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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 05.07.2002
Aktenzeichen: 11 Sa 75/02
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt

Wenn sich durch die Entscheidung des BVerfG v. 24.05.2000 (1 BvL 1/98), wonach einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bei der Berechnung von Arbeitslosengeld zu berücksichtigen ist, das von einem "Vorruheständler" bezogene Arbeitslosengeld erhöht, kann sein ehemaliger Arbeitgeber den von ihm entrichteten Zuschuss zum Arbeitslosengeld in entsprechendem Umfang kürzen, sofern dieser auf einer vereinbarten Vorruhestandsregelung beruht, die eine Versorgungsleistung des Arbeitgebers "unter Anrechnung von Arbeitslosengeld" vorsieht und im Sinne einer Gesamtversorgung begrenzt ist.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 11 Sa 75/02

Verkündet am: 05.07.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 05.07.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schunck als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Breuer und Stegemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 25.09.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 17 (15) Ca 1183/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

(abgekürzt gem. § 69 Abs. 2 ArbGG)

Die Parteien - nämlich der am 28. 03. 1944 geborene Kläger und die beklagt AG, die ihn von September 1979 bis Dezember 1998 als Elektrotechniker beschäftigt hat -streiten darum, ob die Beklagte berechtigt ist, einen dem Kläger zum Arbeitslosengeld gezahlten Zuschuß zu kürzen, wie sie es mit Schreiben vom 07. 11. 2000 getan hat. Der Kläger ist im Zuge einer Vorruhestandsmaßnahme mit Aufhebungsvertrag vom 25. 11. 1997 ausgeschieden, der für die Zeit der Maßnahme Leistungen nach Maßgabe der "Richtlinien für die vorzeitige Versetzung von Tarifmitarbeitern in den Ruhestand (54er-Regelung)" versprach - eine Vorruhestandsregelung für Mitarbeiter, die das 54. Lebensjahr vollendet haben. Diese Richtlinien (Bl. 35 ff.) sehen für den ausgeschiedenen Mitarbeiter "eine Versorgungsleistung der Gesellschaft unter Anrechnung von Arbeitslosengeld" vor; die Versorgungsleistung wird auf 90 % des letzten durchschnittlichen Netto-Einkommens begrenzt. Im Aufhebungsvertrag heißt es weiter, daß sich die Beklagte "für den Fall späterer Änderungen an Gesetzen (...) oder bezüglich des Arbeitslosengeldes und dessen steuerlicher Behandlung" Neuberechnungen vorbehält, die diesen Änderungen Rechnung tragen. Nach Aufnahme der Zuschußzahlungen verkündete das Bundesverfassungsgericht am 24. 05. 2000 (1 BvL 1/98 u.a. in NZA 2000, 845) seine Entscheidung, wonach einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bei der Berechnung von Arbeitslosengeld zu berücksichtigen sei. Dadurch erhöhte sich das Arbeitslosengeld des Klägers, was die Beklagte zum Anlaß nahm, eine entsprechende Kürzung ihres Zuschusses vorzunehmen, um das ursprüngliche Gesamtversorgungsniveau zu erhalten. Der Kläger hält dies nicht für berechtigt im Hinblick auf eine standardisierte sog. Gesprächsnotiz (Bl. 15 ff.), deren sich die Mitarbeiter der Beklagten bedienen, um den Vorruhestandsanwärtern die Maßnahmen zu erläutern: Denen sei zu entnehmen, daß die von der Beklagten nach Vorlage der erforderlichen Bescheide vorgenommene Zuschußberechnung endgültig sei ("endgültige Berechnung", "grundsätzlich für die gesamte Dauer des Vorruhestandes", Neuberechnung nur nach Ablauf des Arbeitslosengeldes in Ziff. 1 a); schon im Aufhebungsvertrag sei von einer "endgültigen Berechnung" die Rede. Im übrigen sprächen die in der Gesprächsnotiz erwähnten Ausnahmen, die keinen Einfluß auf den Versorgungszuschuß haben sollen, dafür, die Entscheidung des BVerfG gleich zu behandeln - insbesondere die Änderung der Arbeitslosengeldtabellen, die ohne Einfluß auf den Zuschuß sein sollen (Ziff. 1 f).

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel (Nachzahlung der Zuschußdifferenzen für Juni bis Dezember 2000 in einer Gesamthöhe von 1.495,30 DM) mit Rechtsausführungen weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht entschieden, daß dem Kläger die geltend gemachten Zuschußdifferenzen nicht zustehen. In der Begründung folgt das Gericht der angefochtenen Entscheidung, weshalb insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Gründe halten auch den Angriffen der Berufung stand:

Die Richtlinien, deren Geltung die Parteien im Aufhebungsvertrag vereinbart haben, versprechen dem Kläger lediglich eine Versorgungsleistung "unter Anrechnung von Arbeitslosengeld" (§ 2 Abs. 1 a) - d.h. dessen Aufstockung bis zur Erreichung eines festen Gesamtbetrages (§ 2 Abs. 1 c). Damit muß grundsätzlich jede Höhenveränderung des Arbeitslosengeldes eine kompensierende Höhenveränderung der Aufstockung zur Folge haben - es sei denn, eine solche Anpassung würde ausdrücklich ausgeschlossen. Der vorliegende Fall gehört nicht zu den ausdrücklich ausgeschlossenen Fällen: Die Richtlinien erwähnen Sperrfristen oder Ruhenszeiten beim Arbeitslosengeld und Kürzungen der Arbeitslosenhilfe bei Anrechnungstatbeständen, die Gesprächsnotiz erwähnt noch Änderungen der Steuerklasse oder der Arbeitslosengeldtabellen (z.B. Dynamisierung des Arbeitslosengeldes).

Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf die Bezeichnung der Zuschußberechnung nach Vorlage der Bescheide als "endgültig" im Aufhebungsvertrag und in der Gesprächsnotiz. Dieser Begriff bedeutet nicht "unveränderlich":

Würde die "endgültige Berechnung" in der Gesprächsnotiz eine "unveränderliche Berechnung» bedeuten, wäre die in derselben Gesprächsnotiz vorgenommene namentliche Aufführung von Fällen, in denen der Zuschuß unverändert bleibt (Ziff. 1 f) überflüssig. Wer namentlich einzelne Fälle der Unveränderlichkeit aufführt, tut dies nicht bei Vorlage totaler Unveränderlichkeit (argumentum e contrario).

Hieße "endgültig" "unveränderlich", wäre unverständlich, warum § 5 der Richtlinien die ausgeschiedenen Mitarbeiter verpflichtet, "alle Änderungen mitzuteilen, die den Anspruch auf diese Leistung oder deren Höhe beeinflussen".

Eine "unveränderliche" Berechnung verträgt sich auch nicht mit § 8 der Richtlinien, in dessen Abs. 2 sich die Beklagte vorbehält, "bei Änderungen verkündeter Gesetze (...) nach dem jeweiligen Vertragsabschluß (...) Neuberechnungen der zugesicherten Leistungen" vorzunehmen.

Vor diesem Hintergrund kann der Begriff "endgültige Berechnung" nur den Gegenbegriff bilden zu der "vorläufigen Übersicht" (Gesprächsnotiz Ziff. 1 a Abs. 1), die die Beklagte gibt, bevor sie die Bescheide des Arbeitsamtes kennt. "Endgültig" ist die Berechnung, weil sie die erforderlichen Informationen verwertet hat und damit Anspruch auf Richtigkeit erhebt. Sie ist nicht "endgültig", weil sie auf jede Reaktion auf künftige, nicht vorhersehbare Änderungen der die Berechnung bestimmenden Paktoren verzichten will. Grundsätzlich steht sie wie jede Erklärung unter der Bedingung, daß ihre Geschäftsgrundlage erhalten bleibt (clausula rebus sic stantibus).

Auch der Hinweis des Klägers, die Leistung der Beklagten gelte nach der Gesprächsnotiz (Ziff. 1 a Abs. 2) "grundsätzlich für die gesamte Dauer des Vorruhestandes" ist unergiebig - schon wegen der Beifügung "grundsätzlich", die in der Rechtssprache immer auf die Existenz von Ausnahmen hinweist. Der darauf folgende Ausnahmekatalog kann schon wegen des an anderer Stelle aufgeführten Gesetzesvorbehaltes nicht abschließend sein.

Zu Unrecht fordert der Kläger, die vom BVerfG herbeigeführte Änderung der von der Arbeitsverwaltung geübten Praxis bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes unter einen der Ausnahmetatbestände der Richtlinien durch deren analoge Anwendung zu subsumieren. Eine Analogie liegt nicht vor. Das BVerfG hat ein Gesetz (Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt) und die auf ihm fußende Praxis als verfassungs- weil gleichheitswidrig erkannt. Es hat damit eine Ungleichbehandlung der Versicherten beseitigen wollen, die darin bestand, daß Versicherte dieselbe Versicherungsleistung erhalten, obwohl sie zum Teil - bedingt durch die Berücksichtigung von Einmalzahlungen - höhere; Beitragszahlungen geleistet haben. Das hat nichts mit der allgemeinen Erhöhung von Arbeitslosengeldtabellen zur Kaufkraftanpassung zu tun. Die Rechtslage ähnelt eher einer Gesetzesänderung, für deren Fall sich die Beklagte eine Neuberechnung ausdrücklich vorbehalten hat oder einem dem Arbeitsamt unterlaufenen Rechenfehler, der nach Bemerken korrigiert wird: Insbesondere im letzteren Fall kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Beklagte die Korrektur zum Anlaß nehmen dürfte, ihren Zuschuß anzupassen.

Der Hinweis des Klägers, durch die als verfassungswidrig erkannte Nichtberücksichtigung der Einmalzahlungen bei der Leistungsbemessung sei eine "Schieflage" zu Lasten des Arbeitnehmers entstanden, ist zum einen juristisch nicht einzuordnen und zum anderen falsch: Wäre die Bemessungspraxis der Arbeitsämter schon vor Ausscheiden des Klägers dem BVerfG entsprechend gewesen, wäre seine Gesamtversorgung im Vorruhestand um nichts höher ausgefallen: Die von ihm bezogenen Einmalzahlungen hätte das Arbeitsamt von Anfang an berücksichtigt, sein Arbeitslosengeld wäre von Anfang an höher ausgefallen, der Zuschuß der Beklagten wäre von Anfang an in geringerer, nämlich in der nunmehr ermittelten Höhe festgesetzt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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