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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 09.01.2007
Aktenzeichen: 13 Sa 1126/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 611 Abs. 1
Zur Auslegung eines Arbeitsvertrages, der dem Musterarbeitsvertrag nach Anlage 2 der KAVO entspricht, hinsichtlich der Tätigkeit der Arbeitnehmerin (hier: Raumpflegerin) dahingehend, ob eine bindende Zuweisung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit vereinbart worden ist.
Tenor:

1) Die Berufung des beklagten Bistums gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 04.08.2006 - 2 Ca 798/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Beschäftigung der Klägerin als Raumpflegerin.

Die am 10.08.1961 geborene Klägerin ist seit dem 01.12.1986 bei dem beklagten Bistum als Raumpflegerin beschäftigt. Mit Schreiben vom 04.12.1986 bestätigte das erzbischöfliche Generalvikariat A ihre Einstellung. Darin heißt es weiter: "Aufgrund ihrer Bewerbung und im Einvernehmen mit allen Beteiligten haben wir sie rückwirkend ab 01.12.1986 in ein unbefristetes Teilzeitarbeitsverhältnis als Raumpflegerin in den Dienst des Bistums A eingestellt." (Bl. 15 d. A.). In dem von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrag der Parteien vom 09.02.1987 heißt es unter § 1: "Frau K C tritt ab 01.12.1986 nebenamtlich als Raumpflegerin in die Dienste des Bistums." (Bl.17 d.A.) Der zwischen den Parteien zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 03.04.1990 entspricht dem Musterarbeitsvertrag der bei dem beklagten Bistum geltenden Kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) (Anlage 2). Darin heißt es unter § 3 Abs.1: "Die Einstellung als Raumpflegerin erfolgt ab 01.01.1989 auf unbestimmte Zeit."(Bl. 120 d.A.) Dabei waren in den vorformulierten Lückentext die Tätigkeit und das Datum einzufügen. Weiter heißt es unter § 3 Abs.2, dass sich die dienstlichen Pflichten aus der allgemeinen Dienstanweisung für die Berufsgruppe des Mitarbeiters in ihrer jeweiligen Fassung/oder ggf. aus der beigefügten konkreten Dienstanweisung in ihrer jeweiligen Fassung ergeben (Bl. 120 d.A.). § 10 (Sonstige Vereinbarungen) regelt: "Frau K C war in der Zeit ab dem 01.12.1980 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nach der Verordnung über Arbeitsverhältnisse nebenamtlich tätiger Arbeitnehmer (VonA) als Raumpflegerin in derselben Funktion im Bistumsdienst tätig (Bl. 121 d.A.). Beide Arbeitsverträge enthalten Bezugnahmen auf die KAVO Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 04.12.1986, sowie die Arbeitsverträge Bezug genommen. Mit Schreiben vom 02.02.2006 wies das beklagte Bistum der Klägerin zunächst befristet bis zum 28.02.2006, sodann dauerhaft eine Stelle als Küchenhilfe in der Zentralküche zu. Die Klägerin hat beantragt, das beklagte Bistum zu verurteilen, die Klägerin vertragsgemäß als Raumpflegerin zu beschäftigen. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 04.08.2006, dem beklagten Bistum zugestellt am 19.09.2006, stattgegeben. Auf das Urteil (Bl. 57 - 63 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 09.10.2006 beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangene und am 13.11.2006 begründete Berufung dem beklagten Bistum. Sie vertritt weiter die Auffassung, die Versetzung der Klägerin unterliege ihrem Direktionsrecht. Hierbei sei § 11 KAVO zu berücksichtigen. Soweit in den Musterarbeitsvertrag die dem Angestellten bei Vertragsschluss übertragene Tätigkeit eingefügt werde, folge diese Angabe nur einer historischen Übung und dem praktischen Bedürfnis der Arbeitnehmer zu erfahren, wie sie beschäftigt werden sollten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt

die Zurückweisung der Berufung

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des beklagten Bistums ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgerichts hat der Klage zu Recht mit zutreffender Begründung stattgegeben. Das beklagte Bistum ist verpflichtet, die Klägerin als Raumpflegerin zu beschäftigen. Der Beschäftigungsanspruch ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag der Parteien (zuletzt vom 03.04.1990) iVm §§ 611, 613 BGB iVm § 242 BGB, Art. 1 und 2 GG.

1. Der Arbeitnehmer hat während des Arbeitsverhältnisses einen aus dem Persönlichkeitsrecht abzuleitenden Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung (ständige Rechtsprechung des BAG seit dem Urteil vom 10.11.1955 - 2 AZR 591/54 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

2. Das beklagte Bistum ist verpflichtet, die Klägerin nach dem Arbeitsvertrag der Parteien als Raumpflegerin zu beschäftigen. Es ist daher nicht berechtigt, der Klägerin im Wege des Direktionsrechts eine Tätigkeit als Küchenhilfe zuzuweisen.

a) Das Direktions- oder Weisungsrecht erlaubt es dem Arbeitgeber, die Einzelheiten der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistungen einseitig zu bestimmen, soweit diese nicht anderweitig geregelt sind. Sein Umfang bestimmt sich vor allem nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Es kann einzelvertraglich oder auch durch tarifliche Regelung innerhalb bestimmter Grenzen erweitert werden, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht (vgl. etwa BAG 10.11.1992 - 1 AZR 185/92 - AP Nr. 6 zu § 72 LPVG NW).

b) Der Inhalt der von der Klägerin geschuldeten Arbeitsleistung richtet sich nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Durch den Arbeitsvertrag wird festgelegt, was die "versprochenen Dienste" im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB sind.

c) Der zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 03.04.1990 entspricht dem beim beklagten Bistum verwandten Musterarbeitsvertrag entsprechend der Anlage 2 zu KAVO.

d) Die Parteien haben mit der Angabe der Tätigkeit der Klägerin als "Raumpflegerin" in § 3 des Arbeitsvertrages eine bindende Vereinbarung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit getroffen.

aa) Arbeitsverträge sind nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Verträge sind nach § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Es sind demnach alle Begleitumstände zu würdigen, die dafür von Bedeutung sind, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie der Empfänger der Erklärung diese verstanden hat oder verstehen musste (BAG 29.10.1997 - 5 AZR 573/96 - AP § 611 BGB Nr. 51 Direktionsrecht m. w. N.).

bb) Der Arbeitsvertrag bezeichnet seinem Wortlaut nach ausdrücklich die Tätigkeit, für die die Klägerin eingestellt worden ist, nämlich als "Raumpflegerin" (§ 3 des Arbeitsvertrages vom 03.04.1990). Dies stimmt mit dem vorangegangenen Formulararbeitsvertrag der Klägerin vom 09.02.1987 überein, wonach sie ab 1.12.1986 nebenamtlich als Raumpflegerin in die Dienste des Bistums tritt (§ 1).

cc) Die Bedeutung der in § 3 Abs.1 des zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrages geregelten Tätigkeit wird durch weitere Vertragsbestimmungen verstärkt. So weist § 3 Abs.2 des Arbeitsvertrages auf die dienstlichen Pflichten für die Berufsgruppe des Mitarbeiters nach den jeweiligen Dienstanweisungen hin. In § 10 wird wiederum ausdrücklich auf die vorangegangene Tätigkeit der Klägerin als "Raumpflegerin in derselben Funktion im Bistumsdienst" seit dem 01.12.1986 und den vorherigen Vertrag vom 09.02.1987 Bezug genommen.

dd) Der Einfügung der konkreten Tätigkeit der Klägerin "als Raumpflegerin" durch Ausfüllung der Lücken des Mustervertrages kommt gegenüber dem Mustertext ein besonderes Gewicht zu. Der Musterarbeitsvertrag sieht Lücken für Eintragungen hinsichtlich der persönlichen Daten, der Tätigkeit, des Beginns des Arbeitsverhältnisses, des Beschäftigungsumfangs sowie der Eingruppierung und für sonstige Vereinbarungen vor. Erst durch diese auf das einzelne Arbeitsverhältnis bezogenen Eintragungen wird aus einem für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen allgemein und lückenhaft vorgegebenen Mustervertrag der zwischen den Parteien vereinbarte Arbeitsvertrag. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der/die Arbeitnehmer(in) diesen konkreten Einträgen große Bedeutung beimisst und diese als verbindliche Regelungen versteht. So verstand auch die Klägerin die in ihren Arbeitsverträgen eingetragene Tätigkeit der Raumpflegerin als verbindliche Regelung ihrer vertraglich geschuldeten Tätigkeit.

ee) Demgegenüber kann sich das beklagte Bistum nicht darauf berufen, es handle sich um eine lediglich historisch begründete Vertragsgestaltung bzw. eine dem praktischen Bedürfnis des Arbeitnehmers folgende historische, die Tätigkeit im Zeitpunkt des Abschluss des Vertrages unverbindlich wiederzugeben. Dagegen spricht, wie bereits ausgeführt, der Inhalt des Arbeitsvertrages. Konkrete Umstände, die die Auffassung des beklagten Bistums stützen könnten, sind nicht vorgetragen.

ff) Gegen ein solches Verständnis spricht schließlich auch der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses. Bereits mit Schreiben der Beklagten vom 04.12.1986 wurde die Klägerin auf ihre Bewerbung hin ausdrücklich als Raumpflegerin eingestellt. Sie war dementsprechend seit Beginn ihrer Tätigkeit vom 01.12.1986 bis zur Zuweisung der Tätigkeit als Küchenhilfe am 01.02.2006, also über 19 Jahre ausschließlich als Raumpflegerin tätig.

e) Nach dieser aus dem Wortlaut, dem Gesamtzusammenhang des Arbeitsvertrages, seiner Entstehung sowie der Durchführung des Arbeitsverhältnisses gewonnenen Auslegung ist das Direktionsrecht der Beklagten auf den Inhalt der Tätigkeit der Klägerin als Raumpflegerin beschränkt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf § 11 KAVO.

aa) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme (§ 2 des Arbeitsvertrages vom 03.04.1990) die KAVO in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Nach § 11 Abs. 1 KAVO (Versetzung und Abordnung) kann der Mitarbeiter aus dienstlichen oder organisatorischen Gründen versetzt oder abgeordnet werden. Soll der Mitarbeiter an eine Dienststelle außerhalb des bisherigen Dienstortes versetzt oder voraussichtlich länger als drei Monate abgeordnet werden, so ist er vorher zu hören. Diese Vorschrift enthält keine das Direktionsrecht allgemein betreffende Regelung. Insbesondere wird dadurch das durch den Inhalt des Arbeitsvertrages begrenzte Direktionsrecht nicht erweitert. Demnach berechtigt es im Streitfall das beklagte Bistum lediglich, die Klägerin unter Berücksichtigung der vorgegebenen Tätigkeit als Raumpflegerin aus dienstlichen oder organisatorischen Gründen in eine andere Dienststelle oder an einen anderen Dienstort zu versetzten.

bb) Demgegenüber kann sich das beklagte Bistum nicht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 12 BAT berufen. Zwar ist diese Vorschrift im Wesentlichen gleichlautend zu § 11 KAVO. Gegen die Anwendung der BAT - Rechtsprechung spricht jedoch vor allem, dass der im Streitfall verwandte Musterarbeitsvertrag von den im öffentlichen Dienst üblicherweise verwandten Musterarbeitsverträgen im entscheidenden Punkt der ausdrücklichen Tätigkeitsbenennung abweicht. Denn üblicherweise heißt es in den Musterverträgen des öffentlichen Dienstes, so etwa im Musterarbeitsvertrag "Kommunen NRW" "... wird ab dem ... als vollbeschäftigter Angestellter eingestellt." (unter Zif.1).

III. Das beklagte Bistum hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.

IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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