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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 21.10.2003
Aktenzeichen: 13 Sa 514/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 24.03.2003 - 1 Ca 616/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Lage der täglichen Arbeitszeit.

Die Beklagte betreibt über ein Netz von Filialen Drogerieartikel. Sie unterhält unter anderem in M ein Verteilerzentrum, von wo aus die Waren auf die einzelnen Filialen verteilt werden. Die Klägerin ist seit dem 24.02.1997 in diesem Verteilerzentrum für die Beklagte als Kommissions-Mitarbeiterin tätig. Das ursprünglich befristete Arbeitsverhältnis wurde nach Fristablauf einvernehmlich fortgesetzt. Ihr Durchschnittsverdienst betrug zuletzt 787,92 EUR brutto monatlich.

Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 04.02.1997 (Bl. 14 d. Akten) beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 20 Stunden, zur Einsatzplanung legt § 3.1 des Vertrages fest:

"Die wöchentliche Arbeitszeit wird auf 4 Tage/Woche verteilt. Der Arbeitgeber behält sich vor, bei erhöhtem Arbeitsaufkommen Mehrarbeitsstunden am 5. Tag anzuordnen."

§ 6 des Vertrages bestimmt, dass der Bewerbungsbogen wesentlicher Bestandteil dieses Vertrages sei. In dem von der Klägerin unterzeichneten Bewerbungsbogen vom 04.02.1997 ist unter Ziffer 23 "Wie können Sie arbeiten?" eingetragen:

"Teilzeit Vormittags von 6.00 bis 11.30 Uhr"

Unter dem 14.05.1998 unterzeichneten die Parteien eine als "Vertragsänderung" überschriebene Vereinbarung folgenden Inhalts:

"Frau A K , wohnhaft (...) wird ab dem 01.06.1998 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden eingesetzt, wobei die Arbeitstage vom Arbeitgeber nach den betrieblichen Erfordernissen festgelegt und verändert werden können."

Unter dem 20.11.2002 schlossen die Beklagte und der im Verteilzentrum M eingerichtete Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, in der neben der Regelarbeitszeit auch das Schichtsystem geregelt ist. Wegen des Inhalts wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Blatt 65 bis 67) verwiesen.

In der Vergangenheit wurde die Klägerin stets in der Frühschicht beginnend ab 06.00 Uhr eingesetzt. Nachdem der Klägerin ein neuer Gruppenleiter zugewiesen worden war, ordnete dieser an, dass sie Klägerin künftig im Wechselschichtbetrieb, mithin auch innerhalb der Spätschicht zu arbeiten habe.

Wegen dieser Anordnung hat die Klägerin beim Arbeitsgericht Bonn unter dem 22.02.2003 Klage erhoben mit dem Antrag:

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen in deren Verteilerzentrum Buschstr. 7 in 53340 M im Rahmen der Frühschicht in der Zeit zwischen 06.00 Uhr bis 14.45 Uhr zu beschäftigen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Weiterbeschäftigung im Rahmen der Frühschicht verurteilt und zur Begründung Folgendes ausgeführt: Mit dem Eintrag in den Bewerbungsbogen und seiner Einbeziehung in den Arbeitsvertrag sei eine vertragliche Vereinbarung zur Lage der Arbeitszeit zustande gekommen. Diese stehe nicht unter dem Vorbehalt einer Änderung seitens der Beklagten kraft Direktionsrecht. Dem stünde auch nicht der Änderungsvertrag aus dem Jahre 1998 entgegen, da dieser nur die Lage der einzelnen Arbeitstage, nicht aber die Lage der werktäglichen Arbeitszeit regele. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf Blatt 41 ff. der Akten verwiesen.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 07.04.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.05.2003 Berufung eingelegt, die am 05.06.2003 begründet worden ist. Sie meint, die Eintragung im Bewerbungsbogen gebe nur den Wunsch der Klägerin zur Lage der täglichen Arbeitszeit wieder. Bewerbungsbogen und Arbeitsvertrag enthielten aber keine Anhaltspunkte dafür, wie sich die Beklagte zu diesem Wunsch gestellt hatte. Sie seien daher nicht geeignet, eine vertragliche Festlegung über die Lage der täglichen Arbeitszeit anzunehmen. Mündliche Absprachen, die das Direktionsrecht der Beklagten einschränken könnten, seien nicht getroffen worden. Doch selbst wenn man davon ausginge, bei der Einstellung im Jahre 1997 sei die Lage der Arbeitszeit zwischen 06.00 und 11.30 Uhr vereinbart worden, wäre dies durch den Änderungsvertrag vom 14.05.1998 aufgehoben worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 24.03.2003 - 1 Ca 616/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Behauptungen sowie den Rechtsansichten der Beklagten entgegen. Sie bekräftigt ihren Standpunkt, sie habe einen vertraglichen Anspruch auf Weiterbeschäftigung im Rahmen der Frühschicht, der nicht durch das Direktionsrecht der beklagten Arbeitgeberin abgeändert werden könne. Durch den entsprechenden Eintrag in dem Bewerbungsbogen und durch dessen ausdrückliche Einbeziehung in den Arbeitsvertrag hätten die Parteien die Frühschicht als feste Arbeitszeit vereinbart. Dies sei ihr schon anlässlich ihrer Einstellung im Februar 1997 durch den zuständigen Mitarbeiter L ebenso bestätigt worden wie in der Folgezeit durch die jeweiligen Gruppenleiterinnen und den stellvertretenden Betriebsleiter. Zudem würden zwei Kolleginnen, mit denen seinerzeit eine vergleichbare Vereinbarung getroffen worden sei, weiterhin ausschließlich in der Frühschicht beschäftigt. Einer weiteren Beschäftigung der Klägerin in der Frühschicht stünden auch keine betrieblichen Belange entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf ihre im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).

II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die Klage ist begründet. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zurecht verurteilt, die Klägerin in der Frühschicht weiter zu beschäftigen. Seine Entscheidungsgründe macht sich die Berufungskammer zu Eigen und ergänzt sie um das Folgende:

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Beschäftigung innerhalb der Frühschicht. Der Anspruch ergibt sich im Wege der Auslegung nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem Bewerbungsbogen. Mit der Frage Ziffer 23 im Bewerbungsbogen "Wie können Sie arbeiten?" und den auszufüllenden Vorgaben

"Vollzeit ........

Teilzeit ........ Vormittags von ..... bis ....... Uhr

Nachmittags von ...... bis ........ Uhr"

verlangt die beklagte Arbeitgeberin von Bewerbern verbindliche Auskunft zu Arbeitszeiten und Arbeitsumfang, in denen sie bereit und in der Lage sind, ihm als Arbeitskräfte zur Verfügung zu stehen. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten wird nicht unverbindlich nach den Wunscharbeitszeiten der Arbeitnehmer gefragt. Denn dann hätte man statt des Wortes "können" das Wort "wollen" verwandt. Die Klägerin hatte auf diese Frage geantwortet:

"Teilzeit Vormittags von 6.00 bis 11.30 Uhr"

Damit hat sie klar zum Ausdruck gebracht, dass sie zu anderen Zeiten nicht zur Arbeit zur Verfügung stünde. Die Parteien haben dementsprechend die Arbeitszeit im Vertrag auf 20 Stunden festgesetzt; hinsichtlich der Lage der täglichen Arbeitszeit haben sie keine weitere Regelung getroffen.

Durch die in § 6 des Arbeitsvertrages enthaltene Bestimmung ist der Bewerbungsbogen wesentlicher Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden. Dies ist im Grunde auch zwischen den Parteien außer Streit. Nach Ansicht der Kammer ist durch die rechtsgeschäftliche Einbeziehung aber auch die von der Klägerin vorgegebene Arbeitszeit "Vormittags von 6.00 bis 11.30 Uhr" Bestandteil des Arbeitsvertrages vom 04.02.1997 geworden. Die Beklagte hat in diese Arbeitszeitregelung nämlich vorbehaltlos eingewilligt. Hätte sie der von der Klägerin im Bewerbungsbogen vorgegebenen Lage der Arbeitszeiten nicht zustimmen wollen, hätte sie dies deutlich im Vertrag zum Ausdruck bringen müssen. Daran fehlt es vorliegend.

Weder die Bestimmungen des Arbeitsvertrages noch die des Änderungsvertrages vom 14.05.1998 berechtigen den Arbeitgeber, einseitig von dieser festgelegten Arbeitszeit abzuweichen. Sowohl § 3.1 des Arbeitsvertrages als auch der Änderungsvertrag beziehen sich eindeutig nur auf die Lage der Arbeitstage, ein Wechsel der Lage der täglichen Arbeitszeit ist gerade nicht vorgesehen. Das Auslegungsergebnis der Beklagten ignoriert den eindeutigen Inhalt des schriftlichen Änderungsvertrages. Allein der Umstand, dass bei einer wortgetreuen Auslegung die Regelung aus Sicht der Arbeitgeberin wenig praktische Relevanz gehabt hätte, kann nicht dazu führen, dass ihr ein anderer, vom Wortlaut erkennbar nicht gedeckter, jedoch den Wünschen der Arbeitgeberin entsprechender Inhalt gegeben wird. Denn auch die Beklagte zeigt keine Anhaltspunkte auf, die den Rückschluss zuließen, die Parteien hätten ihrem übereinstimmenden wahren Willen nach die Gestaltung der Arbeitszeit regeln wollen.

Auch die Betriebsvereinbarung steht dem geltend gemachten Beschäftigungsanspruch nicht entgegen. Denn nach § 6 der Betriebsvereinbarung gehen abweichende Vereinbarungen im Arbeitsvertrag - wie sie oben für den vorliegenden Fall festgestellt worden sind - vor.

Ergänzend weist die Berufungskammer darauf hin, dass die von der Beklagten angestrebte Änderung der Lage der täglichen Arbeitszeit selbst dann nicht rechtmäßig wäre, wenn ihr ein entsprechendes Direktionsrecht zustünde. Der Arbeitgeber ist zur Konkretisierung der geschuldeten Leistung nur berechtigt, wenn diese nach pflichtgemäßem Ermessen ausgeübt wird. Davon kann vorliegend nicht die Rede sein. Nach dem ausdrücklichen Bestreiten der Klägerin hätte es der Beklagten oblegen, die Gründe zu benennen, auf die sie die Änderungen der täglichen Arbeitszeiten stützen wollte.

Da die Beklagte das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, muss sie nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 ZPO die Kosten der Berufung tragen.

Die Revision war nicht nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht und die angesprochenen Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind.

Ende der Entscheidung

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