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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 03.06.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 1014/04
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 1 |
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 30.06.2004 - 6 (2) Ca 903/04 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung.
Der 1954 geborene, geschiedene und kinderlose Kläger ist gemäß dem Anstellungsvertrag vom 02.10.1998 (Kopie Bl. 3 ff. d. A.) seit dem 05.10.1998 als Organisationsprogrammierer im Betrieb der Beklagten mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.254,82 € beschäftigt.
Die Beklagte betreibt ein Leiharbeitsunternehmen, in dem sie den weitaus überwiegenden Teil ihrer ca. 400 Mitarbeiter aufgrund von Arbeitnehmerüberlassungs- oder Werkverträgen bei ihren Auftraggebern einsetzt. Der Kläger war von Oktober 1998 bis Januar 1999 und im Anschluss daran von Februar bis Juli 1999 bei zwei Kunden der Beklagten im Bereich Netzwerkadministration eingesetzt; ab August 1999 war er ohne Unterbrechung als Organisationsprogrammierer bei der Firma V in D tätig. Seine dortigen Tätigkeiten umfassten den Bereich der sog. Clipper-Programmierung nach selbsterstelltem Pflichtenheft, Projektierung und Durchführung einer Netzwerk-Migration, Administration von Windows NT 4.0, Netzwerkserver/Workstation und die Clipper-Programmierung nach Vorgabe an neuen und bestehenden Programmen.
Das Auftragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Firma V endete Ende Januar 2004. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch Schreiben vom 29.01.2004 (Kop. Bl. 10 d. A.) fristgerecht zum 31.03.2004.
Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 13.02.2004 beim Arbeitsgericht Siegburg eingegangenen Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat behauptet, neben der bei der Firma V eingesetzten Programmiersprache "Clipper" beherrsche er auch die Programmierung in den Sprachen "Basic" und "C". Zudem könne er die Programmierung von Web-Seiten mit HTML durchführen. Hinzu komme die Qualifikation des Klägers im Bereich der Server- und Workstationtechnik der Betriebssysteme Windows NT 4, Windows 2000 und Windows 2003 inklusive der dazugehörigen Sicherheitstechnik. Gerade aufgrund seiner Kenntnisse im Bereich der Systemsicherheitstechnik sei der Kläger im Bereich der Windows- Serverbetriebssysteme einsetzbar. Zudem hat der Kläger die zu seinen Lasten erfolgte Sozialauswahl gerügt. Zum einen sei der Kläger mit Rücksicht auf seine längere Betriebszugehörigkeit schutzwürdiger als die von der Beklagten beschäftigten Netzwerkadministratoren P , W und P . Des weiteren sei er überdies älter als die Mitarbeiter W und P . Zum anderen sei die Sozialauswahl nicht auf die genannten Netzwerkadministratoren P , W und P zu beschränken, sondern müsse auf alle Mitarbeiter der Beklagten, die - gegebenenfalls intern - mit EDV-Problematiken befasst seien, erstreckt werden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 29.01.2004 zum 31.03.2004 beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sei aufgrund dringender betrieblicher Gründe sozial gerechtfertigt. Hierzu hat sie behauptet, zum Zeitpunkt der Kündigung seien keine Folgeaufträge absehbar gewesen, in denen der Kläger mit Rücksicht auf seine Qualifikation hätte eingesetzt werden können. Die vom Kläger bei der Firma V verwendete Programmiersprache "Clipper" sei veraltet und werde von keinem anderen Auftraggeber der Beklagten mehr verlangt. Anderweitige Anfragen betreffend die Programmiersprache Clipper habe die Beklagte seit Ende 2001 nicht mehr erhalten. In der Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist des Klägers sei ebenfalls kein solcher Auftrag erteilt worden. Auch im Bereich der Netzwerkadministration sei der Kläger nicht einsetzbar. Hier sei der Personalbestand von 37 Mitarbeitern zum Jahreswechsel 2000/2001 auf den Bestand von drei Mitarbeitern gesunken. Auch eine fehlerhafte Sozialauswahl liege bei Ausspruch der Kündigung nicht vor. Im Bereich der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung seien in die Sozialauswahl nur solche Arbeitnehmer einzubeziehen, die bei dem selben Entleiher in dessen Betrieb eingesetzt seien. Ohnehin sei allenfalls eine Sozialauswahl im Verhältnis zu den drei verbliebenen Netzwerkadministratoren P , W und P in Erwägung zu ziehen. Diese seien allerdings zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gegenüber dem Kläger seit Jahren im Rahmen laufender Werkverträge bei bestimmten Auftraggebern eingesetzt gewesen, so dass ein berechtigtes betriebliches Bedürfnis für deren Weiterbeschäftigung nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG gegeben sei.
Das Arbeitsgericht Siegburg hat durch Urteil vom 30.06.2004 - 6 (2) Ca 903/04 G - der Kündigungsschutzklage stattgegeben und dies im wesentlichen damit begründet, der bloße Wegfall der bisherigen Einsatzmöglichkeit des Klägers bei der Firma V aufgrund des dortigen Auftragsverlustes stelle kein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs .2 KSchG dar. Der Wegfall eines einzelnen Auftrages sei nicht geeignet, die im Kündigungszeitpunkt erforderliche Prognose zu rechtfertigen, der Beschäftigungsbedarf für den Leiharbeitnehmer sei entfallen, weil in einem für den Arbeitgeber zumutbaren Zeitraum nicht mit einem Folgeauftrag für seinen Einsatz gerechnet werden könne. Die insofern darlegungs- und beweispflichtige Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, woraus sie zum Kündigungszeitpunkt die Schlussfolgerung ziehen wolle, in einem ihr zumutbaren Zeitraum den Kläger nicht mehr beschäftigen zu können. Dies lasse sich nicht daraus herleiten, dass der Kläger in den vergangenen Jahren im wesentlichen lediglich mit der veralteten Programmiersprache "Clipper" gearbeitet habe, da der Kläger allgemein als Organisationsprogrammierer und nicht nur beschränkt auf die Programmiersprache "Clipper" eingestellt worden sei. Auch personenbedingt lasse sich die Kündigung vom 29.01.2004 nicht begründen, da dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung zunächst Gelegenheit hätte gegeben werden müssen, sich im Rahmen einer Umschulung oder Fortbildung etwa fehlende Kenntnisse anzueignen.
Gegen das ihr am 04.08.2004 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg hat die Beklagte am 23.08.2004 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.11.2004 am 04.11.2004 begründet.
Sie verbleibt bei ihrer Rechtsauffassung, dass die Kündigung vom 29.01.2004 aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt sei, und vertieft ihren diesbezüglichen Sachvortrag. Mangels für den Einsatz des Klägers geeigneter Aufträge über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus sei die Weiterbeschäftigung des Klägers nicht möglich gewesen. Die dementsprechende negative Prognose der Beklagten bei Ausspruch der Kündigung sei berechtigt gewesen und habe sich sowohl innerhalb der Kündigungsfrist als auch darüber hinaus als zutreffend erwiesen. Die Beklagte verweist diesbezüglich auf die von ihr gefertigte Aufstellung über die ihr vorgelegenen Auftragseingänge im Bereich Organisationsprogrammierung/Netzwerkadministration im Zeitraum vom 01.10.2003 bis zum Ausspruch der Kündigung am 29.01.2004 bzw. bis Ablauf der Kündigungsfrist am 31.03.2004 gemäß Anlage zum Schriftsatz vom 08.02.2005 (Bl. 155 ff. d. A.), wegen deren Einzelheiten auf den Inhalt der Anlage Bezug genommen wird. Der Kläger sei aufgrund fehlender Qualifikation nicht in der Lage gewesen, in einem der aufgeführten Aufträge eingesetzt zu werden. Dies gelte unabhängig davon, dass sämtliche Auftraggeber der Beklagten bei Aufträgen verlangten, dass das von der Beklagten eingesetzte Personal bereits über berufliche Erfahrungen in den jeweils angeforderten Bereichen verfüge.
Die Beklagte beantragt,
das am 30.06.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg - 6 (2) Ca 903/04 G - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt die Rechtsauffassung, die Beklagte könne sich nicht auf hinreichende betriebsbedingte Kündigungsgründe berufen, da sie verpflichtet gewesen sei, vor Ausspruch der Kündigung für den Kläger neue Beschäftigungsmöglichkeiten durch Bewerbung der Arbeitsleistung des Klägers bei potentiellen Auftraggebern zu schaffen. Die Beklagte habe seit November 2003 gewusst, dass der Auftrag beim bisherigen Auftraggeber, der Firma V , entfalle und habe dennoch keine Akquisitionsbemühungen zugunsten des Klägers unternommen. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei auch mit Tätigkeiten außerhalb des Bereichs der bei der Firma V verwandten Programmiersprache "Clipper" möglich, da der Kläger sich während seiner Beschäftigung bei der Beklagten per Eigenstudium im EDV-Bereich weitergebildet habe. Aus der von der Beklagten für den Zeitraum vom 01.10.2003 bis 31.03.2004 vorgelegten Auftragsliste in den Bereichen Organisationsprogrammierung/Netzwerkadministration ließen sich durchaus Einsatzmöglichkeiten für den Kläger entnehmen. Der Kläger sei aufgrund seiner vertieften Einblicke in Betriebssysteme und deren Sicherheitstechnik beispielsweise geeignet, als EDV-Allrounder für Troubleshooting gemäß den Aufträgen vom 20.10.2003 bzw. 08.03.2004 bei der Firma Q. GmbH eingesetzt zu werden. Auch Tätigkeiten in der sich aus der Anlage ergebenden Aufträgen für die Erstellung hardwarenaher Software hätten dem Kläger wegen seiner Programmierkenntnisse zugewiesen werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst den zu den Akten gereichten Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs 1, 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
In der Sache hat das Rechtsmittel allerdings keinen Erfolg, da das Arbeitsgericht Siegburg zu Recht die Kündigung der Beklagten vom 29.01.2004 für sozial ungerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 KSchG, dessen Anwendungsvoraussetzungen unstreitig gegeben sind, gehalten hat.
Die Kündigung vom 29.01.2004 ist insbesondere nicht gem. § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in dem Betrieb der Beklagten entgegenstehen, bedingt. Die Beklagte hat die von ihr in Bezug genommene Begründung der Kündigung mit dem Vorliegen eines Auftragsmangels nicht hinreichend dargetan.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urt. v. 12.04.2002 - 2 AZR 256/01 - in NZA 2002, S. 1205 ff. m. w. N.; Urt. v. 24.08.1989 - 2 AZR 653/88 - n. v.) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen "dringend" sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Der - nicht auf Schlagworte beschränkte - Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt.
Ein Auftragsrückgang kann dann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch der Arbeitsanfall so zurückgeht, dass für einen oder mehrere Arbeitnehmer das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung entfällt. Bei einem Streit über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung hat das Gericht voll nachzuprüfen, ob die vom Arbeitgeber behaupteten Gründe für die Kündigung tatsächlich vorliegen und ob sie sich im betrieblichen Bereich dahin auswirken, dass für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers kein Bedürfnis mehr besteht. Behauptet der Arbeitgeber, bereits außerbetriebliche Gründe allein hätten ein Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung entfallen lassen, bindet der Arbeitgeber sich also selbst an diese von ihm so gesehenen Sachzwänge, so hat das Gericht nachzuprüfen, ob zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs feststand, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei eine Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer nicht mehr gegeben (BAG, Urt. v. 24.08.1989 - 2 AZR 653/88 - n. v.).
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt hierfür ist derjenige des Kündigungszugangs (vgl. BAG, Urt. v. 12.04.2004 - 2 AZR 256/01 - in NZA 2002, S. 1205 ff.; Urt. v. 27.11.2003 - 2 AZR 48/03 - in NZA 2004, S. 477 ff.; LAG Köln, Urt. v. 10.12.1998 - 6 Sa 493/98 - in NZA 1999, S. 991).
Bei den Anforderungen an einen hinreichend substantiierten Vortrag zum Vorliegen einer negativen Prognose hinsichtlich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist sind die Besonderheiten der Arbeitnehmerüberlassung zu berücksichtigen. Im Anschluss an das Urteil des LAG Köln v. 10.12.1998 (AZ 6 Sa 493/98, a. a. O.) ist hierbei davon auszugehen, dass die Beklagte als Leiharbeitsunternehmen, welches Gewinne dadurch erzielt, dass es Arbeitnehmer verleiht oder aufgrund von Werkverträgen o. ä. in fremden Betrieben dauerhaft Arbeiten durchführen lässt, das Beschäftigungsrisiko auch für kurzfristige - etwa den Zeitraum von drei Monaten umfassende - Auftragslücken zu tragen hat. Jedenfalls dann, wenn in einem repräsentativen Zeitraum vor Ausspruch der Kündigung im bisherigen Einsatzbereich des Klägers oder aber auch in anderen Einsatzbereichen, in denen er nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen einsetzbar gewesen wäre, Aufträge vorgelegen haben, muss angenommen werden, dass solche Beschäftigungsmöglichkeiten auch kurzfristig in der Zukunft hätten entstehen können. Dafür, dass dies nicht der Fall war, trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast.
Dieser hat sie nicht alleine durch den Hinweis auf den Wegfall des Auftrags bei der Firma V in D , in dem der Kläger in den letzten Jahren ausschließlich eingesetzt war, genügt. Die Prüfung der Negativprognose hinsichtlich weiterer Beschäftigungsmöglichkeiten ist nämlich nicht alleine auf den bisherigen konkreten Einsatz zu beschränken. Dass bei Ausspruch der Kündigung hinreichend sicher von fehlenden anderweitigen Einsatzmöglichkeiten des Klägers anlässlich anderer Aufträge auszugehen war, hat die Beklagte auch nach dem diesbezüglichen Auflagenbeschluss aus dem Verhandlungstermin vom 04.02.2005 nicht substantiiert vorgetragen. Die Kammer sieht hierfür als ausreichend, aber auch erforderlich einen Vortrag an, der für einen repräsentativen Zeitraum vor Ausspruch der Kündigung die Auftagseingänge in den Einsatzbereichen des Klägers (Organisationsprogrammierung/Netzwerkadministration) aufzeigt und dabei anhand der erforderlichen Qualifikationsvoraussetzungen erläutert, warum der Kläger mit den bei ihm aktuell vorhandenen und im Rahmen einer zumutbaren Umschulung zu erwerbenden Kenntnissen dort nicht einsetzbar ist.
Diesem Erfordernis hat die Beklagte durch den Hinweis auf die ihr vorliegenden Auftragseingänge für den Zeitraum vom 01.10.2003 bis zum Ausspruch der Kündigung am 29.01.2004 bzw. bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.03.2004 unter Vorlage der Anlage zum Schriftsatz vom 30.03.2005 (Bl. 163 ff. d. A.) nicht genüge getan. Aus der Anlage ergeben sich neben den beiden vom Kläger in Bezug genommenen Aufträgen der Firma Q. GmbH vom 27.10.2003 und 08.03.2004 für einen Einsatz als EDV-Allrounder für Troubleshooting mehrere Tätigkeiten im Aufgabenbereich hardwarenaher Software. Bezüglich dieser Einsatzmöglichkeiten ist seitens der Beklagten nicht im einzelnen vorgetragen worden, welche Qualifikationsvoraussetzungen für einen dortigen Einsatz notwendig sind. Die Beklagte hat lediglich darauf verwiesen, der Kläger sei aufgrund der von ihm vorgetragenen Qualifikationen nicht in der Lage gewesen, in einem dieser Aufträge eingesetzt zu werden. Auch der weitere Hinweis der Beklagten darauf, dass sämtliche Auftraggeber der Beklagten, und hierbei insbesondere die in der Anlage aufgeführten, bei Aufträgen verlangten, dass das von der Beklagten eingesetzte Personal bereits über berufliche Erfahrungen in den jeweils angeforderten Bereichen verfüge, hat diese nicht näher substantiiert. Sie hat entgegen der hierauf abzielenden Auflage aus dem Beschluss der Kammer vom 04.02.2005 nicht vorgetragen, welche Qualifikationsvoraussetzungen bei den in den jeweiligen Aufträgen tatsächlich eingesetzten Mitarbeitern konkret vorhanden gewesen sind. Nach dem Vortrag der Beklagten war es der Kammer daher nicht möglich, die Frage zu beurteilen, inwiefern der Kläger mit den von ihm behaupteten EDV-Kenntnissen in den sich aus der Anlage zum Schriftsatz vom 30.03.2005 ergebenden Aufträgen hätte eingesetzt werden können. Diese Unwägbarkeit geht zu Lasten der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagtenseite. Die Beklagte hat durch ihren Verweis auf die sich aus der Anlage zum Schriftsatz vom 30.03.2005 ergebenden Aufträge und die dort stichwortartig genannten Tätigkeitsinhalte nicht hinreichend vorgetragen. Zwar ist die tatsächliche Auftragsentwicklung in einem maßgeblichen Zeitraum vor Ausspruch der Kündigung, den die Kammer durch den von der Beklagtenseite in Bezug genommenen Zeitraum von vier Monaten vor Ausspruch der Kündigung als erfüllt ansieht, als tatsächliche Grundlage für eine negative Prognose dahingehend, auch bei Ablauf der Kündigungsfrist bzw. nach Verstreichen einer kurzfristigen zumutbaren Auftragslücke sei eine Einsatzmöglichkeit für den Kläger nicht zu erwarten, geeignet. Allerdings genügt nur ein solcher arbeitgeberseitiger Vortrag, der durch Bezeichnung der einzelnen Qualifikationsvoraussetzungen für die jeweiligen Aufträge erkennen lässt, inwiefern dem Kläger für einen dortigen Einsatz die erforderlichen Fähigkeiten fehlen.
2. Dem steht der Hinweis der Beklagten darauf, dass sich auch nach Ablauf der Kündigungsfrist in der Folgezeit tatsächlich keine Einsatzmöglichkeit für den Kläger mit Rücksicht auf die bei ihm vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten aufgrund fehlender geeigneter Aufträge ergeben habe, entgegen. Grundsätzlich kommt es nämlich für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs an (BAG, Urt. v. 27.11.2003 - 2 AZR 48/03 - in NZA 2004, S. 477 ff.; Urt. v. 12.04.2002 - 2 AZR 256/01 - in NZA 2002, S. 1205 ff.). Zwar schließt dies - insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohnt - nicht aus, dass der tatsächliche Eintritt der prognostizierten Entwicklung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zulässt, was für den ähnlich liegenden Fall prognosegeprägter Befristungsgründe der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht (BAG, Urt. v. 27.11.2003 - 2 AZR 48/03 - in NZA 2004, S. 477 ff.). Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in der zuvor genannten Entscheidung die tatsächliche Entwicklung nach Ausspruch der Kündigung als Bestätigung für die vor Ausspruch der Kündigung getroffene autonome unternehmerische Entscheidung herangezogen und darauf verwiesen, dass der Arbeitgeber in diesem Fall nach der Kündigung eben das getan habe, was er zuvor beschlossen habe. Vorliegend geht es aber nicht um eine autonome Unternehmerentscheidung im Sinne eines innerbetrieblichen Kündigungsgrundes, sondern angesichts der Berufung der Beklagtenseite auf einen Auftragsmangel als Kündigungsgrund um außerbetriebliche Umstände. Für solche außerbetrieblichen Umstände müssen die tatsächlichen Grundlagen für die erforderliche Negativprognose im Zeitpunkt der Kündigung gegeben sein, um die Kündigung sozial rechtfertigen zu können. Eine Art von Missbrauchskontrolle wie im Fall der nichtgebundenen, autonomen Unternehmerentscheidung durch den Umstand, dass diese nach Ausspruch der Kündigung auch tatsächlich durchgeführt worden ist, ist hier nicht vorzunehmen. Die tatsächliche Entwicklung nach Ablauf der Kündigungsfrist ohne geeigneten Vortrag zu der tatsächlichen Entwicklung vor Ausspruch der Kündigung ist der allgemeinen, dem wirtschaftlichen Risiko des Arbeitgebers unterliegenden Unsicherheit über die betriebliche Entwicklung zuzuordnen, die nicht durch Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung auf den Arbeitnehmer überzuwälzen ist (vgl. BAG, Urt. v. 15.07.2004 - 2 AZR 376/03 - in BB 2004, S. 2375 ff.).
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die von ihr zu erfüllenden Anforderungen hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast nicht dadurch gemindert, dass es sich bei dem Fehlen geeigneter Aufträge für den Kläger als Voraussetzung für die von ihr angestellte Negativprognose hinsichtlich weiterer Beschäftigungsmöglichkeiten um eine sog. negative Tatsache handelt. Ohne die Angabe näherer Einzelheiten zu den bei den eingegangenen Aufträgen erforderlichen Qualifikationen ist der Vergleich mit den Tätigkeitsanforderungen, die der Kläger aufgrund der bei ihm aktuell vorhandenen oder im Rahmen einer zumutbaren Umschulungszeit zu erwerbenden Kenntnisse erfüllen kann, nicht möglich.
Zwar ist die Darlegungslast der Partei, wenn es um Geschehnisse aus dem Bereich des Prozessgegners geht, durch eine sich aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO ergebende Mitwirkungspflicht des Gegners gemindert. Darüber hinaus ist dem Prozessgegner der primär darlegungs- und beweisbelasteten Partei dann eine gewisse (sekundäre) Behauptungslast aufzuerlegen, wenn eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BAG, Urt. v. 20.11.2003 - 8 AZR 580/02 - in NZA 2004, S. 489 ff.). Insoweit mag die Beklagtenseite zwar im Hinblick auf die vom Kläger nebenher erworbenen zusätzlichen EDV-Kenntnisse keine nähere Kenntnis besitzen; im Rahmen der vor Ausspruch der Kündigung vom 29.01.2003 seit dem 01.10.2003 eingegangenen Aufträge allerdings ist sie ohne Einschränkung in der Lage, die dort von den Auftraggebern verlangten Tätigkeitsanforderungen im einzelnen zu beschreiben. Dies hat die Beklagtenseite unterlassen, so dass kein hinreichender Vortrag der Beklagtenseite zum Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse für den Ausspruch der Kündigung vom 29.01.2004 gegenüber dem Kläger gegeben ist.
Die Kündigungsschutzklage ist daher nach allem begründet, so dass die Berufung der Beklagten zurückzuweisen ist.
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die unterlegene Beklagte nach §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 97 ZPO.
Die Kammer hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit zugelassen (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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