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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.10.2005
Aktenzeichen: 13 Sa 863/05
Rechtsgebiete: BErzGG, TzBfG, MTV (WDR)


Vorschriften:

BErzGG § 21 Abs. 1
TzBfG § 14 Abs. 1 Nr. 3
MTV (WDR) § 4 Abs. 4
1. Die Informationspflicht des Arbeitgebers nach § 4 Abs. 4 MTV (WDR) erfordert auch eine Mitteilung an den Arbeitnehmer darüber, dass kein Anschlussarbeitsvertrag abgeschlossen wird.

2. Die Verletzung dieser Informationspflicht führt nicht zur Unwirksamkeit der Befristung.


Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.04.2005 - 6 Ca 7674/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.

Die am 14.02.1948 geborene Klägerin war bei der Beklagten aufgrund mehrerer aufeinanderfolgender befristeter Vollzeitarbeitsverträge seit August 2000 als Sekretärin beschäftigt. Zuletzt aufgrund des Arbeitsvertrages vom 30.11.2001 für den 19.12.2001 bis 07.07.2004. Als Sachgrund für die Vertragsbefristung ist unter § 17 die Vertretung einer Mitarbeiterin während der Elternzeit angegeben (Bl. 7 d. A.). Auf das Arbeitsverhältnis finden Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die bei der Beklagten geltenden tariflichen Vereinbarungen (im folgenden MTV) Anwendung.

Mit Schreiben vom 08.10.2001 wandte sich die Fachabteilung des Beklagten wegen der Verlängerung des Zeitvertrages mit der Klägerin an die Personalabteilung. Darin heißt es unter anderem:

"Frau D ist während ihres bis zum 17.12.2001 terminierten Erziehungsurlaubs erneut Mutter geworden und wird mit Zustimmung des W vom 19.12.2001 bis 07.07.2004 die Elternzeit in Anspruch nehmen.

Ich würde gerne unter Verzicht auf Stellenausschreibung den derzeitigen Zeitvertrag mit Frau S bis 07.07.2004 verlängern."

Frau Domin beantragte am 27.9.2001 für die Zeit vom 19.12.2001 bis 7.7.2004 Elternzeit (Bl.25 d.A.) Der Beklagte bestätigte die Elternzeit mit Schreiben vom 1.10.2001 (Bl.26 d.A.) Mit Schreiben vom 26.11.2001 übersandte die Personalabteilung der Klägerin den zuletzt abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag mit dem Hinweis, "auf Vorschlag des Fachbereichs erhalten Sie einen neuen - bis 07.07.2004 befristeten - Arbeitsvertrag" (Bl. 48 d. A.).

Mit Schreiben vom 30.03.2004 wies der Beklagte die Klägerin auf die Meldepflicht beim Arbeitsamt hin. Weiter heißt es in dem Schreiben unter anderem: "Sie werden derzeit auf der Basis eines befristeten Arbeitsvertrages beim W beschäftigt. Ob sich daran eine Anschlussbeschäftigung realisieren lässt, ist derzeit noch offen." (Bl. 31 d. A.) Mit Schreiben vom 25.06.2004 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass der mit ihr abgeschlossene Arbeitsvertrag vereinbarungsgemäß am 07.07.2004 endet (Bl. 9 d. A.).

Die Klägerin hat sich mit ihrer am 28.07.2004 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage gegen die Befristung gewandt. Sie hat die Elternzeitvertretung für die Mitarbeiterin D mit Nichtwissen bestritten. Darüber hinaus habe sie gehört, dass diese nur halbtags beschäftigt gewesen sei. Schließlich hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass die Befristung des letzten Arbeitsvertrages unwirksam sei, da der Beklagte die Klägerin nicht gemäß § 4 Abs. 4 MTV spätestens drei Monate vor Ablauf der Frist darüber informiert habe, ob ein Anschlussvertrag abgeschlossen werden soll.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch Ablauf einer Befristung vom 07.07.2004 geendet hat.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Klägerin sei entsprechend dem Vorschlag der Fachabteilung als Vertreterin der im Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit befindlichen Mitarbeiterin D beschäftigt worden. Diese sei, bevor sie wegen der Geburt von vier Kindern jeweils in Mutterschutz war bzw. Erziehungsurlaub/Elternzeit genommen habe, als Vollzeitkraft tätig gewesen. Der Beklagte legt dazu den Arbeitsvertrag vom 19./20.12.1991 mit Frau D (Geburtsname G ) vor. Wegen der Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag (Bl. 41/42 d. A.) verwiesen.

Schließlich hat der Beklagte die Ansicht vertreten, dass sich aus § 4 Abs. 4 MTV lediglich ergebe, dass der Beklagte den Arbeitnehmer innerhalb der 3-Monats-Frist dann informieren müsse, wenn ein Anschlussvertrag abgeschlossen werden solle.

Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 21.04.2005 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 57 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Klägerin am 06.06.2005 zugestellt. Sie hat hiergegen am 24.06.2005 Berufung eingelegt und diese am 08.08.2005 (Montag) begründen lassen. Mit der Berufung bestreitet die Klägerin weiter, dass Frau D als Vollzeitkraft gearbeitet habe. Dies ergebe sich nicht aus dem vom Beklagten vorgelegten Vertrag. Sie vertritt weiter die Ansicht, dass der Beklagte seine Informationspflicht aus § 4 Abs. 4 MTV verletzt habe und dies zur Unwirksamkeit der Befristung führe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 21.04.2005 - 6 Ca 7674/04 - festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch Ablauf einer Befristung am 07.07.2004 geendet hat.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und. 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht (§§ 66 Abs.1, 64 Abs.6 Satz 1 ArbGG, 519,520 ZPO) eingelegt und begründet worden ist.

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die im Arbeitsvertrag vom 26./30.11.2001 vereinbarte Befristung ist wirksam. Sie ist durch den Sachgrund der Vertretung der Mitarbeiterin Frau D während deren Elternzeit gerechtfertigt. Die Nichteinhaltung der dreimonatigen Informationspflicht gemäß § 4 Abs. 4 MTV führt nicht zur Unwirksamkeit der Befristung.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG unterliegt bei mehreren aufeinanderfolgenden Befristungen grundsätzlich nur der letzte befristete Vertrag der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle (BAG 10.03.2004 - 7 AZR 397/03 - AP Nr. 257 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag m. w. N. aus der Rechtsprechung). Zu überprüfen ist demnach vorliegend nur der zwischen den Parteien zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 26./30.11.2001.

2. Die Befristung dieses Vertrages ist gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG, § 21 Abs. 1 BErzGG zulässig. Sachgrund ist die Vertretung einer anderen Arbeitnehmerin für die Dauer der Elternzeit.

a) Die Klägerin hat während der gesamten Vertragszeit vom 19.12.2001 bis 07.07.2004 die Mitarbeiterin D in deren Elternzeit vertreten. Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthält unter § 17 Abs. 1 als Sachgrund für die Vertragsbefristung ausdrücklich die Vertretung einer Mitarbeiterin während der Elternzeit. Die Mitarbeiterin ist zwar nicht namentlich benannt, aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass es sich dabei um Frau D handelt. Diese hat mit Schreiben vom 27.09.2001 aus Anlass der Geburt ihres Sohnes, F , C am 08.07.2001 Elternzeit für drei Jahre vom 19.12.2001 bis 07.07.2004 beantragt Der Beklagte hat mit Schreiben vom 01.10.2001 die Inanspruchnahme von Elternzeit bestätigt. Mit Schreiben vom 08.10.2001 hat die Fachabteilung der Personalabteilung des Beklagten eine Verlängerung des Zeitvertrages der Klägerin bis zum 07.07.2004 vorgeschlagen mit Hinweis auf die Elternzeit von Frau D Daraufhin übersandte der Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf den Vorschlag des Fachbereichs am 26.11.2001 den bis zum 07.07.2004 befristeten Arbeitsvertrag zur Unterschrift Angesichts dieses feststehenden Sachverhalts ist das klägerseitige bloße Bestreiten der Vertretung von Frau D mit Nichtwissen unsubstantiiert und damit unbeachtlich.

b) Frau D war auch, ebenso wie die Klägerin, auf einer Vollzeitstelle tätig. Dies ergibt sich aus dem vom Beklagten vorgelegten Arbeitsvertrag der Mitarbeiterin D (vormals G ) vom 19./20.12.1991. Der Arbeitsvertrag regelt in § 1 die Beschäftigung als Sekretärin mit besonderen Aufgaben; § 2 regelt die monatliche Grundvergütung von DM 3589,- entsprechend der VG VIII Stufe 3; § 13 verweist auf die jeweils beim Beklagten geltenden tariflichen Vereinbarungen. Damit ist, da eine ausdrückliche Regelung einer Teilzeittätigkeit fehlt, von einer Vollzeitbeschäftigung mit der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit auszugehen Dem entspricht auch die vereinbarte Vollzeitvergütung. Das Bestreiten der Klägerin mit dem vagen Hinweis, sie habe von einer Halbtagstätigkeit der Frau D gehört, ist, wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, im Hinblick auf den vorgelegten Arbeitsvertrag der Frau D unsubstantiiert und daher unbeachtlich.

3. Der Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 25.06.2004 zwar nicht innerhalb der in § 4 Abs. 4 MTV vorgesehenen Frist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt, dies führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Befristung. § 4 Abs. 4 MTV. lautet:

"Ein befristeter Arbeitsvertrag endet durch Fristablauf. Der WDR wird eine(n) befristet beschäftigten Arbeitnehmer/in vor Ablauf des Vertrages informieren, ob ein Anschlussvertrag abgeschlossen werden soll. Diese Information erfolgt spätestens drei Monate vor Ablauf der Frist, wenn das Arbeitsverhältnis auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr befristet ist. "

a) Der normative Teil eines Tarifvertrags ist nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den vertraglichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Ein Wille, für den es im Wortlaut keinen Anhaltspunkt gibt, ist für die Auslegung bedeutungslos. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkt für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. 22.10.2002 - 3 AZR 664/01 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 185 m. w. N. aus der Rechtsprechung).

b) Die Vorschrift des § 4 Abs.4 MTV verlangt ihrem Wortlaut nach von dem Beklagten eine Information des Arbeitnehmers vor Ablauf des befristeten Vertrages darüber, ob ein Anschlussvertrag abgeschlossen werden soll. Das Gericht schließt sich insoweit der Auslegung der Klägerin an, dass die Information über das "ob" sowohl für den Fall gilt, dass ein Anschlussvertrag abgeschlossen wird, als auch für den Fall, dass kein Anschlussvertrag abgeschlossen wird. Diese Auslegung entspricht auch dem erkennbaren Zweck der Informationspflicht, dem Arbeitnehmer frühzeitig, spätestens zwei Monate vor Ablauf der Befristung Klarheit darüber zu verschaffen, ob das Arbeitsverhältnis tatsächlich mit Fristablauf endet. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigen die Anschlussverträge der Klägerin.

c) Der Beklagte hat diese Informationspflicht hat vorliegend verletzt. Denn erst mit Schreiben vom 25.06.2004 hat er der Klägerin mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis mit Fristablauf zum 07.07.2004 endet, sich also kein weiterer befristeter Arbeitsvertrag anschließt. Die Mitteilung vom 30.03.2004, also mehr als drei Monate vor Fristende, genügt dieser Informationspflicht nicht, da die Frage, ob ein Anschlussvertrag abgeschlossen wird, gerade offen bleibt.

d) Die Verletzung der Informationspflicht durch den Beklagten hat jedoch nicht die Unwirksamkeit der Befristung zur Folge. Die Rechtsfolgen der Verletzung der Informationspflicht nach § 4 Abs. 4 MTV haben die Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich geregelt. Aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Norm lässt sich jedoch schließen, dass die Einhaltung der Informationspflicht keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Befristung hat. So heißt es in § 4 Abs. 4 S. 1 MTV "Ein befristeter Arbeitsvertrag endet durch Fristablauf." Die übrigen Absätze des § 4 regeln die Voraussetzungen einer zulässigen Befristung, angelehnt an die gesetzliche Vorschrift des § 14 TzBfG. Unter Berücksichtigung dieses tariflichen Gesamtzusammenhanges hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft, dass, obwohl die Voraussetzungen einer zulässigen Befristung vorliegen, das Arbeitsverhältnis bei Verstoß gegen die Informationspflicht nicht mit Fristablauf endet. So gibt es etwa bei Bühnenengagementverträgen die tarifliche Regelung der Nichtverlängerungsmitteilung (§ 2 Abs.1 S.1 des TV über die Mitteilungspflicht des NV Solo), wonach das befristete Arbeitsverhältnis fortzusetzen ist, soweit die Nichtverlängerungsmitteilung nicht rechtzeitig erfolgt. Eine solche oder vergleichbare Regelung haben die Tarifvertragsparteien vorliegend nicht getroffen. Das Arbeitsverhältnis endet daher mit Fristablauf zum 07.07.2004.

III. Die Klägerin hat die Kosten der erfolglosen Berufung gemäß § 97 ZPO zu tragen.

IV. Die Revision war gemäß §§ 72 Abs. 2 Nr. 1, 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG zuzulassen.

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