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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 04.11.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 500/05
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1
BGB § 626
BetrVG § 77 Abs. 4
Vereinbaren die Betriebsparteien ausdrücklich in einer Betriebsvereinbarung zur Einführung eines Zeiterfassungssystems, dass die erhobenen Daten nur zur Lohnabrechnung nicht aber zur Verhaltenskontrolle verwendet werden dürf-ten, so kann sich der Arbeitgeber zur Begründung einer fristlosen Kündigung nicht auf die erhobenen Daten berufen.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.02.2005 - 12 Ca 9724/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung. Der Kläger ist 55 Jahre alt und verheiratet. Er ist seit dem 15.03.1974 bei der Beklagten als Flugscheinverkäufer beschäftigt gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 3.460,00 €. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag ist der Kläger ordentlich nicht kündbar. Aufgrund eines Spruchs der Einigungsstelle vom 19.01.1998 (Bl. 70 d. A.) existiert im Unternehmen eine Rahmenbetriebsvereinbarung zur Einführung eines Zeitdatenmanagement-Systems. Dabei geht es unter anderem um eine elektronische Arbeitszeiterfassung an Zeiterfassungsterminals, an denen sich die Arbeitnehmer der Beklagten ein- und ausbuchen können, mittels einer Software namens TARIS. Die Nr. 11 der Rahmenbetriebsvereinbarung lautet wörtlich: "Die im T gespeicherten Daten dürfen ausschließlich zu den in dieser BVB geregelten Zwecken verwendet werden. Eine Verhaltens- und Leistungskontrolle findet im Übrigen nicht statt." Für die Station K wurde am 06.04.2002 durch Spruch der Einigungsstelle die entsprechende Regelung für den konkreten Betrieb getroffen. Dort heißt es unter § 2 "Zweckbestimmung," dass das Zeitdatenmanagement-System dazu diene, arbeitszeitrelevante An- und Abwesenheitszeiten zum Zweck der Vergütungsabrechnung zu erfassen. Im Gebäude des Flughafens K existieren drei Zeiterfassungsterminals. Der direkte Weg vom nächstgelegenen Terminal zum Arbeitsplatz des Klägers nimmt wenige Minuten in Anspruch. Am 13.08.2004 und am 24.08.2004 wurde der Kläger dabei beobachtet, wie er mit seinem Auto auf dem Mitarbeiterparkplatz erschien, obwohl er sich - für diese beiden Tage unstreitig - vorher schon im Zeiterfassungssystem eingebucht hatte. Nach dem 25.08.2004 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Am 01.09.2004 fand ein Personalgespräch statt in Anwesenheit des Betriebsratsvorsitzenden Herrn R . In diesem Gespräch wurde der Kläger mit dem Vorwurf des Arbeitszeitbetruges konfrontiert. Dieses geschah im Hinblick auf die beiden besagten Tage, aber auch im Hinblick auf diverse weitere Tage, an denen die von ihm eingebuchte Zeit erheblich abgewichen sei von dem Zeitpunkt, zu dem der jeweilige Schichtleiter sein tatsächliches Erscheinen am Arbeitsplatz wahrgenommen habe. Die Einzelheiten dieses Gespräches sind streitig. Jedenfalls waren auf der Tabelle mit den einzelnen Zeitabweichungen - soweit diese Tabelle überhaupt vorgelegt wurde - die Namen der jeweils berichtenden Schichtleiter nicht vermerkt. Mit Schreiben vom 03.09.2004 wurde der Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung, hilfsweise zu einer außerordentlichen mit sozialer Auslauffrist angehört. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen (Bl. 8 d. A.). Am 07.09.2004 (Bl. 14 d. A.) äußerte der Betriebsrat hierzu Bedenken. Nach seiner Auffassung sei allenfalls eine Abmahnung verhältnismäßig gewesen und eine Verwertung der T -Daten habe nicht erfolgen dürfen. Die Zeitdifferenzen am 13.08.2004 und 24.08.2004 seien im Übrigen auf Gesprächstermine im Betriebsratsbüro zurückzuführen gewesen. Mit Schreiben vom 08.09.2004, dem Kläger zugegangen am 14.09.2004, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Mit der am 24.09.2004 anhängig gemachten Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, er habe nicht in einem Maße gegen seine Vertragspflichten verstoßen, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein könne. Am 13.08.2004 habe er einen Termin beim Betriebsrat gehabt. Es sei schon spät gewesen, deshalb habe er auf dem Publikumsparkplatz geparkt, habe sich in das Arbeitszeiterfassungssystem eingebucht, sei zum Betriebsrat gegangen und anschließend zurück zum Auto, um es auf den Mitarbeiterparkplatz zu bringen. Am 24.08.2004 habe es erneut einen Termin beim Betriebsrat gegeben. Hierzu habe er schwere Taschen mit Unterlagen mitgebracht. Deshalb habe er auch dieses Mal auf dem Kundenparkplatz geparkt. Er habe die Unterlagen beim Betriebsrat abgegeben und sei dann zurück zum Auto und mit diesem auf den Mitarbeiterparkplatz. Die weiteren von der Beklagten behaupteten Abweichungen zwischen der jeweils gebuchten "Kommt-Zeit" und dem angeblichen tatsächlichen Eintreffen am Arbeitsplatz bestreite er. Schon die von der Beklagten selbst vorgelegte Liste sei widersprüchlich. Hinter die Zeitabweichung vom 12.08.2004 habe die Beklagte selbst zu Recht ein Fragezeichen gesetzt. Auch die "Geht-Zeit" am 17.08.2004 sei unrealistisch. Der Weg vom Arbeitsplatz zum Zeiterfassungsterminal benötige in jedem Fall mehr als eine Minute. Die angeblich von den Schichtleitern mitgeteilten "handgestoppten" Zeiten seien, unabhängig von möglichen Uhrenabweichungen, schon deshalb nicht zuverlässig, weil die Schichtleiter von deren Arbeitsplatz nicht ohne Weiteres seinen Arbeitsplatz einsehen könnten. So passiere es häufig, dass er von Schichtleitern beim ersten Zusammentreffen gehört habe "Wie, Du bist schon da?" Selbst wenn die dargestellten Abweichungen als richtig unterstellt würden, folge aus ihnen nicht zwingend ein Pflichtverstoß. So gehöre es zu seinen vertraglichen Pflichten, regelmäßig in sein Postfach zu sehen. Dies sei mit einem Weg in den Verwaltungsbereich verbunden. Zu seinen Aufgaben gehörten auch Hilfeleistungen an den Check-In-Automaten. Hier habe er mit Kunden zum Teil viel Zeit verbracht, bevor er sich zu seinem Arbeitsplatz begeben habe. Zum 25.08.2004 könne er konkret vortragen, dass er bereits am Morgen Magenprobleme gehabt habe, die später zur Arbeitsunfähigkeit geführt hätten. In der Zeit zwischen dem Einbuchen und dem tatsächlichen Erscheinen am Arbeitsplatz habe er eine längere Weile im Toilettenbereich verbracht. Im Übrigen rüge er, die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt und die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten worden. Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten zum 08.09.2004, dem Kläger zugegangen am 14.09.2004, nicht sein Ende gefunden hat;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Mitarbeiter im Bereich Flugscheinverkauf ihrer Station Flughafen K weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, Ende Juni 2004 habe es einen Hinweis gegeben, dass der Kläger öfters zuerst in das System einbuche und erst dann sein Auto zum Mitarbeiterparkplatz bringe. Ab dem 26.06.2004 seien die tatsächlichen Kommt-Zeiten und Geht-Zeiten am Arbeitsplatz vom jeweiligen Leiter der Flugscheinschalter abgefragt und mit den Zeiterfassungsdaten verglichen worden. Während der Weg von den Buchungsterminals zum Arbeitsplatz allenfalls drei Minuten dauern könne, ergäben sich aus den erhobenen Daten extrem abweichende Zeiten: Datum|Kommt-Differenz|Geht-Differenz 26.07.2004|14 Minuten|1 Minute 27.07.2004|21 Minuten|unbekannt 28.07.2004|25 Minuten|5 Minuten 29.07.2004|42 Minuten|15 Minuten 30.07.2004|23 Minuten|ca. 8 Minuten 02.08.2004|12 Minuten|5 Minuten 03.08.2004|unbekannt|31 Minuten 04.08.2004|23 Minuten|3 Minuten 05.08.2004|13 Minuten|unbekannt 06.08.2004|8 Minuten|3 Minuten 09.08.2004|30 Minuten|11 Minuten 10.08.2004|20 Minuten|21 Minuten 11.08.2004|38 Minuten|ca. 35 Minuten 12.08.2004|? 82 Minuten|2 Minuten 13.08.2004|28 Minuten|5 Minuten 16.08.2004|18 Minuten|22 Minuten 17.08.2004|unbekannt|1 Minute 18.08.2004|13 Minuten|ca. 18 Minuten 19.08.2004|17 Minuten|unbekannt 20.08.2004|23 Minuten|unbekannt 23.08.2004|12 Minuten|3 Minuten 24.08.2004|11 Minuten|7 Minuten 25.08.2004|21 Minuten|25 Minuten Für die Richtigkeit dieser Tabelle trete sie Beweis an durch Vernehmung des Zeugen B , der den Vergleich zwischen den gebuchten Zeiten und den von den Schichtleitern mitgeteilten Zeiten durchgeführt habe sowie durch Vernehmung der Zeugen W , B , Z und E , die zu den besagten Tagen die Schichtleiter gewesen seien. Nachdem diese Unregelmäßigkeiten aufgefallen seien, sei der Kläger am 13.08.2004, am 24.08.2004 und am 25.08.2005 observiert worden. In dem am 01.09.2004 stattgefundenen Personalgespräch habe der Kläger eingestanden, teilweise zuerst eingebucht und dann zum Mitarbeiterparkplatz gefahren zu sein. Nach seinen Angaben sei dies aber nicht regelmäßig der Fall gewesen und auch nur vor seinem Urlaub, also vor dem 25.06.2004. Dem Kläger sei daraufhin die nach dessen Urlaub erstellte Tabelle vorgelegt worden. Darauf habe der Kläger erwidert, er könne sich konkret nur an zwei Fälle vor seinem Urlaub erinnern. Er habe eine private Edelstahlleiter zur Firma F zur Reparatur gebracht und sei deshalb mit dem Auto vor dem Terminal vorgefahren. Bei dieser Gelegenheit habe er in T eingebucht. Ebenso habe er sich verhalten, als er die Leiter wieder abgeholt habe. Dies habe er deshalb so organisiert, weil die besagte Leiter sehr schwer gewesen sei. Im Übrigen könne er sich die Differenz-Zeiten nicht erklären, weil der Weg vom Mitarbeiterparkplatz bis zu seinem Arbeitsplatz nur maximal fünf Minuten ausmachte und keine zwanzig. Er habe allerdings in diesem Zeitraum irgendwann (an den genauen Tag erinnere er sich nicht) direkt nach der Einbuchung in T sich zum Betriebsrat begeben und sei daher erst später am Arbeitsplatz erschienen. Dies sei von Herrn R bestätigt worden, der sich allerdings auch nicht an den genauen Tag und an die Zeit habe erinnern können. Nach der Einschätzung von Herrn R sei es allerdings möglich, die Diskrepanz von 22 Minuten mit dem besagten Gespräch zu erklären. Weiter habe der Kläger ausgeführt, er habe bei anderer Gelegenheit einen sehr schweren Aktenkoffer beim SX-Schalter abgestellt und sei dann erst zum Parkplatz gefahren. Wenn der Kläger nunmehr im Laufe des Rechtsstreits Konkreteres zu einem Betriebsratstermin am 13.08.2004 vortrage, so sei dies nicht glaubwürdig, denn in dem Personalgespräch am 01.09.2004, also weniger als drei Wochen nach dem fraglichen Termin, habe er sich, wie dargestellt, nicht an das genaue Datum erinnern können. Gleiches gelte für den damals anwesenden Betriebsratsvorsitzenden. Mit Urteil vom 02.02.2005 hat das Arbeitsgericht Köln der Klage stattgegeben. Weder aus dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung noch aus dem Gesichtspunkt der Tatkündigung liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vor. Zwar sei grundsätzlich von einem Arbeitszeitbetrug und damit von einem wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung auszugehen, wenn ein Arbeitnehmer erst einbuche und dann zur Arbeit gehe. Die Beklagte habe ihre Kündigung aber lediglich auf zwei Vorfälle stützen können, zu denen der Kläger konkrete Erklärungen habe vorbringen können, ohne das die Beklagte hierzu hinreichend konkret erwidert habe. Soweit der Vorwurf einer Verspätung oder einer Arbeitsbummelei verbleibe, sei jedenfalls eine Abmahnung notwendig gewesen. In jedem Falle scheitere die Wirksamkeit der Kündigung an der Interessenabwägung, weil die Beklagte nicht die lange Betriebszugehörigkeit und das vorgerückte Alter des Klägers berücksichtigt habe. Gegen das ihr am 14.03.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 12.04.2005 Berufung eingelegt, die nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 17.06.2005 begründet worden ist. Sie wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Darlegungen und trägt vor, die vom Kläger behauptete Rechtfertigung für die Zeitdifferenz am 13.08.2004 sei nach ihrer Auffassung weiterhin nicht glaubwürdig. Dies schließe sie vor allem daraus, dass der Vortrag des Klägers immer konkreter werde, je länger der Prozess dauere. Der Betriebsratsvorsitzende habe ihr gegenüber erklärt, er könne sich zwar an ein Gespräch erinnern, aber nicht, ob es am 13.08.2004 stattgefunden habe. Hierfür trete sie Beweis an durch Vernehmung des Betriebsratsvorsitzenden, Herrn R . Der Arbeitszeitbetrug hinsichtlich der Angelegenheit mit der privaten Leiter sei unstreitig. Dies sei in der erstinstanzlichen Entscheidung nicht berücksichtigt worden. Allein die Liste mit den Zeitdifferenzen rechtfertige nach ihrer Auffassung die fristlose Kündigung. Das Fehlen des Klägers sei auch nicht mit einem verspäteten Arbeitsbeginn gleichzusetzen. Wer zu spät komme, begehe ihrer Meinung nach keinen Arbeitszeitbetrug, weil er die verspätete Zeit nicht bezahlt bekomme. Wer aber einbuche und damit den Beginn seiner Arbeitszeit in das System eingebe, dann aber nicht seine Arbeit beginne, sondern erst andere Dinge tue, die mit seiner Arbeit nichts zu tun hätten, begehe einen Arbeitszeitbetrug. Da der Kläger eine vorsätzliche Straftat begangen habe, sei nach ihrer Auffassung eine Abmahnung entbehrlich gewesen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.02.2005 - 12 Ca 9724/04 - abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er trägt vor, am 13.08.2004 habe er einen Besprechungstermin beim Betriebsrat um 10:40 Uhr gehabt. Gegenstand des Gespräches sei die Arbeitszeitgestaltung, insbesondere die von der Beklagten geäußerte Absicht, die Gleitzeitregelung für ihn zu beenden. Um nicht zu spät zur Besprechung zu kommen, habe er sein Auto zunächst auf der Abflugebene geparkt und sich dann in die dritte Etage der Verwaltung begeben, wo sich auch das Büro des Betriebsrats befinde. Am Aufzug befinde sich ein T -Zeiterfassungsgerät. Dieses habe er benutzt, bevor er in das Betriebsratsbüro gegangen sei. Er habe dann das Büro um ca. 11:00 Uhr verlassen, sei zum Mitarbeiterparkplatz gefahren und habe dort sein Fahrzeug abgestellt. Das Gespräch am 24.08.2004 sei um 10:45 Uhr vereinbart gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei er auch mit Unterlagen mit erheblichem Umfang beim Betriebsrat erschienen und habe dort diese Unterlagen abgegeben. Einer weiteren Besprechung habe es nicht bedurft. Vom Betriebsratsbüro sei er dann zurück zum Auto gegangen, habe dieses auf dem Mitarbeiterparkplatz geparkt und sei dann zum Arbeitsplatz gegangen. Im Übrigen verteidigt der Kläger das erstinstanzliche Urteil und nimmt Bezug auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten haben die Parteien auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO). II. In der Sache konnte die Berufung aber keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit zutreffender Begründung stattgegeben. 1. Die Kündigung vom 08.09.2004 hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet, denn es fehlt an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift kann die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (bei Unkündbarkeit, wie hier, bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses) nicht zugemutet werden kann. Solche Tatsachen sind nicht ersichtlich. a) Die von der Beklagten in der von ihr erstellten Liste dargestellten Zeitdifferenzen zwischen den elektronisch erfassten Buchungszeiten und den individuell gestoppten Anwesenheitszeiten kommen als Tatsachen im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. Die elektronisch durch das Zeiterfassungssystem erfassten Daten sind für die Begründung einer verhaltensbedingten oder gar fristlosen Kündigung nicht verwertbar. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Nr. 11 der Gesamtbetriebsvereinbarung "eine Verhaltens- und Leistungskontrolle findet im Übrigen nicht statt." Eine Betriebsvereinbarung stellt eine abstrakt-generelle Regelung dar, die daher nach den Grundsätzen auszulegen ist, die für Gesetze gilt. Diese Grundsätze geben dem Wortlaut der Regelung ein besonderes Gewicht und der hier fragliche Wortlaut ist eindeutig. Es ist kein Fall denkbar, in dem eine "Verhaltens- und Leistungskontrolle" mittels elektronisch erfasster Anwesenheitszeiten durchgeführt werden könnte, die sich nicht auf den Verdacht der Nichterfüllung der Arbeitsleistung bezöge. Die Regelung in Nr. 11 der Gesamtbetriebsvereinbarung betrifft also genau Fälle wie den vorliegenden. Zur Verdeutlichung wird darauf hingewiesen, dass der vorliegende Fall kaum Überschneidungen mit dem Sachverhalt aufweist, über den das BAG im Urteil vom 27.03.2003 (2 AZR 51/02, AP Nr. 36 zu 87 BetrVG Überwachung) zu entscheiden hatte. Dort stellte sich die Frage, ob ein Beweiserhebungsverbot besteht und ob dies - wenn es unterstellt wird - ein Verwertungsverbot nach sich zieht. Die Frage der Verletzung eines Mitbestimmungsrechts konnte das BAG offen lassen. Im hier streitigen Fall geht es nicht um ein Beweiserhebungsverbot. Die Zeitdaten sind vielmehr erlaubterweise aufgrund einer ausführlichen Regelungsgrundlage und unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats erhoben worden und dies nicht einmal heimlich, sondern unter Mitwirkung der betroffenen Arbeitnehmer. Es müssen auch keine verfassungsrechtlichen Grundsätze bemüht werden, um einen Zusammenhang zwischen Erhebungsverbot und Verwertungsverbot herzustellen. Die Betriebsparteien haben hier vielmehr selbst die wiederstreitenden Interessen gesehen, berücksichtigt und die mögliche Verwertung der (erlaubterweise) erhobenen Daten in den Nr. 10, 11 und 14 der Gesamtbetriebsvereinbarung ausdrücklich geregelt. Gemäß § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend und damit für den Kläger genauso wie für die Beklagte. Ob aus einer Verletzung der Regelung die Verletzung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats folgt und ob daraus ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats für die Zukunft abzuleiten ist, ist für den vorliegenden Fall irrelevant. Das vom Betriebsrat eingeleitete Beschlussverfahren ist daher nicht vorgreiflich und eine Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits kam entgegen dem Antrag der Beklagten in der Berufungsverhandlung nicht in Betracht. b) Auch das - dem Grunde nach unstreitige - Verhalten des Klägers am 13.08.2004 und am 24.08.2004, nämlich das Parken auf dem Mitarbeiterparkplatz, nachdem er bereits in das Zeiterfassungssystem eingebucht hatte, stellt keine Tatsache im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Dabei ist schon fraglich, ob das Verhalten einen wichtigen Grund an sich darstellen kann, jedenfalls scheitert die Wirksamkeit der Kündigung an der notwendigen Interessenabwägung. (1) Das hier dem Kläger vorgeworfene Verhalten eignet sich schon dem Grunde nach nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB. Von einer erwiesenen schweren Vertragsverletzung kann nicht ausgegangen werden und soweit die Beklagte die Kündigung auf den Verdacht einer solchen stützt, fehlt es an einer hinreichenden Aufklärung eben dieses Verdachts. aa) Das besagte Verhalten stellt sich nicht als erwiesene schwere Pflichtverletzung zum Nachteil der Beklagten dar. Es ist richtig, dass es in der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 23.01.1963 - 2 AZR 278/62 - BAGE 14, 42; Beschluss vom 27.01.1977 - 2 ABR 77/76 - AP Nr. 7 zu § 103 BetrVG; Urteil vom 13.08.1987 - 2 AZR 629/86 -; Urteil vom 09.08.1990 - 2 AZR 127/90 - zu II 5 der Gründe) sowie der Instanzgerichte (vgl. nur Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 04.07.2003 - 11 Sa 145/03 - LAGE § 626 BGB Nr. 153) anerkannt ist, dass der Stempeluhrmissbrauch eine ordentliche und - je nach den Umständen des Einzelfalles - eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Es kommt dabei nicht entscheidend darauf an, wie der Vorgang strafrechtlich zu würdigen ist (BAG, Urteil vom 12.08.1999 - 2 AZR 832/98 - II 3 b) der Gründe). Dabei ist aber festzustellen, dass - soweit ersichtlich - in allen veröffentlichten Entscheidungen ein "Arbeitszeitbetrug" in dem Sinne zur Entscheidung stand, dass der Arbeitnehmer das System selbst, also die Stempelkarte oder das Computerprogramm manipuliert hatte. Wird aber, wie hier von der Beklagten dargelegt, das System beim Eintreffen und Verlassen des Betriebsgeländes ordnungsgemäß bedient, jedoch während der so festgestellten Arbeitszeit nicht gearbeitet, so muss eine wertende Betrachtung den zu entscheidenden Fall zwischen den beiden denkbaren Extremfällen einordnen: der eine denkbare Extremfall ist derjenige der unerlaubten Konkurrenztätigkeit während der bezahlten Arbeitszeit, der andere Extremfall ist die Träumerei, die Bummelei oder die zu ausgiebige private Kommunikation mit Kollegen oder Kunden. Während der erstgenannte Extremfall ohne Weiteres einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen kann, stellt sich in den dann genannten Fällen die Frage, ob selbst eine Abmahnung einer Überprüfung standhielte. Vorliegend ist das Verhalten des Klägers den Fällen der Arbeitsbummelei zuzuordnen und kann daher keinesfalls einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Die vom Arbeitsgericht im erstinstanzlichen Urteil vorgenommene Wertung ist daher richtig. Der Kläger hat konkrete Tatsachen zur Rechtfertigung seiner Abwesenheit vom Arbeitsplatz vorgetragen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieser Vortrag auch nicht unglaubwürdig. Dem Kläger sind die Betriebsratstermine nämlich nicht erst "im Laufe des Rechtsstreits eingefallen." Vielmehr weist der Betriebsrat in seiner Stellungnahme zur Anhörung ausdrücklich auf den Besprechungstermin hin, also zu einem Zeitpunkt vor Ausspruch der hier streitigen Kündigung. Es ist auch nichts ungewöhnliches, wenn man spontan befragt nicht weiß, was an einem bestimmten Tag vor drei Wochen passiert ist, dass diese Erinnerung nach Einsichtnahme in den Kalender und sonstige Unterlagen aber sehr konkret werden kann. Der Arbeitgeber, der nach § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG die Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, hat auch die vom Kläger vorgetragenen Rechtfertigungsgründe zu widerlegen. Hier hat die Beklagte bis zuletzt keinen Beweis angetreten, dass die Darstellung des Klägers falsch wäre. Sie hat die Schlüssigkeit der Darlegung nicht einmal erschüttert. Beweis wurde lediglich dafür angetreten, dass sich der Betriebsratsvorsitzende nicht konkret erinnern könne, ob der Kläger tatsächlich am 13.08. und am 24.08.2004 im Betriebsratsbüro gewesen sei. Dies unterstellt ist durch den Zeugen aber jedenfalls nicht beweisbar, dass der Kläger an den beiden Tagen keinesfalls im Betriebsratsbüro gewesen sein kann. Nach dem Vorgesagten bleibt als nachweisbarer Vorgang übrig, dass der Kläger sein Auto während der Arbeitszeit umgestellt hat. Dies ist zweifellos eine Vertragspflichtverletzung, denn die Pflicht des Klägers aus dem Arbeitsvertrag ist zu arbeiten und nicht von einem Parkplatz zum anderen zu fahren. Eine Tatsache, die es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, den Arbeitnehmer auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen, stellt dies aber nicht dar. Auch fehlt es dem Vortrag der Beklagten an weiteren substantiierten Einzelheiten, um die mehrfach von ihr verwendete Bezeichnung "Arbeitszeitbetrug" im Sinne des § 263 StGB zu rechtfertigen. Dies gilt insbesondere zu den Tatbestandsvoraussetzungen "Vorsatz" und "Bereicherungsabsicht" beim Kläger sowie zur Tatbestandsvoraussetzung "stoffgleicher Schaden" bei der Beklagten. bb) Auch ein Verdacht einer schweren Vertragspflichtverletzung kommt als Kündigungsgrund nicht in Betracht. Es fehlt nämlich an einer hinreichenden Aufklärung des Sachverhalts. Durch eine Verdachtskündigung kann ein Unschuldiger seinen Arbeitsplatz verlieren. Sie ist daher nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Eine Voraussetzung ist die Aufklärung des Sachverhalts, soweit dies für die Arbeitgeberin zumutbar und möglich ist. Kern der Sachverhaltsaufklärung ist regelmäßig das Gespräch mit dem betroffenen Arbeitnehmer. Dieses Gespräch ist für die Aufklärung notwendig, aber nicht immer hinreichend. Vorliegend hat die Beklagte die Sachverhaltsaufklärung an zwei Punkten ohne ersichtliche Begründung erschwert bzw. abgebrochen. Der erste Fehler war, dem Kläger eine Liste mit Zeitdifferenzen vorzulegen, ohne die Namen derjenigen Mitarbeiter zu nennen, die die "handgestoppten" Zeiten aufgenommen haben sollen. Nur nach Benennung dieser Namen wäre es für den Kläger möglich gewesen, konkret zu den einzelnen Tagen oder Begebenheiten Stellung zu beziehen. Der zweite Fehler bei der Aufklärung war, auf den Hinweis des Betriebsrats in seiner Stellungnahme zur Kündigungsanhörung, der Kläger habe am 13.08.2004 ein Gespräch beim Betriebsrat gehabt, nicht zu reagieren und an dieser Stelle nicht nachzufragen. Auch ein Tatverdacht kommt mithin als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 2 BGB nicht in Betracht. (2) In jedem Fall ist von der Unverhältnismäßigkeit der fristlosen Kündigung aufgrund der beiden Vorfälle am 13.08.2004 und am 24.08.2004 auszugehen. Nachdem das Kündigungsschutzgesetz beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist der Arbeitnehmer bei einem pflichtwidrigen Verhalten grundsätzlich zunächst verpflichtet abzumahnen, § 314 Abs. 2 BGB. Dies gilt insbesondere für Störungen im Leistungsbereich (BAG, EzA § 1 KSchG, 34; BAG, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Bei Pflichtverletzungen im Vertrauensbereich ist die Abmahnung erforderlich, wenn es um steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (BAG, NZA 1997, 1281). Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen (BAG, DB 1986, 1339). Im hier streitigen Fall kann unterstellt werden, dass es sich bei dem vorgeworfenen Verhalten (Parkplatzwechsel während der Arbeitszeit) nicht nur um ein solches aus dem Leistungsbereich, sondern um eine Verhalten handelt, das den Vertrauensbereich betrifft. Dann ist es aber in jedem Fall steuerbar und der Arbeitnehmer konnte mit vertretbaren Gründen annehmen, dass die Arbeitgeberin den Parkplatzwechsel nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten betrachtet. c) Auch die beiden unstreitigen Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Leiter können die fristlose Kündigung nicht rechtfertigen. Hier gilt das oben gesagte, insbesondere im Hinblick auf die notwendige Abmahnung. d) Nicht zuletzt scheitert die Wirksamkeit der Kündigung an der abschließenden Interessenabwägung, selbst dann, wenn sie in eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist umgedeutet würde. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass gerade ältere Arbeitnehmer eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Durch schlichten Zeitablauf erhält ein Arbeitnehmer nicht das Recht, die Interessen des Arbeitgebers zu verletzen. Diese Erwägungen treffen aber nicht den Punkt der Interessenabwägung. Hier geht es vielmehr darum, das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers mit dem Trennungsinteresse des Arbeitgebers abzuwägen. Hier werden also zwei Interessen in Bezug zueinander gesetzt und nicht ein Interesse in Bezug auf eine Pflichtverletzung. Das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers kann vorliegend intensiver kaum sein: Er ist 55 Jahre alt und damit auf dem Arbeitsmarkt realistisch betrachtet kaum mehr vermittelbar. Er ist seiner Frau zum Unterhalt verpflichtet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses würde aller Voraussicht nach zu einem schnellen sozialen und wirtschaftlichen Abstieg führen. Er hat über 30 Jahre lang seine Arbeitskraft der Beklagten gewidmet und ist ihr schon von daher deutlich mehr verbunden, als andere Arbeitnehmer mit kürzerer Betriebszugehörigkeit. Auf Seiten der Beklagten ist ihrem Vortrag entsprechend natürlich zu berücksichtigen, dass sie ebenfalls über 30 Jahre vertragstreu war. Es ist aber nicht ersichtlich, dass diese Vertragstreue ihr Trennungsinteresse erhöht. Hier steht vielmehr ihr Vertrauen in den Kläger im Vordergrund, dass sie als zerstört betrachtet. Wie aber bereits zur Frage des "wichtigen Grundes" dargestellt, handelt es sich bei dem vorgeworfenen Verhalten um ein steuerbares. Es ist kein Grund ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen, warum der Kläger nach einer Abmahnung sein vertragswidriges Verhalten (Parkplatzwechsel während der Arbeitszeit) fortsetzen sollte. 2. Da das Arbeitsverhältnis somit durch die Kündigung nicht beendet worden ist, war die Entscheidung des Arbeitsgerichts auch im Hinblick auf die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung zu bestätigen. III. Als unterliegende Partei ist die Beklagte nach §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO verpflichtet, die Kosten der Berufung zu tragen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht. Es handelt sich vor allem deshalb nur um einen Einzelfall, weil die Wirksamkeit der Kündigung in jedem Fall an der abschließenden Interessenabwägung scheitert. Aber auch im Hinblick auf die Anwendung der Nr. 11 des Gesamtbetriebsvereinbarung ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Weitere Fälle, bei denen es auf die Anwendung dieser Vorschrift ankommt, sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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