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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 10.07.2008
Aktenzeichen: 13 Sa 402/07
Rechtsgebiete: GewO


Vorschriften:

GewO § 107 Abs. 2 S. 55
1. Der Ansatz des geldwerten Vorteils für die Privatnutzung eines Dienstwagens kommt im Fall der gewählten Nutzungspauschale nur insoweit in Betracht, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Nutzungsbefugnis eingeräumt hat. Zwar kann der Arbeitnehmer die Nutzungspauschale nicht anteilig um die Tage kürzen, an denen der Dienstwagen wegen Krankheit, Dienstreisen usw. nicht genutzt werden kann, wenn jedoch der Dienstwagen nicht den vollen Kalendermonat zur Verfügung steht, entfällt der diesbezügliche Monatsbetrag.

2. Die Vorschrift des § 107 Abs. 2 S. 5 GewO, wonach der Wert der vereinbarten Sachbezüge die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitentgelts nicht übersteigen darf, findet bei richtigem Verständnis ihres Schutzzweckes keine Anwendung auf den Fall der privaten Nutzungsüberlassung eines Dienstwagens.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.10.2006 - 8 Ca 2863/06 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 319,83 € netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 13.05.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Auszahlung pfändungsfreien Lohns wegen Unterschreitung der Pfändungsgrenzen bei Verrechnung des geldwerten Vorteils für die Privatnutzung seines Dienstwagens.

Der für seine Ehefrau und drei Kinder unterhaltspflichtige Kläger war vom 15.03. - 31.05.2006 aufgrund des Arbeitsvertrages vom 15.03.2006 als Bereichsleiter bei einem Bruttomonatsgehalt von 2.800,00 € (Tarifgehalt zzgl. einer außertariflichen Zulage) beschäftigt.

Ihm stand ab Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Firmenfahrzeug auch zur privaten Nutzung zur Verfügung, welches die Beklagte "nach den gesetzlichen sowie steuerlichen Vorschriften über das Monatsgehalt" zu verrechnen hatte (§ 12 des Arbeitsvertrages). Die Beklagte brachte vom Nettogehalt des Klägers für die Monate März, April und Mai 2006 für den "Vorteil PKW-Nutzung" 639,65 € in Abzug. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Abrechnungen verwiesen. Der Kläger begehrt für den Monat März 2006 eine Gehaltsdifferenz in Höhe von 582,12 €, für April 2006 von 534,65 € und für Mai 2006 von 522,65 €. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf das Urteil (Bl. 89 - 97 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiter die Auffassung vertritt, für die Zahlung von Differenzlohn bis zur Grenze der pfändungsfreien Beträge bestände keine Rechtsgrundlage, insbesondere finde § 107 GewO keine Anwendung. Die Beklagte beantragt, das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache überwiegend Erfolg.

I. Der Kläger hat lediglich Anspruch auf Restlohnzahlung für den Monat März 2006 in Höhe von 319,83 € netto. Die weitergehende Klage ist unbegründet.

1. Die Beklagte ist verpflichtet dem Kläger für den Monat März 2006 Restlohn in Höhe von 319,83 € netto gemäß § 611 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag der Parteien zu zahlen.

a. Die Beklagte hat für diesen Monat einen Nettoverdienst in Höhe von 1.390,67 € abgerechnet, an den Kläger jedoch lediglich 751,02 € ausgezahlt. Sie war nicht berechtigt von dem Nettolohn des Klägers als Ausgleich für den "Vorteil PKW-Nutzung" 639,65 € in Abzug zu bringen. Denn dieser Betrag entspricht einer PKW-Nutzung für den ganzen Monat, der Kläger war im März 2006 jedoch nur einen halben Monat beschäftigt. Das Firmenfahrzeug wurde ihm ab Eintrittsdatum am 15.03.2006 zur Verfügung gestellt, so dass er den Vorteil der privaten PKW-Nutzung nur vom 16.03. - 31.03.2006 in Anspruch nehmen konnte. Dementsprechend war der Vorteilausgleich für die private PKW-Nutzung auch nur hälftig, also in Höhe von 319,83 € zu berücksichtigen.

b. Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, sie habe lediglich nach den steuerlichen Vorschriften abgerechnet. Denn der Ansatz eines geldwerten Vorteils kommt nur insoweit in Betracht, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Nutzungsbefugnis eingeräumt hat. Nach § 8 Abs. 2 S. 2 ff. i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG hat der Arbeitgeber ein Wahlrecht, den geldwerten Vorteil durch eine Nutzungspauschale oder den Einzelnachweis zu ermitteln. Im Falle der - wie hier - gewählten Nutzungspauschale ist diese zwar nicht anteilig um die Tage zu kürzen, an denen das Kfz wegen Krankheit, Dienstreisen usw. nicht genutzt werden kann, wenn jedoch das Kfz den vollen Kalendermonat nicht zur Verfügung steht, entfällt der diesbezügliche Monatsbetrag (vgl. dazu Küttner/Thomas Personalbuch 2007, Dienstwagen Rz. 26).

2. Der Kläger hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Auszahlung des Differenzlohns bis zur Grenze der pfändungsfreien Beträge für die Monate März - Mai 2006 in Höhe der vom Kläger errechneten Beträge.

a. Die Beklagte hat das dem Kläger nach dem Arbeitsvertrag vom 15.03.2006 zustehende Gehalt in Höhe von 2.800,00 € brutto für die Monate April und Mai 2006 sowie für den hälftigen Monat März in Höhe von 1.400,00 € brutto iVm der Berechnung des geldwerten Vorteils für die Nutzungsüberlassung des Firmenfahrzeugs ordnungsgemäß abgerechnet und den sich daraus ergebenden Nettobetrag an diesen ausgezahlt. Die Berechnung des Vorteils der PKW-Nutzung nach der Nutzungspauschale entspricht den gesetzlichen Vorschriften nach § 8 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG und ist mit Ausnahme des vollen Ansatzes für den Monat März 2006 nicht zu beanstanden.

b. Die Beklagte war nicht verpflichtet, dem Kläger die Differenzbeträge zum pfändungsfreien Lohn für die Monate März bis Mai 2007 auszuzahlen. Das Berufungsgericht unterstellt dabei zu Gunsten des Klägers, dass die von ihm eingeklagten Beträge der Differenz zwischen dem dem Kläger unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflichten zustehenden pfändungsfreien Lohn und dem von der Beklagten ausgezahlten Nettolohn entsprechen. Als Anspruchsgrundlage kommt für sein Begehren allein § 107 Abs. 2 S. 5 GewO iVm §§ 134, 812 Abs.1 BGB in Betracht. Die Vorschrift des § 107 Abs.2 Satz 5 GewO findet jedoch im Fall der privaten Nutzungsüberlassung eines Firmenfahrzeugs keine Anwendung.

c. § 107 Abs. 1 GewO bestimmt, dass das Arbeitsentgelt in € zu berechnen und auszubezahlen ist. Nach § 107 Abs. 2 S. 1 GewO können Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedoch Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Das Arbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass es sich bei der Überlassung des Firmenfahrzeugs zur privaten Nutzung des Klägers um einen Sachbezug i. S. d. § 107 Abs. 2 S. 1 GewO handelt. Denn dabei handelt es sich um Sachleistungen, die regelmäßig im Interesse des Arbeitnehmers liegen.

d. Nach § 107 Abs. 2 S. 5 GewO darf der Wert der vereinbarten Sachbezüge die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen. Dem Arbeitnehmer muss danach mindestens Vergütung in Höhe des unpfändbaren Betrags verbleiben. Ein Verstoß gegen diese gesetzliche Regelung soll nach wohl h. M. zur Folge haben, dass der Anspruch auf Leistung des Arbeitsentgelts bestehen bleibt (vgl. hierzu ErfK/Preis Rz.7 zu § 107 GewO Schaub, 11. Aufl, § 68 Rz.1 m.w.N.; Baur/Oppolny BB 2002, 1590).

e. Diese Vorschrift findet jedoch bei richtigem Verständnis ihres Schutzzwecks keine Anwendung auf den hier streitigen Fall der privaten Nutzungsüberlassung eines Firmenfahrzeugs.

aa. Aus § 107 Abs. 2 GewO folgt das prinzipielle Verbot des Truck-Systems. Es soll verhindern, dass der Arbeitnehmer durch die Annahme anderer Leistungen des Arbeitgebers an Erfüllung statt seinen Geldlohnanspruch wegen § 364 BGB verliert. Sowohl beim Truck-Verbot als auch beim Warenkreditierungsverbot nach § 107 Abs. 2 S. 2 GewO geht es darum, den Arbeitnehmer vor einem Verlust des Geldlohnanspruches zu schützen. Systematisch folgt daraus, dass die in § 107 Abs. 2 S. 3 GewO geregelten Ausnahmen auch für das Truck-Verbot des § 107 Abs. 2 S. 1 GewO gelten. Die Vereinbarung einer Naturalvergütung wird dadurch aber nicht ausgeschlossen; unzulässig ist nur, dass die als Geldschuld eingegangene Vergütungspflicht durch eine Naturalleistung getilgt wird (ErfK/Preis, § 107 GewO Rn. 3 m.w.N.). Der Schutzzweck des § 107 Abs. 2 S. 5 GewO entspricht dem vom § 850 c ZPO und § 394 BGB und geht dahin, dass dem Arbeitnehmer zumindest die Vergütung des unpfändbaren Betrags in bar erhalten bleiben soll. Die Arbeitnehmer sollen nicht in eine Lage geraten, in der sie Gegenstände, die sie als Naturallohn erhalten haben, erst zu möglicherweise noch ungünstigeren Preisen verkaufen müssen, bevor ihnen Geld zum Lebensunterhalt zur Verfügung steht (Boemke GewO, § 107 Rn. 37).

bb. Dieses Schutzbedürfnis ist jedoch im Fall der privaten Nutzungsüberlassung eines Dienstwagens nicht gegeben (a.A. Boemke a.a.O. Rn. 39, 40). Denn hierzu hat sich der Arbeitnehmer regelmäßig freiwillig entschieden. Er kann in der Regel wählen, ob er den Dienstwagen nur zur dienstlichen oder darüber hinaus zur privaten Nutzung überlassen bekommen will. Hat er sein Wahlrecht zugunsten der Privatnutzung ausgeübt, kann er sich nachträglich nicht auf die Barauszahlung des Sachbezugs der Privatnutzung berufen. Er ist dann nicht nur nicht schutzbedürftig, sondern handelt darüber hinaus widersprüchlich, also treuwidrig. Außerdem würde er andernfalls doppelt entlohnt. Denn der Arbeitgeber hat , wenn sich der Arbeitnehmer für die Privatnutzung entschieden hat, dessen Lohnanspruch insoweit in der Höhe erfüllt, die nach den steuerrechtlichen Vorschriften für den geldwerten Vorteil der Privatnutzung zu berechnen sind.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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