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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 23.09.2003
Aktenzeichen: 13 (12) Sa 1137/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 612 a
1. Das Rechtsinstitut der Verwirkung gemäß § 242 BGB ist auch bei der Abmahnung zu beachten.

2. Zeitmoment und Umstandsmoment stehen in einer Wechselbeziehung zueinander: An das zeitliche Element sind um so geringere Anforderungen zu stellen, je deutlicher das Umstandsmoment ausgeprägt ist.

3. Vermittelt der Arbeitgeber unmittelbar nach Kenntnisnahme des Vertragsverstoßes etwa durch eine allgemein gehaltene Äußerung (hier: Technische Mitteilung) den Eindruck, dass die Angelegenheit für ihn damit abgeschlossen sei, ist das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment bereits nach dreieinhalb Monaten der Untätigkeit bis zum Ausspruch der Abmahnung erfüllt.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 (12) Sa 1137/02

Verkündet am 23. September 2003

In Sachen

hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 23.09.2003 durch den Richter am Arbeitsgericht Dr. Brondics als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Kramer und Paffrath

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.05.2002 - 3 Ca 12038/01 - abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 17.10.2001 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung.

Die Beklagte vermietet über ein Netz von Mietstationen im gesamten Bundesgebiet Arbeitsbühnen etc an private und gewerbliche Kunden. Gibt ein Kunde eine Arbeitsbühne zurück, wird diese vor Übergabe an den nächsten Kunden gewartet: Das Gerät wird auf Schäden hin untersucht und Mitarbeiter der Beklagten werden mit deren Beseitigung beauftragt. Zu diesem Zweck werden auf einen Reparatur-Auftragsschein die auszuführenden Arbeiten geschrieben und dem zuständigen Monteur übergeben. Nach der Reparatur notiert der Monteur die von ihm aufgewandte Arbeitszeit. Ergeben sich bei einer Reparatur Probleme, ist die Zentrale in A zu konsultieren, außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit steht ein 24-Stunden-Bereitschaftsdienst telefonisch zur Verfügung.

Der heute 59-jährige Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten in der Niederlassung K als Elektro-Kundendienstmonteur beschäftigt. Sein Durchschnittsverdienst betrug zuletzt EUR 2.896,98 DM. Während seiner Beschäftigungszeit nahm der Kläger an Schulungen teil, unter anderem wurde er eingewiesen in technische Grundlagen und die Gerätesicherheit von Arbeitsbühnen des Herstellers G .

Am Freitag, dem 25.05.2001 war der Kläger damit beauftragt, eine Arbeitsbühne des Herstellers "G " Typ GG 195 zu reparieren. Bei diesem Gerät hatten sich in Teilbereichen des Teleskopauslegers die Verkleidungsbleche gelöst. Diese Verkleidungsbleche waren herstellerseitig auf den darunter befindlichen Stahlträger aufgeklebt. In dem entsprechenden Reparaturauftrag (Blatt 131 der Akte) war vermerkt:

"Seitenbleche Teleskop befestigen".

In der Niederlassung K war der dafür vorgesehene Kleber nicht vorhanden. Dies teilte der Kläger den Niederlassungsleitern S und M mit. Auch eine telefonische Rücksprache mit der Zentrale in A erbrachte keine Klärung der Angelegenheit. Da der Kläger den Auftrag für eilig hielt, befestigte er die Bleche mit Blindnieten. Dazu bohrte er Löcher in den Ausleger.

Die Bohrungen des Klägers wurden anlässlich einer routinemäßigen UVV-Kontroll-Untersuchung am 02.07.01 durch einen Mitarbeiter der Beklagten festgestellt. Nach Mitteilung des Herstellers sind zur Wiederherstellung der Stabilität des Trägers Schweißarbeiten erforderlich mit einem Kostenaufwand von knapp 5.000,00 DM einschließlich Mehrwertsteuer. Inzwischen wurden auch in anderen Mietstationen zwei vergleichbare Reparaturen durch Kollegen des Klägers durchgeführt, die ebenfalls Verkleidungsbleche mit Nieten an den Ausleger befestigt hatten. Hierauf übersandte die Beklagte eine technische Information unter dem 16.07.2001, künftig die Blechverkleidungen wieder zu verkleben (Blatt 28 der Akte). Wörtlich heißt es in dem als "Technische Information GG - GT 01 - 03 überschriebenen Schreiben:

"aus gegebenem Anlass weisen wir daraufhin, dass die geklebten Ausleger - Blechverkleidungen, soweit diese abgenommen werden müssen, oder sich gelöst haben wieder verklebt werden müssen.

Wir haben festgestellt, dass Blechverkleidungen mit Blindnieten befestigt und hierzu Löcher in den Ausleger gebohrt wurden.

Laut Herstellerangeben muss durch die Auslegerschwächung ein Obergurt am Ausleger verschweißt werden.

Sollte an einem o.g. Gerät Blindnieten im Bereich der Auslegerverkleidung festgestellt werden, bitten wir um entsprechende Information."

In dem Verteiler am Ende des Schreibens ist der Name des Klägers enthalten, der das Schreiben auch erhalten hat. Mit Schreiben vom 17.10.2001 erteilte die Beklagte dem Kläger die streitgegenständliche Abmahnung aufgrund eines vermeintlichen Fehlverhaltens bei der Reparatur der G -Arbeitsbühne am 25.05.2001. Zuvor hatte der Kläger wegen verweigerter Entgeltfortzahlung Klage gegen die Beklagte vor dem Arbeitsgericht Wesel erhoben.

Gegen die seiner Meinung nach unberechtigte Abmahnung erhob der Kläger Klage unter dem 05.12.2001 vor dem Arbeitsgericht Köln und verlangte ihre Entfernung aus der Personalakte.

Das Arbeitsgericht Köln hat die Klage kostenpflichtig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Abmahnung enthalte objektiv keinen falschen Inhalt, es sei das gute Recht der Beklagten, eine eigene Entscheidung des Arbeitnehmers, die sich als falsch erwiesen habe, zu beanstanden. Dies gelte zumal dann, wenn der Arbeitnehmer nicht bestritten habe, dass das von ihm gewählte Reparaturverfahren nicht den Herstellerangaben entsprochen habe. Soweit der Kläger demgegenüber behauptet habe, auch das von ihm gewählte Reparaturverfahren sei objektiv zulässig, sei der Vortrag vor dem Hintergrund der konkreten Beanstandung anlässlich der UVV-Untersuchung nicht substantiiert genug, um ihm weiter nachzugehen. Wegen Einzelheiten der Entscheidung wird auf Blatt 32 bis 38 der Akten Bezug genommen.

Gegen das dem Klägervertreter am 04.10.2002 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat der Kläger am 04.11.2002 Berufung eingelegt, die am 04.12.2002, begründet worden ist. Er rügt, dass das Arbeitsgericht bei der vom Kläger gewählten Verfahrensart zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Reparatur nicht fachgerecht gewesen sei; die entsprechenden Beweisangebote seien übergangen worden. Ferner habe das Gericht unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte ihn angewiesen habe mit den Worten: "Das Gerät muss heute fertig werden, das geht morgen früh raus. Sieh zu, wie du das hinkriegst!". Und da auch die nach Auffassung der Beklagten notwendigen Materialien für die Ausführung der Reparatur nicht zur Verfügung gestellt werden konnten, sei ein etwaiges Fehlverhalten dem Kläger jedenfalls nicht vorwerfbar. Zudem sei die Abmahnung unverhältnismäßig, zumal eine konkrete technische Information zur Instandsetzung der Arbeitsbühne erst unter dem 16.07.2001 bekannt gemacht worden sei. Der Kläger beantragt zuletzt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 27.05.2002 - 3 Ca 1238/01 - die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 17.10.2001 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich weiter darauf, dass der Kläger die Reparatur nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe; denn durch die Bohrlöcher seien Sollbruchstellen geschaffen worden, die sich negativ auf die Statik der Teleskopkonstruktion ausgewirkt hätten. Diese unsachgemäße Reparatur stelle einen eklatanten Eingriff in die Gerätesicherheit dar und löse eine Gefährdung von Leib und Leben des Bedienpersonals im Arbeitskorb aus. Durch einschlägige Schulungen hätte der Kläger auch wissen müssen, dass er den Ausleger nicht anbohren dürfe. Der vom Kläger gewählten Reparaturmethode hätte es auch nicht bedurft, denn der Kleber hätte auch am Samstag oder Sonntag aus A geordert werden können, notfalls hätte man sich um eine Ersatz-Arbeitsbühne bemühen können.

Mit welchen Worten der Auftrag vom 25.05.01 an den Kläger gegeben wurde, vermochte die Beklagte auf Nachfrage des Gerichts im Termin vom 23.09.2003 eben so wenig zu sagen wie den Grund, warum sie mit der Abmahnung bis zum 17.10.2001 zuwartete.

Wegen der weiteren Einzelheiten haben die Parteien auf ihre im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Entfernung der Abmahnung zu Unrecht als unbegründet abgewiesen.

Die Klage ist begründet. Die Abmahnung vom 23.10.2000 ist entsprechend § 1004 BGB aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Die Beklagte hatte das Recht zur Abmahnung durch das Zuwarten bis zum Ausspruch der Abmahnung verwirkt. Damit war die Abmahnung jedenfalls im Zeitpunkt ihres Ausspruchs unrechtmäßig. Die vom Arbeitsgericht in den Mittelpunkt gerückte Frage nach der sachlichen Berechtigung der Abmahnung bedarf keiner abschließenden Beurteilung.

Das Rechtsinstitut der Verwirkung gemäß § 242 BGB ist auch bei der Abmahnung zu beachten. Das Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine schriftliche Abmahnung zu erteilen und diese zur Personalakte zu nehmen, kann - ebenso wie der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte - verwirkt werden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 5 AZR 137/94 - BB 1995, 622).

a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens verwandt. Sie soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Es ist andererseits nicht der Zweck der Verwirkung, Schuldner, denen gegenüber die Gläubiger längere Zeit ihre Rechte nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Um den Tatbestand der Verwirkung auszufüllen, muss neben das Zeitmoment das Umstandsmoment treten. Es müssen also besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzukommen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Rechtsinstitut der Verwirkung allgemein, vgl. etwa: Urteil vom 25.04.2001 - 5 AZR 497/99 - AP Nr. 46 zu § 242 BGB Verwirkung, m. w. N.; APS-Backhaus, Anm. 83 zu § 1 BeschFG ). Beide Elemente der Verwirkung stehen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander: An das zeitliche Element sind dann geringere Anforderungen zu stellen, wenn das Umstandsmoment hinreichend deutlich ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

b) Die Beklagte hat durch ihr Verhalten das Umstandsmoment erfüllt. Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn der Berechtigte unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen, sie dient dem Vertrauensschutz (BAG, Urteil vom 25.04.2001 - 5 AZR 497/99 - AP Nr. 46 zu § 242 BGB.

Das Verhaltenselement des Verwirkungstatbestandes ist vorliegend darin zu sehen, dass die Beklagte zeitnah mit einer "Technischen Information" auf die Vorfälle reagierte. Auf den Leser vermittelt das Schreiben vom 16.07.2001 den Eindruck, als sei mit dieser technischen Information, die es künftig zu beachten gelte, die Angelegenheit abgeschlossen. Sachlich und ohne Anwürfe in Richtung der beteiligten Personen wird festgestellt, dass die festgestellte Reparatur der Blechverkleidung mittels Nieten den Herstellerangaben nicht entspreche und daher unbedingt geklebt werden müsse. Für fehlerhaft durchgeführte Reparaturen enthält das Schreiben Hinweise zur fachgerechten Nachbesserung, es werden aber keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen in Aussicht gestellt; es finden sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich eine arbeitsrechtliche Würdigung noch vorbehalte. Da auch der Kläger zu dem Adressatenkreis der Technischen Information gehörte, kann er sich auf diesen Tatbestand berufen. c) Die beklagte Arbeitgeberin hat dadurch, dass sie ihre vermeintliche Abmahnberechtigung erst dreieinhalb Monate nach positiver Kenntnis des Vorfalls vom 17.05.2001 ausgeübt hat, auch das Zeitmoment erfüllt. Das Zeitmoment beginnt schon dann, wenn der Anspruchsberechtigte positive Kenntnis von den tatsächlichen Umständen hat, die seine Berechtigung auslösen könnten (so für den Fall eines Betriebsübergangs: BAG, Urteil vom 27.01.2000 - 8 AZR 106/99 - n.v.). Dies war der Beklagten spätestens mit der UVV-Untersuchung Anfang Juli bekannt, die in ihrem Hause von einem eigenen Mitarbeiter durchgeführt wurde.

Die Dauer von dreieinhalb Monaten der Untätigkeit ist im vorliegenden Fall ausreichend. Das Bundesarbeitsgericht hat verschiedentlich hervorgehoben, dass die Klärung von Fragen im Zusammenhang mit dem Bestand des Arbeitsverhältnisses besonders eilbedürftig sind. Dabei stützt sich die Rechtsprechung etwa auf die gesetzgeberische Grundentscheidung der Drei-Wochen-Klagefrist im Kündigungsschutzprozess (§ 4 S. 1 KSchG) und der korrespondierenden Regelung für Befristungen (§ 17 S. 1 TzBfG) sowie der für Bestandsklagen gegen Kündigungen eines Insolvenzverwalters (§ 113 Abs. 2 S. 2 InsO). In der Entscheidung vom 30.01.1991 (7 ARZ 239/90, EzA § 10 AÜG Fiktion Nr. 68) hat das Bundesarbeitgericht in diesem Zusammenhang festgestellt, dass das Zeitmoment bereits nach 3 Monaten des Zuwartens erfüllt sein kann. Auch das Landesarbeitsgericht Köln hat ein Zuwarten von drei Monaten bei Bestandsstreitigkeiten als ausreichend für das Zeitmoment erachtet (Urteil vom 28.01.2002 - 2 Sa 272/01).

Wegen der parallelen Interessenlage ist es geboten, auch für die Abmahnung auf diese Wertungsmaßstäbe zurückzugreifen. Denn der Arbeitnehmer hat ein berechtigtes Interesse daran, kurzfristig zu erfahren, ob der Arbeitgeber der Bestand des Beschäftigungsverhältnisses wegen eines vermeintlichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers für gefährdet erachtet, um durch eine veränderte Handlungsweise einer Kündigung vorbeugen. Gleichzeitig will der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Fehlverhalten möglichst schnell vor Augen zu führen, um ihn so zu veränderten Verhaltensweisen anzuhalten.

Das Landesarbeitsgericht Köln hat in seinem Urteil vom 28. März 1988 (- 5 Sa 90/88 - LAGE § 611 BGB Abmahnung Nr. 10) ausgesprochen, dass das Recht des Arbeitgebers, ein nicht vertragsgemäßes Verhalten des Arbeitnehmers abzumahnen, nach einjährigem Zuwarten verwirkt sein kann. Dort hatte der Arbeitgeber nach einem Schreiben, in dem er sich wegen einer Pflichtverletzung weitere Schritte vorbehielt, mit der schriftlichen Abmahnung mehr als ein Jahr gewartet, ohne dass dafür ein plausibler Grund ersichtlich war. Diese Zeitspanne hat das Landesarbeitsgericht, gemessen an den Umständen des zugrunde liegenden Falles als zu lang erachtet, denn der Kläger habe davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte sein Rügerecht nicht mehr geltend machen werde.

Das Bundesarbeitsgericht hat hingegen das Recht eines Arbeitgebers auf Erteilung einer schriftlichen Abmahnung in Ermangelung des "Zeitmoments" noch nicht als verwirkt angesehen, als dieser mit Schreiben vom 15. Dezember 1992 ein zumindest bis Juli/August 1992 dauerndes, ständiges Verhalten und nicht etwa nur einen einmaligen Vorfall gerügt hatte. Im übrigen konnte der Arbeitnehmer angesichts der zahlreichen zwischenzeitlichen Personalgespräche keinesfalls davon ausgehen, dass der Arbeitgeber sein Recht, etwaige Pflichtverletzungen zu rügen, nicht mehr wahrnehmen würde (BAG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 5 AZR 137/94 - BB 1995, 622).

Auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Entscheidungen konnte sich der Kläger berechtigter Weise darauf einrichten, dass die Beklagte die aus ihrer Sicht fehlerhafte Reparatur nicht mehr zum Gegenstand einer Abmahnung machen würde. Ihre Reaktion in Form des Technischen Information vom 16.07.2001 signalisierte einen Abschluss der Angelegenheit auch in Richtung Kläger. Der anschließende Zeitablauf, für den die Beklagte keine Erklärung abzugeben vermochte, hatte diesen Eindruck noch verstärkt. Weder waren weitere Schritte vorbehalten noch erkennbare Ermittlungen eingeleitet worden, die Rückschlüsse auf künftige Arbeitgeberreaktionen zugelassen hätten. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall passierte während der anschließenden dreieinhalb Monate schlichtweg nichts mehr. Damit erging die Abmahnung am 17.10.2001 zu einem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer auch wegen des Zeitablaufs mit ihr nicht mehr zu rechnen brauchte. Das Recht der Beklagten zur Abmahnung war verwirkt, sie erfolgte zu Unrecht. Der Kläger hat einen Anspruch auf ihre Entfernung aus der Personalakte. d) Die Frage, ob sich der Kläger anlässlich der Reparatur vom 17.05.2002 abmahnfähig verhalten hat und ob eine zeitnah ausgesprochene Abmahnung im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles überhaupt verhältnismäßig wäre, kann insoweit dahingestellt bleiben. Dies gilt auch für die Frage, ob die Abmahnung unter dem Gesichtspunkt des § 612 a BGB unwirksam ist. Denn die beklagte Arbeitgeberin hat nach mehrmonatigem Warten erst die Abmahnung ausgesprochen, als der Kläger Zahlungsklage vor dem Arbeitsgericht Wesel erhoben hatte.

3. Da die Beklagte den Prozess verloren hat, muss sie nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits tragen. Der vom Kläger in der Berufungsinstanz zurückgenommene Antrag, die streitgegenständliche Abmahnung zurückzunehmen, hat vorliegend wie im Regelfall (vgl. BAG EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 17; BAG EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 73; Kleinebrink, Abmahnung, 1999 Rz. 622 m. w. N.) neben dem Antrag auf Entfernung aus der Personalakte keine eigene prozessuale Bedeutung und war daher bei der Kostenverteilung außer Acht zu lassen.

Die Revision war nicht nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht und die angesprochenen Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind.

Ende der Entscheidung

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