstandsrente) und über eine zusätzliche, einmalige Kapitalzahlung in Höhe von 12.416,00 € zu erteilen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Erteilung eines Leistungsbescheides mit dem Inhalt einer monatlichen Altersversorgungsleistung ab 01.07.2005 in Höhe von 295,11 € und einer zusätzlichen einmaligen Kapitalleistung von 10.292,91 € stattgegeben und sie im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Nach seiner Rüge, dass das Klagebegehren mit dem erstinstanzlich gestellten Antrag bereits unzulässig sei, hat die Klägerin in der Berufung ihre Klage umgestellt und unter hilfsweiser Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Antrags zuletzt beantragt,

festzustellen, dass ihr eine monatliche Altersversorgungsleistung ab 01.07.2005 in Höhe von 295,11 € und eine zusätzliche einmalige Kapitalzahlung in Höhe von 10.292,91 € zusteht.

Der Beklagte hat erklärt, dass er gegen die Klageumstellung keine Bedenken habe. Er beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, als einheitliche Versorgung seien Besitzstandsrente und die zusätzliche Kapitalleistung mit gleichem Zeitwertfaktor zu berechnen, wobei von dem 65. Lebensjahr auszugehen sei. Der Nachtrag vom 01.12.1992 nehme ausdrücklich auf die Besitzstandsrente Bezug, denn er verweise in seiner Überschrift auf die Versorgungsordnung vom 28.02.1989, dem Datum der Besitzstandsregelung. Die der Klägerin individualvertraglich erteilte Versorgungszusage sei durch den Nachtrag abgelöst worden. In die Rechte der Klägerin sei dadurch nicht eingegriffen worden. Die auf das 65. Lebensjahr als Altersgrenze bezogene zeitanteilige Berechnung ergebe einen Zeitwertfaktor von 0,829004. Wende man diesen Zeitwertfaktor auf die einzelnen Rententeile an, ergebe sich als Kapitalleistung der vom Arbeitsgericht ermittelte Betrag von 10.292,91 € und eine laufende Rente von 257,42 €, die unterhalb des vom Arbeitsgericht angenommenen Betrages von 295,11 € liege. Nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnet hätte eine solche Rente in Höhe von 257,42 € monatlich zzgl. einer Einmalleistung von 10.092,91 € einen Rentenwert von 320,70 € monatlich. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag begründet.

I. Die Umstellung des Klageantrags entspricht dem von der Klägerin von Anfang an verfolgten Klageziel, eine den Beklagten bindende Entscheidung über die Höhe der insolvenzgeschützten Betriebsrente zu erhalten. Mit dem Antrag auf Erteilung eines Leistungsbescheides kann sie dieses Klageziel nicht erreichen, da er nur deklaratorische Wirkung hat. Ansprüche gegen den Träger der Insolvenzsicherung entstehen allein aufgrund der §§ 7 Abs. 1, Abs. 2 BetrAVG (Blomeyer, BetrAVG, 4. Aufl., § 9 Rdnr. 14 m. N.). Da der Beklagte als Träger der Insolvenzsicherung den Leistungsanspruch der Klägerin inhaltlich feststellt, ihn aber nach § 8 Abs. 1 BetrAVG einem Konsortium von Lebensversicherungen übertragen hat und mit der Schuldübernahme für eine Leistungspflicht nicht (mehr) passivlegitimiert wäre (Blomeyer a. a. O., § 8 Rdnr. 15 - 16), bestehen gegen eine Feststellungsklage gegen den Beklagten keine Bedenken (vgl. Blomeyer a. a. O., § 7 Rdnr. 317 m. N.).

II. Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 3, S. 4 BetrAVG i. V. m. der Besitzstandsregelung vom 28.02.1989. Nach Ziffer 2 der Besitzstandsregelung hat die Klägerin, die nach dem 31.12.1929 geboren ist und vor dem 01.01.1989 in die Dienste der Firma M GmbH getreten ist, Anspruch auf eine Besitzstandsrente für die Dienstzeit vor dem 01.01.1989 nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung vom Oktober 1976 und den Vorschriften des § 2 BetrAVG sowie einen Anspruch auf ein Versorgungskapital für die Dienstzeit ab dem 01.01.1989 in Höhe von 40 % des bei Umstellung (31.12.1988) gültigen rentenfähigen Arbeitsverdienstes für jedes anrechenbare Dienstjahr. Aus Ziffer 3 Abs. 3 der Besitzstandsregelung ergibt sich, dass die Besitzstandsrente dienstzeitunabhängig bezogen auf die Zeit ab 01.01.1989 mit Gehaltsdynamik ausgestattet ist, während die Höhe des Kapitalbetrages als weitere Komponente der betrieblichen Altersversorgung in der Höhe konstant bleibt, aber bezogen auf die Zeit ab 01.01.1989 dienstzeitabhängig ist.

1. Besitzstandsrente

a) Der mögliche Versorgungsanspruch bis Vollendung des 60. Lebensjahres beträgt unstreitig 310,52 € monatlich (0,8 % x 34 Jahre, max. 20 % (gemäß Versorgungszusage 1976) von 5.827,40 DM = 1.165,48 DM x 210 Monate bis 31.12.1988 / 403 Monate bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres = 607,32 DM = 310,52 €).

Aufgrund der Insolvenz unterliegt die Besitzstandsrente gemäß § 7 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 BetrAVG einer (weiteren) ratierlichen Kürzung mit der Maßgabe, dass gemäß der Versorgungszusage die Vollendung des 60. Lebensjahres als feste Altersgrenze anzusehen ist. Dies führt bei einem Zeitwertfaktor von 0,9503722 (383 Monate bis zum Insolvenzstichtag / 403 Monate) zu 295,11 € als dem rentenförmigen Teil der betrieblichen Altersversorgung.

b) Das Berufungsgericht teilt nicht die Auffassung des Beklagten, dass wegen des Nachtrags vom 01.12.1992 von dem 65. Lebensjahr als Altersgrenze auszugehen sei, was zu einem Zeitwertfaktor von 0,829004 (383 / 462 Monate) und einem Wert für die periodische Leistung von 257,42 € führe. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 2. HS BetrAVG tritt an die Stelle des 65. Lebensjahres ein früherer Zeitpunkt, wenn dieser in der Versorgungsregelung als feste Altersgrenze vorgesehen ist. So ist es hier. Die Versorgungsordnung 1976 und die Besitzstandsregelung vom 28.02.1989 bestimmen bei Frauen die Vollendung des 60. Lebensjahres als feste Altersgrenze. Der Nachtrag vom 01.12.1992 hat daran aus mehreren Gründen nichts geändert.

aa) Es fehlt bereits an einer Rechtsgrundlage dafür, dass der Nachtrag Inhalt einer für die Klägerin verschlechternden Versorgungszusage geworden ist. Unstreitig hat die vormalige Arbeitgeberin der Klägerin sämtliche Versorgungszusagen auf individualrechtlicher Grundlage erteilt. Ist für die vorausgesetzte Betriebstreue die Vollendung des 60. Lebensjahres vereinbart, ist eine Änderung grundsätzlich nur über einen Änderungsvertrag oder einseitig über eine Änderungskündigung möglich. Solche individualrechtlichen Gestaltungsmittel zur Ablösung einer Versorgungszusage sind nicht vorgetragen. Das gilt auch für eine grundsätzlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit einer konkludenten Vertragsänderung. Das bloße Schweigen der Klägerin kann nicht ohne weiteres als Annahme eines Vertragsänderungsangebots gewertet werden. Schweigen stellt in der Regel keine Willenserklärung dar, also auch keine Annahme eines Angebots zur Änderung eines bestehenden Vertrages. Wer auf ein Angebot nicht reagiert, stimmt diesem nicht zu, wie sich aus § 147 Abs. 2 BGB ergibt. Das Gesetz regelt selbst die Fälle, in denen ausnahmsweise Schweigen als Annahmeerklärung gewertet wird (§ 516 BGB, § 362 Abs. 1 HGB). Vor allem in Fällen einer Offerte zwecks nachteiliger Veränderung einer bestehenden Vertragssituation kann nicht unterstellt werden, dass derjenige, der nicht reagiert, mit dem ihm angesonnenen Nachteil einverstanden ist. Nur unter besonderen Umständen kann Schweigen des Erklärungsempfängers als Zustimmung zu verstehen sein, wenn nämlich der Erklärende nach Treu und Glauben annehmen durfte, der andere Vertragsteil würde der angebotenen Vertragsänderung widersprechen, wenn er ihr nicht zustimmen wolle (vgl. BAG, Urteil vom 14.08.1996 - 10 AZR 69/95 - DB 1996, 2547). Solche Umstände sind hier nicht vorgetragen.

Betriebliche Einheitsregelungen wie vorliegend können zwar mit kollektivrechtlichen Gestaltungsmitteln wie Betriebsvereinbarungen abgelöst bzw. geändert werden, wenn sie betriebsvereinbarungsoffen sind. Insoweit rügt der Beklagte zu Recht in Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil, dass sich vorliegend die Frage der Betriebsvereinbarungsoffenheit überhaupt nicht stellt, weil eine Betriebsvereinbarung nicht vorliegt. Der Nachtrag vom 01.12.1992 ist ein einseitiger Akt der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin.

Das Berufungsgericht teilt jedoch nicht die Auffassung des Beklagten, der Nachtrag sei deshalb Inhalt der Versorgungszusage geworden, weil allein darauf abzustellen sei, ob hierdurch in die Rechte der Klägerin eingegriffen worden sei, was nicht der Fall sei; die betriebliche Gesamtversorgung unter Berücksichtigung der Verrentung der Kapitalleistung ergebe einen Wert von monatlich 320,70 € und liege damit über der Besitzstandsrente. Mit dieser Begründung lässt sich die Geltung des Nachtrags nicht rechtfertigen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei der Erhöhung der festen Altersgrenze in der Zusage um eine für die Klägerin nachteilige Regelung handelt, die nicht ohne ihre Zustimmung Geltung beanspruchen kann (vgl. zur aktuellen Frage der Heraufsetzung der festen Altersgrenze auf 67: Reichenbach/Grüneklee, DB 2006, 2234, 2236).

Die einseitige Änderung der Versorgungszusage durch den Nachtrag wäre nur bei einem wirksamen (Teil-)widerruf gegeben. Einen möglicherweise konkludent anzunehmenden Widerruf hat der Beklagte nicht geltend gemacht, sondern nur darauf abgestellt, ob durch die Änderung in Rechte der Klägerin eingegriffen worden sei. Selbst wenn der in Ziffer XI der Versorgungsordnung vom 28.02.1989 enthaltene Änderungs- bzw. Widerrufsvorbehalt berücksichtigt wird und ein entsprechender Sachvortrag des Beklagten unterstellen würde, änderte sich am Ergebnis nichts. Ziffer XI enthält die üblichen steuerunschädlichen Widerrufsvorbehalte in Gestalt des allgemeinen und speziellen Vorbehalts i. S. der Schreiben des BdF vom 30.06.1975 - BStBl. I S. 716 - und der ESt-RiL 2005 zu § 6 a EStG. Zu diesen Widerrufsvorbehalten gehört auch der in Ziffer XI Nr. 1 b der VO 1989 aufgenommene besondere Widerrufsgrund für den Fall, dass "der Personenkreis, die Beiträge, die Leistungen oder das Pensionierungsalter bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder anderen Versorgungseinrichtungen mit Rechtsanspruch sich wesentlich ändern". Nach ständiger Rechtsprechung haben die steuerunschädlichen sog. Mustervorbehalte wie vorliegend keine weitergehende Bedeutung als die Berufung auf eine Störung der Geschäftsgrundlage. Sie erfassen ausschließlich Fallgestaltungen, die als Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) oder nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bereits nach allgemeinen Rechtsprinzipien zu einem Ausschluss oder einer Verminderung der Altersversorgung berechtigen (BAG, Urteil vom 26.04.1988 - 3 AZR 277/87 - ArbuR 1989, 187 - m. w. N.). Im Licht der Auslegung der speziellen Widerrufsvorbehalte als Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage liegt eine "wesentliche Änderung" im Sinne des speziellen Vorbehalts nach Ziffer IX Nr. 1 b der VO 1989 jedenfalls dann nicht vor, wenn sich die Gesetzesänderung auf die Beitragsbelastung des Arbeitgebers nicht auswirkt (BAG, Urteil vom 14.05.1971 - 3 AZR 321/70 - AP Nr. 153 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage sind im Regelfall bei einer Heraufsetzung der Altersgrenze nicht erfüllt, weil diese keine belastende Wirkung für den Arbeitgeber hat (Reichenbach/Grüneklee, DB 2006, 2234, 2238).

bb) Selbst wenn der Nachtrag vom 01.12.1992 Inhalt der Versorgungszusage geworden wäre, ist er inhaltlich nicht dahin auszulegen, dass sich die Heraufsetzung der Altersgrenze auch auf die Besitzstandsrente bezieht. Der Nachtrag nimmt Bezug auf die Versorgungsordnung vom 28.02.1989. Soweit der Beklagte auf einen Neuausdruck dieser Versorgungsordnung unter dem Datum vom 22.03.1989 verweist, handelt es sich inhaltlich um die Versorgungsordnung vom 28.02.1989 mit geringfügigen redaktionellen Änderungen (statt "Firma" heißt es in dem späteren Ausdruck "M ", zur gewählten Kurzbezeichnung vgl. Ziffer I 1 der Versorgungsordnung). Es überzeugt daher nicht, wenn der Beklagte argumentiert, der Nachtrag beziehe sich ausdrücklich auf die separate Besitzstandsregelung, die vom 28.02.1989 datiere, während die Versorgungsordnung das Datum vom 22.03.1989 trage. Auch der Wortlaut des Nachtrags, der ausdrücklich nur die Versorgungsordnung und nicht die separate Besitzstandsregelung erwähnt, die in die Versorgungsordnung selbst durch eine Ziffer nicht eingearbeitet ist, sondern auf die nur als separate Vereinbarung verwiesen wird, spricht dafür, dass es nur um eine Änderung der neuen Versorgungsordnung geht. Ergänzend spricht dafür die Bezugnahme im Nachtrag auf das betriebliche Alterskapital, denn die neue Versorgungsordnung hat lediglich eine einmalige Kapitalleistung zum Inhalt. Die im Rahmen der Besitzstandsregelung gewährleistete periodisch zu leistende Betriebsrente ist dagegen Inhalt der Versorgungsordnung vom Oktober 1976. Diese Versorgungsordnung gilt ausweislich der separaten Besitzstandsregelung zunächst grundsätzlich für alle Betriebsangehörige, die vor dem 01.01.1930 geboren sind (Ziffer 1. der Besitzstandsregelung) und des weiteren für die Besitzstandsrente der Betriebsangehörigen, die nach dem 31.12.1929 geboren sind und vor dem 01.01.1989 in die Dienste der Firma M GmbH getreten sind (Ziffer 4. der Besitzstandsregelung). Zu der letztgenannten Gruppe der Betriebsangehörigen zählt die Klägerin.

Gegen diese Auslegung des Nachtrags spricht auch nicht zwingend die Einheitlichkeit einer betrieblichen Altersversorgung. Entscheidend ist, dass die Komponente der Besitzstandsrente für die Dienstzeit vor dem 01.01.1989 eine eigenständige Regelung enthält, für die eine andere Versorgungsregelung gilt als für das ab 01.01.1989 neu eingeführte Versorgungskapital. Daran ändert auch nichts der Hinweis des Beklagten, die Versorgungsordnung aus dem Jahr 1989 habe die Versorgungsordnung vom Oktober 1976 "ersetzt". Nach der Besitzstandsregel gilt dies nicht für die vor dem 01.01.1930 geborenen Betriebsangehörigen und für die Klägerin nur eingeschränkt für das Versorgungskapital.

cc) Gegen die Heraufsetzung der festen Altersgrenze für die Ermittlung des erdienten Teils der Besitzstandsrente bestehen auch rechtlich Bedenken, weil sie in eine Berechnungsgrundlage eingreift, für die die Klägerin ihre Betriebstreue bereits erbracht hat. Die Funktion des Begriffs der festen Altersgrenze in § 2 Abs. 1 S. 1 und in § 7 Abs. 2 BetrAVG besteht darin, eine Berechnungsgrundlage für die Bestimmung des erdienten Teils von Versorgungsanwartschaften zu liefern. Für diesen Zweck ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwichtig. Auch kommt es nicht darauf an, welche Form der Vertragsbeendigung gewählt wird. Entscheidend ist nur, wann die Vollrente erdient sein soll, um deren zeitanteilige Bemessung es geht (BAG, Urteil vom 12.11.1985 - 3 AZR 606/83 - AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung).

Durch die Versorgungsordnung vom Oktober 1976 und durch die Besitzstandsregelung bestätigt ist der Klägerin zugesagt, dass die Vollrente mit Erreichen der Altersgrenze von 60 erdient sein soll. Bei der Besitzstandsrente bezieht sich diese Zusage auf die bis zum 31.12.1988 erbrachte Betriebstreue. Weitere Dienstzeiten haben auf die Besitzstandsrente keinen Einfluss. Die endgehaltabhängige Besitzstandsrente führt lediglich zu einer dienstzeitunabhängigen Steigerung, die aber bereits durch die bisherige Betriebstreue erdient wurde (sog. erdiente Dynamik). Die Besitzstandsrente ist zwar nicht so zu verstehen, dass sie bei Nichterreichen der festen Altersgrenze von 60 Jahren keiner weiteren Kürzung mehr zugänglich sei, denn aus Ziffer 3 der Besitzstandsregelung ergibt sich, dass auch für die Besitzstandsrente die Altersgrenze von 60 Jahren erwartet wird. Dies hat zur Folge, dass ein vorzeitiges Ausscheiden oder vorzeitig eingetretene Insolvenz durch Veränderung des Zählers im Unverfallbarkeitsquotienten zu einer Kürzung führen kann. Davon zu unterscheiden ist die hier interessierende Frage, ob die Arbeitgeberin den Nenner des Unverfallbarkeitsquotienten verändert, indem sie im Nachhinein bestimmt, wann die Vollrente erdient sein soll. Das ist bei der Besitzstandsrente zu verneinen, die bereits für erbrachte Betriebstreue zugesagt worden ist.

dd) Bei der vorliegenden Fallgestaltung ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH zur Lohngleichbehandlung nach Art. 119 EG-Vertrag (Urteil des EuGH vom 17.05.1990 - Barber - AP Nr. 20 zu Art. 119 EWG-Vertrag) und der ihr nachfolgenden Rechtsprechung eine unterschiedliche Berechnung des Unverfallbarkeitsfaktors für Beschäftigungszeiten vor und nach dem 17.05.1990 erst recht für Frauen geboten (vgl. BAG, Urteil vom 03.06.1997 - 3 AZR 910/95 - AP Nr. 35 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Schon nach allgemeinen Grundsätzen des Vertrauensschutzes kann durch eine Änderung der Versorgungsregelung die Altersgrenze bei Frauen nur für die künftig zu erdienenden Beschäftigungszeiten heraufgesetzt werden. Die Besitzstandsrente der Klägerin bezieht sich ausschließlich auf Dienstzeiten vor dem 17.05.1990.

ee) Ob die Wirksamkeit des Nachtrags vom 01.12.1992, der sich in der einseitigen Heraufsetzung der Altersgrenze von Frauen erschöpft, auch daran scheitert, weil sich das BAG in der Vergangenheit für eine kostenneutrale Umstellung bei Angleichungen an neue Rechtslagen ausgesprochen hat, wie sie z. B. die Einführung der flexiblen Altersgrenze darstellte (Höfer, BetrAVG, Band I Stand: Juni 2006, Rdnr. 753, S. 338), bedarf keiner Entscheidung. Für eine Angleichung der Altersgrenzen von Männern und Frauen bieten sich verschiedene Lösungswege an, keineswegs nur die allgemeine Anhebung auf das 65. Lebensjahr (vgl. BAG, Urteil vom 12.11.1985 - 3 AZR 606/83 - AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung, II der Gründe).

2. Einmalige Kapitalleistung

Das in der Besitzstandsregelung zugesagte Versorgungskapital für die Dienstzeit ab dem 01.01.1989 besteht zumindest in der zuerkannten Höhe. Die mögliche Kapitalleistung bei Vollendung des 60. Lebensjahres beträgt unstreitig 12.416,00 €. Da der Nachtrag vom 01.12.1992 aus den ausgeführten Gründen nicht Inhalt der individualrechtlich erteilten Versorgungszusage geworden ist, bleibt es auch insoweit bei der festen Altersgrenze von 60 Jahren. Der vom Arbeitsgericht zuerkannte Betrag geht bei der Kapitalleistung - anders als noch bei der Besitzstandsrente - vom 65. Lebensjahr als fester Altersgrenze aus. Da die Klägerin Anschlussberufung nicht eingelegt hat, bleibt es beim zuerkannten Betrag (§ 308 Abs. 1 ZPO). Die Berechnung des Beklagten, die vom 65. Lebensjahr als fester Altersgrenze ausgeht, ist bereits inkonsequent, weil sie den erreichbaren Vollanspruch auf das Versorgungskapital nur bis zum 60. Lebensjahr zugrunde legt. Diese Berechnung steht schon im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des BAG, weil sie die fehlende Betriebszugehörigkeit bis zu der von dem Beklagten angenommenen festen Altersgrenze von 65 Jahren zweifach mindernd berücksichtigt: Zunächst bei der Berechnung der Betriebsrente bei Betriebstreue bis zu deren Inanspruchnahme im Alter 60 und dann bei deren zeitanteiliger Kürzung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG, bei der wieder von einer erreichbaren Betriebszugehörigkeit bis zum 65. Lebensjahr ausgegangen wird (vgl. BAG, Urteil vom 07.09.2004 - 3 AZR 524/03 - Tz 29 - n. v.).

3. Die der Klägerin erteilte Versorgungszusage mit den beiden Komponenten, dem rentenförmigen Teil der Besitzstandsrente und der einmaligen Kapitalleistung, zwingt nicht zu einer Umrechnung der gesamten Altersversorgungsleistung in einen nur rentenförmigen Teil oder eine Kapitalleistung. Maßgebend ist die Versorgungszusage, die entsprechend differenziert. Es bedarf keiner Umrechnung des einmaligen Kapitalbetrages in eine monatliche Leistung, wie sie von dem Beklagten vorgenommen worden ist. Das Ergebnis der Umrechnung ist aber schon deshalb nicht richtig, weil der Beklagte aus den vorgenannten Gründen von unzutreffenden Berechnungsgrundlagen ausgegangen ist.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da es hierfür am gesetzlichen Grund fehlt.

Ende der Entscheidung

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