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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 13 Sa 1317/07
Rechtsgebiete: GG, BGB, TzBfG
Vorschriften:
GG Art. 3 Abs. 1 | |
BGB §§ 305 ff. | |
TzBfG § 9 |
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.05.2007 - 1 Ca 557/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 19.06.1991 aufgrund eines unbefristeten Arbeitsvertrages mit 20 Wochenstunden beschäftigt. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Anwendung. Am 13.01.2006 vereinbarten die Parteien die "Übernahme einer zusätzlichen Leistung gemäß Betriebsvereinbarung zur Umsetzung der Tarifverträge Nr. 112 a, 112 b und 112 e" im Umfang von 20 Wochenstunden für das Jahr 2006 und mit Vereinbarung vom 04.01.2007 von 4 Wochenstunden für das Jahr 2007. Auf die Vereinbarungen und den Tarifvertrag Nr. 112 a wird verwiesen.
Mit am 19.01.2007 beim Arbeitsgericht Köln eingegangener und der Beklagten am 30.01.2007 zugestellter Klage hat die Klägerin Feststellung bzw. Weiterbeschäftigung mit 38,5 Wochenstunden hilfsweise 24 Wochenstunden über den 31.12.2006 hinaus verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil (Bl. 71 bis 84 d. A.) wird verwiesen.
Gegen diese der Klägerin am 27.06.2007 zugestellte Entscheidung richtet sich ihre am 12.07.2007 eingelegte und am 12.09.2007 begründete Berufung. Auf den am 12.09.2007 eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag nebst Begründung wird verwiesen. Die Klägerin ist weiter der Auffassung, der Tarifvertrag Nr. 112 a finde auf Teilzeitbeschäftigte keine Anwendung, dies ergebe sich vor allem aus § 3 Abs. 2 Satz 2 des Tarifvertrages, der regelt, dass die Erbringung zusätzlicher Leistungen erst mit Überschreitung des Personalbedarfs einer Höhe von 38,5 Stunden möglich ist. Selbst wenn die Auslegung des Tarifvertrages ergebe, dass dieser auch für Teilzeitbeschäftigte Anwendung fände, so sei die tarifliche Regelung nicht mit den zwingenden Wertentscheidungen des Grundgesetzes und Gesetzesrechts, insbesondere mit Artikel 3 Abs. 1 GG, § 9 TzBfG vereinbar. Die Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten ergebe sich aus § 4 des Tarifvertrages, wonach das zusätzliche Entgelt im Sinne von § 3 des Tarifvertrages bei der Bemessung sonstiger tariflicher Leistungen nicht berücksichtigt wird. Für Teilzeitarbeitsverhältnisse führe dies dazu, dass sich die Bemessungsgrundlagen für andere tariflichvertragliche Leistungen nach der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit des Teilzeitarbeitsverhältnisses, nicht jedoch nach der tatsächlichen höheren Arbeitszeit richteten. Dieser Wertungswiderspruch verstoße gegen § 9 TzBfG, da die lediglich befristete Erhöhung der Wochenarbeitszeit verhindere, dass Teilzeitbeschäftigte einen auf Dauer gesicherten Status mit erhöhter Arbeitszeit erhielten. Darüber hinaus fehle für die befristete Übernahme zusätzlicher Leistungen ein sachlicher Befristungsgrund. Schließlich verstoße die Vereinbarung, die zu einer Erhöhung der Arbeitszeit führe, gegen zwingende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, der nicht beteiligt worden sei. Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass sie nach § 9 TzBfG einen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Aufstockung ihrer Arbeitszeit im angeforderten Umfang habe.
Die Klägerin stellt den Wiedereinsetzungsantrag und beantragt das Urteil abzuändern:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,95 Stunden über den 31.12.2006 hinaus fortbesteht.
2. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden besteht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden als Zustellerin zu beschäftigen.
Hilfsweise beantragt die Klägerin:
4. Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Fortsetzung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden anzunehmen.
5. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden fortbesteht.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig. Der Klägerin war Wiedereinsetzung für die verspätet eingegangene Berufungsbegründung zu gewähren. Die Berufungsbegründungsfrist von 2 Monaten (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) für das der Klägerin am 27.06.2007 zugestellte Urteil lief am 27.08.2007 ab. Die Berufungsbegründungsschrift ging erst am 12.09.2007 beim Landesarbeitsgericht, mithin verspätet ein. Der am 12.09.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingereicht (§§ 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 236 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet, da die Klägerin ohne ihr Verschulden verhindert war die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§ 233 ZPO). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Einzelnen vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachgestellten Frau Nemzow glaubhaft gemacht, dass diese am Abend des 22.08.2007 die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterschriebene Berufungsbegründungsschrift zusammen mit den Begründungsschriften der Parallelverfahren postfertig gemacht, das Büro gegen 19:30 Uhr verlassen und das Kuvert mit den Berufungsbegründungsschriften persönlich in den Briefkasten der Post Marienburger Straße/Prenzlauer Allee (Leerung 21 Uhr) geworfen hat. Erst durch Anruf bei der Geschäftsstelle am 31.08.2007, nach Eingang der Vertretungsanzeige der Gegner am 30.08.2007 wurde in der Kanzlei des Klägervertreters festgestellt, dass die Berufungsbegründungsschriftsätze in keiner der Parallelverfahren beim Landesarbeitsgerichts eingegangen sind. Auf Grund welcher Umstände die Berufungsbegründungen auf dem Postweg verloren gingen, bleibt unaufgeklärt. Jedenfalls trifft den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dem weder einem Mangel bei der Büroorganisation noch ein Fehler in der konkreten Fristenkontrolle vorzuwerfen ist, kein Verschulden.
II. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf unbefristete Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit weder auf 38,5, noch auf 24 Stunden. Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, ein entsprechendes Angebot der Klägerin anzunehmen. Das Berufungsgericht folgt in vollem Umfang der sorgfältigen Begründung des Arbeitsgerichts.
1. Zu Recht überprüft das Arbeitsgericht nur die zuletzt am 04.01.2007 getroffene Vereinbarung der Parteien zur Aufstockung der Arbeitszeit um 4 Wochenstunden, da dieser Vertrag von den Parteien ohne Vorbehalt abgeschlossen wurde. Auf die von der Klägerin in der Berufung nicht angegriffenen Ausführungen des Arbeitsgerichts wird verwiesen
2. Das Arbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Vereinbarung über die befristete Aufstockung der Arbeitszeit der Klägerin um 4 Wochenstunden nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt, da dass Teilzeit- und Befristungsgesetz auf die Befristung einzelner Vertragsbedingungen nicht anwendbar ist (BAG 14.01.2004 - 7 AZR 213/03). Auf die von der Beklagten in der Berufung nicht angegriffene Begründung des Arbeitsgerichts wird verwiesen.
3. Zu Recht geht das Arbeitsgericht davon aus, dass die Kontrolle der Befristung einzelner Vertragsbedingungen, sofern es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 305 ff. BGB stattfindet (BAG 27.07.2005 - 7 AZR 486/04). Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB keine Anwendung auf Tarifverträge.
a. Nach § 310 Abs. 4 S. 3 BGB stehen Tarifverträge Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 BGB gleich. Daher unterliegen auch in einer Vielzahl von Fällen formularmäßig verwendete Klauseln in Arbeitsverträgen, die auf einen Tarifvertrag Bezug nehmen oder die mit Tarifverträgen übereinstimmen und lediglich deren gesamten Inhalt wiedergeben, nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB. Dadurch wird sichergestellt, dass die nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von der AGB-Kontrolle ausgenommenen Tarifverträge auch bei einer einzelvertraglichen in Bezugnahme keiner Inhaltskontrolle unterliegen (BAG 27.07.2005 a.a.O. Rn.47). Diese Voraussetzungen sind bei der Vereinbarung auf "Übernahme zusätzlicher Leistungen" von 4 Wochenstunden für das Jahr 2006 erfüllt. Denn es handelt sich dabei um die Umsetzung des Tarifvertrages Nr. 112 a sowie der Betriebsvereinbarung Nr. 115 zur Regelung der Arbeitszeit und der betrieblichen Umsetzung des "Beschäftigungspakets" bei der Niederlassung K /W .
b. Die Parteien haben die befristete Aufstockung der Arbeitszeit auf der Grundlage des Tarifvertrages Nr. 112 a sowie der Betriebsvereinbarung Nr. 15 vereinbart und damit von der tariflich möglichen Übernahme zusätzlicher Leistungen von Wochenstunden Gebrauch gemacht. Ihre Abrede enthält demnach keine eigenständige individuelle Befristungsabrede, sondern macht lediglich von einer tariflichen Regelung Gebrauch. Sie unterliegt keiner Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB.
c. Es bedarf auch keiner Überprüfung, ob die Befristungsklausel eine allgemeine Geschäftsbedingung ist, die nach § 307 Abs. 1 BGB dann unwirksam wäre, wenn sie die Klägerin entgegen den gebotenen von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte. Denn Tarifverträge sind nach § 310 Abs. 4 BGB von der richterlichen Inhaltskontrolle ausgenommen (vgl. BAG 27.07.2005 - 7 AZR 486/04; 21.11.2006 - 9 AZR 138/06).
4. Zu Recht geht das Arbeitsgericht davon aus, dass die Befristungsvereinbarung der Parteien den Vorgaben des Tarifvertrages Nr. 112 a genügt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Tarifvertrag auf Teilzeitbeschäftigte anwendbar.
a. Die Vorschriften der §§ 1 bis 5 des dritten Teils des Tarifvertrages Nr. 112a lauten:
§ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer im Geltungsbereich des MTV-DP AG/ETV-DP AG, die ganz oder teilweise Zustelltätigkeiten verrichten.
§ 2
Übernahme zusätzlicher Leistungen
1. Im Rahmen des gemäß § 22 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 MTV-DP AG für die Zustellung geltenden Ausgleichszeitraums von 12 Monaten zur Ermittlung der gesetzlich festgelegten Höchstarbeitszeit von werktäglich acht Stunden (48 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt) können Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis zusätzliche Leistungen übernehmen.
2. Die Teilnahme ist für jeweils ein Jahr festzulegen, mindestens jedoch bis zur Realisierung einer Neubemessung.
§ 3
Zusätzliches Entgelt
1. Für jede rechnerische Stunde zusätzlicher Leistung wird ein zusätzliches Entgelt gezahlt, das sich für alle Teilnehmer auf der Grundlage der Stundenentgelttabelle gemäß Anlage 3 ETV-DP AG für die Entgeltgruppe 3 ergibt. Im Umfang der zusätzlichen Leistung findet § 14 ETV-DP AG keine Anwendung.
2. Die Gesamtarbeitszeit (GAZ) ist nach den geltenden Regelungen zu ermitteln. Für die Berechnung der zusätzlichen Leistung ist von dieser GAZ die regelmäßige durchschnittliche Wochenarbeitszeit abzusetzen. Die zusätzliche Leistung wird mit der Überschreitung des Personalbedarfs ab einer Höhe von 38,5 Stunden möglich.
3. Das zusätzliche Entgelt wird monatlich wie folgt ermittelt:
Zusätzliches Entgelt = Zusatzleistung in Stunden: Arbeitstage/Woche x Arbeitstage/Kalendermonat x Stundenentgelt.
4. Vertreter, die nicht unter Abs. 1 Fallen, erhalten Freizeitausgleich auf Basis vorstehender Regelungen.
§ 4
Anrechnungsbestimmungen
1. Das zusätzliche Entgelt nach § 3 wird bei der Bemessung sonstiger tarifvertraglicher Leistungen nicht berücksichtigt.
2. Das zusätzliche Entgelt nach § 3 ist nicht versorgungsfähig.
§ 5
Auszahlung
Die Auszahlung des zusätzlichen Entgelts richtet sich nach § 29 Abs. 6 ETV-DP AG.
b. Der normative Teil eines Tarifvertrages ist nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den vertraglichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Eine Wille, für den es im Wortlaut keinen Anhaltspunkt gibt, ist für die Auslegung bedeutungslos. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. etwa 12.05.2005 - 6 AZR 220/04).
c. Von diesen Grundsätzen ist auch das Arbeitsgericht ausgegangen und hat im Anschluss an die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz (03.05.2006 - 9 TaBV 5/06) den Tarifvertrag zutreffend dahin ausgelegt, dass er auch für Teilzeitbeschäftigte gilt. Dies ergibt sich aus § 1 des Tarifvertrages, der den Geltungsbereich für alle Arbeitnehmer im "Geltungsbereich des MTV DP AG/ETV-DP AG, die ganz oder teilweise Zustellungstätigkeiten verrichten" vorsieht.
d. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wie das Arbeitsgericht im Einzelnen ausgeführt hat, aus § 3 Abs. 2 Satz 3 Tarifvertrag Nr. 112 a, wonach "die zusätzliche Leistung...mit der Überschreitung des Personalbedarfs ab einer Höhe 38,5 Stunden möglich (wird)". Schon dem Wortlaut nach bezieht sich § 3 Abs. 2 Satz 3 Tarifvertrag Nr. 112 a nicht auf die individuelle Arbeitszeit des Arbeitnehmers, sondern spricht von dem "Personalbedarf" (der Beklagten).
e. Auch nach der Systematik des Tarifvertrages ist damit keine Regelung getroffen, die sich auf den Geltungsbereich des Tarifvertrages bezieht. Dieser ist in § 1 abschließend geregelt. § 3 des Tarifvertrages betrifft der Überschrift nach "zusätzliches Entgelt", wobei § 3 Abs. 2 wie das Arbeitsgericht zu Recht feststellt, insoweit systemwidrig eine Regelung enthält, die sich auf die zusätzliche Leistung und nicht auf das zusätzliche Entgelt bezieht.
f. Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass § 3 Abs. 2 Satz 3 Tarifvertrag Nr. 112 a sich nicht mit der Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers befasst, sondern nach dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages damit, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber überhaupt ermächtigt wird, zusätzliche Leistungen zu vereinbaren. Diese Möglichkeit sollte allen Arbeitnehmern offen stehen. Es wäre dem gegenüber sinnwidrig, ausgerechnet die Teilzeitbeschäftigten von einer zusätzlichen Verdienstmöglichkeit auszuschließen. Der gänzliche Ausschluss von Teilzeitkräften würde diese im Übrigen gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern schlechter behandeln, was ohne sachliche Rechtfertigung gegen das Diskriminierungsverbot nach § 4 Abs. 1 TzBfG verstößt.
g. Das Berufungsgericht schließt sich - wie das Arbeitsgericht - dem LAG Rheinland-Pfalz (a.a.O. Rn. 59) auch insoweit an, als es angenommen hat, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 3 Tarifvertrag Nr. 112 a nur erfüllt sind, wenn in dem jeweiligen Zustellstützpunkt der Personalbedarf um 38,5 Stunden überschritten wird. Das ergibt sich aus dem Wortlaut, wonach die Vereinbarung einer zusätzlichen Leistung möglich sein soll, wenn der für die jeweilige Organisationseinheit (= Zustellstützpunkt) ermittelte Personalbedarf um 38,5 Stunden überschritten wird. Dafür spricht - wie das LAG Rheinland-Pfalz bereits ausgeführt hat - die systematische Auslegung. § 3 Abs. 2 Satz 3 Tarifvertrag Nr. 112 a. Denn Satz 3 knüpft an die Sätze 1 und 2 zu § 3 Abs. 2 an. Diese beziehen sich auf die Gesamtarbeitszeit und damit auf den insgesamt für die jeweilige Organisationseinheit erforderlichen Personalbedarf. Eine Überschreitung des Personalbedarfes um 38,5 Stunden oder weniger soll nach dem im Tarifvertrag zum Ausdruck gekommenen Willen der Tarifvertragsparteien nicht mit zusätzlicher Leistung, sondern mit - für Arbeitnehmer regelmäßig höher vergüteten - Überstunden abgedeckt werden.
h. Für die Anwendung des Tarifvertrages Nr. 112 a auch auf Teilzeitarbeitskräfte spricht schließlich auch der tarifpolitische Hintergrund, wie er in der gemeinsamen Erklärung des Vorstands der , des Gesamtbetriebsrates der und der ver.di vom 05.07.2003 zum Ausdruck gekommen ist. Danach sollten zur Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsbedingungen unter anderem tarifvertragliche Regelungen zur Verlängerung der Wochenarbeitszeit für den Bereich der Auslieferung bis zur gesetzlichen Höchstgrenze auf freiwilliger Basis ermöglicht werden.
5. Der Tarifvertrag Nr. 112 a ist mit zwingendem Gesetzes- und Richterrecht sowie den Wertentscheidungen des Grundgesetzes, insbesondere dem Gleichheitssatz Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar.
a. Das Arbeitsgericht stellt zu Recht fest, dass zwar die tarifliche Regelung die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen weitgehend in das Belieben der Beklagten stellt, da die Voraussetzungen, unter denen die Übernahme zusätzlicher Leistungen möglich sein soll, von der Beklagten ohne größere Schwierigkeiten zu erfüllen sind. Dies ist allerdings rechtlich nicht zu beanstanden, da, wie bereits ausgeführt, der Tarifvertrag weder nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, noch im Wege der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB zu überprüfen ist.
b. Der Tarifvertrag Nr. 112 a verstößt, entgegen der Auffassung der Klägerin, auch nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG iVm § 9 TzBfG wegen der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten. Dies soll sich nach Auffassung der Klägerin daraus ergeben, dass das nach § 4 des Tarifvertrages Nr. 112 a vorgesehene zusätzliche Entgelt nach § 3 des Tarifvertrages bei der Bemessung sonstiger tariflicher Leistungen nicht berücksichtigt wird und sich demnach die Bemessungsgrundlagen für andere tarifvertragliche Leistungen nach der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit des Teilzeitarbeitsverhältnisses richten. Dieser Wertungswiderspruch verstoße gegen § 9 TzBfG, der einen auf Dauer gesicherten Status mit erhöhter Arbeitszeit beabsichtige. Dagegen wendet die Beklagte zutreffend ein, dass § 4 des Tarifvertrages Nr. 112 a gerade keine Ungleichbehandlung von Teilzeitarbeitnehmern gegenüber Vollzeitarbeitnehmern enthält, da diese Vorschrift für alle Arbeitnehmer anwendbar ist. Demnach findet auch bei Vollzeitarbeitnehmern das Entgelt für die Übernahme zusätzlicher Leistungen keine Berücksichtigung bei der Versorgung und sonstigen tarifvertraglichen Leistungen. Warum die Entgeltregelung nach § 4 des Tarifvertrages Nr.112 a gegen § 9 TzBfG verstoßen soll, ist nicht nachvollziehbar. § 9 TzBfG regelt die Voraussetzungen, unter denen ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Verlängerung der Arbeitszeit verlangen kann. Weder verbietet diese Norm den Tarifvertragsparteien, Regelungen zur zeitlich befristeten Übernahme zusätzlicher Aufgaben zu vereinbaren, noch ist es einem Teilzeitbeschäftigten, der zusätzliche Leistungen im Sinne des Tarifvertrages übernommen hat, verwehrt seinen Anspruch auf dauerhafte Verlängerung der Arbeitszeit geltend zu machen.
6. Soweit die Klägerin annimmt, der Tarifvertrag verstoße gegen höherrangiges Recht, weil die Befristung der Übernahme zusätzlicher Leistungen eines sachlichen Grundes entbehrt, unterliegt der Tarifvertrag, wie bereits ausgeführt, keiner gerichtlichen Sachgrundprüfung.
7. Die Voraussetzungen des Tarifvertrages Nr. 112 a sind auch im Übrigen erfüllt, insbesondere stand zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Zustellstützpunkt der Klägerin ein zusätzlicher Personalbedarf von mehr als 38,5 Stunden. Die Beklagte hat dazu in der Berufung ausdrücklich vorgetragen, dass die Bemessung des Zustellstützpunktes 61 insgesamt ein Zeitbudget in Höhe von über 100 Stunden zur Vergabe als zusätzliche Leistung zur Verfügung stand. Die Klägerin hat ihr Bestreiten, so ausdrücklich in der Berufungsverhandlung, nicht aufrecht erhalten.
8. Schließlich liegt, entgegen der Auffassung der Klägerin, auch kein Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz vor.
a. Der Betriebsrat hat bei Vereinbarungen der Arbeitgeberin mit Teilzeitbeschäftigten über zusätzliche Leistungen nach dem Tarifvertrags Nr. 112 a für die Arbeitnehmer der mitzubestimmen. Diese befristete Verlängerung der mit Teilzeitbeschäftigten vereinbarten Arbeitszeit ist regelmäßig eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mit kollektivem Bezug (BAG 24.04.2007 - 1 ABR 47/06). Ob die vorübergehende Veränderung der Dauer der Arbeitszeit vom Arbeitgeber einseitig vorgenommen oder mit den betroffenen Arbeitnehmern vereinbart wird, ist für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht von Bedeutung. Es besteht unabhängig von der Rechtsgrundlage, welche individualrechtlich die Änderung der Dauer der Arbeitszeit gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern ermöglicht. (BAG a.a.O.).
b. Es kann dahinstehen, ob der Betriebsrat, wie die Beklagte vorträgt, vor Abschluss der Vereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Denn selbst wenn die Beklagte die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verletzt hätte, würde dies nicht dazu führen, dass die Klägerin ihren geltend gemachten Anspruch auf unbefristete Wochenarbeitszeit von 38,5 bzw. 24 Wochenstunden darauf stützen könnte. Zwar sind nach der herrschenden Meinung der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung für den Arbeitnehmer nachteilige Maßnahmen, die unter Verletzung von Mitbestimmungsrechten durchgeführt werden, auch auf individualrechtlicher Ebene unwirksam (Fitting 23. Auflage, § 87 BetrVG Rn. 599 m.w.N.). Die Verletzung des Mitbestimmungsrechts kann allerdings keine Ansprüche der Arbeitnehmer begründen, die vor der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme nicht bestanden haben und bei Beachtung der Mitbestimmungsrechte nicht entstanden wären (BAG 02.03.2004 - 1 AZR 271/03). Auch bei Nichtbeachtung des Mitbestimmungsrechts erhält der Arbeitnehmer keinen Erfüllungsanspruch auf Leistungen, die der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag nicht schuldet. Im Streitfall stand vor Abschluss der Vereinbarung zur Übernahme zusätzlicher Leistungen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden. Damit hat die Klägerin auch bei Nichtbeachtung des Mitbestimmungsrechtes keinen Erfüllungsanspruch auf die über den bisherigen Arbeitsvertrag hinaus begehrte vertragliche Regelung einer unbefristeten Wochenarbeitszeit von 38,5 bzw. 24 Wochenstunden.
9. Die Berufung war auch hinsichtlich der Hilfsanträge abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte verurteilt wird, das Angebot der Klägerin auf Fortsetzung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden anzunehmen. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 9 TzBfG in Betracht. Danach hat der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall ersichtlich nicht erfüllt. Es ist bereits fraglich, ob die Klägerin ihren Wunsch nach einer Verlängerung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 20 Wochenstunden im Sinne von § 9 TzBfG angezeigt hat. Jedenfalls fehlt es an dem Tatbestandsmerkmal eines freien Arbeitsplatzes. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es der unternehmerischen Organisationsentscheidung des Arbeitgebers obliegt, ob und welche Arbeitsplätze er einrichtet (vgl. dazu Erfk/Preis 7. Aufl. § 9 TzBfG Rn. 6 m.w.N.). Im Streitfall hat die Beklagte keinen freien Arbeitsplatz von 38,5 oder auch nur 24 Wochenstunden eingerichtet. Die Beklagte hat - von der Klägerin nicht ausgeräumt - in der Berufung dazu vorgetragen, dass in der Briefzustellung keine freien Stellen vorhanden sind, die vom zeitlichen Umfang über die der Klägerin hinausgehen. Zu Unrecht stellt die Klägerin dem gegenüber auf die von ihr übernommenen zusätzlichen Leistungen von zuletzt 4 zusätzlichen Wochenstunden ab. Insoweit hat die Beklagte gerade nicht die Organisationsentscheidung der Einrichtung einer freien Stelle mit 24 Wochenstunden getroffen, sondern sich entschieden, diesen Arbeitsbedarf auf der Grundlage des Tarifvertrages Nr. 112 a durch befristete Aufstockung der Arbeitszeit der unbefristet beschäftigten Teilzeit- und Vollzeitkräfte zu decken.
III. Die Klägerin hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
IV. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (Anwendung des Tarifvertrages Nr. 112 a auf Teilzeitbeschäftigte) nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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