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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: 10 Sa 916/02
Rechtsgebiete: MTV Metall, BGB


Vorschriften:

MTV Metall § 18
BGB § 162
BGB § 242
1. § 18 MTV Metall NRW setzt für die Entgeltsicherung grundsätzlich einen Arbeitsplatzwechsel voraus.

2. Wird ein möglicher den Entgeltsicherungsanspruch auslösender Arbeitsplatzwechsel vom Arbeitgeber trotz Aufforderung unterlassen und der Arbeitnehmer weiter mit betriebsärztlicherseits verbotener Akkordarbeit beschäftigt, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den fehlenden Arbeitsplatzwechsel berufen.

3. Bei der Besetzung "leidensgerechter" Arbeitsplätze (hier: im Zeitlohnbereich) hat der Arbeitgeber eine soziale Auswahl zu treffen.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 916/02

Verkündet am 25. März 2004

In Sachen

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 25.03.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schroeder als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Breuer und Voßkötter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im übrigen das am 02.05.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn - 3 Ca 3198/01 - im Zahlungsausspruch und den Kosten abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Verdienstausgleich für die Zeit vom 01.04.2001 bis 31.03.2002 in Höhe von 853,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins

aus 132,85 € seit dem 01.07.2001,

aus 42,43 € seit dem 01.10.2001,

aus 182,96 € seit dem 01.01.2002 und

aus 494,77 € seit dem 01.04.2002

zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 57,5 %, der Beklagten zu 42,5 % auferlegt.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger tarifliche Entgeltsicherung wegen gesundheitsbedingter Leistungsminderung nach § 18 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (MTV Metall) zusteht.

Der am 02.10.1946 geborene Kläger ist seit dem 01.05.1973 als Arbeiter im Akkord bei der Beklagten, die Gussteile herstellt, beschäftigt. Er hat seit dem 10.12.2001 einen GdB von 40 %. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für die Metallindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung.

Am 04.07.2000 attestierte der Facharzt für Orthopädie-Sportmedizin T , dass es dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich sei, Akkordarbeit zu leisten. Mit Schreiben vom 18.10.2000 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Zuteilung einer seiner Leistungsminderung entsprechenden Tätigkeit und auf Entgeltsicherung nach § 18 MTV Metall. Die auf Veranlassung der Beklagten vom Betriebsarzt Dr. G durchgeführte Untersuchung am 17.01.2001 ergab, dass der Kläger keine schwere körperliche Arbeit verrichten könne und zur Zeit arbeitsunfähig sei. Die Nachuntersuchung durch den Betriebsarzt am 07.03.2001 ergab, dass der Kläger keine schweren körperlichen Arbeiten wie Stemmen, Schleifen, Tätigkeiten in gebeugter Haltung und kein Heben und Tragen von Lasten über 7,5 kg und für die Dauer von sechs Monaten keine Tätigkeit im Akkord mehr verrichten dürfe. In einer weiteren Nachuntersuchung am 05.09.2001 stellte der Betriebsarzt fest, dass der Kläger auf Dauer keine Akkordarbeit mehr leisten könne. In einer fachärztlichen Bescheinigung für die Betriebsleitung der Beklagten vom 05.03.2002 bestätigte der Betriebsarzt diesen Befund noch einmal.

Nach der betriebsärztlichen Untersuchung im März 2001 unterrichtete die Beklagte die Abteilung Weiterverarbeitung, in der der Kläger tätig ist, über die festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen. Seit April 2001 verrichtete der Kläger nur noch leichtere Arbeiten, wird aber weiterhin auch im Akkord eingesetzt und dementsprechend im Leistungslohn bezahlt. Die Beklagte lehnt eine Entgeltsicherung nach § 18 MTV Metall im Wesentlichen mit der Begründung ab, es fehle an dem tariflich vorausgesetzten Arbeitsplatzwechsel.

Der Kläger hat behauptet, bei der Beklagten seien freie Arbeitsplätze ohne Akkordarbeiten vorhanden. Außerdem könne die Beklagte durch Umsetzungen einen freien Arbeitsplatz für ihn schaffen. Tätigkeiten, die im Betrieb ohne Akkord zu erbringen seien, gebe es im Versand, an den Gleitschliffmaschinen, bei Feil- und Bohrarbeiten und an den Sägemaschinen. Für solche Tätigkeiten sei er auch einsetzbar. Mit seiner Klage begehrt der Kläger neben der Feststellung des Anspruchs auf tarifliche Entgeltsicherung nach § 18 MTV Metall die Nachzahlung von Lohn für den Zeitraum von April 2001 bis einschließlich März 2002.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Kläger ab 01.04.2001 Anspruch auf tarifvertragliche Verdienstsicherung mit einem monatlichen Vergütungsanspruch von 4.422,47 DM brutto hat;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.313,04 DM nebst Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus 718,84 DM seit dem 01.05.2001, aus 1.437,68 DM seit dem 01.06.2001, aus 2.156,52 DM seit dem 01.07.2001, aus 2.875,60 DM seit dem 01.08.2001, aus 3.594,20 DM seit dem 01.09.2001 und aus 4.313,04 DM seit dem 01.10.2001 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 990,54 € nebst Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus 360,78 € seit dem 01.11.2001, aus 493,97 € seit dem 01.01.2002 und aus 135,79 € seit 01.02.2002 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 578,36 DM nebst Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 01.12.2001 zu zahlen;

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 98,53 € nebst Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 01.03.2002 und weitere 260,45 € nebst Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 01.04.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger sei für die Zeitlohnarbeitsplätze im Versand gesundheitlich nicht geeignet. Die anderen Zeitlohnarbeitsplätze im Betrieb seien mit Schwerbehinderten besetzt bzw. eigneten sich auf Grund der gesundheitlichen Einschränkungen nicht für den Kläger. Sie sei auch nicht verpflichtet, bisherige Akkordlohnarbeitsplätze in Zeitlohnarbeitsplätze umzuwandeln.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es liege zwar kein Arbeitsplatzwechsel vor und der Kläger habe freie und für ihn geeignete Zeitlohnarbeitsplätze substantiiert nicht dargelegt. Die Beklagte hätte ihn aber auf seinem bisherigen Arbeitsplatz auf Zeitlohnbasis nach der ihr obliegenden Fürsorgepflicht beschäftigen müssen, was einem Arbeitsplatzwechsel nach der Rechtsprechung des BAG gleichkomme. Die Beklagte habe substantiiert nicht dargelegt, weshalb die Arbeit des Klägers in Zeitlohnarbeit nicht möglich sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.

Sie vertritt die Auffassung, ein Wechsel vom Akkord- in den Zeitlohn stelle keinen Arbeitsplatzwechsel im Sinne des § 18 MTV Metall dar. Im Falle des Klägers habe auch kein Arbeitsplatzwechsel stattgefunden. Der Kläger mache nach wie vor dasselbe, auch im Akkord, wenn auch unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen. Es gebe in ihrem Betrieb auf absehbare Zeit keinen geringer bezahlten freien Arbeitsplatz, auf dem der Kläger leidensgerecht eingesetzt werden könnte. Selbst wenn ein Anspruch auf Verdienstsicherung bestände, sei der Nachzahlungsanspruch in der zuerkannten Höhe nicht begründet. Ausgehend von dem - unwidersprochenen - Durchschnittsentgelt im Sinne des § 18 Nr. 3 MTV Metall von 4.422,47 DM brutto (2.261,17 €) sei die Verdienstdifferenz ab April 2001 weitaus geringer. So habe der Kläger in der Zeit von April bis September 2001 nicht wie von diesem angegeben einen monatlichen Durchschnittsverdienst von 3.703,63 DM, sondern von 4.365,34 DM brutto gehabt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf das angefochtene Urteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Das Berufungsgericht hat über die von der Beklagten bestrittene gesundheitliche Eignung des Klägers für bestimmte Zeitlohnarbeitsplätze in ihrem Betrieb Beweis erhoben durch Einholung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 14.11.2003 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Feststellung eines Anspruchs auf tarifliche Entgeltsicherung richtet. Hinsichtlich der Höhe des Nachzahlungsanspruchs ist die Berufung überwiegend begründet.

Im Einzelnen:

I. Entgeltsicherung

Der Kläger hat nach § 18 MTV Metall ab 01.04.2001 Anspruch auf Entgeltsicherung auf der Grundlage eines monatlichen Durchschnittsentgelts von 2.261,17 € (4.422,47 DM) brutto.

1. § 18 Nr. 1 MTV Metall bestimmt die Anspruchsvoraussetzungen für die Entgeltsicherung. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

Arbeitnehmer nach der Vollendung des 53. Lebensjahres mit einer Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit von 12 Jahren Vollendung des 54. Lebensjahres mit einer Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit von 11 Jahren Vollendung des 55. Lebensjahres mit einer Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit von 10 Jahren haben auf Antrag Anspruch auf Entgeltsicherung, wenn sie wegen gesundheitsbedingter ständiger Minderung ihrer Leistungsfähigkeit auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr eingesetzt werden können und deshalb auf einen geringer bezahlten Arbeitsplatz beschäftigt werden. Wird ein Antrag auf Arbeitsplatzwechsel gestellt, hat der Betriebsarzt - oder soweit dieser nicht vorhanden - ein Arzt des beiderseitigen Vertrauens die Notwendigkeit des Arbeitsplatzwechsels und die weitere Einsatzfähigkeit festzustellen.

Der Antrag ist schriftlich zu stellen; der Anspruch auf die Entgeltsicherung entsteht bei Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen mit Beginn des nächstfolgenden Lohn- oder Gehaltsabrechnungszeitraumes.

Die Antragstellung schließt für den Fall der Gewährung einer Entgeltsicherung die Zustimmung des Arbeitnehmers zum Wechsel des Arbeitsplatzes und damit eventuell verbundenem Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes und ggf. zur Umgruppierung ein.

Nach Gewährung einer Entgeltsicherung kann ein erneuter Antrag auf Entgeltsicherung nicht vor Ablauf von fünf Jahren gestellt werden. Bis zur Gewährung einer erneuten Entgeltsicherung gilt die bisherige Entgeltsicherung.

2. Die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nach Lebensalter und Betriebszugehörigkeit liegen in der Person des Klägers vor. Die tarifvertraglich vorausgesetzte betriebsärztliche Feststellung der Notwendigkeit des Arbeitsplatzwechsels ist ebenfalls gegeben. Der Betriebsarzt Dr. G hat sowohl bei der Untersuchung am 07.03.2001 als auch bei der Nachuntersuchung am 05.09.2001 festgestellt, dass der Kläger keine Akkordarbeit mehr leisten darf. Damit steht fest, dass wegen gesundheitsbedingter ständiger Minderung der Leistungsfähigkeit der Kläger auf seinem bisherigen durch Akkordarbeit geprägten Arbeitsplatz nicht mehr eingesetzt werden kann. Der Betriebsarzt hat auch Feststellungen über die weitere Einsatzmöglichkeit des Klägers getroffen, indem er bestimmte, unter welchen Auflagen der Kläger eingesetzt werden darf. Der Betriebsarzt hat zwar keinen konkreten Arbeitsplatz benannt und sich angesichts der Auffassung der Beklagten, dass ein freier Arbeitsplatz ohne Akkordarbeit nicht zur Verfügung stehe, insoweit herausgehalten und den weiteren Einsatz des Klägers im Akkord offenbar "hingenommen". Bei der vorliegenden Konstellation, bei der die Arbeitgeberin die Möglichkeit eines Arbeitsplatzwechsels verneint, muss es genügen, dass der Betriebsarzt wie vorliegend aufzeigt, unter welchen Auflagen der Kläger aus gesundheitlicher Sicht im Betrieb eingesetzt werden kann.

3. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf einen fehlenden "Arbeitsplatzwechsel" berufen.

a. Im Ausgangspunkt teilt die Kammer die Auffassung der Beklagten, dass ein Arbeitsplatzwechsel nicht vorliegt, auch wenn der Kläger nach Bekanntwerden seiner gesundheitlichen Einschränkungen seit April 2001 nicht mehr wie früher mit der Bearbeitung größerer Guss-Stücke betraut und häufiger als andere Produktionsarbeiter auf Stundenlohnarbeitsplätzen eingesetzt wurde. Von einem festen Arbeitsplatz kann in der Weiterverarbeitung ohnehin keine Rede sein. In der Weiterverarbeitung bei der Beklagten wechselt der Einsatz der einzelnen Arbeitnehmer nach Art und Umfang je nach Kundenauftrag. Insoweit hat sich beim Kläger im Wesentlichen nur der Schwerpunkt bei der Heranziehung zu den jeweiligen Arbeiten verschoben. Einen Übergang vom Leistungslohn zum Zeitlohn, den das Bundesarbeitsgericht wiederholt als Wechsel des Arbeitsplatzes angesehen hat (Urteil vom 06.02.1985 - 4 AZR 155/83 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge Textilindustrie; Urteil vom 30.11.1983 - 4 AZR 374/81 - AP Nr. 20 zu § 1 TVG Tarifverträge Metallindustrie), hat es beim Kläger nicht gegeben. Soweit der Kläger weiterhin an Akkordarbeitsplätzen eingesetzt war, blieb es beim Leistungslohn als Entlohnungsgrundsatz.

b. Ob ein Arbeitsplatzwechsel anzunehmen wäre, wenn die Beklagte den Kläger ab April 2001 zu mehr als der Hälfte seiner Arbeitszeit auf Zeitlohnarbeitsplätzen eingesetzt hätte, kann letztlich dahingestellt bleiben, weil es insoweit an einer schlüssigen Darlegung durch den Kläger fehlt. Seine Behauptung, er sei im Zeitraum Oktober 2000 bis Januar 2003 mehr auf Stundenlohn- als auf Akkordarbeitsplätzen eingesetzt gewesen, ist von ihm nicht substantiiert worden. Demgegenüber hat die Beklagte dargelegt, dass der Kläger in dem angegebenen Zeitraum nur etwa ca. 12 % im Stundenlohn gearbeitet hat, und zwar 365,92 Stunden bei insgesamt 3.103,33 Stunden. Insbesondere ist der Kläger den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 30.09.2003, Seiten 8 - 10, nicht entgegengetreten, dass es sich bei der Angabe "Durchschnitt" in den Lohnlisten nach näherer Bezeichnung um verschiedene Sachverhalte handelt und nicht um Zeitlohn auf Zeitlohnarbeitsplätzen.

c. Die Beklagte kann sich vielmehr deshalb nicht mit Erfolg auf einen fehlenden Arbeitsplatzwechsel berufen, weil sie den Kläger auf einem reinen Zeitlohnarbeitsplatz, und zwar an der Gleitschliffanlage, hätte einsetzen können. Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte weder verpflichtet ist, einen zusätzlichen Zeitlohnarbeitsplatz zu schaffen noch vorhandne Akkordlohnarbeitsplätze in Zeitlohnarbeitsplätze umzuwandeln. Unabhängig davon, dass auf den einzelnen Arbeitsplätzen die Entlohnungsform nach dem Vortrag der Beklagten mit dem Betriebsrat vereinbart worden ist, ist die Entscheidung der Beklagten, an bestimmten Arbeitsplätzen in der Weiterverarbeitung aus wirtschaftlichen Gründen nur im Akkord arbeiten zu lassen, als Unternehmerentscheidung hinzunehmen. Bei der Besetzung "leidensgerechter" Arbeitsplätze im Zeitlohnbereich hat der Arbeitgeber aber unter sozialen Gesichtspunkten eine Auswahl zu treffen (Ziepke/Weiss, Kommentar zum MTV Metall, 4. Auflage, § 18 Anmerkung 7, Seite 709). Nach diesen Grundsätzen hätte die Beklagte den Kläger ganz aus dem ärztlicherseits untersagten Akkordlohnbereich herausnehmen und auf einem Arbeitsplatz an der Gleitschliffanlage einsetzen müssen. Die Tatsache, dass sie dies nicht getan hat, kann nach §§ 162, 242 BGB nicht zur Vereitelung des Entgeltsicherungsanspruchs nach § 18 MTV Metall führen.

Im Einzelnen:

aa. An den Arbeitsplätzen in der Gleitschliffanlage/Waschanlage wird im Zeitlohn gearbeitet. In dieser Anlage werden die auf dem Förderband liegenden Gussteile maschinell mit Schleifkörpern geschliffen und gewaschen. Das Band wird beladen, indem die mit Gussteilen gefüllte Box hydraulisch angehoben und deren Inhalt auf das Transportband entleert wird. Nach dem Durchlauf durch die Maschine fallen die geschliffenen und gewaschenen Stücke von dem Transportband in den bereitstehenden Container bzw. die Gitterbox. Auf einem in den Container bzw. die Gitterbox gestellten Brett rutschen die Teile sicher in die Box und nicht daneben auf den Hallenboden. Der Arbeiter beaufsichtigt stehend oder gehend den Maschinenbetrieb. Dabei hat er nach dem Vortrag der Beklagten auch darauf zu achten, dass das Schüttgut möglichst gleichmäßig auf dem Förderband und in der Gitterbox verteilt ist, wobei er bei Anhäufungen manuell für eine gleichmäßige Verteilung zu sorgen hat. Ca. 20 mal pro Schicht stellt der Arbeiter an der Gleitschliffanlage/Waschanlage das ca. 1,50 m hohe und 80 cm breite Brett in den Container. Zwischendurch kehrt er mit einem Besen den Hallenboden oder fährt die gefüllte Box auf einem hydraulischen Hubwagen ca. 15 m weit zum Abstellplatz. Die maschinelle Befüllung und Entladung des Förderbandes mit den Gussteilen ist aus den Fotos 3 und 4 der Anlage 1.5 des Sachverständigengutachtens ersichtlich.

bb. Der Arbeitsplatz an der Gleitschliffanlage/Waschanlage entspricht den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers aus betriebsärztlicher Sicht. Es handelt sich weder um Akkordarbeit noch um schwere körperliche Tätigkeit, das heißt weder um Stemmarbeiten noch um manuelle Schleiftätigkeiten, da diese von der Maschine erledigt werden, noch um Tätigkeiten in gebeugter Haltung oder um Heben und Tragen von Lasten über 7,5 kg. Auch das von beiden Parteien beantragte arbeitsmedizinische Sachverständigengutachten, das auf der Grundlage einer Arbeitsplatzbesichtigung, an der auch der Betriebsarzt teilnahm, erstellt wurde, bestätigt jedenfalls hinsichtlich des Arbeitsplatzes an der Gleitschliffanlage die gesundheitliche Eignung für den Kläger. Der Kläger hat ein Bluthochdruckleiden, das Akkordarbeit verbietet, und chronische Beschwerden der Lendenwirbelsäule. Das Gutachten (Anlage 1, Seiten 12, 13) bestätigt, dass am Arbeitsplatz Gleitschliffanlage eine relevante negative Beeinflussung der Wirbelsäule nicht erkennbar sei; regelmäßiges Heben, Tragen oder Bücken fielen nicht an; der Arbeitnehmer stehe oder gehe und habe dabei ausreichend Bewegungsfläche; eine andere Gesundheitsgefährdung des Skelettsystems am Arbeitsplatz Gleitschliffanlage sei nicht erkennbar, sofern das Transportband automatisch und nicht manuell beladen werde.

cc. Die Beklagte war gehalten, dem Kläger nach Bekanntwerden seiner gesundheitlichen Einschränkungen und seinem Antrag vom 18.10.2000 eine seinen Beschwerden entsprechende Tätigkeit ohne Akkordarbeit zuzuteilen sowie auf Grund der betriebsärztlichen Untersuchung am 07.03.2001 auf einen Arbeitsplatz an der Gleitschliffanlage/Waschanlage umzusetzen. Zu dieser Zeit gab es dort an drei Maschinen in zwei Schichten insgesamt sechs Arbeitsplätze. Eingesetzt waren dort die Arbeitnehmer M , geb. , betriebszugehörig seit 01.03.1989, L , geb. , betriebszugehörig seit Januar 1989, M , geb. , betriebszugehörig seit dem 01.10.1987, B , geb. , betriebszugehörig seit dem 16.08.1989. Da die weiteren von der Beklagten benannten Arbeitnehmer A , schwerbehindert, geb. , betriebszugehörig seit 22.10.1984, erst seit September 2001 und Herr M , geb. , betriebszugehörig seit 05.02.1986, erst seit November 2001 an der Gleitschliffanlage tätig sind, ist es nach den Grundsätzen abgestufter Darlegungslast zunächst Sache der Beklagten, die noch fehlenden zwei weiteren Arbeitnehmer zu benennen. Insoweit hat die Beklagte die Mitarbeiter C , geb. , betriebszugehörig seit dem 04.09.1989, und O , geb. , betriebszugehörig seit dem 21.08.1989, genannt, die allerdings nicht nur an der Gleitschliffanlage, sondern auch am CNC-Bearbeitungszentrum und als Staplerfahrer im innerbetrieblichen Transport (O ) tätig seien.

Auf Grund dieser Daten ergibt sich nach Auffassung der Kammer zunächst, dass die Beklagte an Stelle des Arbeitnehmers Müller den Kläger auf den unstreitig freien Arbeitsplatz an der Gleitschliffanlage hätte umsetzen müssen. Dafür sprechen die Sozialdaten des Klägers, der 11 Jahre älter und 13 Jahre länger bei der Beklagten beschäftigt ist und außerdem drei unterhaltsberechtigte Kinder hat. Aus dem Vortrag der Beklagten ist nicht ersichtlich, weshalb sie den Kläger nicht bereits ab April 2001 auf den (wann und durch wen) frei gewordenen Arbeitsplatz im Gleitschliff hätte umsetzen können. Die Beklagte hätte jedenfalls dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass dem Kläger Akkordarbeit verboten worden war und die auf Zeitlohnarbeitsplätzen im Gleitschliff tätigen Arbeitnehmer teilweise sowohl sozial stärker als auch auf einen Zeitlohnarbeitsplatz nicht angewiesen sind. So sind die Arbeitnehmer M und B 19 bzw. 21 Jahre jünger als der Kläger und weisen eine um 14 bzw. 16 Jahre kürzere Betriebszugehörigkeit auf. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass bei diesen beiden Arbeitnehmern ein Verbot von Akkordarbeit bestehe. Die Argumentation der Beklagten, der Kläger habe den Arbeitsplatz nicht einnehmen können, weil er nicht Teile mit einem Gewicht von mehr als 1 kg heben, tragen und bearbeiten dürfe (Schriftsatz vom 30.09.2003, Seite 5, Blatt 416 d. A.) steht nicht im Einklang mit den betriebsärztlichen Feststellungen und dem Sachverständigengutachten, in denen von 7,5 kg (Betriebsarzt) bzw. 5 und 10 kg (Sachverständigengutachten) die Rede ist. Der Kläger ist auch sozial stärker als Herr M , denn er ist zwei Jahre älter und 16 Jahre länger beschäftigt. Auch bei Herrn M ist nicht vorgetragen, dass bei ihm ein grundsätzliches Verbot zur Akkordarbeit besteht. Nach der Erklärung der Beklagten im Termin der letzten mündlichen Verhandlung ist Herr M seit Anfang 2004 auch wieder auf einem Akkordarbeitsplatz eingesetzt. Der Umstand allein, dass ihm im Jahre 2000 seitens des Betriebsarztes ein leichterer Arbeitsplatz empfohlen worden ist und er daraufhin in den Gleitschliff umgesetzt wurde, entbindet die Beklagte nicht von einer neuen Beurteilung des Einsatzes von Arbeitnehmern, wenn diese wie im Fall des Klägers an ihren bisherigen Akkordarbeitsplätzen nicht weiterbeschäftigt werden dürfen. Soweit die Beklagte vorträgt, dass es bei den betroffenen Arbeitnehmern mit gesundheitlicher Einschränkung immer auch um die Frage der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung zur Vermeidung einer personenbedingten Kündigung geht, ändert dies nichts daran, dass bei der Frage des Einsatzes auf leidensgerechten Arbeitsplätzen Gesichtspunkte der sozialen Auswahl zu berücksichtigen sind.

4. Hätte die Beklagte daher dem Antrag des Kläger auf Zuweisung eines Arbeitsplatzes ohne Akkordarbeit pflichtgemäß stattgegeben, stünde ihm der geltend gemachte Entgeltsicherungsanspruch ab 01.04.2001 zu. Über die Höhe des bisherigen Durchschnittsentgelts als Berechnungsgrundlage im Sinne des § 18 Nr. 3 MTV Metall von 2.261,17 € (4.422,67 DM) besteht zwischen den Parteien kein Streit.

II. Nachzahlungsanspruch

Die Höhe des geltend gemachten Nachzahlungsanspruchs ist nur teilweise begründet. Nach § 18 Nr. 1 Abs. 2 entsteht der Anspruch auf Entgeltsicherung bei Erfüllung der Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Beginn des nächstfolgenden Lohn- und Gehaltsabrechnungszeitraums, d. h. ab 01.04.2001. Der Ausgleichsanspruch nach § 18 Nr. 2 MTV Metall ist für die Folgezeit unter Berücksichtigung des Durchschnittsentgelts für je drei abgerechnete Monate zu ermitteln und zum Referenzlohn in Beziehung zu setzen. Dies hat der Kläger in seinem Rechenwerk nicht berücksichtigt. Außerdem hat er für die Zeit von April bis September 2001 nicht den real erzielten Lohn zu Grunde gelegt, sondern eine Hochrechnung auf Jahresbasis vorgenommen. Real hat der Kläger in der Zeit von April bis September 2001 im Monatsdurchschnitt nicht 3.703,63 DM, sondern - wie die Beklagte zutreffend ausführt - 4.365,34 DM verdient. Auf der Grundlage des tatsächlich erzielten Lohns ergeben sich für je drei Monate folgende Verdienste und Ausgleichsbeträge:

April bis Juni 2001: Durchschnittsentgelt 4.335,86 DM = monatlicher Ausgleichsbetrag 86,61 DM x 3 = 259,83 DM = 132,85 €.

Juli bis September 2001: monatlicher Durchschnittslohn 4.394,81 DM = monatlicher Ausgleichsbetrag 27,66 DM x 3 = 82,98 DM = 42,43 €.

Die Höhe des Verdienstausgleichs für die Zeit von Oktober 2001 bis März 2002 ist von der Beklagten in der Berufung nicht angegriffen worden. Auf Grund der vorliegenden Verdienstabrechnungen ergibt sich aufgeteilt auf je drei Monate folgender Ausgleichsanspruch:

Oktober bis Dezember 2001: monatliches Durchschnittsentgelt 4.303,19 DM = monatlicher Ausgleichsbetrag 119,28 DM x 3 = 357,84 DM = 182,96€.

Für Januar bis März 2002 ergibt sich der vom Kläger errechnete Ausgleichsbetrag von 494,77 €.

Da für die Ermittlung des Durchschnittsentgelts auf die jeweiligen drei abgerechneten Monate zurückzugreifen ist und daher der Ausgleichsanspruch vorher nicht berechnet werden kann und fällig ist (Ziepke/Weiss a.a.O. § 18 Anmerkung 18), war dem beim Zinsanspruch Rechnung zu tragen (§§ 286, 288 BGB in Verbindung mit § 18 Nr. 2 mit Nr. 3 Abs. 2 MTV Metall).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO. Für den Feststellungsantrag wurden 1.364,82 € (2 x 853,01 € mit Abschlag von 20 % wegen Feststellung) und für das Zahlungsbegehren entsprechend dem Zahlungsantrag 3.850,45 €, insgesamt 5.215,27 € zu Grunde gelegt.

Ende der Entscheidung

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