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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.10.2007
Aktenzeichen: 11 Ta 313/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 | |
ZPO § 115 Abs. 3 | |
ZPO § 120 Abs. 4 S. 1 Halbs. 1 | |
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2 | |
ZPO § 571 Abs. 2 S. 1 |
2. Verbindlichkeiten aus der Zeit vor dem PKH-Antrag können besondere Belastungen i. S. von § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO darstellen, wobei sie der Antragsteller auch tatsächlich tilgen muss, um sie absetzen zu können.
3. Die Vorschrift des § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wonach die Beschwerde auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden kann, ist - nicht anders als § 570 ZPO a. F. - auch im Verfahren der Prozesskostenhilfebeschwerde uneingeschränkt anwendbar. Im Beschwerdeverfahren nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind daher auch solche Belastungen berücksichtigungsfähig, die bereits bei der Antragstellung bestanden haben, von der Partei aber zunächst nicht angegeben worden sind (im Anschluss an LAG Köln, Beschluss vom 04.04.2000 - 13 (3) Ta 43/00 -, zu § 570 ZPO a. F.).
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 11.07.2007 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 03.07.2007 - 2 Ca 3676/06 - in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 26.09.2007 aufgehoben.
Gründe:
I. Die am 06.08.1959 geborene, verheiratete und vier Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war seit dem 09.05.2001 als Pflegehelferin bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.11.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2007.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 21.12.2006 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenen Kündigungsschutzklage vom 20.12.2006 gewandt. Im Gütetermin am 02.03.2007 haben die Parteien einen - bestandskräftig gewordenen - Vergleich geschlossen, wonach sie sich darüber einig gewesen sind, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen auf Grund fristgerechter arbeitgeberseitiger Kündigung mit Ablauf des 31.03.2007 beendet worden ist, und in dem sich die Beklagte u.a. verpflichtet hat, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 8.260,00 € zu zahlen.
Mit Beschluss vom 16.03.2007 ist der Klägerin für ihre Klage unter Beiordnung ihres - am 08.05.2007 verstorbenen - Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt worden, dass sie keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten brauche, da kein einzusetzendes Einkommen vorhanden sei.
Mit Beschluss vom 03.07.2007 hat das Arbeitsgericht den Beschluss vom 16.03.2007 dahin abgeändert, dass die Klägerin aus ihrem Vermögen einen Betrag in Höhe von bis zu 1.050,62 € zur Deckung der Prozesskosten zu zahlen habe. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, durch die Auszahlung der Abfindung, die zum einzusetzenden Vermögen i.S. von § 115 Abs. 2 ZPO gehöre sei bei der Klägerin eine wesentliche Verbesserung der Vermögensverhältnisse gemäß § 120 Abs. 4 ZPO eingetreten. Von der zur Auszahlung gelangten Abfindung seien folgende Beträge als Schonvermögen gemäß § 90 SGB XII in Abzug gebracht worden: 2.600,00 € für die Klägerin, 614,00 € für deren Ehepartner sowie 256,00 € für unterhaltsberechtigte Personen von ihr.
Gegen diesen, dem Abwickler des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.07.2007 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit am 16.07.2007 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenem Schriftsatz vom 11.07.2007 sofortige Beschwerde eingelegt und diese mit am 18.07.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 16.07.2007 begründet.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des § 120 Abs. 4 ZPO seien hier nicht gegeben. Der Beschluss über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ohne eigenen Beitrag vom 16.03.2007 sei in Kenntnis der eingetretenen Bestandskraft des Vergleichs erfolgt. Gegenüber diesem Beschluss sei aber keine Veränderung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse eingetreten, so dass der Beschluss vom 03.07.2007 bereits aus diesem Grund aufzuheben sei. Im Übrigen hätten Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber ihrem verstorbenen Prozessbevollmächtigten in Höhe von insgesamt 12.037,10 € bestanden, die der Abwickler ihres verstorbenen Prozessbevollmächtigten - mit Ausnahme eines Betrags in Höhe von 400,00 €, der ihr von ihrem verstorbenen Prozessbevollmächtigten ausgezahlt worden sei - mit dem Abfindungsbetrag, der auf das Konto ihres verstorbenen Prozessbevollmächtigten überwiesen worden sei, verrechnet habe. Abgesehen von dem Betrag in Höhe von 400,00 € seien ihr weitere Beträge daher nicht zugeflossen.
Mit Beschluss vom 26.09.2007 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt, da die zur Beurteilung der bei Prozessbeginn vorhandenen Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber ihrem Prozessvertreter notwendigen Unterlagen nicht vorlägen bzw. nicht ausreichten.
Innerhalb der der Klägerin vom Beschwerdegericht am 08.10.2007 eingeräumten weiteren Erklärungsfrist von zwei Wochen hat die Klägerin mit am 12.10.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz zehn Kostenrechnungen des Abwicklers ihres verstorbenen Prozessbevollmächtigten jeweils vom 16.07.2007 als Anlagen eingereicht, aus denen sich ihrer Meinung nach die Forderungshöhe von insgesamt 12.037,10 € ergebe.
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 03.07.2007 ist zulässig und begründet.
1. Sie ist an sich nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V. mit § 11 Abs. 1 RPflG statthaft sowie form- und fristgerecht i.S. der §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 567 ff. ZPO i.V. mit § 78 Satz 1 ArbGG eingelegt worden.
2. Die sofortige Beschwerde der Klägerin hatte auch in der Sache Erfolg.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 03.07.2007 war aufzuheben, weil die Klägerin auch zu diesem Zeitpunkt aus ihrem Vermögen keine eigenen Beiträge zu den Kosten der Prozessführung zu leisten brauchte, so dass der Beschluss vom 16.03.2007, mit dem das Arbeitsgericht der Klägerin beitragsfrei Prozesskostenhilfe bewilligt hat, nicht gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO abgeändert werden konnte.
a) Nach § 120 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO kann zwar das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.
b) Im Streitfall haben sich bei der Klägerin die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse jedoch nicht wesentlich geändert.
aa) Die in Nr. 3 des zwischen den Parteien am 02.03.2007 beim Arbeitsgericht Bonn geschlossenen Vergleichs vereinbarte Abfindung in Höhe von 8.260,00 € ist zwar bei der Prozesskostenhilfebewilligung bzw. bei der Prüfung der wesentlichen Änderung der für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO grundsätzlich zu berücksichtigen, da für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindungen oder jedenfalls Teile von ihnen als einzusetzendes Vermögen i.S. von § 115 Abs. 3 ZPO anzusehen sind (BAG, Beschluss vom 24.04.2006 - 3 AZB 12/05, AP Nr. 6 zu § 115 ZPO; LAG Köln, Beschluss vom 28.06.2007 - 14 Ta 122/07).
Dem sind auf der anderen Seite aber - gleichsam als "Minus-Positionen" - bestehende Verbindlichkeiten des Antragstellers vor der Antragstellung gegenüberzustellen, da es sich hierbei um besondere Belastungen i.S. von § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO handelt, wobei diese vom Antragsteller auch tatsächlich getilgt werden müssen, um sie absetzen zu können (BGH, Beschluss vom 25.11.1998 - XII ZB 117/98, FamRZ 1999, 644 f., zu II. 2. b) der Gründe; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 65. Aufl. 2007, § 115 Rdnr. 34; Philippi, in: Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 115 Rdnr. 46 m.w. Nachw.).
Vorliegend hat die Klägerin durch Einreichung der zehn Kostenrechnungen des Abwicklers ihres verstorbenen Prozessbevollmächtigten als Anlagen zum Schriftsatz vom 10.10.2007 hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie bereits vor der Antragstellung gegenüber ihrem verstorbenen Prozessbevollmächtigten Verbindlichkeiten hatte, welche die Höhe der ihr gegen die Beklagte zustehende Abfindung überstiegen. Selbst wenn die in Nr. 6 des Schreibens des Abwicklers an die Klägerin vom 16.07.2007 genannte Position über einen Betrag in Höhe von 1.041,51 € unberücksichtigt gelassen würde, da es in diesem Schreiben heißt, dass die diesbezüglichen Kosten gegenüber der Gerichtskasse geltend gemacht würden, verblieben Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber ihrem verstorbenen Prozessbevollmächtigten in einer Gesamthöhe von 10.005,59 €, die über den Abfindungsbetrag von 8.260,00 € immer noch hinaus gingen. Dieser Abfindungsbetrag wurde von der Klägerin auch weitgehend zur teilweisen Tilgung der zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits bestandenen Verbindlichkeiten gegenüber ihrem verstorbenen Prozessbevollmächtigten eingesetzt, da dessen Abwickler ihren Angaben im Schriftsatz vom 16.07.2007 zufolge und wie aus dem als Anlage zum Schriftsatz vom 17.08.2007 eingereichten Schreiben des Abwicklers des verstorbenen Prozessbevollmächtigten der Klägerin an letztere vom 16.07.2007 ersichtlich, den von der Beklagten auf das Konto des verstorbenen Prozessbevollmächtigten der Klägerin überwiesenen Abfindungsbetrag mit Ausnahme von 400,00 €, die der Klägerin von ihrem verstorbenen Prozessbevollmächtigten in bar ausgezahlt worden sind, mit den offenen Forderungen des verstorbenen Prozessbevollmächtigten der Klägerin dieser gegenüber verrechnet hat. Damit stand der Klägerin die von der Beklagten geleistete Abfindung in Höhe von 8.260,00 € - abgesehen von den an sie ausgezahlten 400,00 €, die als sog. Schonvermögen i.S. von § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V. mit § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht eingesetzt werden mussten - zur Bestreitung der Prozesskosten tatsächlich nicht zur Verfügung.
bb) Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 03.07.2007 war demgemäß aufzuheben, obwohl die Klägerin zum einen die hier nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO als besondere Belastungen zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten gegenüber ihrem verstorbenen Prozessbevollmächtigten aus der Zeit vor der Stellung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe in der mit dem 19.12.2006 datierten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht angegeben hat und zum anderen diese Verbindlichkeiten, die in dem als Anlage zum Schriftsatz vom 17.08.2007 eingereichten Schreiben des Abwicklers ihres verstorbenen Prozessbevollmächtigten vom 16.07.2007 nur pauschal aufgelistet worden sind, erst im Beschwerdeverfahren durch Einreichung der Kostenrechnungen als Anlagen zum Schriftsatz vom 10.10.2007 im Einzelnen näher aufgeschlüsselt hat. Denn gemäß § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann die Beschwerde auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden. Diese Vorschrift ist, nicht anders als § 570 ZPO a.F., wonach die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden konnte, auch im Verfahren der Prozesskostenhilfebeschwerde uneingeschränkt anwendbar. Im Beschwerdeverfahren nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind daher unabhängig von der zwischenzeitlich erfolgten Verfahrensbeendigung auch solche Belastungen berücksichtigungsfähig, die bereits bei der Antragstellung bestanden haben, aber - wie hier - von der Partei zunächst nicht angegeben worden sind (so ausdrücklich LAG Köln, Beschluss vom 04.04.2000 - 13 (3) Ta 43/00, zu II. der Gründe m. zahlr. Nachw. der früheren Rechtsprechung - zu § 570 ZPO a.F.).
III. Gegen diesen Beschluss ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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