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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 28.09.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 744/07
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1 |
2. Der Einbeziehung von Mitarbeitern in die Sozialauswahl steht nicht entgegen, dass diese die Tätigkeiten des wegen Wegfalls seines Arbeitsplatzes bedrohten Arbeitnehmers nicht verrichten können. Vielmehr kommt es umgekehrt darauf an, ob der kündigungsbedrohte Arbeitnehmer in der Lage ist, die Tätigkeiten eines anderen Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz nicht wegfällt, ordnungsgemäß zu verrichten.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.01.2007 - 4 Ca 2517/06 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, arbeitgeberseitigen Beendigungskündigung und das Bestehen eines Weiterbeschäftigungsanspruchs.
Die Beklagte ist ein Forschungsinstitut, das Medienanalysen durchführt. Sie befasst sich zu 70 % mit Grundlagenforschung und zu 30 % mit der Erbringung von Dienstleistungen u.a. für Regierungen, Universitäten und Wirtschaftsunternehmen.
Der am 08.08.1981 geborene Kläger war seit dem 16.03.2004 bei der Beklagten als Codierer beschäftigt. Seine Tätigkeiten bestanden in der Analyse von arabischen Tageszeitungen und Fernsehnachrichten. Seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug 16 Stunden. Monatlich erzielte er einen Verdienst in Höhe von ca. 1.000,00 € brutto.
Zu Beginn des Jahres 2005 baute die Beklagte die Abteilung für arabische Medienanalysen aus. Dort setzte sie neben dem Kläger elf weitere Codierer mit wöchentlichen Arbeitszeiten zwischen 16 und 32 Stunden ein, deren Muttersprache jeweils arabisch war.
Im Mai 2006 kündigten zwei der Codierer ihre Arbeitsverhältnisse.
Mit Schreiben vom 29.08.2006, dem Kläger übergeben am 30.08.2006, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2006.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 06.09.2006 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Kündigungsschutzklage vom 05.09.2006 gewandt, die er mit am 22.12.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 21.12.2006 um seine Weiterbeschäftigung als Codierer auf der Basis des Arbeitsvertrags vom 01.01.2006 erweitert hat.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Dringende betriebliche Erfordernisse, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstünden, seien nicht gegeben. Die Sozialauswahl sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere habe die Beklagte die Sozialauswahl zu Unrecht auf die Mitarbeiter beschränkt, die arabisch sprächen, obwohl es, so hat der Kläger behauptet, eine solche Beschränkung der Codierer auf ihren jeweiligen Muttersprachbereich nicht gegeben habe. Im Übrigen, so ist der Kläger der Ansicht gewesen, habe die Kündigung gegen das Ultima-Ratio-Prinzip unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Änderungskündigung verstoßen, da die Beklagte im Internet eine Stellenausschreibung für einen Codierer und eine Stelle für einen Junior Sales Manager veröffentlicht habe und Bewerbungsschluss der 30.09.2006 gewesen sei. Schließlich sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.08.2006 nicht aufgelöst worden ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Codierer auf der Basis des Arbeitsvertrags vom 01.01.2006 weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Sie hat behauptet, die Analyse der arabischen Fernsehnachrichten sei nach einer Vorlaufzeit von drei Jahren wirtschaftlich nicht mehr vertretbar gewesen. Im März 2006 sei ein feindlicher Übernahmeversuch erfolgt. Um das Unternehmen und die Arbeitsplätze jedenfalls der meisten Mitarbeiter zu erhalten, habe ihre Geschäftsleitung in erheblichem Umfang Darlehen aufnehmen müssen. Im weiteren Verlauf des Jahres 2006 sei daher eine Subventionierung der arabischen Fernsehcodierung im bisherigen Umfang unternehmerisch nicht mehr vertretbar gewesen. Hinsichtlich der betroffenen Arbeitnehmer sei, so ist die Beklagte der Ansicht gewesen, eine ordnungsgemäße Sozialauswahl erfolgt und eine Definition der Leistungsträger i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG vorgenommen worden. Die Mitarbeiter der arabischen Fernsehcodierung hätten im Hinblick auf ihre arabische Herkunft auch nur zur Codierung der arabischen Sprache eingesetzt werden können. Die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt, da zum Zeitpunkt der Übergabe der Kündigung dessen mit dem 30.08.2006 datierte Stellungnahme vorgelegen habe.
Mit Urteil vom 10.01.2007 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstünden, nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Insbesondere habe die Beklagte nur schlagwortartig dargelegt, dass der Beschäftigungsbedarf für den Kläger weggefallen sei.
Gegen das ihr am 08.02.2007 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte zunächst mit am 26.02.2007 beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangenem, nicht mit einer Unterschrift ihres Prozessbevollmächtigten versehenem Schriftsatz vom 23.02.2007, sodann mit am 28.02.2007 vorab per Telefax beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangenem, nunmehr von ihrem Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Schriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.04.2007 mit am Montag, dem 30.04.2007 vorab per Telefax beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag begründet.
Die Beklagte ist nach wie vor der Ansicht, die Kündigung sei wirksam. Sie behauptet, im Winter des Jahres 2005 habe sich erstmals angedeutet, dass der bis dahin einzige Kunde für die arabischen Medienanalysen, die R , mit der Datenqualität nicht zufrieden gewesen sei. Anlässlich einer Ergebnisanalyse im Februar 2006 sei von dem Kunden festgestellt worden, dass die von der arabischen Abteilung erfassten Daten weiterhin mangelhaft und lückenhaft gewesen seien. Folge der Qualitätsmängel sei der Verlust des Auftrags gewesen. Dies habe ihre Geschäftsführung dazu veranlasst, ab dem 01.03.2006 keine arabischen Printmedien mehr zu codieren. Verblieben sei seit dem nur noch die Codierung von arabischen Fernsehsendern. Nachdem von einem potentiellen Kunden wegen Unvollständigkeit von gelieferten Daten ein Auftrag nicht erteilt worden sei, ihrem Geschäftsführer von der E in A mitgeteilt worden sei, dass wegen Budgetkürzungen kein Geld für den Erwerb von Datenanalysen in den Jahren 2006 und 2007 zur Verfügung gestellt werde, sowie nachdem im Jahre 2005 eine Übernahme durch Finanzinvestoren versucht worden sei, was zu Kundenverlusten geführt und sie zur Aufnahme von Darlehen und zu Einsparmaßnahmen gezwungen habe, habe ihre Geschäftsleitung am 24.06.2006 entschieden, den Arbeitsinhalt der arabischen Codierabteilung ab dem 01.10.2006 von bislang acht auf vier ausgewählte arabische Fernsehnachrichten zu beschränken. Diese Entscheidung von ihr habe zum Wegfall der Arbeit des Klägers und von drei weiteren Codierern geführt. Der gesamte wöchentliche Zeitaufwand für die Codierung der ursprünglich jeweils acht arabischen Fernsehnachrichten und Tageszeitungen habe 260 Arbeitsstunden betragen. Durch den Wegfall der Arbeitszeit von 36 Codierstunden zum 01.03.2006, die bis dahin für die arabischen Printmedien aufgewandt worden seien, habe für die acht arabischen Fernsehsender nur noch ein Codierungsbedarf von 224 Wochenstunden bestanden. Die Reduzierung auf vier zu codierende Fernsehsender zum 01.10.2006 habe auch zu einer Halbierung des wöchentlichen Codierbedarfs auf 112 Stunden geführt. Die wöchentliche Gesamtstundenzahl der sechs Codierer, die noch im Unternehmen verblieben seien, umfasse aber immer noch 130 Arbeitsstunden. Den Arbeitszeitüberhang von 18 Stunden nutze sie dazu, die verbliebenen Codierer kontinuierlich weiter zu bilden, um dadurch eine Qualitätssteigerung bei den erhobenen Daten zu erzielen. Der wirtschaftliche Hintergrund der Maßnahmen sei auch gegenüber dem Betriebsrat dokumentiert worden. Die Einschätzungen seien vom Betriebsrat geteilt worden. Die Sozialauswahl sei ordnungsgemäß erfolgt. Bei dem Kläger sei insbesondere berücksichtigt worden, das er der jüngste Mitarbeiter der arabischen Codierabteilung gewesen sei und die besten Arbeitsmarktchancen habe. Der Kläger sei, so behauptet die Beklagte, allein in seiner Muttersprache als arabischer Codierer tätig gewesen. Die Auswertung von deutschen und französischen Wochenzeitungen sei lediglich im Rahmen seiner Ausbildung oder bei Leistungsüberprüfungen erfolgt. Ebenso seien bei der Detailanalyse Codierer eingesetzt worden, die neben ihrer Muttersprache in einer zweiten Sprache codiert hätten. Hierbei habe es sich allerdings nur um Ausnahmefälle gehandelt. Der Kläger sei dagegen Codierer in der Profilanalyse gewesen, wo ausschließlich sog. Muttersprachler beschäftigt würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.01.2007 - 4 Ca 2517/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Sachvortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung sei nach Meinung des Klägers zum einen verspätet, zum anderen nicht geeignet, die Kündigung zu rechtfertigen. Zudem setze die Beklagte, so behauptet der Kläger, in den jeweiligen Sprachbereichen nicht nur Mitarbeiter der betreffenden Muttersprachen ein. So habe er - wie ihm dies sowohl im Zwischenzeugnis als auch im Schlusszeugnis vom 30.09.2006 jeweils bestätigt worden sei - auch deutsche und französische Tages- und Wochenzeitungen ausgewertet. Weiterhin habe die Beklagte ihre Mitarbeiter unabhängig von deren Muttersprachen in den Sprachbereichen eingesetzt, in denen sie es für nötig erachtet habe. Die Sozialauswahl hätte sich somit nach Ansicht des Klägers auf alle Codierer erstrecken müssen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und - innerhalb der verlängerten Begründungsfrist - begründet. Der Eingang der Berufungsbegründung beim Landesarbeitsgericht am 30.04.2007 und damit erst nach dem terminlichen Ablauf der durch Beschluss vom 16.03.2007 bis zum 28.04.2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist war unschädlich, da es sich bei dem 28.04.2007 um einen Samstag gehandelt hat, so dass die Frist nach § 222 Abs. 2 ZPO erst am Montag, dem 30.04.2007 endete und daher die Berufungsbegründung noch rechtzeitig eingegangen ist.
Die vom Kläger in der Berufungserwiderung vom 08.06.2007 erhobenen formellen Rügen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Einlegung der Berufung wurden vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung am 10.08.2007 nicht mehr aufrecht erhalten.
II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete nicht auf Grund der von der Beklagten mit Schreiben vom 29.08.2006 ausgesprochenen Kündigung zum 30.09.2006, da diese Kündigung unwirksam ist.
a) Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt i.S. von § 1 Abs. 1 und 3 Satz 1 KSchG.
aa) Die allgemeinen Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes sind hier erfüllt: Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden (§ 1 Abs. 1 KSchG). Die Beklagte beschäftigt auch regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer (§ 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG). Die Kündigungsschutzklage wurde vom Kläger innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben, § 4 Satz 1 KSchG. Die streitbefangene Kündigung war daher an den Wirksamkeitsvoraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes zu messen. Dieser Überprüfung hat sie nicht standgehalten.
bb) Im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist eine ordentliche Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.
Es kann dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung dringende betriebliche Erfordernisse i.S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, auf die sich die Beklagte im Streitfall allein beruft, gegeben waren, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in deren Betrieb über den 30.09.2006 hinaus entgegenstanden, und das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 30.04.2007 im Hinblick auf § 67 Abs. 2 ArbGG überhaupt berücksichtigt werden konnte. Jedenfalls ist die Kündigung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt hat.
(1) Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse i.S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmens nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.
Die Sozialauswahl i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebes. In die soziale Auswahl sind daher grundsätzlich alle Arbeitnehmer einzubeziehen, die gegenseitig austauschbar sind. Der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer bestimmt sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen ("qualifikationsmäßige Austauschbarkeit"). An einer Vergleichbarkeit fehlt es allerdings dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig im Rahmen des Direktionsrechts auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann ("arbeitsvertragliche Austauschbarkeit"). Maßgebend ist demnach, ob der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, einen Einsatz ohne Änderung des Arbeitsvertrags rechtlich zulässt (BAG, Urteil vom 02.03.2006 - 2 AZR 23/05, AP Nr. 81 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B. I. 1. der Gründe; BAG, Urteil vom 18.10.2006 - 2 AZR 676/05, NZA 2007, 798, 800, zu B. II. 2. a) der Gründe jeweils m.w. Nachw.; ebenso LAG Köln, Urteil vom 20.04.2007 - 12 Sa 1184/06, zu 2. a) der Gründe, bislang noch nicht veröffentlicht).
(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte die Beklagte nicht - wie hier unstreitig geschehen - die Sozialauswahl auf die in der Abteilung für arabische Medienanalyse beschäftigten Codierer beschränken dürfen, sondern auch die weiteren Codierer - zumindest diejenigen für die deutsche und französische Sprache - einbeziehen müssen, was mangels gegenteiliger Behauptung der Beklagten unterblieben ist.
(a) Mit den Codierern für die deutsche und französische Sprache war der Kläger ohne weiteres vergleichbar. Dies ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten in ihrem letzten Schriftsatz vom 02.08.2007. Darin führt die Beklagte u.a. selbst aus, die Codierausbildung des Klägers sei in deutscher und französischer Sprache durchgeführt worden. Ebenso seien die fortwährenden Leistungsüberprüfungen in deutscher und französischer Sprache erfolgt, auch wenn dies den Angaben der Beklagten allein deshalb geschehen sein soll, weil kein bei ihr beschäftigter Trainer der arabischen Sprache mächtig gewesen sei. Da aber bereits die Codierausbildung des Klägers in deutscher und französischer Sprache erfolgt ist und auch die fortwährenden Leistungsüberprüfungen in diesen Sprachen durchgeführt worden sind, steht damit zugleich fest, dass vom Kläger auch Arbeitsleistungen als Codierer sowohl für die deutsche als auch für die französische Sprache ordnungsgemäß erbracht werden können.
(b) Die Beklagte war auch nach dem letzten, mit dem 01.01.2006 datierten Arbeitsvertrag der Parteien berechtigt, dem Kläger einseitig auf Grund ihres Direktionsrechts Tätigkeiten als Codierer für die deutsche und / oder französische Sprache zuzuweisen.
Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.09.2005 wird die von ihm geschuldete Arbeitspflicht nicht nur auf Tätigkeiten als Codierer für die arabische Sprache beschränkt. Vielmehr besagt § 1 Satz 1 dieses Arbeitsvertrags, dass der Arbeitnehmer zur computergestützten Auswertung von Print- oder elektronischen Medien eingesetzt wird. Eine Einschränkung auf Codiertätigkeiten für die arabische Sprache ist darin jedoch nicht enthalten. Zudem enthält § 1 Satz 3 des Arbeitsvertrags vom 01.09.2005 eine Versetzungsklausel, derzufolge der Kläger verpflichtet ist, alle Arbeiten auszuführen, die von vergleichbaren Mitarbeitern (Codierern) ausgeführt werden. Damit war die Beklagte auf Grund ihres arbeitgeberseitigen Direktionsrechts aber gerade berechtigt, dem Kläger auch einseitig Tätigkeiten als Codierer zuzuweisen, die sich nicht auf die Arbeit als Codierer für die arabische Sprache beschränken. Schließlich enthält das am Ende von § 1 des Arbeitsvertrags vom 01.09.2005 im Einzelnen aufgelistete Aufgabengebiet des Klägers ebenfalls keine Einschränkung auf Tätigkeiten, die allein Codierungen der arabischen Sprache zum Gegenstand haben.
(c) Der Umstand, dass die weiteren Mitarbeiter der Beklagten nicht in der Lage seien, arabisches Fernsehen auszuwerten, worauf sich die Beklagte erstinstanzlich am Ende ihres Schriftsatzes vom 09.01.2007 berufen hat, stand dem Erfordernis der Einbeziehung von Codierern - zumindest für die deutsche und französische Sprache - in die Sozialauswahl nicht entgegen. Denn maßgebend ist nicht, ob die in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer die Tätigkeiten des wegen Wegfalls seines Arbeitsplatzes kündigungsbedrohten Arbeitnehmers verrichten können. Vielmehr kommt es umgekehrt darauf an, ob der kündigungsbedrohte Arbeitnehmer die Tätigkeiten eines anderen Arbeitnehmers, dessen Arbeitplatz nicht wegfällt, ordnungsgemäß verrichten kann (BAG, Urteil vom 05.12.2002 - 2 AZR 697/01, AP Nr. 60 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B. I. 3. a) der Gründe; LAG Köln, Urteil vom 20.04.2007 - 12 Sa 1184/06, zu 2. a) der Gründe, bislang noch nicht veröffentlicht). Letzteres ist hier aber beim Kläger hinsichtlich von Tätigkeiten als Codierer für die deutsche und französische Sprache - wie bereits erwähnt - gerade der Fall.
(d) Die Einbeziehung der Codierer für die deutsche und französische Sprache in die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorzunehmende Sozialauswahl war weiterhin nicht deshalb entbehrlich, weil für Codiertätigkeiten angeblich jeweils nur Muttersprachler, wie sie die Beklagte bezeichnet, eingesetzt worden seien.
Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, wird zwar von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als unternehmerische Entscheidung angesehen, die von den Arbeitsgerichten grundsätzlich jedenfalls dann zu respektieren sei, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten hätten, da die Gestaltung des Anforderungsprofils der jeweiligen Arbeitsplätze der lediglich auf offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden Unternehmensdisposition des Arbeitgebers unterliege (BAG, Urteil vom 07.07.2005 - 2 AZR 399/04, AP Nr. 138 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II. 4. b) der Gründe). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall allerdings nicht gegeben.
Abgesehen davon, dass es bereits durchgreifenden Bedenken unterliegt, ob die jeweilige Muttersprache der Codierer überhaupt ein solches Qualifikationsmerkmal darstellt, das einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten hat, wurde ein etwaiges unternehmerisches Konzept der Beklagten, den Codierern ausschließlich Tätigkeiten in ihrer Muttersprache zuzuweisen, von dieser ihren eigenen Angaben im Schriftsatz vom 02.08.2007 zufolge nicht stringent durchgeführt. Denn in diesem Schriftsatz wurde von der Beklagten u.a. selbst eingeräumt, dass die Codierer nicht nur in ihrer Muttersprache, sondern auch in einer zweiten Sprache codiert haben, auch wenn dies angeblich nur in Ausnahmefällen geschehen sein soll.
(e) Auf das Unterbleiben der Einbeziehung der Codierer - jedenfalls für die deutsche und französische Sprache - in die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vom Arbeitgeber durchzuführenden Sozialauswahl hätte sich der Kläger im Ergebnis zwar nicht berufen können, wenn insoweit gleichwohl vom Arbeitgeber die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG genannten sozialen Gesichtspunkte gewahrt worden wären. Denn auch unrichtige Erwägungen des Arbeitgebers können zufällig zu dem Ergebnis führen, dass dem am wenigsten schutzwürdigen Arbeitnehmer gekündigt worden ist (BAG, Urteil vom 20.10.1983 - 2 AZR 211/82, AP Nr. 13 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B. II. 4. a) der Gründe; BAG, Urteil vom 18.10.1984 - 2 AZR 61/83, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B. II. 3. b) der Gründe). In dem Fall ist es allerdings Sache des Arbeitgebers, näher darzulegen, weshalb trotz der gegen § 1 Abs. 3 KSchG verstoßenden Überlegungen unter dem Gesichtspunkt der Nichteinbeziehung von vergleichbaren Arbeitnehmern in die Sozialauswahl ausnahmsweise im Ergebnis soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt worden sein sollen (BAG, Urteil vom 18.10.1984 - 2 AZR 61/83, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B. II. 3. b) der Gründe). An einem solchen konkreten Vorbringen der Beklagten, aus dem sich ergibt, dass auch bei einer Einbeziehung der Codierer für die deutsche und französische Sprache in die Sozialauswahl letztere wegen geringerer sozialer Schutzwürdigkeit des Klägers im Verhältnis zu diesen Codierern gewahrt worden wäre, fehlt es jedoch.
(f) Soweit sich die Beklagte erstinstanzlich in der Klageerwiderung vom 29.11.2006 u.a. darauf berufen hat, es sei auch eine Definition der Leistungsträger i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG vorgenommen worden, ist aus diesem pauschalen - nicht einlassungsfähigen - Vorbringen nicht einmal ansatzweise erkennbar, weshalb eine Weiterbeschäftigung der in die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG einzubeziehenden Codierer für die deutsche und französische Sprache aus den in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG genannten Gründen im berechtigten betrieblichen Interesse gelegen haben soll. Die Vernehmung des hierfür von der Beklagten benannten Zeugen W würde insoweit auf einen reinen - unzulässigen - Ausforschungsbeweis hinauslaufen.
b) Ob die Kündigung der Beklagten vom 29.08.2006 zudem, wie vom Kläger angenommen, nach § 102 Abs. 1 Satz 3 KSchG wegen fehlender vorheriger ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung unwirksam ist, bedurfte angesichts der vorangegangenen Ausführungen keiner Entscheidung.
2. Mit dem Weiterbeschäftigungsantrag ist die Klage ebenfalls begründet. Wegen der festgestellten Unwirksamkeit der Kündigung hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Weiterbeschäftigung nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 27.02.1985 entwickelten Grundsätzen (vgl. BAG, Großer Senat, Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Von der Beklagten wurden keine besonderen Umstände vorgetragen, die ihr ausnahmsweise eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung über das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V. mit § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.
Ende der Entscheidung
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