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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 21.04.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 143/06
Rechtsgebiete: BErzGG


Vorschriften:

BErzGG § 18
Erklärt die zuständige Behörde nach § 18 BErzGG " eine Kündigung" für zulässig und ist eine zunächst durch den Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers ausgesprochene Kündigung mangels Vorlage einer Originalvollmacht gemäß § 174 BGB unwirksam, so muss der Arbeitgeber für eine sodann folgende Kündigung, der der gleiche Sachverhalt zu Grunde liegt, nicht noch einmal bei der Behörde die Zulässigkeitserklärung beantragen.

Das behördliche Verfahren nach § 18 BErzGG ist insofern nicht vergleichbar mit der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG ("vor jeder Kündigung").


Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.08.2006 - 16 Ca 2222/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.

Die Klägerin war seit dem 11.11.2002 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt und erhielt zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.500,00 €. Seit Sommer 2003 befindet sie sich in Elternzeit. Im Zeitpunkt des Zugangs der hier streitigen Kündigung bestand neben dem Arbeitsverhältnis der Klägerin nur noch ein Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer, der seit langer Zeit arbeitsunfähig war.

Mit Beschluss vom 01.06.2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der C I GmbH mit Sitz in B eröffnet und Herr Rechtsanwalt J F zum Insolvenzverwalter bestellt. Die H GmbH, eine Vorratsgesellschaft mit Sitz im Hause der Prozessbevollmächtigten der Beklagten (H W D ), hat mit Vertrag vom 02.06.2004 erhebliche Teile des Anlagenvermögens der insolventen C I GmbH vom Insolvenzverwalter erworben. In Ziffer 8 des Vertrages wurde vereinbart, dass die H GmbH mit dem Tag der Insolvenzeröffnung (01.06.2004) in die Arbeitsverhältnisse der Schuldnerin eintritt. Die Beklagte, die somit zunächst unter dem Namen H GmbH firmierte, hat mit Vertrag vom 02.06.2004 in C I GmbH umfirmiert. Auf die Beschlüsse des Amtsgerichts und die Auszüge aus dem Handelsregister, die von der Beklagten zur Akte gereicht wurden (Bl. 34 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Auf Antrag der Beklagten erging am 22.02.2005 ein Bescheid der Bezirksregierung (Bl. 53 d. A.). Dort heißt es:

"... erkläre ich eine noch auszusprechende Kündigung gegenüber Frau H ... bei tatsächlicher und dauerhafter Betriebsstilllegung für zulässig".

Der Widerspruch der Klägerin hiergegen wurde mit Bescheid vom 03.06.2005 (Bl. 67 d. A.) zurückgewiesen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin mit Schreiben vom 24.02.2005. Diese Kündigungserklärung, die ihr am 28.02.2005 zuging, wies die Klägerin mit Schreiben vom 03.03.2005 wegen des Fehlens einer Originalvollmacht zurück. Mit weiterem Schreiben vom 14.04.2005, dieses Mal versehen mit einer Originalvollmacht, kündigte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2005.

Mit der seit dem 07.03.2005 anhängigen und hinsichtlich der zweiten Kündigung rechtzeitig erweiterten Klage hat sich die Klägerin gegen die beiden ihr gegenüber ausgesprochenen Kündigungen gewandt.

Sie hat geltend gemacht, die Kündigungen seien sozialwidrig. Die Wirksamkeit der zweiten Kündigung scheitere nach ihrer Auffassung an § 18 BErzGG, denn sie sei ohne Genehmigung der Bezirksregierung erfolgt. Die Bezirksregierung habe nur eine Kündigung für zulässig erklärt. Die darauf ausgesprochene Kündigung vom 24.02.2005 sei aber gemäß § 174 BGB unwirksam. Damit sei der Bescheid der Bezirksregierung verbraucht. Eine weitere Kündigung - hier diejenige vom 14.04.2005 - sei nicht von dem Bescheid umfasst.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 24.02.2005 aufgelöst ist;

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 14.04.2005 aufgelöst ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur zweiten Kündigung vorgetragen, der Geschäftsbetrieb sei seit langem endgültig eingestellt. Bereits Ende 2004 sei beschlossen worden, den Betrieb endgültig einzustellen.

Mit Urteil vom 09.08.2005 hat das Arbeitsgericht Köln festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die erste Kündigung vom 24.02.2005 beendet worden sei, im übrigen aber die Klage abgewiesen mit der Begründung, die zweite Kündigung vom 14.04.2005 sei weder gemäß § 18 BErzGG noch nach § 1 KSchG unwirksam. Der Bescheid der Bezirksregierung verwende das Wort "eine" (Kündigung) nicht als Zahlwort, sondern als unbestimmten Artikel. Die Bezirksregierung habe daher vor Ausspruch der zweiten Kündigung nicht noch einmal angehört werden müssen. Die Prüfung der sozialen Rechtsfertigung nach § 1 KSchG komme nicht in Betracht, da sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht ergebe, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mehr als fünf Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt gewesen seien.

Gegen das am 09.08.2005 verkündete und der Klägerin am 16.01.2006 zugestellte Urteil hat sie am 08.02.2006 Berufung eingelegt, die am 27.02.2006 begründet worden ist.

Die Klägerin bleibt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages bei der Auffassung, dass das Wort "eine" im Bescheid der Bezirksregierung ein Zahlwort sei und damit die zweite Kündigung nicht von dem Bescheid erfasst werden könne. Nach ihrer Meinung sei die vorliegende Rechtslage vergleichbar mit der Rechtslage nach § 102 BetrVG. Wörtlich trägt die Klägerin weiter vor: "Die Betriebsstilllegung bleibt bestritten". Auf entsprechende Nachfrage in der Berufungsverhandlung erklärte sie, sie könne zu einer Weiterführung des Betriebes konkret nichts sagen. Sie sei auch seit zweieinhalb Jahren aufgrund der Elternzeit nicht mehr im Unternehmen gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.08.2005 - 16 Ca 2222/05 - teilweise abzuändern und über den Tenor zu 1) hinaus festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 14.04.2005 beendet ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Die ursprünglichen Büroräumlichkeiten seien inzwischen gekündigt worden, auch der letzte Arbeitnehmer, nämlich der besagte Schwerbehinderte, sei inzwischen aufgrund einer Kündigung ausgeschieden. Es gebe also keine Arbeitnehmer mehr. Die Adresse der Beklagten sei nunmehr nur noch die Kanzleiadresse der Prozessbevollmächtigten.

Im Übrigen haben die Parteien Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, soweit sich die Klägerin mit ihr gegen die Kündigung vom 14.04.2005 gewandt hat. Die Kündigung hat das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2005 beendet, denn sie ist wirksam.

1. Die Kündigung ist nicht unwirksam gemäß § 1 KSchG, denn das Kündigungsschutzgesetz ist nicht anwendbar. Soweit das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Kündigungszugangs nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigte (§ 23 Abs. 1 KSchG), hat die Klägerin die Entscheidung mit ihrer Berufung nicht angegriffen.

2. Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot des § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG nichtig, denn die Bezirksregierung hat sie mit rechtskräftigem Bescheid vom 22.02.2005 gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG für zulässig erklärt und die Bedingung des Beschlusses ist eingetreten.

a) Der Bescheid erfasst auch die hier noch streitige zweite Kündigung, denn sie ist auf denselben Kündigungssachverhalt gestützt, der dem Bescheid zugrunde lag. Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte die Behörde vor Ausspruch der hier streitigen Kündigung nicht noch einmal angehört werden müssen. Das behördliche Verfahren nach § 18 BErzGG ist nicht vergleichbar mit der notwendigen Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der beiden Vorschriften. Während der Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG vor "jeder Kündigung" zu hören ist, muss sich die Zulässigkeitserklärung der Behörde auf "eine Kündigung" beziehen. Auch der Zweck der beiden Normen ist unterschiedlich. Nach § 102 BetrVG soll dem Betriebsrat unter anderem die Möglichkeit gegeben werden, auf die Willensentscheidung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen, ob die Kündigungsbefugnis tatsächlich ausgeübt werden soll oder ob es - trotz möglichen Vorliegens eines Kündigungsgrundes - etwa aus sozialen Erwägungen oder Zweckmäßigkeitsgründen richtiger wäre, von einer Kündigung Abstand zu nehmen (BAG Urteil vom 19.01.1983, EzA Nr. 50 zu § 102 BetrVG). Im Interesse des Betroffenen wie auch im kollektiven Interesse der anderen Arbeitnehmer soll also jede Kündigung vor ihrem Ausspruch einem kommunikativen Prozess unterworfen werden. Demgegenüber stellt § 18 Abs. 1 BErzGG ein Kündigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt dar (BAG Urteil vom 26.06.1997, AP-Nr. 22 zu § 15 BErzGG), das mittelbar die Realisierung des Anspruchs auf Elternzeit gemäß §§ 15, 16 BErzGG schützen soll (Ascheid im ErftK § 18 BErzGG Rndnr. 1 a). Liegt ein "besonderer Fall" als Voraussetzung der vorbehaltenen Erlaubnis vor, so fällt das Verbot. Es gibt dann auch keinen Grund, die die Elternzeit in Anspruch nehmende Arbeitnehmerin stärker vor einer Kündigung zu schützen als andere. Liegen die Voraussetzungen für die Erlaubnis vor und ist diese erteilt, so ist unerheblich, wie viele Kündigungen in der Folgezeit ausgesprochen werden. So lange der Grund bestehen bleibt, scheitert die Wirksamkeit der Kündigungen jedenfalls nicht an dem Verbot aus § 18 BErzGG.

b) Die streitige Kündigung ist auch nicht "zu spät" ausgesprochen worden. Zwar liegt zwischen dem Bescheid und dem Zugang der Kündigung ein Zeitraum von fast zwei Monaten. Das ist aber unschädlich. Eine bestimmte Frist zum Ausspruch der Kündigung sieht weder das Gesetz noch der Bescheid vor. Die Monatsfrist des § 88 SGB IX gilt hier nicht. Sie wird nur für § 9 MuSchG analog angewandt und dort nur für die Fälle der fristlosen Kündigung (vgl. Röninger/Thomas MuSchG § 9 Rdnr. 94). Die dort angeführten Argumente (ähnlicher Schutzzweck, Gleichklang mit § 626 Abs. 2 BGB) passen nicht auf den hier streitigen Fall der ordentlichen Kündigung.

c) Auch die Bedingung der behördlichen Erlaubnis, die "tatsächliche und dauerhafte Betriebsstilllegung", ist eingetreten. Davon ist gemäß § 138 Abs. 2 und 3 ZPO auszugehen. Unstreitig existiert der Betrieb in B nicht mehr. Ebenfalls unstreitig ist, dass nach der Insolvenz ein Betriebsübergang auf eine Vorratsgesellschaft stattgefunden hat die - wie viele andere - ihren Sitz an der Kanzleiadresse des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat und keine eigenen Büroräumlichkeiten existieren. Erst in diesem Stadium kam es zur Kündigung, als nur noch ein Arbeitsverhältnis zu einem langfristig arbeitsunfähigen Schwerbehinderten bestand. Dass auch dieser letzte Arbeitnehmer inzwischen eine Kündigung erhalten hat, wurde von der Klägerin nicht bestritten und muss daher ebenfalls gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als richtig unterstellt werden. Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie spätestens seit Beginn des Jahres 2005 nicht mehr werbend tätig ist. Die Klägerin hat hierzu ihren Vortrag beschränkt auf die erst in der Berufungsinstanz formulierten Worte "die Betriebsstilllegung bleibt bestritten". Dieses Bestreiten ist schon deshalb unerheblich, weil von "bleibt bestritten" nicht die Rede sein kann. Die Klägerin hatte nämlich zuvor die von der Beklagten behauptete Stillegung nie thematisiert. Das Bestreiten ist aber auch deshalb unerheblich, weil es pauschal ist. Die Klägerin hätte gemäß § 138 Abs. 2 ZPO zumindest andeutungsweise vortragen müssen, wie sie sich eine Fortführung des Betriebes ohne Arbeitnehmer vorstellt. Trotz entsprechender Nachfrage des Gerichts in der Berufungsverhandlung hat sie dies nicht getan.

Da weitere Unwirksamkeitsgründe nicht ersichtlich sind hat somit die Kündigung das Arbeitsverhältnis am 31.05.2005 beendet. Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln zurückzuweisen.

III. Als unterliegende Partei ist die Klägerin nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO verpflichtet, die Kosten der Berufung zu tragen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruhen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.



Ende der Entscheidung

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