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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: 13 Ta 291/03
Rechtsgebiete: KostO, KSchG, ZPO, RPflG, ArbGG, BSHG, VO


Vorschriften:

KSchG § 9
KSchG § 10
KostO § 131 b
ZPO § 115 Abs. 2
ZPO § 120 Abs. 4 S. 1 Halbs. 1
ZPO § 120 Abs. 4 S. 2
ZPO § 124 Nr. 2
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO §§ 567 ff.
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
RPflG § 11
ArbGG § 46 Abs. 2 Satz 3
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 78 Satz 2
BSHG § 88
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG § 88 Abs. 2 Ziff. 8 Hs. 2
BSHG § 88 Abs. 3
VO § 1 Abs. 1 Nr. 1
Wird die Abfindung zum Ausgleich des Schuldensaldos auf dem Girokonto verwand, sind auch diese Beträge letztlich dem Vermögen des Klägers durch Befreiung von bestehenden Verbindlichkeiten zugeflossen; er erspart sich dadurch nicht zuletzt die Zinsbelastung und hat es nun in der Hand, durch neuerliche Inanspruchnahme der ihm eingeräumten Kreditlinie Geld aufzunehmen.

Zahlungspflichten aus privaten Darlehen sind bei der Berechnung der Eigenbeteiligung an den Kosten der Prozessführung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen

(Bestätigung der bisherigen Bezirksrechtsprechung).

Wird auf die sofortige Beschwerde hin zwar die Höhe der Einmalzahlung bestätigt, jedoch Ratenzahlung angeordnet, kann dies eine hälftige Reduzierung der Beschwerdegebühr nach § 131 b KostO rechtfertigen.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 17.06.2003 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Klägerin nachgelassen wird, den Betrag von 550 EUR in elf monatlichen Raten zu je 50,00 EUR zu zahlen, beginnend mit dem Monat Januar 2004.

Die Beschwerdegebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

Gründe:

I.

Der Klägerin wurde im Kammertermin vom 03.04.2003 für eine Kündigungsschutzklage ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt. Sodann haben die Parteien in diesem Termin einen Vergleich geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung mit dem 31.12.2002 beendet worden ist und an die Klägerin wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 5.500,00 EURO vom beklagten Arbeitgeber zu zahlen war. Noch vor Genehmigung des protokollierten Vergleichs stellte der Vorsitzende auf Antrag des Klägervertreters klar, dass der Prozesskostenhilfebeschluss auch den Mehrvergleich mit umfassen soll.

Nach Anhörung der Klägerin hat die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Aachen mit Beschluss vom 17.06.2003 - 8 Ca 4794/02 d - die PKH-Bewilligung vom 03.04.2003 unter Bezugnahme auf §§ 124 Nr. 2, 120 Abs. 4 S. 2 ZPO abgeändert und angeordnet, dass "eine Einmalzahlung in Höhe von 550,00 EUR angeordnet wird".

Gegen den am 30.06.2003 der Klägerin zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.06.2003, bei dem Arbeitsgericht am 04.07.2003 eingegangen, Beschwerde mit der Begründung eingelegt, sie habe die Abfindungszahlungen zu einem großen Teil dazu verwendet, ihr überzogenes Konto auszugleichen. Ihr habe zu keinem Zeitpunkt ein das Schonvermögen übersteigender Betrag zur Verfügung gestanden.

II.

Die nach § 11 RPflG i.V.m. §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Beteiligung der Klägerin an den Prozesskosten in Höhe von 550,00 EUR wendet, nicht begründet. Die Rechtspflegerin hat zu Recht gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 ZPO den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss abgeändert und die Klägerin zur Zahlung eines einmaligen Betrages in Höhe von 550,00 EUR verpflichtet. Jedoch war der Klägerin Ratenzahlung zu gewähren. Insoweit hatte die sofortige Beschwerde Erfolg.

Nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann ein Prozesskostenhilfebeschluss dann abgeändert werden, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Durch den Zufluss der Abfindungssumme in Höhe von EUR 5.500,00 änderten sich die Vermögensverhältnisse der Klägerin, so dass es ihr zumutbar ist, sich an den von der Staatskasse verauslagte Prozesskostenhilfevergütung ihres Prozessvertreters in Höhe von EUR 874,64 mit einem Betrag von EUR 550,00 zu beteiligen.

Es entspricht zwischenzeitlich der gefestigter Rechtsprechung, dass es sich bei Kündigungsschutzabfindungen aus Prozessvergleichen um anrechenbares Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 2 ZPO handelt (vgl. etwa LAG Hamm, Beschluss vom 10.04.2003 - 4 Ta 750/02 - juris; LAG Hamm, Beschluss vom 4.06.2003 - 4 Ta 355/03 - juris; LAG Berlin, Beschluss vom 11.02.1983, EzA § 115 ZPO Nr. 6; LAG Schleswig-Holstein vom 24.06.1987, LAGE § 115 ZPO Nr. 25; LAG Berlin Beschluss vom 05.04.1989, LAGE § 115 ZPO Nr. 34; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06.03.1995, LAGE § 115 ZPO Nr. 51; LAG Hamburg, Beschluss vom 13.08.1997, LAGE § 115 ZPO Nr. 52; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24.09.1997, LAGE § 115 ZPO Nr. 53; A.A. nur LAG Bremen vom 20.07.1988, LAGE § 115 ZPO Nr. 29; LAG Berlin, NJW 1981, 2775; LAG Hamburg, BB 1980, 1801; zum Meinungsstand insgesamt: Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. 2003, S. 81). Denn sie unterliegen wie alle anderen Vermögensbestandteile der freien Verfügung des Arbeitnehmers und es ist nicht einzusehen, dass sie wegen einer Zweckbindung (Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes) nicht einsetzbar sein sollen.

Nach § 115 Abs. 2 ZPO ist Vermögen jedoch nur dann anrechenbar, wenn dies vor dem Hintergrund des § 88 BSHG zumutbar ist. Der Einsatz der Abfindung ist für den Arbeitnehmer regelmäßig zumutbar, sofern sie den Betrag des Schonvermögens im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG überschreitet (LAG Köln, Beschluss vom 07.03.1995 - 7 Ta 22/95; Beschluss vom 08.04.1988 - 8 Ta 64/88 - sowie Beschluss vom 07.06.1988 - 10 Ta 75/88 - LAGE § 115 ZPO Nr. 30). Um auch der Härteklausel des § 88 Abs. 3 BSHG gerecht zu werden, werden lediglich 10 % des Nennwertes der vom Arbeitnehmer realisierten Abfindung zur Deckung der Prozesskosten mit heran gezogen, wobei die Umstände des Einzelfalls Korrekturen erlauben können (ständige Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Köln, vgl. LAG Köln, Beschluss vom 26.02.2003 - 5 Ta 47/03 n.v; LAG Köln, Beschluss vom 30.01.2002 - 7 Ta 220/01 - LAGE Nr. 58 zu § 115 ZPO; LAG Köln Beschluss vom 18.04.1995 - 3 Ta 85/95 -; Beschluss vom 22.08.1997 - 10 Ta 201/97 -; Beschluss vom 06.11.1999 - 6 Ta 185/99 -; Beschluss vom 08.12.1999 - 5 Ta 343/99; Beschluss vom 18.02.2002 - 4 Ta 22/02; ebenso LAG Hamm Beschluss v. 03.04.2002 - 4 Ta 636/01, BuW 2002, 748; LAG Hamm Beschluss v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, n.v.).

Vorliegend überschreitet die Höhe der Abfindung von EUR 5.500,00 erkennbar das sogenannte Schonvermögen im Sinne von § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG, das sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der VO zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG auf EUR 2.301,00 für die Antragstellerin beläuft und sich für jedes ihrer beiden unterhaltsberechtigten Kinder um EUR 256,00 erhöht. Der von der Bezirksrevisorin angeordnete Einmalbetrag in Höhe von EUR 550,00 entspricht 10 % des Nennbetrages der Abfindung und ist daher nicht zu beanstanden.

Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, dass ein beachtlicher Teil der Abfindung zum Ausgleich ihres Girokontos aufgewendet wurde. Die zum Ausgleich des Schuldsaldos verwendeten Beträge sind letztlich dem Vermögen der Klägerin durch Befreiung von bestehenden Verbindlichkeiten zugeflossen, sie erspart sich dadurch nicht zuletzt die Zinsbelastung und hat es nun in der Hand, durch neuerliche Inanspruchnahme der ihr eingeräumten Kreditlinie Geld aufzunehmen (LAG Köln, Beschluss vom 26.02.2003 - 5 Ta 47/03 n.v).

Auch das Gebot des Vertrauensschutzes steht einer Abänderung der ursprünglich ratenfreien PKH-Bewilligung nicht entgegen. So darf das Gericht die ihm bekannten und für seine Entscheidung maßgebenden Angaben der Partei zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht nachträglich abweichend bewerten, eine freie Abänderbarkeit besteht nicht. Im vorliegenden Fall erging der PKH-Beschluss zeitlich vor Abschluss des Prozessvergleiches, zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe war also noch gar nicht absehbar, dass der Klägerin eine Abfindung zufließen würde, die als Vermögen zu berücksichtigen war. Von einer irrtümlichen oder rechtsfehlerhaften PKH-Bewilligung kann also keine Rede sein.

Nach § 88 Abs. 2 Ziff. 8 Hs. 2 BSHG kann von dem Betroffenen geltend gemacht werden, dass bei ihm eine besondere Notlage zu berücksichtigen sei. Wenn also die erhaltene Abfindung zur Behebung einer akuten Notlage gebraucht wird, kann der Kostenbeitrag von 10% der Abfindungssumme reduziert oder gänzlich fallengelassen werden. Hierzu bedarf es aber entsprechender Angaben und Glaubhaftmachung des Antragstellers (LAG Hamm, Beschluss v. 01.02.1999 - 14 Ta 10/99, n.v.; LAG Hamm Beschluss v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, LAG Hamm, Beschluss v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, LAGReport 2003, 125, 126 m. zust. Anm. Schwab). Dass die Klägerin zur Behebung einer Notlage in vollem Umfang auf die Abfindung angewiesen ist, ist vor dem Hintergrund ihres Immobilienbesitzes nicht ersichtlich. Um jedoch die laufende Liquidität der Klägerin nicht zu gefährden und somit eine besondere Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG zu vermeiden, ist es geboten und angemessen, der Klägerin nachzulassen, die Beitragssumme - wie von ihr selbst vorgeschlagen - in monatlichen Raten à 50,00 EUR zu erbringen. Insoweit hat die sofortige Beschwerde jedenfalls teilweise Erfolg.

Da die sofortige Beschwerde - unter Berücksichtigung auch der Ratenzahlungsanordnung - in etwa zu 50 % Erfolg hatte, erscheint es angemessen, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die gerichtliche Beschwerdegebühr auf die Hälfte zu ermäßigen, § 131 b S. 2 KostO).

Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt, da die Rechtsbeschwerde nach § 78 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung zuzulassen war.

Ende der Entscheidung

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