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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 06.02.2003
Aktenzeichen: 10 Sa 948/02
Rechtsgebiete: HausTWG, BGB


Vorschriften:

HausTWG § 1
BGB § 312
Das HausTGW (§ 312 BGB) ist auf im Betrieb abgeschlossene arbeitsvertragliche Auflösungsverträge nicht anwendbar.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 Sa 948/02

Verkündet am: 06.02.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 06.02.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schroeder als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Haeser und die ehrenamtliche Richterin Kroll

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18.04.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen - 8 Ca 5266/01 d - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I. Der Sach- und Streitstand ist aus dem angefochtenen Urteil, den beiderseitigen Schriftsätzen im Berufungsverfahren, den eingereichten Unterlagen und den Sitzungsprotokollen ersichtlich.

II. Die Berufung des Klägers, in der es nur noch um die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages vom 22.10.2001 und um den davon abhängigen Weiterbeschäftigungsanspruch geht, ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Wirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung angenommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Ausführungen der Vorinstanz Bezug genommen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ergeben sich folgende Ergänzungen:

1. In der Berufung macht der Kläger erstmals geltend, er sei zum Abschluss der Aufhebungsvereinbarung durch Drohung mit einer fristlosen Kündigung genötigt worden. Erstinstanzlich hatte der Kläger noch vorgetragen, mit seiner Unterschrift habe er lediglich den Zugang einer Kündigung der Beklagten bestätigen sollen, weshalb er seine Erklärung unter dem Schriftstück vom 22.10.2001 mit Schreiben seines Anwalts vom 30.10.2001 wegen Irrtums und arglistiger Täuschung angefochten hat. Legt man den nunmehrigen Vortrag des Klägers zugrunde, dass ihm durchaus bewusst war, dass er einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet, hierzu aber durch Drohung mit einer Kündigung genötigt worden sei, und sieht man im neuen Vortrag des Klägers gemäß Schriftsatz seines Anwalts vom 13.11.2002 zugleich eine Anfechtungserklärung wegen widerrechtlicher Drohung, hilft dem Kläger auch dies nicht weiter. Zum einen ist die Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung nicht innerhalb der Jahresfrist des § 124 BGB erklärt worden, zum anderen fehlt es am Beweisantritt für die behauptete Drohung. Vielmehr hat die nicht beweispflichtige Beklagte für ihre Darstellung Beweis angeboten, dass die Initiative für den Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom Kläger ausgegangen sei, weil dieser ihr mitgeteilt habe, dass er "aus medizinischen Gründen den Beruf des Installateurs nicht mehr ausüben könne."

2. Die Vereinbarung scheitert entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht an § 138 Abs. 1 BGB, weil sie vom 22.10.2001 datiert, während die Unterschriften am 24.10.2001 geleistet worden sind. Tatsächlich ist der Kläger nicht, wie die I ihn mit Schreiben vom 19.10.2001 aufgefordert hatte, direkt nach dem 21.10.2001 wieder bei der Beklagten erschienen, sondern erst am 24.10.2001. Die Parteien sind grundsätzlich darin frei, schuldrechtlich ihr Arbeitsverhältnis rückwirkend zu beenden, zumal es im Streitfall lediglich zwei Tage sind und der Kläger in dieser Zeit das Arbeitsverhältnis ohnehin nicht vollzogen hat.

3. In der Berufung macht der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 13.11.2001 ein gesetzliches Widerrufsrecht nach §§ 312, 355 BGB bzw. nach dem bei Vertragsabschluss geltenden Haustürwiderrufsgesetz (HausTWG) geltend. Auch damit kann der Kläger keinen Erfolg haben.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 HausTWG steht einem "Verbraucher" ein Widerrufsrecht nach § 361 a BGB a. F. bei Verträgen mit einem Unternehmer zu, die eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand haben und zu denen er nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HausTWG durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung bestimmt worden ist. Nach dem durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001 aufgehobenen § 361 a BGB war der Verbraucher an seiner auf den Abschluss eines Vertrages mit einem Unternehmer gerichteten Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht innerhalb von zwei Wochen widerrufen hatte. Über das Recht zum Widerruf war der Verbraucher nach § 361 a Abs. 1 Satz 3 und 4 BGB zu belehren. Unterblieb diese Belehrung, so erlosch das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 2 HausTWG erst einen Monat nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Anfechtungsschreiben des Klägers vom 30.10.2001 als rechtzeitiger Widerruf zu werten ist oder ob das Widerrufsrecht wegen fehlender Belehrung bei europarechtskonformer Auslegung nicht oder nur eingeschränkt als befristet anzusehen ist, denn das HausTWG ist auf den streitigen Aufhebungsvertrag nicht anwendbar.

Der Kläger handelte bei Abgabe seiner Willenserklärung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht als "Verbraucher". Die Richtlinie 85/577/EWG vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (Haustürgeschäfterichtlinie) stellt ebenso wie das HausTWG auf situationsabhängige Gefahren ab, vor denen der Verbraucher zu schützen ist. Das HausTWG dient dem Verbraucherschutz gegen die mit dem sog. Direktvertrieb verbundenen Gefahren. Die Verbraucher sollen sich von Verträgen lösen können, die in Folge einer Überrumpelung auf einem übereilten Entschluss beruhen (vgl. BGH NJW 1992, 1889 m. w. N.).

Die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 HausTWG aufgezählten örtlichen Situationen, in denen die Vertragsverhandlungen und damit die Bestimmungen des Verbrauchers zum Vertragsabschluss erfolgen, sind das entscheidende Moment für die Überrumpelung und Ausnutzung des Überraschungseffekts und für das Bestehen des Widerrufsrechts. Es handelt sich um Vertragsverhandlungen außerhalb der ständigen Geschäftsräume der anderen Vertragspartei. So war Grund für die Aufnahme des Arbeitsplatzes in den situativen Anwendungsbereich des HausTWG, dass der Verbraucher dort nicht mit außerbetrieblichen Vertragsverhandlungen rechnet (Staudinger-Werner, § 1 HausTWG, Rn. 79; Rieble/Klompp, ZIP 2002, 2153, 2160). Demgegenüber ist es gerade nicht überraschend, wenn der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer am Arbeitsplatz über das Arbeitsverhältnis betreffende Fragen verhandelt. Der Arbeitnehmer erwartet vielmehr, dass die das Arbeitsverhältnis betreffenden Verträge auch an seiner Arbeitsstelle besprochen, vorbereitet und abgeschlossen werden. Es wäre lebensfremd und stände mit dem Normzweck des HausTWG nicht im Einklang, den Arbeitgeber für verpflichtet zu halten, Gespräche über das Arbeitsverhältnis nicht im Betrieb, sondern an "neutraler Stelle" zu führen (so zutreffend Staudinger-Werner a. a. O., Rn. 81). Der auf das Vertriebsrecht zugeschnittene Normzweck des HausTWG passt nicht auf Verträge zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die sich auf das Arbeitsverhältnis beziehen (Henssler, RdA 2002, 129, 135; ErfK-Preis 3. Aufl., 2003, § 611, Rn. 208, Seite 1390; zum neuen Recht des § 312 aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts ebenso Mankowski, EWiR 2003, § 312 BGB, 1/03).

Die Anwendbarkeit verbraucherschützender Gesetze wie des HausTWG auf arbeitsvertragliche Vereinbarungen wurde vom Bundesarbeitsgericht bislang zu Recht - wenn auch nur mit einer kurzen Begründung - abgelehnt, weil sie andere Tatbestände und Personenkreise betreffen (Urteil vom 30.09.1993 - 2 AZR 268/93 - NZA 1994, 209, 212). Soweit das Landesarbeitsgericht Berlin in einer Entscheidung vom 06.09.2000 (- 31 Ca 6027/00 -) die Anwendbarkeit des HausTWG im Arbeitsverhältnis bei einem vom Arbeitnehmer abgegebenen Schuldanerkenntnis bejaht und dies unter anderem damit begründet hat, dass sich Rechtsprechung und Literatur "von dem ursprünglichen Schutzzweck des Gesetzes gelöst (habe) und ... es ... vielmehr bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten (erscheint), das Haustürwiderrufsgesetz auch auf vertragliche Gestaltungen im Arbeitsverhältnis anzuwenden", vermag dem die Kammer weder im Ergebnis noch in der Begründung zu folgen. Abzulehnen ist aus den oben genannten Gründen auch die "vermittelnde" Auffassung des Arbeitsgerichts Frankfurt/Oder im Urteil vom 29.05.2002 (- 6 Ca 500/02 -), die bei einem arbeitsrechtlichen Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrag am Arbeitsplatz grundsätzlich ein haustürgeschäfterechtliches Widerrufsrecht des Arbeitnehmers bejaht, aber in jedem Einzelfall eine Überrumpelungssituation überprüfen will. Letzteres ist aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen, abgesehen davon, dass im Streitfall für eine Überrumpelungssituation nichts dargetan ist, jedenfalls vom Kläger nicht unter Beweis gestellt wurde. Der Arbeitnehmer ist bei im Betrieb abgeschlossenen arbeitsverhältnisbezogenen Verträgen kein Verbraucher im Sinne des HausTWG bzw. des § 312 BGB.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlicher Grund. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde unter den Voraussetzungen des § 72 a ArbGG wird verwiesen.

Ende der Entscheidung

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