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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 04.04.2006
Aktenzeichen: 13 Sa 1537/05
Rechtsgebiete: BetrAVG
Vorschriften:
BetrAVG § 2 |
Tenor:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.06.2006 - 13 Ca 11039/04 - teilweise wie folgt abgeändert:
a) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 655,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2005 zu zahlen.
b) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.11.2004 Invaliden-/ Versorgungsleistungen in Höhe von 182,61€ monatlich zu bezahlen.
c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
1. Von den Kosten des Rechtsstreit trägt der Kläger 1/4 und der Beklagte 3/4.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der am 08.01.1944 geborene Kläger war bei der Firma G in N vom 01.10.1973 und nach Übergang des Arbeitsverhältnisses im Wege des Betriebsübergangs bei der Firma P seit dem 30.09.1996 beschäftigt. Ihm war von der Firma G eine betriebliche Altersversorgung auf der Grundlage der Versorgungsordnung AV I. 79 zugesagt worden. Diese Versorgungsordnung wurde ab dem 01.07.1983 durch die Versorgungsordnung AV I. 83 abgelöst. Für den Kläger galt aufgrund Betriebsvereinbarung folgende Übergangsregelung:
Für Mitarbeiter, die am 30.06.1983 in einem festen Arbeitsverhältnis standen, wird unabhängig von der Erfüllung der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1 BetrAVG die bis zum 30.06.1983 erworbene Anwartschaft auf Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrente nach der Versorgungsordnung vom 11.05.1979 (AV I 1979) ermittelt und als Besitzstandsrente in festen DM-Beträgen garantiert. Berechnungsmodus ist das ratierliche Verfahren des § 2 BetrAVG (Bl. 18 d. A.).
Die Besitzstandsrente des Klägers vom 30.06.1983 beträgt nach zeitratierlicher Berechnung 84,11 € monatlich.
Über das Vermögen der Firma P wurde am 30.06.1998 das Konkursverfahren eröffnet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete zum 30.09.1998, wobei für die Berechnung der betrieblichen Alterssorgung unstreitig von einer tatsächlichen Betriebszugehörigkeit bis zum 31.12.1997 auszugehen ist.
Seit dem 01.09.2002 bezieht der Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Der Beklagte zahlt an den Kläger seit dem 01.09.2002 eine Invalidenrente in Höhe von monatlich 156,33 €. Dabei hat der Beklagte den möglichen Versorgungsanspruch unter Addition der Besitzstandsrente zum 30.06.1983 in Höhe von 84,11 € mit einem Steigerungsbetrag á 7,54 € x 19 Jahre ab 01.07.1983 in Höhe von 143,26 €, also zusammen 227,37 € monatlich angesetzt und den Zeitwertfaktor zwischen der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit vom 01.10.1973 bis 31.12.1997 und einer möglichen Betriebszugehörigkeit vom 01.10.1973 bis 08.01.2009 mit 0,687563 berechnet (Bl. 44 d. A.).
Der Kläger begehrt eine Betriebsrente von monatlich 91,32 €. Er ist der Auffassung, der Beklagte hätte die Besitzstandsrente in Höhe von 84,11 € zu Unrecht mit dem Zeitwertfaktor von 0,687563 nochmals gekürzt. Nach der Versorgungszusage sollte ihm dieser Besitzstand ungekürzt zustehen. So habe der ehemalige Arbeitgeber auch tatsächlich ca. 5.000 Betriebsrentenansprüche berechnet. Die vorgenommene Kürzung sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unzulässig, da es sich um eine doppelte Kürzung handele. Denn die Besitzstandsrente sei bereits zeitratierlich berechnet worden. Fehlerhaft sei weiterhin, dass der Beklagte den Steigerungsbetrag von 7,54 € lediglich mit 19 Jahren multipliziert habe. Richtig sei eine Multiplikation mit 25 Jahren, nämlich mit einer Betriebszugehörigkeit bis zum 65. Lebensjahr des Klägers am 08.01.2009. Diese Berechnungsweise folge aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.01.2001, die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.02.2005 überzeuge demgegenüber nicht.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 907,92 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2005 zu zahlen;
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.11.2004 Invaliden-/Versorgungsleistungen in Höhe von monatlich 191,32 € zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, der gesamte Versorgungsanspruch des Klägers, einschließlich der Besitzstandsrente sei gemäß § 2 BetrAVG ratierlich zu kürzen. Im Übrigen folgt der Beklagte der Berechnungsweise des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Entscheidung vom 15.02.2005.
Das Arbeitsgericht Köln hat der Klage stattgegeben. In der Begründung hat es abweichend davon dem Kläger nur einen Anspruch auf weitere 26,28 € monatlich zugesprochen, da eine nochmalige Kürzung der Besitzstandsrente unzulässig sei. Hinsichtlich des weiter eingeklagten Betrages von 8,71 € monatlich folgt das Arbeitsgericht der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.02.2005. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bl. 171 ff d. A. Bezug genommen.
Gegen das dem Beklagten am 10.11.2005 zugestellte Urteil hat er am 01.12.2005 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 10.02.2006 an diesem Tag begründet. Beide Parteien halten an ihren Rechtsauffassungen fest.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.06.2005 - 13 Ca 11039/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 S. 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist.
II. Das Rechtsmittel hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger zu Recht einen weiteren Versorgungsanspruch von monatlich 26,28 € zugesprochen und in der Begründung den darüber hinaus begehrten monatlichen Betrag von 8,71 € als unbegründet zurückgewiesen.
1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Betriebsrentenanspruch gemäß §§ 7 Abs. 2, 2 Abs. 1 BetrAVG in Verbindung mit der Versorgungszusage des Klägers und der Versorgungsordnung AV I. 79 sowie AV I. 83 und der Übergangsregelung nach der Betriebsvereinbarung unter Ziffer 3 in Höhe von monatlich insgesamt 182,61 €. Der Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 01.09.2002 bis zum 31.07.2004 beträgt, entsprechend dem monatlichen Differenzbetrag von 26,28 €, 655,25 €.
2. Das Arbeitsgericht geht zutreffend mit dem Kläger davon aus, dass der Beklagte die Besitzstandsrente zum 30.06.1983 in Höhe von 84,11 € nicht nochmals mit dem Zeitwertfaktor 0,687563 kürzen durfte.
a. Dies ergibt sich aus der Versorgungszusage des Klägers. Nach der für ihn geltenden Übergangsregelung gemäß Ziffer 3 der Betriebsvereinbarung steht dem Kläger eine Invalidenrente zu, welche die nach der Versorgungsordnung AV I. 79 ermittelte Besitzstandsrente in festen DM-Beträgen garantiert, wobei die Berechnung nach dem ratierlichen Verfahren des § 2 BetrAVG erfolgt. Diese zum 30.06.1983 garantierte Mindestrente beträgt unstreitig 84,11 € monatlich. Eine nochmalige Kürzung dieser bereits zeitratierlich berechneten Besitzstandsrente würde in diesen durch die Versorgungszusage garantierten Besitzstand eingreifen. Denn die erneute Kürzung würde dazu führen, dass dem Kläger statt der garantierten 84,11 € für den gleichen Zeitraum nurmehr 57,83 € (84,11 € x Zeitwertfaktor 0,687563) gezahlt würden. Damit würde der Kläger gegenüber Mitarbeitern, die bereits zum 30.06.1983 mit einer Besitzstandsrente von 84,11 € ausgeschieden sind ungerechtfertigt benachteiligt.
b. Das Arbeitsgericht hat zur weiteren Begründung zu Recht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.03.2003 (- 3 AZR 221/02 - EzA § 2 BetrAVG Nr. 19) herangezogen. Danach kann, wenn im Zuge der ablösenden Neuregelung einer Versorgungsordnung ein bis dahin erdienter, nach § 2 BetrAVG gerechneter Versorgungsbesitzstand als Mindestrente garantiert worden ist, dieser Betrag nach einem späteren Ausscheiden des Berechtigten vor Eintritt des Versorgungsfalles nicht erneut nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitanteilig gekürzt werden. Eine solche Berechnungsweise steht im Widerspruch zu dem Grundgedanken der Besitzstandswahrung und den hierfür aus § 2 BetrAVG sich ergebenden gesetzlichen Wertungen. Ein Arbeitnehmer, der zum Zeitpunkt der ablösenden Neuregelung aus dem Arbeitsverhältnis mit einer unverfallbaren Altersversorgungsanwartschaft ausschiede, erhielte auf der Grundlage der bis dahin abgelösten Versorgungsordnung genau das, was im Rahmen seines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses als Besitzstandsrente garantiert wird. Würde man bei einem späteren Ausscheiden vor Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze eine zeitanteilige Kürzung der Besitzstandsrente im Verhältnis von erreichter und erreichbarer Betriebsrente zulassen, erhielte der betreffende Arbeitnehmer nicht nur trotz längerer Betriebszugehörigkeit eine geringere Betriebsrente; es würde auch nachträglich in den zum Zeitpunkt der Ablösung nach § 1 BetrAVG (aF) unverfallbaren und nach § 2 Abs. 1 BetrAVG errechneten Versorgungsbesitzstand eingegriffen werden, und dies, obwohl die ablösende Neuregelung einen solchen Eingriff gerade nicht vorsah (BAG a.a.O.). Genauso liegt, wie bereits unter 2.a. ausgeführt, der Fall hier.
c. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die nochmalige Kürzung der Besitzstandsrente des Klägers nicht aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.12.2003 (- 3 AZR 39/03 - AP Nr. 25 zu § 1 BetrAVG Berechnung) zulässig.
aa. Diese Entscheidung nimmt ausdrücklich Bezug auf die Entscheidung vom 18.03.2003 (BAG a.a.O.) unter Einbeziehung der einschlägigen vorangegangenen höchstrichterlichen Entscheidungen und stellt fest, dass kein Anlass besteht, von der bisherigen Rechtssprechung abzuweichen. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 16.12.2003 eine Besitzstandsgarantie überprüft, wonach u. a. eine zeitanteilige Anwartschaft zu einem bestimmten Stichtag garantiert wurde. Aufgrund einer wertenden Betrachtung kommt das Bundesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, aus dieser Übergangsregelung ergebe sich nicht, dass die bis zur Altersgrenze erreichbare Vollrente insgesamt nicht mehr zeitanteilig gekürzt werden dürfe.
bb. Danach kommt es entscheidend auf die Auslegung der Versorgungszusage bzw. Übergangsregelung zur Besitzstandswahrung an. Vorliegend garantiert die für den Kläger einschlägige Übergangsregelung als Besitzstandsrente einen festen DM-Betrag, welcher bereits unter Beachtung des ratierlichen Verfahrens gemäß § 2 BetrAVG errechnet worden ist. Daraus ergibt sich der Regelungswillen, das dieser so errechnete Besitzstand stets als Basisbetrag erhalten bleiben muss, auch wenn nach der ablösenden Neuregelung auf deren Grundlage weitere Rentenbausteine erdient werden können.
3. Der vom Kläger darüber hinaus weiter geltend gemachte Anspruch auf eine um 8,71 € höhere monatliche Betriebsrente besteht nicht. Die Berechnung des Beklagten, wonach der Steigerungsbetrag von 7,54 € ab dem 01.07.1973 lediglich mit 19 Jahren bis zum Bezug der Invalidenrente zum 01.09.2002 und nicht mit 25 Jahren bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers am 08.01.2009 multipliziert worden ist, ist nicht zu beanstanden.
a. Zu Recht weist das Arbeitsgericht unter Heranziehung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.02.2005 (- 3 AZR 298/04 - EzBAT § 46 BAT Nr. 58) darauf hin, dass diese Berechnung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG in Übereinstimmung mit der Versorgungsordnung AV I. 83 § 7 Invalidenrente erfolgt ist. Das Berufungsgericht schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts an. Das Berufungsvorbringen des Klägers dazu überzeugt nicht. Die zugrundegelegte Rechtsprechung steht, worauf in der Entscheidung ausdrücklich hingewiesen wird, nicht im Widerspruch zu dem vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung angenommenen Verbot der doppelt mindernden Berücksichtigung der fehlenden Beschäftigungszeit zwischen dem vorgezogenen Rentenbezug und der festen Altersgrenze (vgl. BAG 18.11.2003 - 3 AZR 517/02 - AP Nr.26 zu § 1 BetrAVG Berechnung). Es trifft zwar zu, das es auf dem hier angewandten Rechenweg zu einer zweifachen mindernden Berücksichtigung der Zeit zwischen dem Eintritt der Invalidität und der festen Altersgrenze kommen kann. Der Gesetzgeber hat diesen Rechenweg aber in § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG für den Fall der Invaliditätsrente nach einem Ausscheiden mit unverfallbarer Anwartschaft vor Eintritt des besonderen Versorgungsfalls der Invalidität ausdrücklich angeordnet. Eine entsprechende Regelung fehlt für die Berechnung der vorgezogenen Betriebsrente (§ 6 BetrAVG) des vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmers.
b. Die vom Kläger gerügte Ungleichbehandlung der Invaliditätsrente mit den übrigen Versorgungsfällen der Alters- oder Hinterbliebenenrente besteht darüber hinaus auch deshalb nicht, weil die Versorgungszusage, worauf der Kläger selbst hinweist einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,5 % für jeden Monat des Rentenbezuges vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur bei der vorgezogenen Altersrente und nicht bei der Invalidenrente anordnet.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO und entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Parteien.
IV. Die Revision war gemäß §§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von
Revision
eingelegt werden.
Ende der Entscheidung
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