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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 20.06.2008
Aktenzeichen: 11 Sa 499/08
Rechtsgebiete: TV ATZ


Vorschriften:

TV ATZ § 4
TV ATZ § 5
1. Die Sonderzuwendung ist in der Altersteilzeit während der Freistellungsphase nach § 4 Abs. 1 TV ATZ "spiegelbildlich" in der gleichen Höhe zu zahlen wie in der Arbeitsphase. Dies gilt unabhängig davon, welchen Zweck die Sonderzuwendung verfolgt.

2. Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte "Spiegelbildtheorie" ist auch auf den Aufstockungsbetrag nach § 5 Abs. 1 TV ATZ und den Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 TV ATZ anzuwenden.


Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 05.12.2007 - 9 Ca 238/07 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 68,45 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe einer Zuwendung während der Freistellungsphase in der Altersteilzeit.

Der am 9. April 1946 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 1990 angestellt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis "nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden order ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung".

Die Parteien verständigten sich am 9. Februar 2001 auf eine Altersteilzeitvereinbarung im Blockmodell mit einer Laufzeit vom 1. Mai 2001 bis zum 30. April 2011. Die Arbeitsphase lief vom 1. Mai 2001 bis zum 30. April 2006, die Freizeitphase währt vom 1. Mai 2006 bis zum 30. April 2011. In dem Altersteilzeitvertrag nahmen die Parteien Bezug auf den Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der jeweils geltenden Fassung (im Folgenden: TV ATZ).

Die Beklagte wendet seit dem 1. November 2006 die Vorschriften des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) an. Seither berechnet sie die an die Arbeitnehmer jährlich auszuzahlende Sondervergütung nach § 20 TV-L und nicht mehr wie zuvor nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte (TV Zuwendung). Für den Kläger ergab sich daraus für das Jahr 2006 eine gegenüber 2005 um 68,45 Euro brutto geringer ausfallende Zahlung. Die Zuwendung und der Aufstockungsbetrag nach § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ betrugen im Jahre 2005 1.564,55 bzw. 1.190,15 Euro brutto. Im Jahre 2006 zahlte die Beklagte eine Sonderzuwendung in Höhe von 1.523,78 Euro brutto und einen Aufstockungsbetrag nach § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ in Höhe von 1.162,47 Euro brutto.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse die Zuwendung 2006 und den Aufstockungsbetrag in gleicher Höhe leisten wie 2005. Er habe sich in der Arbeitsphase ein Guthaben erarbeitet, das in der Freistellungsphase zur Auszahlung komme. Die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung sei "spiegelbildlich" für die entsprechenden Monate der Arbeitsphase zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 68,45 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Spiegelbildlichkeit der Vergütung in der Arbeits- und Freizeitphase der Altersteilzeit komme nur insoweit zur Anwendung, als es um rein auf die Arbeitsleistung bezogene Vergütungsbestandteile gehe. Nach der Rechtsprechung des BAG seien Zuwendungen im öffentlichen Dienst nicht ausschließlich ein Ausgleich für Arbeitsleistungen, sondern insbesondere ein Instrument, die geleistete Treue zu belohnen. Bei der Zuwendung handele es sich nach der Entscheidung des BAG vom 17. April 1996 (10 AZR 558/95) nicht um eine in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung (§ 611 Abs. 1 BGB) eingebundene Sonderzahlung.

Mit Urteil vom 5. Dezember 2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Höhe der Zuwendung richte sich nach § 20 TV-L. Der Kläger könne nicht verlangen, in der Freistellungsphase eine gleich hohe Sonderzuwendung zu erhalten wie in der Arbeitsphase, weil es sich bei der Zuwendung nicht um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit handele. Mit ihr solle die Treue gegenüber dem Arbeitgeber belohnt werden.

Gegen das ihm am 20. Dezember 2007 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat der Kläger am 17. Januar 2008 die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20. März 2008 am 18. März 2008 begründet.

Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung, die Sonderzuwendung und der Aufstockungsbetrag seien in der Freistellungsphase der Altersteilzeit in der gleichen Höhe zu zahlen wie in der Arbeitsphase. Nach § 4 Abs. 2 TV ATZ gälten als Bezüge auch Einmalzahlungen wie z.B. eine Zuwendung. Damit hätten die Tarifvertragsparteien die Einmalzahlungen zum Bestandteil der von der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung abhängigen Bezüge gemacht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 05.12.2007 - 9 Ca 237/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 68,54 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil. Dem Kläger habe im November 2006 eine Jahressonderzahlung nur in Höhe von 50 % der in § 20 Abs. 3 TV-L geregelten Bemessungsgrundlage und dementsprechend auch eine geringere Aufstockungsleistung zugestanden. Über den Charakter der Einmalzahlung treffe § 4 Abs. 2 TV ATZ keine Aussage. Es bleibe dabei, dass es sich bei der Zuwendung gerade nicht um eine im Synallagma stehende Leistung des Arbeitgebers handele. Vielmehr diene die Zuwendung der Belohnung geleisteter Betriebstreue und gebe gleichzeitig einen Anreiz zur Erbringung zukünftiger Betriebstreue.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.

II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 68,45 Euro brutto aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ. Der Betrag setzt sich aus einem Anspruch auf eine restliche Sondervergütung in Höhe von 40,77 Euro und einem Anspruch auf eine zusätzliche Aufstockungsleistung in Höhe von 27,68 Euro zusammen. Die Sonderzuwendung ist in der Altersteilzeit während der Freistellungsphase "spiegelbildlich" in der gleichen Höhe zu zahlen wie in der Arbeitsphase. Dies gilt unabhängig davon, welchen Zweck die Sonderzuwendung verfolgt. Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte "Spiegelbildtheorie" ist auch auf den Aufstockungsbetrag nach § 5 Abs. 1 TV ATZ und den Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 TV ATZ anzuwenden.

1. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer restlichen Sondervergütung für das Jahr 2006 in Höhe von 40,77 brutto aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 TV ATZ. Die Sondervergütung für das Jahr 2006 ist in gleicher Höhe zu zahlen wie die Sondervergütung für 2005. Die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung wird "spiegelbildlich" für die entsprechenden Monate der Arbeitsphase geleistet. Dies gilt unabhängig davon, welchen Zweck die Sonderzuwendung verfolgt. Nur ergänzend ist darauf zu verweisen, dass die Sonderzuwendung nach dem TV ATZ nicht nur die Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnen soll. Es handelt sich vielmehr um eine sog. Gratifikation mit Mischcharakter.

a) Nach § 4 Abs. 1 TV ATZ erhält der Arbeitnehmer während der gesamten Zeit des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses die Bezüge in Höhe der sich für entsprechende Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften (z.B. § 34 BAT/BAT-O) ergebenden Beträge (feste Bezügebestandteile). Lediglich Bezügebestandteile, die üblicherweise in die Berechnung des Aufschlags zur Urlaubsvergütung/Zuschlags zum Urlaubslohn einfließen, sowie Wechselschicht- und Schichtzulagen (§ 4 Abs. 1 2. Alt. TV ATZ) werden entsprechend dem Umfang der tatsächlich geleisteten Tätigkeit gezahlt (unständige Bezügebestandteile). § 4 Abs. 2 TV ATZ sieht vor, dass als Bezüge im Sinne des § 4 Abs. 1 TV ATZ auch Einmalzahlungen wie z.B. Zuwendungen gelten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist § 4 TV ATZ dahingehend auszulegen, dass die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung "spiegelbildlich" für die entsprechenden Monate der Arbeitsphase gezahlt wird. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Altersteilzeitarbeitnehmer im Blockmodell in der Arbeitsphase ein Guthaben erarbeitet, welches in der Freistellungsphase zur Auszahlung kommen soll. Denn er erhält in der Arbeitsphase trotz zeitlich nicht reduzierter Arbeit nur eine der Halbierung der Wochenarbeitszeit entsprechende Teilzeitvergütung zuzüglich Aufstockungsleistungen. Die ihm zustehende restliche Vergütung wird zum Zwecke der Sicherung des Lebensstandards in der Freistellungsphase ausgezahlt. Im Blockmodell der Altersteilzeit tritt der Arbeitnehmer in diesem Sinne während der Arbeitsphase mit seinen vollen Arbeitsleistungen im Hinblick auf die anschließende Freistellungsphase in Vorleistung. Das während der Freistellungsphase auszuzahlende Entgelt ist daher Gegenleistung für die bereits während der Arbeitsphase geleistete, über die verringerte Arbeitszeit hinausgehende Vollarbeit. Dabei wird die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung jeweils "spiegelbildlich" für die entsprechenden Monate der Arbeitsphase gezahlt. Bei der Bemessung der Grundvergütung wird an die Lohngruppe und Lohnstufe angeknüpft, die der Arbeitnehmer zur Zeit der Arbeitsphase hatte (BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 449/04 - AP § 3 ATG Nr. 16; 19. Oktober 2004 - 9 AZR 647/03 - AP § 55 InsO Nr. 5; 24. Juni 2003 - 9 AZR 353/02 - BAGE 106, 353).

Die "Spiegelbildtheorie" gilt jedoch nicht für alle Vergütungsbestandteile. So ist für den Ortzuschlag auf die jeweils aktuellen persönlichen Verhältnisse des Angestellten abzustellen. Gleiches gilt für Erschwerniszuschläge, die bei Verrichtung einer entsprechenden Tätigkeit in der Arbeitsphase in vollem Umfang anfallen und daher in der Freistellungsphase nicht nochmals zur Auszahlung kommen (BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 449/04 - AP § 3 ATG Nr. 16, zu B I 3 g (1) und (2) der Gründe = juris Rz 27 ff.).

Die Sonderzuwendung ist mit derartigen an die persönliche Situation des Arbeitnehmers anknüpfenden Vergütungsbestandteilen und Erschwerniszuschlägen nicht vergleichbar. Sie ist in der Freistellungsphase spiegelbildlich in der gleichen Höhe zu zahlen wie in der Arbeitsphase. Dies folgt aus § 4 Abs. 2 TV ATZ, wonach Einmalzahlungen wie z.B. Zuwendungen als Bezüge gelten. Dementsprechend hat das BAG die Zahlung von Zuwendungen ausdrücklich der spiegelbildlichen Berechnung unterworfen, ohne dass das BAG auf den Zweck der Sonderzuwendung abgestellt hätte (BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 449/04 - AP § 3 ATG Nr. 16, zu B I 3 g (3) der Gründe = juris Rz 30).

Aus der Formulierung des Bundesarbeitsgerichts, dass der Ortzuschlag "nicht rein auf die Arbeitsleistung bezogen" sei (BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 449/04 - AP § 3 ATG Nr. 16, zu B I 3 g (1) der Gründe = juris Rz 27), lässt sich keine andere Betrachtung ableiten. Insbesondere lässt sich aus ihr nicht schließen, dass Sonderzuwendungen nicht der Spiegelbildtheorie unterfallen, wenn sie nicht rein auf die Arbeitsleistung bezogen sind. Mit der Formulierung wollte das BAG lediglich verdeutlichen, dass der an die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers (und nicht an seine Arbeitsleistung) anknüpfende Ortzuschlag nicht spiegelbildlich zu berechnen ist. Eine Aussage zu der Sonderzuwendung nach dem TV Sonderzuwendung hat das BAG an dieser Stelle nicht treffen wollen. Wie ausgeführt, hat das BAG die Behandlung der Sonderzuwendung erst später verdeutlicht.

b) Danach steht dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 40,77 brutto zu. Er erhält mit dieser Zahlung die Sonderzuwendung für das Jahr 2006 in gleicher Höhe wie 2005.

c) Nur ergänzend wird darauf verwiesen, dass die Sonderzuwendung nach dem TV Sonderzuwendung entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten auch auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bezogen ist. Sie ist auch aus diesem Grund in die spiegelbildliche Berechnung der Vergütung einzubeziehen.

Bei der Sonderzahlung nach dem TV Zuwendung handelt es sich um eine sogenannte Gratifikation mit Mischcharakter, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Arbeitsleistung und die in der Vergangenheit bzw. in der Zukunft erwartete Betriebstreue erst zusammen anspruchsbegründend sind (BAG 25. April 1991 - 6 AZR 532/89 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 84; Hanau/Vossen DB 1992, 214). § 1 TV Zuwendung ist zu entnehmen, dass die Treue des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber belohnt werden soll. Aus § 2 Abs. 2 TV Zuwendung ergibt sich, dass dies nicht der einzige Zweck ist. Danach erhält der Arbeitnehmer für Zeiten, in denen er keinen Vergütungsanspruch hat, auch keine Zuwendung. Dies verdeutlicht, dass die Zuwendung auch die Arbeitsleistung belohnen soll.

In der Entscheidung vom 17. April 1996 (10 AZR 558/95 - AP § 611 BGB Kirchendienst Nr. 24) hat das BAG keine andere Aussage getroffen. Zwar hat das BAG formuliert, dass die Zuwendung nicht die Gewährung einer mit der Arbeitsleistung in einem Synallagma stehenden zusätzlichen Vergütung für jeden geleisteten Abrechnungszeitraum ist. Es hat allerdings auch darauf verwiesen, dass die Zuwendung "nicht alleine" eine Gegenleistung für geleistete Dienste sei und sie nicht eine "reine" Vergütung darstelle. Damit hat das BAG klar gestellt, dass die Zuwendung auch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers belohnen soll.

2. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Aufstockungsleistung für das Jahr 2006 in Höhe von noch 27,68 Euro aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ. Sowohl der Aufstockungsbetrag nach § 5 Abs. 1 TV ATZ als auch der Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 TV ATZ sind in der Freistellungsphase "spiegelbildlich" in der gleichen Höhe wie in der Arbeitsphase zu zahlen.

a) Dies folgt noch nicht zwingend daraus, dass die Bezüge nach § 4 Abs. 1 TV ATZ spiegelbildlich zu berechnen sind. Auf Grund der unterschiedlichen Zielsetzungen sind das Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung und die Aufstockungsleistungen nach § 5 TV ATZ eigenständig zu ermitteln (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 369/05 - AP § 2 ATG Nr. 7; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 449/04 - AP § 3 ATG Nr. 16).

Die Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers stehen nicht im unmittelbaren Austauschverhältnis Arbeit gegen Lohn. Sie sollen u.a. den Arbeitnehmer motivieren, seinen Arbeitsplatz vorzeitig frei zu machen. Mit Hilfe der Arbeitgeberleistungen erhält er über das Teilzeitentgelt hinaus die finanziellen Mittel, die einen Übergang in den gleitenden Ruhestand attraktiv machen und gleichzeitig in etwa seinen bisherigen Lebensstandard sichern. Sie orientieren sich deshalb nicht allein an der Höhe des Arbeitsverdienstes, sondern dienen der Durchsetzung dieser Ziele (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 369/05 - AP § 2 ATG Nr. 7, 14. Oktober 2003 - 9 AZR 146/03 - BAGE 108, 94).

b) Der Aufstockungsbetrag nach § 5 Abs. 1 TV ATZ ist spiegelbildlich zu berechnen.

Dies ergibt sich daraus, dass § 5 Abs. 1 Satz 1 TV ATZ ausdrücklich auf § 4 ATZ Bezug nimmt. Danach werden die "dem Arbeitnehmer nach § 4 zustehenden Bezüge um 20 % dieser Bezüge aufgestockt". Bei den dem Arbeitnehmer nach § 4 zustehenden Bezügen handelt es sich um die spiegelbildlich bestimmten Bezüge.

Hiervon geht auch das BAG aus (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 369/05 - AP § 2 ATG Nr. 7, zu B III 1 der Gründe = juris Rz 50).

c) Der Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 TV ATZ ist ebenfalls spiegelbildlich nach dem Entgelt zu bemessen, das der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase zu beanspruchen hatte.

aa) In Bezug auf den Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 TV ATZ ist die bisherige Rechtsprechung des BAG allerdings nicht eindeutig.

§ 5 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ sieht vor, dass der Aufstockungsbetrag so hoch sein muss, dass der Arbeitnehmer 83 % des Nettobetrages des bisherigen Arbeitsentgelts erhält (Mindestnettobetrag). Als bisheriges Arbeitsentgelt ist nach § 5 Abs. 2 Satz 2 TV ATZ anzusetzen das gesamte, dem Grunde nach beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit zu beanspruchen hätte.

Aus dem Wortlaut der Tarifvorschrift leitet das BAG in ständiger Rechtsprechung ab, dass der Arbeitnehmer das "Hätte-Entgelt" beanspruchen kann. Als bisheriges Arbeitsentgelt wird das Arbeitsentgelt verstanden, welches der Arbeitnehmer ohne Begründung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses unter Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit zu beanspruchen hätte. Dies soll allerdings nur für den "Geldfaktor", nicht dagegen für den "Zeitfaktor" gelten. Das Arbeitsentgelt (der Geldfaktor) bezieht sich nach der Rechtsprechung des BAG auf das Entgelt, das der Arbeitnehmer ohne Begründung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu beanspruchen hätte, während der Zeitfaktor vergangenheitsbezogen ist. Er betrifft die Feststellung der vor Beginn der Altersteilzeit geltenden Arbeitszeit (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 369/05 - AP § 2 ATG Nr. 7; 9. September 2003 - 9 AZR 554/02 - AP § 4 ATG Nr. 2).

In der Entscheidung vom 9. September 2003, die sich auf einen Lohnsteuerklassenwechsel während der Altersteilzeit bezog, hat der 9. Senat weiterhin ausgeführt, es sei für den jeweiligen Monat der Altersteilzeit das "Hätte-Entgelt" konkret zu ermitteln, wobei die steuerrechtlichen Verhältnisse dieses Monats zugrunde zu legen seien (BAG 9. September 2003 - 9 AZR 554/02 - AP § 4 ATG Nr. 2, zu B II 1 b aa der Gründe = juris Rz 29 ). Der Wortlaut der Tarifvorschrift und diese Ausführungen des BAG könnten die Annahme nahe legen, dass die Berechnung im Rahmen des § 5 Abs. 2 TV ATZ anders als bei § 4 und § 5 Abs. 1 ATZ nicht spiegelbildlich vorzunehmen ist. In diesem Sinne vertritt Kulok (ZTR 2006, 420, 421 f.) die Auffassung, als bisheriges Entgelt sei für die Ermittlung des Mindestnettobetrages das Entgelt zugrunde zu legen, das sich nach der Überleitung in den TVöD bzw. den TV-L ergeben hätte.

Demgegenüber ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des BAG vom 11. April 2006 in eine andere Richtung weist. Danach bestimmt sich auch der Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 TV ATZ während der Freistellungsphase nach der "Spiegelbildtheorie" (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 369/05 - AP § 2 ATG Nr. 7, zu B III 2 a der Gründe = juris Rz 52). Das BAG weist darauf hin, dass es sich bei den Aufstockungsleistungen um Entgelt i.S.v. §§ 611, 612 BGB handele. Sie seien "spiegelbildlich" nach dem Entgelt zu bemessen, das der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase zu beanspruchen gehabt habe. Dies entspreche dem Grundsatz, dass die Altersteilzeitvergütung im Blockmodell während der Arbeitsphase und in der Freistellungsphase nach den denselben Merkmalen zu berechnen sei.

bb) Nach Auffassung der Kammer ist der Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 TV ATZ "spiegelbildlich" nach dem Entgelt zu bemessen, das der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase zu beanspruchen hatte.

Dabei wird nicht verkannt, dass der Wortlaut des § 5 Abs. 2 TV ATZ eher für eine andere Auslegung spricht. Denn das "Hätte-Entgelt" ist das Entgelt, das der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er das Altersteilzeitarbeitsverhältnis nicht begründet hätte. Wenn der Arbeitnehmer nicht in die Altersteilzeit gewechselt wäre, erhielte er Vergütung nach dem übergeleiteten Tarifvertrag (hier: § 20 TV-L).

Der Wortlaut erfordert eine Auslegung der Tarifvorschrift in diesem Sinne allerdings nicht zwingend. Mit dem Wortlaut ist eine Auslegung vereinbar, die unter dem bisherigen Entgelt das Entgelt versteht, das der Arbeitnehmer in der Arbeitsphase ohne die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses verdient hätte.

Vor diesem Hintergrund sprechen systematische Erwägungen entscheidend dafür, auch den Mindestnettobetrag spiegelbildlich zu berechnen. Zu berücksichtigen ist, dass das BAG die "Spiegelbildtheorie" in Auseinandersetzung mit den in der Literatur erhobenen Einwänden seiner ständigen Rechtsprechung zugrunde legt. Die Kammer sieht keinen Anlass, diese Rechtsprechung in Frage zu stellen. Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist es aus systematischen Gründen geboten, die vom Arbeitgeber zu erbringenden Leistungen nach gleichen Maßstäben zu bestimmen. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass es dem Willen der Tarifvertragsparteien entspricht, innerhalb eines Paragrafen eine unterschiedliche Berechnung vorzunehmen. Hätten sie einen derartigen Willen gehabt, hätte es nahe gelegen, diesen deutlich zu formulieren. Dies ist indes nicht geschehen. Die Tarifvertragsparteien haben vielmehr nicht nur in § 5 Abs. 1 TV ATZ einen unmittelbaren Bezug zu § 4 TV ATZ hergestellt, sondern auch in § 5 Abs. 2 TV ATZ zu § 5 Abs. 1 TV ATZ. Denn der Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 TV ATZ orientiert sich unmittelbar an dem nach § 5 Abs. 1 TV ATZ zu berechnenden Aufstockungsbetrag.

cc) Danach steht dem Kläger eine Aufstockungsleistung in Höhe von 27,68 Euro zu. Unter Einbeziehung der erfolgten Zahlung von 1.162,47 Euro erhält der Kläger im Jahre 2006 somit den gleichen Aufstockungsbetrag wie in 2005.

3. Die Zinsentscheidung ergibt sich aus § 288 BGB.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Der Frage, wie die Sonderzuwendung im öffentlichen Dienst während der Freistellungsphase in der Altersteilzeit zu behandeln ist, kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere für den Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 TV ATZ.

Ende der Entscheidung

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