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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.07.2002
Aktenzeichen: 11 Sa 258/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 129 Abs. 1
ZPO § 322 Abs. 2
Prozessaufrechnung, vorbereitender Schriftsatz, Anwaltsprozess, Bezugnahme auf Parteischriftsätze, Bezugnahme auf Anlagen, Bezugnahme auf Urkunden
1. Eine Klageabweisung kann nicht ohne Entscheidung über die Klageforderung darauf gestützt werden, "jedenfalls" greife die Aufrechnung durch.

2. Im Anwaltsprozess ist die Bezugnahme auf parteiverfasste Schriftsätze zur Darlegung des Sachverhalts in bestimmenden wie vorbereitenden Schriftsätzen des Anwalts unzulässig.

3. Zu den Anforderungen, die im Anwaltsprozess an einen vorbereitenden Schriftsatz zu stellen sind: Die Verweisung auf umfängliche Anlagen für sich erfüllt im allgemeinen nicht die Aufgabe einer vollständigen und damit aus sich heraus verständlichen Darstellung derjenigen Tatsachen, auf die die Partei ihre Rechtsverfolgung stützt. Es verstößt gegen den Beibringungsgrundsatz, wenn an Stelle eines geordneten Sachvortrags auf Schriftstücke verwiesen wird, aus denen das Gericht sich die erheblichen Tatsachen heraussuchen soll; soweit im Schriftsatz auf Urkunden Bezug genommen werden darf (§§ 131, 134 f ZPO), sind damit Beweismittel gemeint (§§ 415 ff. ZPO) und kein Vortrag.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 11 Sa 258/02

Verkündet am: 26.07.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26.07.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Lanndesarbeitsgericht Schunck als Vorsitzenden sowie die ehrenamtliche Richterin Schloß und den ehrenamtlichen Richter Henßen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 07.12.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 2 Ca 3773/99 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

(abgekürzt gem. § 69 Abs.2 ArbGG)

Die Parteien - d.h. die klagende Lebensversicherung a.G. und der Beklagte, der für ihre Zedentin GmbH) bis Dezember 1996 als Handelsvertreter tätig war - streiten um Rückzahlungsansprüche der Arbeitgeberin in Höhe von 1.757,93 DM - nämlich 1.) um eine Provisionsrückforderung in Höhe von 737,57 DM wegen stornierter, aber bereits verprovisionierter Verträge, 2.) um eine Entschädigung für die Überlassung der EDV in Höhe von 4.760,-- DM und 3.) um die Rückzahlung eines nicht verdienten Provisionsvorschusses in Höhe von 481,40 DM; nach Reduzierung der Gesamtforderung (5.978,97 DM) um anerkannte Gegenansprüche in Höhe von 4.061,04 DM ergibt sich ein saldierter Anspruch in Höhe von 1.917,93 DM, der sich zweitinstanzlich auf 1.757,93 DM ermäßigt, nachdem das Arbeitsgericht die Klageforderung durch Teilurteil vom 10. 09. 1999 in Höhe von 160,-- DM rechtskräftig aberkannt hat. Der Beklagte hat die Ansprüche geleugnet, hilfsweise sich auf das AGB-Gesetz und Verjährung berufen und schließlich die Aufrechnung mit Provisionsansprüchen erklärt - nämlich in Höhe von 1.900,-- DM und 3.000,-- DM für die Vermittlung von jeweils einem Vertrag mit den Eheleuten M und den Kunden G. Die Klägerin hat behauptet, diese Verträge habe nicht der Beklagte, sondern der Zeuge S - seinerzeit Geschäftsstellenleiter und Vorgesetzter des Beklagten - vermittelt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Vernehmung der Zeugen S, N K und W G abgewiesen, weil ein "etwaiger" Anspruch "jedenfalls" durch die Aufrechnung mit den Provisionsansprüchen in Sachen N erloschen sei. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter und verweist zur Begründung ihrer Zahlungsansprüche auf ihren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 11. 09. 1998 (Bl. 17 ff.). Zur Aufrechnung behauptet sie nunmehr, die Provisionen an den Zeugen S gezahlt zu haben, der die Verträge in Absprache mit dem Beklagten auf seinen Namen umgeschrieben habe, um sich mit dem Beklagten eine umsatzorientierte Prämie zu teilen. Der Beklagte bestreitet dies und wiederholt seine Behauptung, daß der Klägerin die Ansprüche, deren sie sich berühmt, nicht zustehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Die Klageabweisung erfolgte zu Recht, wenn auch - wegen § 322 Abs.2 ZPO - nicht mit der Begründung, "jedenfalls" greife die Aufrechnung durch (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 322 Rn. 20 f.). Sie erfolgte zu Recht, weil das Bestehen der Klageforderung nicht festgestellt werden kann:

I. Die tatsächlichen Voraussetzungen der drei Ansprüche hat die Klägerin nicht in hinreichender Substantiierung vorgetragen. Eine solche Substantiierung in der Berufungsinstanz war erforderlich, weil der Beklagte die Existenz der Klageforderungen in der Berufungserwiderung vom 31. 05. 2002 erneut geleugnet hatte. Dennoch enthält der folgende Schriftsatz der Klägerin vom 19. 06. 2002 zu diesem Punkte nichts, so daß insoweit nur die Berufungsbegründung vom 16. 04. 2002 herangezogen werden kann. Die Berufungsbegründung enthält aber zu diesem Punkt nur Unzureichendes - nämlich nur die Benennung der Klageansprüche ("Provisionsrückforderungsanspruch", "Datenverarbeitungspauschale", "Provisionvorschußzahlung") - verbunden mit einer Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Schriftsatz vom 11. 09. 1998. Das reicht schon deshalb nicht aus, weil der zitierte Schriftsatz kein anwaltlicher ist, sondern von der Partei verfaßt und unterschrieben wurde. Das Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht ist jedoch ein Anwaltsprozeß (§ 11 Abs.2 S.1 ArbGG). Im Anwaltsprozeß muß der Anwalt selbst Gegenstand und Grund der Klage bezeichnen, eine bloße Bezugnahme auf Parteivorbringen ist unzulässig (Zöller/ Greger, ZPO, 23. Aufl., § 253 Rn. 12a); er muß bestimmende wie auch vorbereitende Schriftsätze unterschreiben (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 78 Rn. 9 i.V.m. § 130 Nr.6 ZPO). Der Grundsatz, daß im Anwaltsprozeß der Anwalt selbst den vorbereitenden Schriftsatz zu unterschreiben und damit zu verantworten hat, würde aufgegeben, wenn man die bloße Bezugnahme im anwaltlichen Schriftsatz auf einen Schriftsatz der Partei nicht nur zur Ergänzung, sondern zur vollinhaltlichen Darlegung ausreichen ließe.

II. Das Problem kann aber letztlich auf sich beruhen. Denn der Vortrag der Klägerin in II. Instanz ist auch dann unzulänglich, wenn man unterstellt, ihr erstinstanzlicher Schriftsatz vom 11. 09. 1998 sei im zitierten Umfang zum einen ein anwaltlicher und zum anderen in II. Instanz eingereicht worden. Denn auch in diesem Fall genügt er nicht den Anforderungen, die im Anwaltsprozeß an einen vorbereitenden Schriftsatz im Sinne von § 129 Abs.1 ZPO zu stellen sind:

1) Zur Provisionsrückforderung enthält der Schriftsatz in der in Bezug genommenen Ziffer 4. (Bl. 19) als Konkretisierung seinerseits nur eine Verweisung - nämlich auf die dortigen Anlagen 5 (Bl. 33) und 6 (Bl. 34) wobei Anlage 5 ein aus sich heraus nicht verständlicher Computerausdruck mit etwa 20 Spalten ist, die im wesentlichen aus Zahlen bestehen und Anlage 6 eine dreiseitige Anleitung dazu sein will, wie Anlage 5 verstanden werden soll. Es mag sein, daß solche Art der Sachverhaltsdarstellung in einem Parteienprozeß möglich ist oder Anlaß für einen entsprechenden Auflagenbeschluß sein kann. Im Anwaltsprozeß erfüllt dies bei weitem nicht die Aufgabe einer vollständigen und damit aus sich heraus verständlichen Darstellung derjenigen Tatsachen, auf die die Partei ihre Rechtsverfolgung stützt. Soweit im Schriftsatz auf Urkunden Bezug genommen werden darf (§ 131, 134 f. ZPO), sind damit Beweismittel gemeint (§§ 415 ff. ZPO) und kein Vortrag (Lange in NJW 1989, 438 ff., 441 unter III 2 a). Gegen den Beibringungsgrundsatz verstößt es, wenn anstelle eines geordneten Sachvortrags auf Schriftstücke verwiesen wird, aus denen das Gericht sich die erheblichen Tatsachen heraussuchen soll (Lange a.a.O. S. 442 unter III 3 b aa). Im übrigen ist selbst nach Durchsicht der Anlage 5 nicht klar, wann welcher Kunde welche Beiträge zu zahlen hatte, sie aber nicht gezahlt hat und welche vertragliche Vereinbarung damit mit welcher Rechtsfolge angesprochen ist. Soweit die Klägerin im heutigen Termin ergänzend auf Ziffer 5. des Schriftsatzes vom 11. 09. 1998 (Bl. 20) Bezug genommen hat, ist zum einen darauf hinzuweisen, daß dort nur beispielhaft von einem Kunden die Rede ist und zum anderen darauf, daß auf Ziffer 5. in der Berufungsbegründung ausdrücklich gar nicht Bezug genommen worden ist.

2) Zum Thema "Datenverarbeitungspauschale" enthält der erstinstanzliche Schriftsatz unter der in Bezug genommenen Ziffer III. gar nichts, weil er überhaupt nur zwei römische Ziffern verwendet. Sollte statt dessen die Ziffer II. 3 gemeint sein, so enthält diese nur den nichtssagenden Hinweis, das Abrechnungskonto des Beklagten sei mit einer monatlichen Pauschale "von 300,-- DM bzw. 160,-- DM belastet" worden. Zur Erläuterung wird wiederum weiterverwiesen - und zwar auf eine Anlage 2, unter der sich aber die Kündigung des Beklagten verbirgt (Bl. 26).

3) Zur Provisionsvorschußzahlung nimmt die Berufungsbegründung auf Ziffer 7 c des erstinstanzlichen Schriftsatzes Bezug; diese erschöpft sich in dem Text "Provisionsvorschußzahlungen an den Beklagten von 481,40 DM" - ein Text, der gar nichts begründet oder gar substantiiert.

4) Daß all dies nicht die Voraussetzungen des § 129 Abs.1 ZPO erfüllen kann, ist so selbstverständlich, daß ein richterlicher Hinweis und eine Vertagung zwecks Nachbesserung in dem über vierjährigen Prozeß, der sich mit einem noch weitere Jahre zurückliegenden Prozeßstoff befaßt, nicht angezeigt waren. Rechtliche Selbstverständlichkeiten lösen keine gerichtlichen Hinweispflichten aus (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 356 Rn. 4).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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