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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 19.06.2008
Aktenzeichen: 13 Sa 1540/07
Rechtsgebiete: BGB, SGB IX, TVöD


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
SGB IX § 81 Abs. 4
TVöD § 34 Abs. 2
1. Zur außerordentlichen Kündigung einer nach Tarifvertrag ordentlich nicht kündbaren, schwerbehinderten städtischen Mitarbeiterin aus verhaltens- und insbesondere personenbedingten Gründen.

2. Auch wenn die schwerbehinderte Arbeitnehmerin ihre vertraglich geschuldete Tätigkeit (hier: Kinderpflegerin) nicht mehr ausüben kann, rechtfertigt dies keine personenbedingte Kündigung, wenn der Arbeitgeber ihr eine behinderungsgerechte Beschäftigung nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX anbieten kann.


Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.11.2007 - 5 Ca 4440/07 - teilweise abgeändert soweit der Klageantrag zu 6) abgewiesen wurde:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Arbeitsvergütung für die Monate März bis einschließlich November 2007 insgesamt 22.441,23 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 2.493,57 € seit dem 16.03., 16.04., 16.05., 16.06., 16.07., 16.08., 16.09., 16.10. sowie 16.11.2007 abzüglich des für den Zeitraum 01.03. bis 30.11.2007 bewilligten Arbeitslosengeldes von 8.388,90 € netto zu zahlen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen die teilweise Abweisung des Klageantrags zu 3) wird zurückgewiesen.

3. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 5 % und die Beklagte 95 %.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist, Weiterbeschäftigung und Vergütungsansprüche.

Die am 08.09.1957 geborene schwerbehinderte Klägerin wurde am 01.09.1975 als Kinderpflegerin eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD Anwendung. Die Klägerin ist unkündbar i. S. d. § 34 Abs. 2 TVöD. Die Beklagte kündigte der Klägerin fristlos mit Schreiben vom 27.06.2003. Seitdem war die Klägerin nicht mehr als Kinderpflegerin tätig. Aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs vom 22.12.2003 vereinbarten die Parteien eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen. Am 05.01.2004 wurde die Klägerin von einer Vertrauensärztin der Beklagten untersucht. Nach der vertrauensärztlichen Stellungnahme vom 21.01.2004 (Anlage B2 Bl. 89 ff. d. A.) sollte die Klägerin wegen der chronifizierten Störung im Stütz- und Bewegungsapparat auf Dauer nicht mehr als Kinderpflegerin beschäftigt werden. Es wird eine Alkoholabhängigkeitserkrankung festgestellt. Ob bereits eine langfristige Abstinenzphase von - wie die Klägerin angegeben hat - von fünf Monaten besteht, kann zum Untersuchungszeitpunkt nicht mehr bestätigt werden. Wegen der chronifizierten körperlichen Beschwerden sollte die Klägerin weiterhin nicht als Verkehrsüberwachungskraft eingesetzt werden. Die Klägerin befand sich wegen Alkoholkrankheit vom 05.01. - 16.03.1999 in stationärer Entwöhnungsbehandlung. Sie wurde regulär entlassen und gibt selbst an, seitdem "clean" zu sein.

Die Beklagte zahlte zunächst seit Juni 2003 keine Vergütung an die Klägerin. Diese klagte vor dem Arbeitsgericht Köln die Vergütung vom 01.06.2003 - 30.04.2004 ein. Nachdem die Beklagte die Vergütung bis zum 23.05.2004 nachgezahlt hatte, stritten die Parteien noch über die Vergütung vom 24.05. - 31.10.2004. Das Gericht holte ein medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage ein, ob feststeht, dass die Klägerin in der Zeit vom 24.05. - 31.10.2004 nicht arbeitsfähig war. Die Gutachterin hat stellt festgestellt, dass die Klägerin ab Dezember 2003 und auf Dauer, so auch im Zeitraum 24.05. - 31.10.2004 arbeitsunfähig war und ist, die Tätigkeit als Kinderpflegerin auszuüben. Sie begründet dies mit dem Rückenleiden der Klägerin. Hinsichtlich der Alkoholkrankheit sieht die Gutachterin keinerlei Anhalt für einen Rückfall. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das von der Beklagten vorgelegte Gutachten vom 06.05.2005 (Anlage B1 Bl. 69 - 87 d. A.) verwiesen.

Vom 01.01.2006 - 30.06.2006 wurde die Klägerin aufgrund eines Arbeitsvertrages zur Probe als Verwaltungsangestellte im Innendienst (Aufgabengebiet der Filmauswertung und Datenerfassung im Zusammenhang mit der Einleitung von Ordnungswidrigkeitsverfahren - 324 -) beschäftigt. Innerhalb dieser Zeit war die Klägerin an 40 Tagen arbeitsunfähig krank geschrieben. Am 16.10.2006 wurde die Klägerin erneut vertrauensärztlich untersucht. In der Stellungnahme vom 23.10.2006 (Anlage B3) wurde festgestellt, dass die chronischen Gesundheitsstörungen fortbestehen, insbesondere im Bereich des Bewegungsapparates sich verschlechtert hätten. Aus gesundheitlicher Sicht sei die Klägerin für die ihr - bei 324 - übertragenen Tätigkeiten gesundheitlich geeignet. Die von der Beklagte berichteten Leistungsmängel habe die Klägerin auf fehlende Kenntnisse im Umgang mit dem PC zurückgeführt; in der Konsequenz führe sie derzeit eine entsprechende Qualifizierungsmaßnahme durch. Aufgrund der genannten chronischen Gesundheitsstörungen sei auch künftig mit erhöhten krankheitsbedingten Ausfallzeiten zu rechnen (Bl. 91 d. A.). Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Erprobung wegen der Fehlzeiten und erheblicher Leistungsdefizite, trotz mehrerer Gesprächs- und Hilfsangebote gescheitert sei, sie habe weniger als 50 % der durchschnittlichen Sollzahlen erledigt und dabei noch Fehler gemacht. Auf ihre fehlenden PC-Kenntnisse sei eingegangen worden. Die Beklagte leitete mit Schreiben vom 26.10.2006 ein Kündigungsverfahren ein. Der Gesamtpersonalrat lehnte die Kündigung ab, da die Klägerin in Eigeninitiative an einem PC-Lehrgang teilnehme, sollte sie eine erneute Erprobungsmöglichkeit erhalten. Die Beklagte setzte die Klägerin daraufhin im Bereich "Sondergruppe Kartei" des Amtes für Soziales und Senioren (Registratur) mit einfachen Verwaltungstätigkeiten ein, aufgrund eines erneuten Erprobungsvertrags für die Zeit vom 01.12.2006 - 28.02.2007. Am 15.12.2006 wurde die Klägerin ermahnt, weil nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte, wann sie am 04. und 05.12.2006 ihre Arbeit aufgenommen habe (Anlage B4). Am 01.12.2006 wurde die Klägerin vertrauensärztlich untersucht, da ihr vorgeworfen wurde, den Dienst um 8.00 Uhr alkoholisiert angetreten zu haben. Um 11.55 Uhr wurde eine Blutalkoholkonzentration von 0,06 Promille festgestellt. Die Klägerin hat an diesem Tag ihre Arbeit ohne weitere Beanstandung der Beklagten verrichtet. Von den insgesamt 60 Arbeitstagen innerhalb des zweiten Erprobungsvertrages war die Klägerin an 37 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte sieht diese Erprobung ebenfalls als gescheitert an. Sie begründet dies mit dem Verhalten der Klägerin (01.12.2006 alkoholisiert zur Arbeit und Ermahnung vom 15.12.2006), den Fehlzeiten von 37 Arbeitstagen sowie Leistungsmängeln. Dazu trägt sie vor, dass die Klägerin auch nach einem Zeitraum von 6 Wochen noch ca. das dreifache der üblichen Bearbeitungszeit zur Erledigung der Arbeiten benötigt habe und trotz der langen Bearbeitungszeit bei der Archivierung von Akten durch Eintrag in eine Excel-Tabelle überdurchschnittlich Fehler gemacht habe; bei der Postverteilung, die nur einen geringen Teil der Arbeit ausmache, habe sich nur eine durchschnittliche Fehlerquote ergeben.

Die Beklagte hat mit dem bei ihr bestehenden Gesamtpersonalrat und den Vertrauensleuten der Schwerbehinderten am 20.06.2002 eine Integrationsvereinbarung abgeschlossen. Darin heißt es u. a., dass sich die Beklagte dazu verpflichtet, auch sog. "Langzeiterkrankten und leistungsgewandelten Schwerbehinderten" mit dem Ziel einer unmittelbaren Wiedereingliederung in die Arbeitstätigkeit bei der Beklagten gegebenenfalls im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme einen ihrer Behinderung entsprechenden Einsatz anzubieten und Qualifizierungsmaßnahmen - auch durch Umschulung - kurzfristig zu realisieren, und zwar selbst dann, wenn die Schwerbehinderten ihre eigentliche Aufgabe aus Krankheits- oder Behinderungsgründen nicht mehr ausüben können (Ziffer 3 lit. d). Die Beklagte hat sich weiterhin zur Schaffung bestmöglicher Arbeitsbedingungen für Schwerbehinderte - gegebenenfalls durch Umsetzung innerhalb der Dienststelle - verpflichtet. Hierzu gehören auch ausdrücklich besondere individuelle Regelungen der Geschäftsverteilung und bei der Arbeitsgestaltung entsprechend der durch den Grad der Behinderung bedingten individuellen Leistungsfähigkeit sowie Sonderregelungen über Beginn und Ende der regelmäßigen Arbeitszeit und der Arbeitspausen (Ziffer 3 lit. e).

Die Beklagte leitete gegen die Klägerin ein Kündigungsverfahren ein. Wegen der weiteren Einzelheiten der Kündigungsbegründung wird auf die Schreiben der Beklagten vom 05.03.2007 an den Gesamtpersonalrat, den Gesamtvertrauensmann der Schwerbehinderten sowie das Integrationsamt verbunden mit dem Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist verwiesen. Nach Zustimmung des Integrationsamtes mit Bescheid vom 16.03.2007, der Beklagten zugegangen am 20.03.2007 (Anlage B8) kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 13.04.2007 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist bis 31.12.2007.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Es hat dem Weiterbeschäftigungsantrag nur im Hinblick auf eine anderweitige Tätigkeit zu zumutbaren Arbeitsbedingungen, nicht jedoch als Kinderpflegerin stattgegeben. Dem Zahlungsantrag auf Vergütung für die Zeit vom 01.11.2004 - 31.12.2005 von 34.908,58 € abzüglich geleisteten Arbeitslosengeldes in Höhe von 5.157,62 € netto hat das Arbeitsgericht als Schadensersatz wegen Nichtbeschäftigung stattgegeben. Die Vergütung für die Monate März bis einschließlich November 2007 in Höhe von 22.441,23 € brutto abzüglich bewilligten Arbeitslosengeldes von 8.388,90 € netto hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Sowie den Klageantrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses hilfsweise Schlusszeugnisses, mit dem die Klägerin eine gute Leistungs- und Verhaltensbeurteilung begehrt hat, mit der Formulierung: "Frau W erledigt die ihr übertragenen Arbeiten stets zu meiner vollen Zufriedenheit. Gegenüber den Mitarbeitern und den Leitern der Einrichtung verhielt sie sich korrekt und fügte sich gut ins Team ein." (Bl. 259 d. A.). Auf das Urteil (Bl. 158 - 169 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidungen richten sich die Berufungen der Klägerin und der Beklagten.

Die Beklagte begehrt mit ihrer Berufung die vollständige Klageabweisung Die Kündigung sei wirksam. Die Klägerin könne ihre vertraglich geschuldete Tätigkeit als Kinderpflegerin auf Dauer nicht mehr ausüben. Es sei ausreichend dafür Sorge getragen worden, dass die Klägerin auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt würde. Personalbedarf hätte bestanden bei der Mitarbeit im Front-Office des Callcenters, der Datenerfassung bei 324/Ordnungs- und Verkehrsdienst, als Wegewärter und bei der Verkehrsüberwachung. Eine Tätigkeit im Callcenter habe die Klägerin abgelehnt. Für die Tätigkeit als Wegewärterin und der Verkehrsüberwachung sei sie gesundheitlich nicht geeignet. Der Erprobungsversuch im Bereich der Filmauswertung/Datenerfassung (324) vom 01.01.2006 - 30.06.2006 sei gescheitert. Die Klägerin sei diesen Aufgaben nicht gerecht geworden, da sie an 30 % der Arbeitstagen erkrankt sei und zum anderen über erhebliche Leistungsdefizite verfügt hätte. Nach der vertrauensärztlichen Stellungnahme vom 23.10.2006 sei auch zukünftig mit häufigen Fehlzeiten zu rechnen. Der erneute Erprobungsversuch vom 01.12.2006 - 28.02.2007 sei ebenfalls gescheitert. Sie sei am 01.12.2006 alkoholisiert zum Dienst gekommen, an 37 Arbeitstage erkrankt und habe die Arbeit mangelhaft ausgeführt. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, an die Klägerin Schadensersatz wegen Nichtbeschäftigung für die Zeit vom 01.11.2004 - 31.12.2005 in Höhe von 34.908,58 € zu zahlen. Die Klägerin habe für diese Zeit keine verschiedenen Beschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt. Außerdem werde die Höhe der geltend gemachten Zahlung bestritten. Darüber hinaus sei die Klägerin arbeitsunfähig. Schon daher bestehe kein Anspruch auf Zahlung der ursprünglichen Vergütung als Zweitkraft im Kindergarten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Zurückweisung der Berufung und das Urteil abzuändern und nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu 3. und 6. zu erkennen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, sie weiterhin als Kinderpflegerin einzusetzen. Sie könne diese Arbeit verrichten. Ihr Rückenleiden habe sich verbessert. Die Klägerin wendet sich insoweit gegen die Feststellungen des arbeitsmedizinischen Gutachtens. Im Übrigen sei darin lediglich der damalige Stand wiedergegeben worden. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe Arbeitsvergütung für die Zeit von März bis November 2007 zu. Der erneute Beschäftigungsversuch sei nicht gescheitert. Darüber hinaus bestünden anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten, die die Klägerin der Beklagten auch aufgezeigt hätte, etwa mit Schriftsatz vom 04.05.2007 (S. 3, Bl. 39 d. A.), worin darauf hingewiesen worden sei, dass eine Tätigkeit als Mitarbeiterin im Front-Office des Callcenters, als Wegewärterin, bei der Datenerfassung bei 324/Ordnungs- und Verkehrsdienst, als Ordnerin bei den Puppenspielen sowie in der Registratur möglich sei. Für all diese Stellen habe sie sich bei der Beklagten beworben, teilweise sogar mehrmals. Die Tätigkeit im Callcenter habe sie nicht abgelehnt. Diese Stellen seien nicht nur im Zeitraum November 2004 bis Dezember 2005 offen gewesen, sondern stünden auch noch nach Beendigung ihrer Tätigkeit in der Registratur vom 01.03. - 30.11.2007 als freie Stellen zur Verfügung. Die Klägerin trägt weiter vor, dass sie auch nicht in den ihr am 01.01.2006 - 30.06.2006 und 01.12.2006 - 28.02.2007 übertragenen Tätigkeiten gescheitert sei. Soweit Leistungsmängel aufgetreten seien, sei dies zu Beginn der Arbeitstätigkeit wegen mangelnder Einarbeitung und insbesondere auf Rückenschmerzen zurückzuführen. Diese hätten sich mit zunehmender Arbeitsroutine gelegt. Zum Ende der Tätigkeit habe sie so gut wie keine Fehler gemacht. Sie möge zwar langsamer gearbeitet haben als einige der anderen, die bereits seit vielen Jahren eingearbeitet seien, wesentlich langsamer sei sie indessen nicht gewesen. Es träfe nicht zu, dass sie das dreifache der üblichen Arbeitszeit gebraucht habe. Die Arbeitsmängel würden von der Beklagten nicht konkret benannt. Die Ausfallzeiten der Klägerin in der Zeit vom 26.04.2006 - 05.06.2006 seien für eine zukünftige Prognose ungeeignet, da sie auf einer einmaligen schweren Grippe mit Stirn- und Nebenhöhlenvereiterung sowie permanent hohem Fieber beruhten. Die Tätigkeit in der Registratur sei nicht von so einfacher Güte, dass es hierzu keiner Erprobung von zumindest einem halben Jahr bedurft hätte. Allein das Arbeiten mit dem Software-System Excel sei durchaus anspruchsvoll. Häufigere Bearbeitungsfehler habe sie lediglich im Januar und Februar 2006 gemacht. Danach habe sie ihre Arbeiten ordentlich erledigt. Entsprechendes gelte auch für die Arbeit in der Registratur, hier habe sie Bearbeitungsfehler, welche noch Anfang Dezember 2006 aufgetreten seien, danach abgestellt. Aufgrund der längeren krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Registratur reichten drei Monate keinesfalls aus, um die Eignung der Klägerin für diese Tätigkeit hinreichend zu erproben. Ca. 3/4 der gesamten Arbeitszeit habe sie mit Postverteilung verbracht und die Akten im Archiv geordnet (Postverteilung 40 %, Archiv-Aktenordnung 35 %). Diese Tätigkeiten habe sie nach einigen Tagen anstandslos beherrscht. Die Resttätigkeiten am PC habe sie ab der vierten Woche ebenfalls weitgehend beanstandungsfrei beherrscht. Für die hier verlangten Excel-Anwendungen habe sie zunächst keine Einführung erhalten.

Der Zeugnisantrag habe sich erledigt, da die Beklagte mit Schreiben vom 17.01.2008 ein Arbeitszeugnis erteilt habe. Die Kosten dafür habe die Beklagte zu tragen. Bereits mit Schreiben vom 27.04.2007 habe sie die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 03.05.2007 aufgefordert, ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

Hinsichtlich der Anträge auf Zeugniserteilung (Anträge 4. und 5.) erklärt die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt und beantragt,

die Kosten insoweit der Beklagten aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufungen der Beklagten und der Klägerin sind zulässig. Die Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.04.2007 zum 31.12.2007 ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet.

a. Der Klägerin kann nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren TVöD nach § 34 Abs. 2 TVöD nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Dies ist zwischen den Parteien außer Streit.

b. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben.

c. Eine außerordentliche Kündigung eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers mit notwendiger Auslauffrist kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist, weil der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber Unmögliches oder evident Unzumutbares aufbürdet. Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber ohne außerordentliche Kündigungsmöglichkeit gezwungen wäre, ein Arbeitsverhältnis allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenüber steht, aufrecht zu erhalten. Dabei ist ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen (BAG 15.02.2007 - 8 AZR 310/06; 30.09.2004 - 8 AZR 462/03).

d. Die Beklagte stützt ihre außerordentliche Kündigung der Klägerin auf verhaltensbedingte und - in erster Linie - personenbedingte Gründe. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass keiner dieser Gründe eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

e. Als verhaltensbedingte Gründe benennt die Beklagte, dass die Klägerin am 01.12.2006 alkoholisiert zur Arbeitsaufnahme erschienen und, dass sie mit Schreiben vom 15.12.2006 ermahnt worden sei.

aa. Der Alkoholkonsum der Klägerin betrug nach vertrauensärztlicher Untersuchung vier Stunden nach Dienstantritt 0,06 Promille. Die Klägerin hat an diesem Tag ansonsten ohne Beanstandung der Beklagten gearbeitet. Dieses Fehlverhalten der Klägerin stellt weder eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte, noch taugt sie als personenbedingter Kündigungsgrund i.S. einer Kündigung wegen Alkoholerkrankung. Für einen Rückfall in die Alkoholerkrankung - den die Klägerin bestreitet - fehlt ausreichender Sachvortrag. Selbst bei Unterstellung eines Rückfalls fehlt es an der Darlegung einer dadurch verursachten Betriebsstörung, die für eine personenbedingte Kündigung wegen Alkoholerkrankung erforderlich ist (vgl. dazu APS Kündigungsrecht, 3. Aufl., § 1 KSchG, Rn. 228 m.w.N.). Daher kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte, was die Klägerin behauptet, der Klägerin, nachdem sie bereits im Jahr 1999 eine Entziehungskur gemacht hat, erneut die Chance einer Entziehungsmaßnahme einräumen würde.

bb. Die der Ermahnung vom 15.12.2006 zugrunde liegende Pflichtverletzung - als wahr unterstellt - (Verstoß gegen Gleitzeit- und Arbeitszeiterfassungsvorschriften) hat mit der Pflichtverletzung vom 01.12.2006 nichts zu tun. Es handelt sich um keine schwerwiegende Vertragsverletzung, die ohne vorherige Abmahnung eine ordentliche Kündigung, erst recht keine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte.

e. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten ist auch nicht - worauf der Schwerpunkt liegt - aus personenbedingten Gründen gerechtfertigt. Die Beklagte beruft sich dafür darauf, dass die Klägerin ihre vertragsgemäße Arbeit als Kinderpflegerin nicht mehr ausführen kann, sie in den ihr zugewiesenen anderweitigen Tätigkeiten aufgrund der Probearbeitsverträge vom 01.01. - 30.06.2006 und 01.12.2006 - 28.02.2007 gescheitert ist, anderweitige zumutbare Tätigkeiten nicht zugewiesen werden können sowie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten der Beklagten unzumutbar wäre.

aa. Dem strengen Prüfungsmaßstab an eine außerordentliche Kündigung eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers, wonach die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nur dann unzumutbar ist, wenn ihm Unmögliches oder evident Unzumutbares aufgebürdet wird, werden diese Kündigungsgründe nicht gerecht.

bb. Darüber hinaus steht die Klägerin als Schwerbehinderte gerade was ihre Krankheitsanfälligkeit und ihr Leistungsvermögen im Hinblick auf die vertraglich geschuldete bzw. zugewiesene anderweitige Tätigkeit angeht unter besonderem gesetzlichen Schutz (§ 81 Abs. 4 SGB IX). Die Beklagte muss sich darüber hinaus an die mit ihrem Gesamtpersonalrat am 20.06.2002 geschlossenen Integrationsvereinbarung halten.

cc. Das Berufungsgericht geht mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass die Klägerin die ihr vertraglich geschuldete Tätigkeit als Kinderpflegerin wegen ihres Rückenleidens nicht mehr ausüben kann. Dies folgt aus den überzeugenden Feststellungen des arbeitsmedizinischen Gutachtens vom 06.05.2005. Darin hat die Gutachterin nach sorgfältiger Untersuchung unter Berücksichtigung sämtlicher einschlägiger ärztlicher Unterlagen festgestellt, dass bei der Klägerin sowohl ein schwerwiegender, röntgenologisch objektivierter und irreparabler Befund an der Wirbelsäule besteht (neben der schweren Skoliose erhebliche Verschleißerscheinungen) und dies trotz intensiver Therapien zu einer langanhaltenden Leidensgeschichte geführt hat. Die Kombination von beidem begründet die Beurteilung einer deutlichen Funktionsminderung des Bewegungsapparates bzw. Minderbelastbarkeit des Rückens. Die Gutachterin kommt aufgrund dieses Befundes zu der arbeitsmedizinischen Beurteilung, dass die Klägerin zu Tätigkeiten mit Rückenbelastungen nicht in der Lage (S. 15 des Gutachtens, Bl. 83 d. A.). Weiterhin stellt die Gutachterin fest, dass die Arbeit einer Kinderpflegerin als rückenbelastend einzustufen ist. Bedingt durch die Größe der Kinder werden Tätigkeiten in sehr niedrigen Arbeitsebenen ausgeführt. Erforderlich sind Bücken, Beugen und dieses über einen u. U. längeren Zeitraum. Dies gilt sowohl für den direkten Umgang mit den Kindern als auch für Aufräum- und Reinigungsarbeiten. Das Hochnehmen der Kinder erfordert ein Beugen zum Boden, das Tragen wird neben der eigentlichen Last des Körpergewichtes erschwert durch Zappeln und unruhiges Bewegen der Kinder. Rückenschonendes Heben und Tragen sind wegen der Lebendigkeit der Last nicht immer möglich. Beim Sitzen auf niedrigen Sitzflächen kann keine gesunde Körperhaltung eingenommen werden. Eine Planung und eine Gestaltung des Arbeitsplatzes, die vergleichbar mit Arbeitsplätzen im gewerblichen Bereich oder im Büro ergonomischen Gesichtspunkten gerecht würden, sind nicht möglich. Das Arbeitsumfeld wird von den Kindern vorgegeben. Die Kinderpflegerin muss sich mit Körperhaltung und -bewegung den jeweils äußeren Umständen anpassen, manchmal auch schnell und abrupt, weshalb rückenschädliche Bewegung oder Haltung nicht vermieden werden könne. Die Gutachterin geht davon aus, dass diese Beurteilung bereits ab Dezember 2003 gilt, nachdem eine langanhaltende Leidensgeschichte den Schweregrad des Leidens verdeutlicht hatte. Sie stellt fest, dass die Beurteilung auch dauerhaft gilt, da eine grundsätzliche Wende im Verlauf nicht zu erwarten ist. Dagegen spricht die Tatsache, dass die Klägerin im Jahr 2004 keiner ärztlichen Behandlung mehr bedurfte, da sie in dieser Zeit im privaten Bereich keinesfalls mit dem im Berufsleben vergleichbaren Belastungen konfrontiert worden ist (S. 16 des Gutachtens, Bl. 84 d. A.). Angesichts dieser auf der Grundlage eines objektiven Befunds beruhenden gutachterlichen Feststellungen vermögen die Einwände der Klägerin, ihr gehe es mittlerweile besser, das Gutachten sei nicht mehr aktuell, nicht zu überzeugen. Es besteht für das Berufungsgericht auch keine Veranlassung erneut einen Sachverständigengutachten einzuholen, da nach dem bereits vorliegenden arbeitsmedizinischen Gutachten davon auszugehen ist, dass die Klägerin aufgrund ihres Rückenleidens ihre Tätigkeit als Kinderpflegerin auf Dauer nicht mehr ausüben kann.

dd. Auch wenn die Klägerin ihrer vertraglich geschuldeten Tätigkeit als Kinderpflegerin nicht mehr nachkommen kann, rechtfertigt dies keine personenbedingte Kündigung. Nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegen ihren Arbeitgeber Anspruch auf eine Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Der Arbeitgeber erfüllt diesen Anspruch regelmäßig, wenn er dem Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zuweist. Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer die damit verbundenen Tätigkeiten wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen, so führt dieser Verlust nach der Konzeption der §§ 81 ff. SGB IX nicht ohne weiteres zum Wegfall des Beschäftigungsanspruchs. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer kann dann vielmehr Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben und, soweit der bisherige Arbeitsvertrag diese Beschäftigungsmöglichkeit nicht abdeckt, auf eine entsprechende Vertragsänderung (BAG 14.03.2006 - 9 AZR 411/05; BAG 10.05.2005 - 9 AZR 230/04 - m. w. N.).

ee. Dem Arbeitnehmer wird damit gesetzlich kein absoluter Anspruch auf Beschäftigung eingeräumt. Der Anspruch beschränkt sich vielmehr auf solche Tätigkeiten, für die er nach seinen Fähigkeiten und Kenntnissen unter Berücksichtigung seiner Behinderung befähigt ist. Kommt eine solche anderweitige Beschäftigung in Betracht, ist der Arbeitgeber gleichwohl dann nicht zur Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen verpflichtet, wenn ihm die Beschäftigung unzumutbar ist, wie es nunmehr in § 81 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausdrücklich bestimmt ist (BAG 10.05.2005 a. a. O.).

ff. Der schwerbehinderte Mensch hat Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung (§ 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX). Zur Begründung dieses Anspruchs hat er regelmäßig bereits dann schlüssig vorgetragen, wenn er Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigt, die seinem infolge der Behinderung eingeschränkten Leistungsvermögen und seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechen. Der Arbeitgeber hat sich hierauf substantiiert einzulassen und die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass solche behinderungsgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten nicht bestehen oder deren Zuweisung ihm unzumutbar ist. Hierzu gehört auch die Darlegung, dass kein entsprechender freier Arbeitsplatz vorhanden ist und auch nicht durch Versetzung freigemacht werden kann. Es obliegt dann dem Arbeitnehmer der Nachweis, dass entgegen der Behauptung des Arbeitgeber ein freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht oder vom Arbeitgeber frei gemacht werden kann. Eine Unzumutbarkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber sowohl darzulegen als auch zu beweisen (BAG 10.05.2005 a. a. O.).

gg. Der Verpflichtung zur anderweitigen Beschäftigung ist die Beklagte jedenfalls im Rahmen der für den Zeitraum vom 01.01.2006 - 30.06.2006 zugewiesenen Verwaltungstätigkeit im Innendienst ( - 324 - Aufgabengebiet der Filmauswertung und Datenerfassung) sowie vom 01.12.2006 - 28.02.2007 (Verwaltungstätigkeit im Bereich "Sondergruppe/Kartei" Registratur) nachgekommen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der weitere Einsatz der Klägerin für diese beiden Tätigkeiten nicht in kündigungsrelevanter Weise für die Beklagte unzumutbar. Nach dem Beklagtenvortrag hat die Klägerin diese Tätigkeiten mit erheblichen Leistungsmängel, und was unstreitig ist, mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten ausgeübt. Die Klägerin wendet dagegen ein, dass sie nicht ausreichend eingearbeitet worden sei. Insbesondere habe sie für PC-Tätigkeit keine Voraussetzungen gehabt, die zunächst auftretenden Leistungsmängel hätten sich nach zunehmender Routine gebessert, sie stünden, wie auch die letzte krankheitsbedingte Fehlzeit im Zusammenhang mit ihren Rückenleiden. Hinsichtlich der für den Ausspruch der Kündigung besonders bedeutsamen zuletzt von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit in der Registratur, wendet die Klägerin darüber hinaus ein, dass eine 3-monatige Erprobung zur Einarbeitung zu kurz sei. Diese Einwände hat die Beklagte nicht ausgeräumt. Insbesondere kann sie sich nicht darauf berufen, dass die Erprobung in der Registratur gescheitert ist. Denn die Erprobungszeit von drei Monaten ist, auch im Hinblick darauf, dass die Klägerin in dieser Zeit von insgesamt 60 Arbeitstagen an 37 Arbeitstagen krankheitsbedingt gefehlt hat, nicht ausreichend, um festzustellen, ob die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Schwerbehinderung diese Tätigkeit weiter ausführen kann. Damit steht zugleich fest, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin nicht unzumutbar ist. Über die Zuweisung der von ihr zuletzt in der Registratur ausgeübten Tätigkeit hinaus kämen auch nach dem von der Beklagten nicht ausgeräumten Klägervortrag anderweitige zumutbare Tätigkeiten in Betracht, die die Klägerin hätte ausüben können. Die Klägerin hat sich bereits erstinstanzlich darauf berufen, dass sie sich teilweise mehrmals auf freigewordene Stellen der Beklagten im Front-Office des Callcenters, als Wegewärterin und als Ordnerin bei den Puppenspielen beworben hat (außer den Stellen Datenerfassung 324 und Registratur). Die Beklagte wendet dagegen ein, dass die Klägerin eine Tätigkeit im Callcenter abgelehnt habe und für eine Tätigkeit als Wegewärterin gesundheitlich nicht geeignet sei, da täglich längere Strecken zu Fuß erforderlich seien. Selbst wenn man darin der Beklagten folgen würde, bliebe eine Tätigkeit als Ordnerin bei den Puppenspielen als anderweitige zumutbare Tätigkeit für die Klägerin. Im Übrigen ist nicht hinreichend begründet und war bisher auch nicht Gegenstand einer vertrauensärztlichen Untersuchung, warum die Klägerin nicht als Wegewärterin einzusetzen ist. Die Ablehnung der Callcenter-Tätigkeit hat die Klägerin ausdrücklich bestritten.

2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht als Kinderpflegerin, sondern in anderweitiger Tätigkeit zu zumutbaren Arbeitsbedingungen verurteilt. Denn die Klägerin kann die Tätigkeit als Kinderpflegerin wegen ihres Rückenleidens auf Dauer nicht mehr ausüben. Auf die Ausführungen unter 1. f.cc. dazu wird verwiesen. Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.

3. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz wegen Nichtbeschäftigung für die Zeit vom 01.11.2004 - 31.12.2005 in Höhe von 34.908,58 € brutto abzüglich für diese Zeit geleisteten Arbeitslosengelds in Höhe von 5.157,62 € netto nebst Zinsen zu zahlen.

a. Die Beklagte hat der Klägerin für diese Zeit unstreitig keine Vergütung gezahlt. Ein Annahmeverzugsanspruch nach § 615 S. 1 BGB scheidet aus, wie bereits das Arbeitsgericht im Vorprozess bezüglich eines Vergütungsanspruchs der Klägerin für den Zeitraum vom 01.05.2004 - 30.10.2004 in seiner Entscheidung vom 08.09.2005 - 1 Ca 5052/04, bestätigt durch das LAG Köln in seiner Entscheidung vom 08.02.2006 - 3 Sa 1514/05, festgestellt hat. Denn der Annahmeverzug setzt nach § 297 BGB die Leistungsfähigkeit bzw. Arbeitsfähigkeit der Klägerin voraus. Der Klägerin ist es jedoch aufgrund ihres Rückenleidens nicht möglich, die von ihr geschuldete arbeitsverträgliche Tätigkeit als Kinderpflegerin zu erbringen, sie ist insoweit arbeitsunfähig krank. Das Berufungsgericht folgt wie bereits unter 1. ausgeführt, den Feststellungen des im Vorprozess eingeholten Gutachtens vom 06.05.2005.

b. Die Klägerin hat jedoch gegen die Beklagte wegen ihrer Nichtbeschäftigung im streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 81 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX.

aa. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Klägerin für diesen Zeitraum im Einzelnen vorgetragen hat, dass sie verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt habe, ohne dass die Beklagte ihr eine entsprechende Tätigkeit zugewiesen hätte. So hat die Klägerin bereits mit Schreiben vom 22.10.2004 und erneut am 29.07.2005 der Beklagten angezeigt, dass sie aus den bereits unter 1.f.gg. genannten ausgeschriebenen freien Stellen hätte beschäftigt werden können. Die Beklagte hat ihr indess erst ab dem 01.01.2006 die Verwaltungstätigkeit bei 324 zugewiesen. Die Beklagte hat damit ihre Verpflichtung zur Zuweisung einer behinderungsgerechten Beschäftigung nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX verletzt. Diese Pflichtverletzung begründet nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz der Klägerin.

bb. Art und Umfang des Schadensersatzes richten sich nach §§ 249 ff. BGB. Nach § 249 Abs. 1 BGB hat, wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Im Streitfall bedeutet dies, dass, wenn die Beklagte der Klägerin pflichtgemäß eine anderweitige Tätigkeit zugewiesen hätte, wäre sie zur Zahlung der entsprechenden Vergütung verpflichtet gewesen.

cc. Die Berechnung der Höhe des Schadens in Höhe der bisherigen Vergütung der Klägerin als Kinderpflegerin in Höhe von zuletzt 2.493,47 € brutto monatlich ist im Rahmen einer nach § 287 Abs. 1 ZPO zulässigen Schadensschätzung angemessen. Es ist der Klägerin nur unter großen Schwierigkeiten möglich, den Schaden ansonsten im Einzelnen zu beziffern. Es kann schließlich davon ausgegangen werden, das sämtliche in Betracht kommenden anderweitigen Tätigkeiten jedenfalls ein vergleichbares Vergütungsniveau wie das einer Kinderpflegerin haben. Etwas anderes hat auch die Beklagte nicht vorgetragen. Ihr pauschales Bestreiten ist insoweit nach § 138 Abs. 2 ZPO unsubstantiiert und daher unbeachtlich.

4. Die Beklagte ist darüber hinaus verpflichtet, an die Klägerin Schadensersatz wegen Nichtbeschäftigung für die Zeit von März bis einschließlich November 2007 in Höhe von 22.441,23 € brutto abzüglich des für diesen Zeitraum bewilligten Arbeitslosengeldes von 8.388,90 € netto Zinsen zu zahlen.

a. Der Anspruch folgt auch insoweit aus §§ 280 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 81 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX. Die Beklagte hätte der Klägerin auch für diesen Zeitraum eine behindertengerechte anderweitige zumutbare Tätigkeit zuweisen können. Wie bereits unter Ziffer 1.f.gg. ausgeführt, hätte die Klägerin weiterhin in der Registratur eingesetzt werden können, da die Erprobung nicht gescheitert war. Darüber hinaus hätte die Beklagte entsprechend den von der Klägerin auch für diesen Zeitraum angezeigten frei gewordenen Stellen, diese auch als Ordnerin bei den Puppenspielen oder als Wegewärterin einsetzen können.

b. Der Höhe nach ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin das zuletzt als Kinderpflegerin bezogene Bruttogehalt von monatlich 2.493,47 € für die Monate März - November 2007 zu zahlen. Auf die Ausführungen zur Schadenshöhe unter Ziffer 3 b.cc. wird verwiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 5 % und die Beklagte zu 95 %. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO. Der mit der Berufung vom 03.01.2007 mit den Anträgen zu 4. und 5. geltend gemachte Zeugnisantrag ist mit dem unter dem Datum vom 31.12.2007 erteilten und der Klägerin mit Schreiben vom 17.01.2008 übersandten Zeugnisses erledigt. Die Beklagte hat unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes insoweit die Kosten zu tragen. Nach § 35 Abs. 2 TVöD können Beschäftigte während des Arbeitsverhältnisses aus triftigen Gründen ein Zeugnis verlangen (Zwischenzeugnis). Der Ausspruch einer fristlosen Kündigung der Beklagten ist ein solch triftiger Grund. Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 24.04.2007 die Beklagte auch aufgefordert, ihr ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen. Gegen die Kostentragung der Beklagten spricht auch nicht, dass die Klägerin ein qualifiziertes Zwischenzeugnis mit einer "guten" Leistungs- und Verhaltensbeurteilung eingeklagt hat. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Klägerin insoweit ihren Klageantrag nicht begründet hat, dies ist vorliegend aber ausnahmsweise deswegen unschädlich, weil das von der Beklagten erteilte Zwischenzeugnis - wie gefordert - eine "gute" Verhaltens- und Leistungsbeurteilung enthält.

III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.

Ende der Entscheidung

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