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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 16.05.2003
Aktenzeichen: 11 TaBV 61/02
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 40 Abs. 2
ZPO § 322 Abs. 1
1. Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung im Beschlussverfahren macht erneut gestellte Anträge über die gleiche Streitfrage in einem Verfahren mit den gleichen Beteiligten unzulässig.

2. Eine grundlegende Änderung der gesetzlichen Grundlagen mag eine Durchbrechung der Rechtskraft zulassen, unerhebliche Änderungen reichen zu diesem Zweck aber nicht.

3. Die Hineinnahme der "Informations- und Kommunikationstechnik" in die Aufzählung des § 40 Abs. 2 BetrVG ist eine "unerhebliche Änderung" i. S. v. Ziffer 2. Sie hat insbesondere nicht zur Folge, dass die für die gesamte dortige Aufzählung geltende Einschränkung "in erforderlichem Umfang" im Falle der "Informations- und Kommunikationstechnik" nicht mehr zu prüfen wäre.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 11 TaBV 61/02

Verkündet am: 16.05.2003

In dem Beschlussverfahren

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Anhörung vom 16.05.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schunck als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Reißer und Schuhr

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am 04.07.2002 verkündeten Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg - 1 BV 35/01 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Der Antragsgegner ist Inhaber einer Firma mit Sitz in 89573 Ehingen an der Donau, die bundesweit eine Einzelhandelskette für Drogeriewaren betreibt. Antragsteller ist der für 32 Filialen des Bezirks Hachenburg (Rheinland-Pfalz) zuständige, siebenköpfige Betriebsrat, der zur Zeit 140 Mitarbeiter vertritt. Im Jahre 2000 führte der Antragsteller vor dem Arbeitsgericht Koblenz ein Beschlußverfahren gegen den Antragsgegner durch mit dem Antrag, ihm folgende Sachmittel zur Verfügung zu stellen: einen Personalcomputer mit Drucker und der erforderlichen Software, ein Telefaxgerät und einen Kopierer. Der Antrag wurde zweitinstanzlich durch das LAG Rheinland-Pfalz mit Beschluß vom 01. 12. 2000 (8 TaBV 796/00) zurückgewiesen. Die vom Antragsteller eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluß vom 25. 04. 2001 abschlägig beschieden (7 ABN 5/01). Unter dem 23. 05. 2001 faßte der Antragsteller den Beschluß, ein Beschlußverfahren zur Überlassung der Sachmittel (erneut) einzuleiten. Am 28. 07. 2001 trat das Betriebsverfassungs-Reformgesetz vom 23. 07. 2001 in Kraft. Unter dem 26. 10. 2001 leitete der Antragsteller das vorliegende Beschlußverfahren beim Arbeitsgericht Siegburg ein, mit dem er außer den bereits vor dem Arbeitsgericht Koblenz geforderten Sachmitteln zusätzlich die Überlassung eines Anrufbeantworters verlangt mit der Begründung, er werde öfter in einer Betriebsratssitzung angerufen und müsse deshalb seine Sitzung unterbrechen. Oft müsse ihn ein Arbeitnehmer dringend sprechen, weil der Arbeitgeber von ihm den Abschluß eines Aufhebungsvertrages fordere. Das Vorverfahren stehe einer erneuten Anhängigkeit mit Rücksicht auf das inzwischen in Kraft getretene Reformgesetz vom 23. 07. 2001 nicht entgegen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seine Anträge weiter mit der Begründung, seit der Neufassung des § 40 Abs.2 BetrVG sei eine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten: Nunmehr brauche er die Erforderlichkeit von Mitteln der Informations- und Kommunikationstechnik, auf die das LAG Rheinland-Pfalz in seinem abweisenden Beschluß entscheidend abgestellt habe, nicht mehr darzulegen, wenn sie dem betrieblichen Standard entsprächen. Letzteres sei der Fall. Darüber hinaus seien die beantragten Sachmittel erforderlich.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Antragsgegner zu verpflichten, ihm folgende Sachmittel zur Verfügung zu stellen:

- einen Personalcomputer mit Drucker und der erforderlichen Software,

- ein Telefaxgerät,

- einen Kopierer,

- einen Anrufbeantworter.

Der Antragsgegner beantragt Zurückweisung der Beschwerde, beruft sich auf die Rechtskraft der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 01. 12. 2000 und bestreitet vorsorglich auch in diesem Verfahren die Erforderlichkeit der beantragten Sachmittel, insbesondere des Anrufbeantworters: Die Betriebsratsvorsitzende und ihre Stellvertreterin seien die ganze Woche über telefonisch in der Verkaufsstelle, in der sie beschäftigt seien, erreichbar. Störungen in den Betriebsratssitzungen seien entweder nicht nennenswert oder durch einen Anrufbeantworter nicht vermeidbar.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf den angefochtenen Beschluß sowie auf den Inhalt der zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Anträge zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.

1) So hat es die Anträge auf Überlassung eines Personalcomputers mit Drucker und der erforderlichen Software, eines Telefaxgeräts und eines Kopierers zutreffend mit Rücksicht auf den rechtskräftigen Abschluß des Koblenzer Verfahrens für unzulässig gehalten. Die materielle Rechtskraft der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz macht die erneut gestellten Anträge über die gleiche Streitfrage in einem Verfahren mit den gleichen Beteiligten unzulässig (BAG, Beschluß vom 20. 03. 1996 - 7 ABR 41/95 in AP Nr. 32 zu § 19 BetrVG 1972 unter II 1). Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft sind hier unstreitig eingehalten. Das gleiche gilt für die objektiven Grenzen: Der Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist derselbe wie im Vorprozeß. Entgegen der Ansicht des Antragstellers steht der Gesichtspunkt der zeitlichen Grenzen der Rechtskraft der Bindung im vorliegenden Verfahren an die Entscheidung im Vorprozeß nicht entgegen:

Eine Änderung der tatsächlichen Umstände ist nicht ersichtlich. Sofern der Antragsteller auf die Mitgliedschaft ihrer Vorsitzenden in Ausschüssen des Gesamtbetriebsrats und in anderen Gremien verweist, ist zum einen nicht ersichtlich, wieso es sich bei der damit verbundenen Arbeit um eine solche des Betriebsrats handelt und nicht etwa um solche z.B. des Gesamtbetriebsrats; zum anderen ist nicht ersichtlich, inwieweit es sich insoweit um geänderte Umstände handelt, die nicht schon zur Zeit des Vorverfahrens bestanden.

Es ist aber auch keine erhebliche Änderung der rechtlichen Umstände eingetreten, insbesondere nicht durch das Reformgesetz vom 23. 07. 2001. Dazu müßte die Änderung der gesetzlichen Grundlagen grundlegend verschieden sein, unerhebliche Änderungen sind nicht genug (GK-ArbGG/Leinemann/Senne, § 84 Rn. 24; BAG, Beschluß vom 31. 10. 1975 - 1 ABR 64/74 in AP Nr.3 zu § 118 BetrVG 1972 unter II 3). Eine Änderung der Gesichtspunkte, die für das LAG Rheinland-Pfalz tragend waren, ist durch die Änderung des § 40 Abs.2 BetrVG nicht eingetreten:

Zu Unrecht sieht dies der Antragsteller anders mit der Begründung, durch die Hineinnahme der "Informations- und Kommunikationstechnik" in die Aufzählung des § 40 Abs.2 BetrVG habe der Gesetzgeber klargestellt, insoweit brauche der Betriebsrat keine Erforderlichkeit der geforderten Mittel mehr darzutun, sofern sie dem betrieblichen Standard entsprächen. Die "Informations- und Kommunikationstechnik" ist sprachlich Teil der seriellen Aufzählung geworden, der insgesamt die Beschränkung "in erforderlichem Umfang" vorangestellt wird. Es verstieße gegen anerkannte Regeln der Gesetzesauslegung, ohne einen im Gesetzestext erkennbaren Grund die einzelnen Glieder einer seriellen Aufzählung unterschiedlichen Regeln zu unterwerfen, was die Auswirkungen eines ihnen gemeinsamen Vorbehalts betrifft (a.A. FKHES, 21. Aufl., § 40 Rn. 127; offenbar auch Richardi, Die neue Betriebsverfassung, § 8 Rn. 15; wie hier: LAG Köln, Beschluß vom 27. 09. 2001 - 10 TaBV 38/01 in BB 2002, 579; Beschluß vom 06. 06. 2002 - 5 TaBV 22/02; LAG Berlin, Beschluß vom 16. 07. 2002 - 5 TaBV 432/02; LAG Nürnberg, Beschluß vom 28. 10. 2002 - 1 TaBV 23/02; LAG Baden-Württemberg, Beschluß vom 27. 01. 2003 - 18 TaBV 3/02; LAG Hamm, Beschluß vom 09. 07. 2002 - 13 TaBV 10/02). Wäre die Argumentation des Antragstellers zutreffend, müßte man mit gleichem Recht den Grundsatz, wonach der Betriebsrat die Erforderlichkeit der verlangten Mittel darzutun hat, auch für die übrigen Glieder der Aufzählung (Räume, sachliche Mittel und Büropersonal) aufgeben, was von niemandem vertreten wird.

Die Argumentation des Antragstellers, für seinen Standpunkt spreche die zentrale Zielrichtung des Reformgesetzes vom 23. 07. 2001, nämlich "eine Verbesserung und Modernisierung der Arbeitsmöglichkeiten des Betriebsrats zu veranlassen", überzeugt nicht. Nach allgemeinen Regeln der Gesetzesauslegung muß der Wille des Gesetzgebers im Text des Gesetzes seinen Niederschlag gefunden haben. Das wäre für einen Willen des Gesetzgebers, wie der Antragsteller ihn sieht, wie gezeigt nicht der Fall.

Mit der gleichen Argumentation könnte man eine Änderung in der Anwendung auch unverändert gebliebener Vorschriften verlangen. Im Gegenteil ist anzunehmen, daß dem Gesetzgeber die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Darlegungslast bei der Forderung nach Überlassung eines Personalcomputers mit Drucker und der erforderlichen Software bekannt war; sie hat aus den den Sachmitteln vorangestellten Worten "in erforderlichem Umfang" stets geschlossen, daß der Betriebsrat auch beim Personalcomputer die konkrete Erforderlichkeit darzulegen habe (BAG, Beschluß vom 11. 03. 1998 - 7 ABR 59/96 in AP Nr. 57 zu § 40 BetrVG 1972; Beschluß vom 11. 11. 1998 - 7 ABR 57/97 in AP Nr.64 zu § 40 BetrVG 1972). Unter diesen Umständen hätte der Gesetzgeber einem Willen zur Änderung dieser Beschränkung mit anderen Mitteln Ausdruck verliehen als die Informations- und Kommunikationstechnik ausgerechnet in eine Reihe aufzunehmen, deren übrige Glieder der bekannten Einschränkung unterliegen.

Das Arbeitsgericht hat auch den Antrag auf Überlassung eines Anrufbeantworters zu Recht zurückgewiesen - und zwar als unbegründet. Insoweit wurde die Erforderlichkeit nicht ausreichend dargetan. Unwidersprochen hat die Antragsgegnerin vorgetragen, die Betriebsratsvorsitzende und ihre Stellvertreterin seien die ganze Woche über telefonisch in der Verkaufsstelle, in der sie beschäftigt seien, erreichbar. Ein Anrufbeantworter erfüllt nur bei Abwesenheit des gewünschten Gesprächspartners seine Funktion. Sofern der Antragsteller auf die bisweilen gegebene Notwendigkeit schnellen Reagierens verweist, ist nicht ersichtlich, warum dieser Notwendigkeit gerade dadurch geholfen wird, daß der Anruf des Ratsuchenden erst mal "abgelegt" wird. Die Lästigkeit, die empfunden werden mag, wenn Anrufe in eine Betriebsratssitzung gelangen, begründet keine Erforderlichkeit, sondern bestenfalls die Nützlichkeit eines Anrufbeantworters, was bekanntlich nicht ausreicht. Nimmt eines von sieben Mitgliedern des Betriebsrats hin und wieder einen einlaufenden Anruf entgegen, dem er Rückruf nach Ende der Sitzung verspricht, wird die Betriebsratsarbeit dadurch nicht ernsthaft beeinträchtigt.

Das Gericht hat keinen Anlaß gesehen, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 92a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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