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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 10 TaBV 53/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 6
BetrVG § 40
Seminare, die sich schwerpunktmäßig mit Kommunikations-, Rede- und Argumentationstechnik befassen, sind nützliche, aber in der Regel nicht erforderliche Schulungsveranstaltungen i.S.d. § 37 VI BetrVG.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den am 05.06.2007 verkündeten Beschluss des Arbeitsgerichts Köln - 17 BV 52/07 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, ein Betriebsrat mit 11 Mitgliedern, beantragte mit Schreiben vom 02.03.2007 die Teilnahme ihres freigestellten Betriebsratsmitglieds W an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung mit Kostenübernahme gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG in Verbindung mit § 40 BetrVG. Die Veranstaltung vom 12. bis 16.11.2007 trägt den Titel "Informieren, Verhandeln und Beraten als Aufgaben des Betriebsrats".

In der Seminarbeschreibung heißt es unter anderem:

"Das Betriebsverfassungsgesetz stellt eine Vielzahl von kommunikativen Aufgaben an den Betriebsrat. Alle Funktionsträger, ob in Industrie oder Politik, wissen um die Bedeutung effektiver, zielorientierter Kommunikation und verfügen daher meist über umfangreiche Kenntnisse und Fähigkeiten in diesem Bereich.

Unser Seminar stellt die Bedeutung kommunikativer Fähigkeiten für den Bereich der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben heraus. Es zeigt Möglichkeiten auf, zukünftig effizienter und nutzbringender zu kommunizieren.

Themen

Informationspflichten

z. B. aus § 43 BetrVG

- Tätigkeitsbericht in der Betriebsversammlung.

§§ 74 und 87 BetrVG

- Besprechung und Verhandlung mit dem Arbeitgeber

Verhandlungsaufgaben

z.B. § 76 BetrVG

- Verhandeln in der Einigungsstelle

Der Beratungsauftrag

z. B. aus § 90 BetrVG

- Unterrichtung und Beratung bei der Gestaltung der Arbeitsfaktoren

Kommunikation

- Was heißt Kommunikation?

- Von welchen Bedingungen ist sie abhängig?

- Welche Bedeutung hat sie im Betrieb?

- Auswirkungen

Positiv und Negativ"

Die Arbeitgeberin als Antragsgegnerin lehnte mit Schreiben vom 16.03.2007 mit der Begründung ab, dass die geplante Schulungsveranstaltung lediglich der effizienteren und nutzbringenderen Kommunikation diene und demgemäß nicht als für die Betriebsratsarbeit erforderlich angesehen werden könne.

Mit dem am 04.04.2007 anhängig gemachten Verfahren hat der Betriebsrat beantragt,

festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, Herrn H W , unter Übernahme von Reisekosten, Hotel- und Übernachtungskosten sowie der Seminarkosten für die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung der BuB H für die Zeit vom 12. bis 16. November 2007 freizustellen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 05.06.2007 den Antrag zurückgewiesen. Auf die Gründe der Entscheidung (Bl. 28 bis 34 d. A.) wird verwiesen. Gegen den Beschluss hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt. Wegen Zeitablaufs und im Hinblick auf einen weiteren Beschluss des Betriebsrats, sein Mitglied W für das nächste Seminar desselben Veranstalters mit gleichem Inhalt für die Zeit vom 05.05. bis 09.05.2008 unter Kostenübernahme freizustellen, hat er seinen Antrag im Beschwerdeverfahren umgestellt.

Der Betriebsrat beantragt nunmehr,

den angefochtenen Beschluss abzuändern und festzustellen, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, Herrn W unter Übernahme von Reisekosten, Hotel- und Übernachtungskosten sowie der Seminarkosten für die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung der BuB H für die Zeit vom 05. bis 09.05.2008 freizustellen,

hilfsweise festzustellen, dass die Arbeitgeberin verpflichtet war, Herrn W unter Übernahme von Reisekosten, Hotel- und Übernachtungskosten sowie der Seminarkosten nach Beschlussfassung durch den Betriebsrat für die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung mit dem Inhalt "Informieren, Verhandeln und Beraten als Aufgaben des Betriebsrats" freizustellen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligten halten mit Rechtsausführungen an ihren jeweiligen Auffassungen fest.

II.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.

Die Arbeitgeberin war und ist nicht verpflichtet, Herrn W für das streitgegenständliche Seminar freizustellen, denn die Teilnahme an diesem Seminar ist nicht als erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG anzusehen.

1. Die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten ist nur dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb und Betriebsrat benötigt werden, damit die Betriebsratsmitglieder ihre derzeitigen und demnächst anfallenden gesetzlichen Aufgaben sachgerecht wahrnehmen können. Kenntnisse, die für die Betriebsratsarbeit nur verwertbar und nützlich sind, erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Bei seiner Beschlussfassung hat der Betriebsrat die Frage der Erforderlichkeit nicht nach seinem subjektiven Ermessen zu beantworten. Vielmehr muss er sich auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten stellen, der die Interessen des Betriebs einerseits und die des Betriebsrats und der Arbeitnehmerschaft andererseits gegeneinander abzuwägen hat (BAG, Beschluss vom 14.09.1994 - 7 ABR 27/94 - NZA 1995, 381).

2. Nach diesen Grundsätzen zählt die Kammer die fragliche Veranstaltung zu den lediglich nützlichen, aber nicht erforderlichen Schulungsveranstaltungen. Das Seminar befasst sich schwerpunktmäßig mit Kommunikations-, Rede- und Argumentationstechnik. Dass diese Techniken in betriebsverfassungsrechtliche Themenkreise eingebettet sind, ändert nichts am rhetorischen Charakter der Schulung. Es geht nicht um den Erwerb spezieller betriebsverfassungsrechtlicher, sondern kommunikativer Fähigkeiten. In der Rechtsprechung sind Seminare, die ihren Schwerpunkt in der rhetorischen Schulung eines Betriebsratsmitglieds haben, bislang zu Recht grundsätzlich als nicht erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG angesehen worden (BAG a. a. O; BAG, Beschluss vom 20.03.1993 - 7 ABR 14/93 - NZA 1994, 191). Davon ist auch die Entscheidung des BAG vom 24.05.1995 (7 ABR 54/94 - NZA 1996, 783, 784) nicht abgerückt. Es kann zwar unter Umständen nach den konkreten betrieblichen Verhältnissen eine Schulungsveranstaltung etwa mit dem Thema "Diskussionsführung und Verhandlungstechnik" erforderlich sein. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Darlegung, dass gerade das zu der Schulung entsandte Betriebsratsmitglied der dort vermittelten Kenntnis bedarf, damit der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen kann. Nach Auffassung der Kammer rechtfertigen die Darlegungen des Betriebsrats nicht den Schluss auf die von § 37 Abs. 6 BetrVG vorausgesetzte Erforderlichkeit.

Soweit der Betriebsrat unter Berufung auf die Entscheidung des BAG im Beschluss vom 20.12.1995 (7 ABR 14/95 - NZA 1996, 895, 896) geltend macht, je stärker ein Schulungsthema der Vermittlung von Kenntnissen diene, die ein Betriebsrat aufgrund betriebstypischer Fallgestaltungen stets benötige, desto geringer seien die Anforderungen an den betriebsbezogenen Schulungsanlass zu stellen, betraf dies einen anderen Sachverhalt. In der zitierten Entscheidung ging es um die Vermittlung spezieller Kenntnisse aus dem Betriebsverfassungsgesetz (unter anderem Zustimmungsverweigerung zur Einstellung von Teilzeitkräften, Zustimmungsersetzung bei Einstellung, Eingruppierung geringfügig Beschäftigter). Das Bundesarbeitsgericht führt in der zitierten Entscheidung aus, auf dieser Schulungsveranstaltung würden zwar keine sog. betriebsverfassungsrechtlichen Grundkenntnisse vermittelt, bei denen ein Schulungsbedarf erstmals gewählter Betriebsratsmitglieder grundsätzlich nicht aufgezeigt werden müsse. Es genüge jedoch, wenn der Betriebsrat hinsichtlich der ihm nach § 99 BetrVG zugewiesenen Aufgabenstellungen auf ungeklärte Meinungsverschiedenheiten der Betriebsparteien über die tarifliche Eingruppierung gering Beschäftigter und von Teilzeitkräften sowie auf eine bestehende Unsicherheit des Betriebsratsgremiums über den Umfang seiner Mitbestimmungsbefugnisse bei personellen Einzelmaßnahmen hinweise und darüber hinaus darlege, dass der Arbeitgeber frei werdende Stellen innerhalb des Betriebes häufig mit Fremdpersonal besetze. In dieser Entscheidung ging es also nicht um die Verbesserung kommunikativer Fähigkeiten und Kenntnisse, sondern um die Vermittlung spezieller betriebsverfassungsrechtlicher Kenntnisse, für die ein betriebsbezogener Schulungsanlass bestand.

Soweit der Betriebsrat die Auffassung vertritt, dass lediglich Kenntnisse, die speziell auf einzelne Konfliktgestaltungen oder Problemlagen ausgerichtet sind, einen konkreten betrieblichen Anlass erforderten, "während Kenntnisse, die im Zusammenhang mit regelmäßig anfallenden Aufgaben des Betriebsrats stehen, hinsichtlich ihrer Erforderlichkeit nur darauf zu überprüfen sind, ob das Betriebsratsmitglied mit diesen Aufgaben befasst ist," vermag dies nicht zu überzeugen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Betriebsrats, dass das Betriebsratsmitglied W als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender die Aufgabe habe, auf einer Betriebsversammlung den Tätigkeitsbericht des Betriebsrats mündlich vorzutragen, dass er regelmäßig an Verhandlungen und Besprechungen mit dem Arbeitgeber beteiligt sei und dass auch die Teilnahme an Einigungsstellen zu seinem Aufgabenbereich zähle. Zutreffend ist, dass kommunikative Fähigkeiten bei regelmäßig allen anfallenden Aufgaben nicht nur eines Betriebsrats nützlich sind. Maßgeblich ist aber darauf abzustellen, ob das Betriebsratsmitglied ohne die erforderlichen Kenntnisse nicht in der Lage wäre, seine Aufgaben sachgerecht zu erfüllen. Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass Arbeitnehmer, die sich um ein Betriebsratsamt bewerben, über die erforderlichen Mindestkenntnisse auf dem Gebiet der Diskussion, Versammlung und Verhandlungstechnik verfügen (BAG, Beschluss vom 06.11.1973 - 1 ABR 26/73 - AP Nr. 6 zu § 37 BetrVG 1972).

Soweit der Betriebsrat weiter ausführt, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende "bedarf der Fähigkeit, im Gespräch mit den Arbeitgebervertretern, die in aller Regel über entsprechende Kenntnisse der Gesprächs-, Diskussions- und Verhandlungsführung verfügen, vergleichbarer Kenntnisse, dies ebenso in den Verhandlungen in einer Einigungsstelle", wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Erforderlichkeit im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG nicht die Optimierung der für ein Betriebsratsamt grundsätzlich zu erwartenden kommunikativen Fähigkeiten verlangt. Im Übrigen verfügt Herr W , der seit 1994 Betriebsratsmitglied ist, über eine jahrelange Erfahrung und hat eine Reihe - anderer - Seminare besucht. Dass nunmehr die Schulung kommunikativer Fähigkeiten für die sach- und fachgerechte Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben erforderlich und nicht nur nützlich ist, ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Herr W seit Anfang 2006 stellvertretender Betriebsratsvorsitzender ist, nicht erkennbar.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da es hierfür am gesetzlichen Grund fehlt.

Ende der Entscheidung

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