Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 28.06.2002
Aktenzeichen: 11 Sa 1019/01
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 112
BGB § 133
Das vom Arbeitgeber erklärte Einverständnis mit einem vorfristigen Ausscheidungstermin bedeutet grundsätzlich nicht das von einer Abfindungszusage zur Bedingung gemachte Einverständnis des Arbeitgebers mit der Eigenkündigung des Arbeitnehmers selbst - ebenso wenig wie sein bloßes Schweigen.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 11 Sa 1019/01

Verkündet am 28.06.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 15.03.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schunck als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Weidert und Reuber

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 08.06.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 2 Ca 660/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien - nämlich die beklagte KG, die ein Einzelhandelsunternehmen mit zahlreichen Filialen betreibt und die seit zwölf Jahren von ihr zuletzt als Abteilungsleiterin beschäftigte Klägerin - streiten nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung der Klägerin vom 07. 11. 2000 zum 31. 12. 2000 um eine Abfindung in der rechnerisch nicht streitigen Höhe von 42.000,-- DM. Die Klägerin beruft sich auf ein vom Personalleiter der Beklagten und dem Vorsitzenden des bei ihr amtierenden Betriebsrats unterzeichneten, mit "Personalanpassungen" überschriebenes Rundschreiben, das im Rahmen von geplanten Personalanpassungen in der Zentrale allen dort beschäftigten Mitarbeitern zugeleitet wurde. Es bezieht sich auf Informationen "über die geplanten Personalanpassungen in der Zentrale" auf einer kurz zuvor abgehaltenen Betriebsversammlung und weist auf verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten hin; so werde angeboten, die Personalanpassungen auch über vertragliche Stundenkürzungen vorzunehmen. Sodann heißt es: "Weiterhin gibt es die Möglichkeit, daß Mitarbeiter aus eigenem Entschluß das Unternehmen verlassen. In diesem Fall erhalten sie eine Abfindung auf der Basis des Sozialplans. Natürlich gehört zu beiden der o.g. Möglichkeiten auch das Einverständnis des Unternehmens und setzt die Abstimmung mit dem Vorgesetzten voraus." Das Einverständnis der Beklagten sieht die Klägerin in deren Stillschweigen auf ihre mit verkürzter Frist ausgesprochene Eigenkündigung i.V.m. deren Bestätigungsschreiben vom 10. 11. 2000 (Bl. 6), in dem es heißt: "Mit dem Austrittstermin vor Ablauf Ihrer Kündigungsfrist, zum 31. 12. 2000, sind wir einverstanden." Die Beklagte, nach deren Ansicht der Klageanspruch nicht besteht, bestreitet, mit dem Ausscheiden der Klägerin einverstanden gewesen zu sein; deren Arbeitsplatz habe nicht "angepaßt" werden sollen, sondern sei wieder besetzt worden. Nur auf die dringende Bitte der Klägerin, die ein anderes Arbeitsverhältnis habe antreten wollen, habe ihr Vorgesetzter auf die Einhaltung der vollen Kündigungsfrist verzichtet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter und meint, das vom Rundschreiben vorausgesetzte Einverständnis habe die Beklagte mindestens konkludent erklärt, indem sie sie ohne weiteres - noch dazu unter Verkürzung der Kündigungsfrist - habe ziehen lassen. Die Beklagte habe der Kündigung widersprechen müssen, wenn sie die Abfindung hätte verhindern wollen. Wäre sie, die Klägerin, belehrt worden, hätte sie ihre Kündigung nicht vor Erteilung des Einverständnisses oder Zug um Zug ausgesprochen. In der unterlassenen Belehrung liege eine Verletzung der Fürsorgepflicht, die die Beklagte zum Schadensersatz verpflichte.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an sie 42.000,-- DM nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag als Abfindung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und meint, das Rundschreiben vom 20. 12. 1999 sei keine Anspruchsgrundlage; diese sei vielmehr in der in ihrem Hause geltenden Betriebsvereinbarung vom 03. 03. 1998 (Bl. 77 ff.) zu sehen; unter dessen Geltungsbereich falle die Klägerin nicht, weil ihr Arbeitsplatz von Personalanpassungsmaßnahmen überhaupt nicht betroffen gewesen sei und sie nahtlos ein neues Arbeitsverhältnis angetreten habe.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der geltend gemachte Klageanspruch steht der Klägerin nicht zu. In der Begründung folgt das Gericht der angefochtenen Entscheidung, weshalb insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Gründe halten auch den Angriffen der Berufung stand:

Unstreitig erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen der Betriebsvereinbarung vom 03. 03. 1998 nicht. Sie erfüllt aber auch nicht die Voraussetzungen des Rundschreibens vom 20. 12. 1999, weshalb die Frage offen bleiben kann, ob dieses eine eigene Anspruchsgrundlage bildet:

Das Rundschreiben wendet sich erkennbar nur an die Mitarbeiter, die von den "geplanten Personalanpassungen" betroffen waren, über die auf der zuvor durchgeführten Betriebsversammlung informiert worden war. Das ergeben bereits Überschrift ("Personalanpassungen") und Einleitungssatz ("im Zuge der kürzlich stattgefundenen Betriebsversammlung wurden Sie über die geplanten Personalanpassungen in der Zentrale informiert") des Rundschreibens. Diesen Bezug bestätigt auch der weitere Verlauf des Rundschreibens: "Aufgrund einiger Anfragen" meint selbstverständlich Anfragen zu diesem Thema. "... in diesem Zusammenhang auf folgende Möglichkeiten hinweisen" meint ebenso klar den Zusammenhang der Personalanpassungen und die Möglichkeiten zur Realisierung der diesbezüglichen Pläne. Der folgende Absatz spricht davon, "daß die Personalanpassungen auch über vertragliche Stundenkürzungen erfolgen können", wobei "die" Personalanpassungen natürlich "diese" nämlich die zuvor angesprochenen meint - also die auf der Betriebsversammlung vorgestellten Personalanpassungen in der Zentrale.

Wenn der folgende Absatz diesen Bezug nicht mehr sprachlich aufgreift, sondern nur davon spricht, es bestehe "die Möglichkeit, daß Mitarbeiter aus eigenem Entschluß das Unternehmen verlassen", so ist dieser Bezug durch den Kontext doch eindeutig: Zum einen beginnt der Absatz mit "Weiterhin" und präsentiert sich damit als eine weitere der eingangs angekündigten mehreren Möglichkeiten zur Realisierung der "geplanten Personalanpassungen in der Zentrale"; zum anderen faßt der folgende Absatz die vorangehenden zu den "beiden o.g. Möglichkeiten" zusammen. Und schließlich spricht der vorletzte Absatz davon, daß die genannten Möglichkeiten "auch" das Einverständnis des Unternehmens voraussetzen - darüber hinaus also noch weitere Voraussetzungen haben müssen.

Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß ihr Arbeitsplatz von den geplanten und auf der Betriebsversammlung angekündigten Personalanpassungen betroffen war. Sie hat nicht einmal mitgeteilt, wie die auf der Betriebsversammlung bekanntgegebenen Pläne lauteten. Wie die Beklagte sich später mit den von ihr geschaffenen vollendeten Tatsachen abgefunden und diese verwaltet hat, ist ohne Bedeutung.

Im übrigen liegt auch das im Rundschreiben vom 20. 12. 1999 vorausgesetzte "Einverständnis des Unternehmens" nicht vor. Solches kann - anders als die Klägerin meint - im bloßen Schweigen der Beklagten nicht gefunden werden. Schon vom Grundsatz her kann im Schweigen einer Person keine Zustimmung gefunden werden - schon gar keine Zustimmung zu einem Rechtsverlust. Vorliegend gilt das im gesteigerten Maße: Bei der Kündigung handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft, dessen Zustandekommen eine Reaktion des Erklärungsempfängers gar nicht voraussetzt - schon gar nicht dessen Zustimmung. Erklärt der Arbeitnehmer eine Kündigung, bleibt für den Arbeitgeber i.d.R. überhaupt kein Raum, mit ihr einverstanden oder nicht einverstanden zu sein - er muß sie nolens volens hinnehmen. Infolgedessen wird von ihm auch gar keine Wohlgefallens- oder Mißfallensäußerung erwartet; sein Schweigen ist nicht beredt, es eignet sich nicht als stillschweigende Willenserklärung.

Zum Einverständnis i.S.d. Rundschreibens wird das Schweigen der Beklagten, die am Weggang der Klägerin ohnehin nichts ändern konnte, auch nicht dadurch, daß sie auf einen Teil der Kündigungsfrist verzichtete. Wie schon das Bestätigungsschreiben der Beklagten vom 10. 11. 2000 klarstellt, bezog sich das dort erklärte Einverständnis ausschließlich auf den "Austrittstermin". Es entspricht taktischer Klugheit, einen abkehrwilligen Arbeitnehmer, den man ohnehin nicht halten kann, nicht gegen seinen Willen weitere Wochen an den Betrieb zu fesseln und ihm damit eine lukrative Anschlußposition zu vereiteln, wenn das Resultat nur eine ganz kurzfristig verlängerte Zusammenarbeit mit einem Mitarbeiter sein kann, an dessen Loyalität besser keine allzu hohe Erwartungen mehr gestellt werden sollten. Aus dieser Maßnahme eine Zustimmung zum Weggang als solchem zu konstruieren, ist zu weit hergeholt.

Ein weiteres kommt hinzu: Mit dem "Einverständnis des Unternehmens" kann das Rundschreiben im Falle der Alternative "aus eigenem Entschluß das Unternehmen verlassen" nicht das Einverständnis mit dem Ausscheiden als solchem meinen, weil nach ihm im Falle der rechtmäßigen Eigenkündigung gar nicht gefragt wird. Die Beklagte müßte sinn- und nutzloserweise einen Protest aussprechen, nur um sich gegen den Eindruck zu verwahren, sie könnte innerlich einverstanden sein. Aus dem Zusammenhang und aus dem Bezug auf den Sozialplan ist vielmehr zu schließen, daß sich das Einverständnis nur dann abfindungsauslösend auswirken soll, wenn es sich darauf bezieht, das Ausscheiden in den Bereich der Rationalisierungsmaßnahmen einzuordnen - es muß sich um ein Einverständnis mit dem Ausscheiden als Teil der "geplanten Personalanpassungen in der Zentrale" handeln, eben weil es ein als Willenserklärung verstandenes Einverständnis mit einer rechtmäßigen Eigenkündigung gar nicht gibt. Das von der Klägerin fälschlich gesehene Einverständnis der Beklagten ist erst recht nicht eines mit ihrem Ausscheiden als Maßnahme der Personalanpassung der auf der Betriebsversammlung angekündigten Art.

Erfolglos beansprucht die Klägerin für sich Schadensersatz mit Bezug auf eine von der Beklagten verletzte Hinweispflicht. Eine Hinweispflicht der Beklagten bestand nicht. Grundsätzlich muß sich der Arbeitnehmer selbst über die rechtlichen Folgen seines Ausscheidens Klarheit verschaffen; das gilt für den Aufhebungsvertrag (BAG, Urteil vom 03. 11. 1984 in NZA 1985, 712) und erst recht für die Eigenkündigung (LAG Frankfurt, Urteil vom 21. 03. 1985 in LAGE BGB § 119 Nr.4), denn die Eigenkündigung kann der Arbeitgeber nicht durch Verweigerung der Mitwirkungshandlung verhindern. Darüber hinaus wäre das Unterlassen einer Belehrung nur schuldhaft, wenn die Beklagte hätte erkennen müssen, daß sich die Klägerin als Folge ihrer Eigenkündigung eine Abfindung erhoffte. Davon kann keine Rede sein; denn es lag fern anzunehmen, daß alle ausscheidenden Arbeitnehmer eine Abfindung erwarteten. Schließlich verschweigt die Klägerin, zu welchem Zeitpunkt die Beklagte ihrer Ansicht nach hätte belehren müssen: Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß sie dies prophylaktisch hätte tun sollen; nach Ausspruch der Kündigung aber war es für eine Belehrung zu spät, da eine Kündigung nicht einseitig zurückgenommen werden kann. Zu einer Rücknahme war die Klägerin auch gar nicht bereit, wie ihre Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 19. 12. 2000 (Bl. 53) beweist: Spätestens dieses enthält nämlich die von der Klägerin vermißte Belehrung darüber, daß ihr Ausscheiden keinen Abfindungsanspruch auslöst. Die Rücknahme ihrer Kündigung hat die Klägerin dennoch nicht angeboten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück