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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 07.08.2006
Aktenzeichen: 14 (11) Sa 42/06
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 7 Abs. 2
1. Durch Vereinbarung kann die feste Altersgrenze für die Betriebsrente vorgezogen werden ( im Anschluss an BAG, Urteil vom 14.12.1999 - 3 AZR 684/98).

2. Scheidet der Arbeitnehmer im Insolvenzfall vor Erreichen dieser vertraglich vereinbarten Altersgrenze aus, ist gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG eine ratierliche Kürzung vorzunehmen.


Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.11.2005 - Az. 2 Ca 4908/05 - teilweise abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen, als der Beklagte für die Zeit vom 01.11.2003 bis zum 01.06.2005 zu einem höheren monatlichen Zahlungsbetrag als 212,02 € verurteilt worden ist.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und der Beklagte jeweils die Hälfte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe der beklagte Pensionssicherungsverein dem Kläger Insolvenzsicherungsleistungen zu erbringen hat.

Der am 02.05.1942 geborene Kläger war seit dem 01.09.1977 zunächst bei der Firma D B A im Bereich Anlageneinkauf Ausland beschäftigt. Im Jahre 1980 wurde diese Gesellschaft mit Wirkung vom 01.01.1981 aufgespalten. Seit dem 01.10.1981 war der Kläger bei der Firma D B W A beschäftigt. Letztere wurde später in die D B E und U A umfirmiert. Nach weiteren Zwischenschritten ging das Arbeitsverhältnis schließlich 1999 in die B B P E G über. Diese schloss mit dem Kläger mit Wirkung vom 01.01.2001 ein bis zum 31.12.2002 befristetes Altersteilzeitarbeitsverhältnis. In Ziffer 11. dieser Vereinbarung vom 30.03.2000 hieß es:

"Der Arbeitnehmer bleibt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Mitglied in der B -Pensionskasse V. Beide Vertragsparteien leisten die satzungsmäßigen Beiträge in gleicher Höhe.

Die dem Arbeitnehmer zustehende betriebliche Altersversorgung (Pensionszusage) gemäß den Vereinbarungen vom 09./11. Juli 1990h und 06. März/22. Mai 1991 sowie 05./11. Oktober 1993 in Verbindung mit § 2 Ziffer 2 und § 8 Ziffer 1 des Anstellungsvertrages vom 01. Juli/09. Oktober 1993 ist nach den gesetzlichen Bestimmungen unverfallbar, so dass der Arbeitnehmer nach diesen Feststellungen Ansprüche gegenüber der Gesellschaft hat. In Abänderung/Ergänzung dieser Regelungen wird die monatliche Pension fällig und zahlbar ab 01. Januar 2003 - und zwar in Höhe von brutto 2.944 DM pro Monat. Voraussetzung hierfür ist der Bezug der BfA-Rente. Mögliche Kürzungen wegen der Inanspruchnahme vor Vollendung des 65. Lebensjahres entfallen."

Am 01.09.2002 wurde über das Vermögen der Firma B B P E G das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete mit Ablauf des 31.12.2002. Seit dem 01.10.2003 bezieht der Kläger vorgezogene gesetzliche Altersrente. Ab dem 01.10.2003 zahlte der Beklagte dem Kläger eine Altersversorgung in Höhe von 1.230,70 EUR pro Monat, wobei der Beklagte von einer Betriebszugehörigkeit vom 01.01.1989 bis zum 01.09.2002 ausging und einer möglichen Betriebszugehörigkeit vom 01.10.1981 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres am 01.05.2007.

Mit seiner Klage verlangte der Kläger monatlich zusätzliche 274,54 EUR für die Monate Oktober 2003 bis einschließlich Mai 2005.

Zur Begründung macht der Kläger geltend, eine ratierliche Kürzung unter Berücksichtigung einer möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum 65. Lebensjahr sei nicht zulässig. Aufgrund der Regelung in Ziffer 11 der Vereinbarung vom 30.03.2002 sei eine Kürzung nicht zulässig, zudem sei von einer möglichen Betriebszugehörigkeit bis max. 31.12.2002 auszugehen. Der Beginn der Betriebszugehörigkeit berechne sich bereits seit dem 01.09.1977, da es sich bei seinem Wechsel von der Firma D B A A zur Firma D B W A zum 01.10.1981 um einen Betriebsübergang gehandelt habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage des Klägers durch Urteil vom 25.11.2005 (Bl. 85 ff. d.A.) stattgegeben und den Beklagten verurteilt, monatlich für die Monate Oktober 2003 bis Mai 2005 jeweils zusätzlich 274,54 EUR Altersrente nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Parteien durch ihre Vereinbarung eine vorgezogene Altersgrenze festgelegt hätten, so dass die max. mögliche Betriebszugehörigkeit nicht bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, sondern nur bis zur vorgezogenen Altersgrenze berechnet werden könne. Eine ratierliche Kürzung sei angesichts der Vereinbarungen der Parteien nicht zulässig.

Gegen dieses der Beklagtenseite am 13.12.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 11.01.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf den 11.03.2006 am 09.03.2006 begründet. Die Beklagte hat die Berufung beschränkt. Er akzeptiert das erstinstanzliche Urteil soweit er zu einer zusätzlichen Rentenzahlung von monatlich 212,02 EUR verurteilt worden ist. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden Teils hält er die Klage jedoch für unbegründet und begehrt mit seiner insoweit beschränkten Berufung Klageabweisung.

Im Berufungsrechtszug hat der Beklagte akzeptiert, dass von einer Betriebszugehörigkeit des Klägers seit dem Jahre 1977 auszugehen ist. Er wendet sich auch nicht mehr gegen die Auslegung der Vereinbarung durch das Arbeitsgericht, wonach die Parteien eine vorgezogene feste Altersgrenze festgelegt haben. Allerdings sei eine ratierliche Kürzung nach § 7 Abs. 2 BetrAVG vorzunehmen. Dabei sei von einer tatsächlichen Betriebszugehörigkeit von 25 Jahren auszugehen und von einer max. möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum 30.09.2003 auszugehen. Dies sei die max. mögliche Betriebszugehörigkeit, weil die Parteien in ihrer Vereinbarung die vorgezogene Altersrente an den Bezug der BfA-Rente gekoppelt hätten. Da der Kläger erst ab Oktober 2003 BfA-Rente bezogen habe, müsse er sich die Zeit bis zum Bezug der BfA-Rente als max. erreichbare Betriebszugehörigkeit anrechnen lassen. Der sich hieraus ergebende Zeitwertfaktor von 0,958447 ergebe einen zusätzlichen Rentenanspruch von 212,02 EUR nicht aber den höheren, vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Betrag, von 274,54 EUR.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.11.2005 2 Ca 4908/05 teilweise abzuändern, soweit es dem Kläger für die Zeit vom 01.11.2003 bis zum 01.06.2005 einen monatlichen Zahlungsbetrag von mehr als 212,02 EUR zugesprochen hat und insoweit die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe einen zu niedrigen Zeitwertfaktor errechnet. Denn die max. Betriebszugehörigkeitsdauer ende am 31.12.2002, weil zu diesem Zeitpunkt das Ende des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden sei. Zu dem erst 10 Monate später beginnenden Bezug der BfA-Rente sei es nur deshalb gekommen, weil das Altersteilzeitverhältnis der Parteien nicht mindestens 24 Monate angedauert habe, wofür die Insolvenz Ursache gewesen sei. Berechne man die max. Betriebszugehörigkeit auf den 31.12.2002 ergebe sich ein Zeitwertfaktor von 0,986842 und damit ein zusätzlicher Rentenbetrag von 254,73 EUR und nicht nur, wie die Beklagte meine, eine Differenz von 212,02 EUR.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, nur auf einen Teil des Streitgegenstandes beschränkte Berufung hat in der Sache Erfolg.

I. Die Berufung ist zulässig. Der Beklagte hat sie zulässigerweise auf einen Teil des Streitgegenstandes beschränkt. Er greift das arbeitsgerichtliche Urteil nicht an, soweit es dem Kläger einen monatlichen zusätzlichen Rentenbetrag von 212,02 EUR zugesprochen hat. Lediglich gegen die Verurteilung zu dem darüber hinausgehenden Betrag, also die Differenz zwischen 274,54 EUR und 212,02 EUR = 62,52 EUR monatlich, richtet sich die Berufung. Die Berufung ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft, da angesichts der Vielzahl der betroffenen Monate der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,-- EUR überschritten ist.

Die Berufung ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache hatte die insoweit beschränkte Berufung Erfolg.

Der Kläger hat nur Anspruch auf einen monatlichen Zuzahlungsbetrag in Höhe von 212,02 EUR.

1. Unstreitig ist die grundsätzliche Einstandspflicht des Beklagten gemäß § 7 Abs. 1 BetrAVG. Aufgrund der Insolvenz des früheren Arbeitgebers des Klägers muss der Beklagte an den Kläger Versorgungsleistungen erbringen.

2. Hinsichtlich der Höhe ist festzuhalten, dass die an und für sich geltende Altersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres hier durch die arbeitsvertragliche Vereinbarung vorgezogen worden ist. Auch der Beklagte hat in der Berufungsinstanz nicht mehr in Abrede gestellt, dass die Vereinbarung des Klägers mit seinem Arbeitgeber aus dem Jahre 2000 als vorgezogene feste Altersgrenze im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anzusehen ist (s. BAG, Urteil vom 14.12.1999 - 3 AZR 684/98 -).

Auf die überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts hierzu wird verwiesen. Hieraus folgt, worauf das Arbeitsgericht bereits hingewiesen hat, auch, dass der Beklagte als Pensionssicherungsverein an ein solches vertragliches Vorziehen einer festen Altersgrenze gebunden ist.

Gegen diese Auslegung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung und die daraus folgende Konsequenz der Bindung des Beklagten hieran wendet sich der Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr.

3. Richtig ist allerdings der Ansatz der Beklagten, dass ausgehend von diesen Grundsätzen im vorliegenden Fall eine ratierliche Kürzung gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG vorzunehmen ist.

Der Kläger war noch kein Versorgungsempfänger, sondern Anwartschaftsberechtigter, der eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft hatte. Dies führt gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG zur zeitratierlichen Kürzung. Diese Konsequenz akzeptiert im Berufungsverfahren auch der Kläger. Auch nach seiner Berechnung stünde ihm nicht ein monatlicher Zuzahlungsbetrag von 274,54 EUR zu, sondern nur von 254,73 EUR.

4. Bei der nach § 7 Abs. 2 BetrAVG vorgeschriebenen zeitratierlichen Kürzung ist die tatsächlich erreichte Betriebszugehörigkeit durch die mögliche Betriebszugehörigkeit, die sich bis zum Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze ergäbe, zu dividieren.

Dabei gehen beide Parteien übereinstimmend und mit Recht davon aus, dass die tatsächliche Betriebszugehörigkeit bis zum Eintritt des Sicherungsfalls exakt 25 Jahre beträgt, nämlich vom 01.09.1977 bis zum 30.08.2002.

Streit besteht allein noch über die Tatsache, bis zu welchem Datum die bis zum Erreichen in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze zu berechnen ist. Der Kläger setzt hierzu das Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses am 31.12.2002 an, der Beklagte den Beginn der BfA-Rente am 01.10.2003.

Nach Auffassung der Kammer ist die zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffene Vereinbarung eindeutig so auszulegen, dass der Bezug der BfA-Rente konstitutive Voraussetzung für den Bezug der Betriebsrente sein sollte. Insoweit haben die Arbeitsvertragsparteien als vorgezogene Altersgrenze das Datum festsetzen wollen, ab dem der Bezug der BfA-Rente begann.

Dies folgt aus der eindeutigen Formulierung in der Vereinbarung:

"Voraussetzung hierfür ist der Bezug der BfA-Rente."

Insofern ist es richtig, wenn der Beklagte geltend macht, dass die Vereinbarung kumulativ zwei Voraussetzungen enthält, die beide nebeneinander erfüllt sein müssen, nämlich erstens das Erreichen eines bestimmten Datums und zweitens zusätzlich den Bezug einer Rente von der BfA.

Die zweite Voraussetzung war aber erst am 01.10.2003 erfüllt, so dass erst ab diesem Datum die vertraglich vorgesehen Ruhestandsgrenze erreicht war und die damit noch mögliche Betriebszugehörigkeit bis zu diesem Datum zu berechnen ist.

Soweit der Kläger sich darauf beruft, ein früherer Rentenbezug der BfA-Rente sei nur wegen der Insolvenz unterblieben, vermag dies nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Denn ob tatsächlich schon vor dem 01.10.2003 die BfA-Rente hätte in Anspruch genommen werden können, ist ungewiss. Allein die Möglichkeit reicht nach der Versorgungszusage nicht aus, denn dann hätten die Arbeitsvertragsparteien nicht den tatsächlichen Bezug der BfA-Rente zur Voraussetzung machen dürfen, sondern explizit die früheste Möglichkeit des Bezuges.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger, wie die Erörterungen in der Kammerverhandlung am 07.08.2006 ergeben haben, durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, auch nachträglich einen früheren Rentenbezug herbeizuführen. Freilich hätte dies bedeutet, dass dies dann zu einer teilweisen Rückabwicklung auch der Leistungen der Agentur für Arbeit geführt hätte. Wenn der Kläger angesichts dieser Umstände und im Hinblick auf mögliche Durchsetzungsschwierigkeiten eine Rückabwicklung und Vorverlegung des Bezugs der BfA-Rente nicht betrieb, so muss er sich andererseits hieran dann auch bei der Betriebsrentenberechnung festhalten lassen.

Daher war die Ruhestandsgrenze nach der hier vorliegenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung erst mit dem Bezug der BfA-Rente am 01.10.2003 erreicht. Daraus ergibt sich eine mögliche Betriebszugehörigkeit von 313 Monaten (26 Jahre und 1 Monat). Hieraus folgt ein Zeitwertfaktor von 300 dividiert durch 313. Multipliziert man den zugesagten Anspruch von 1.505,24 EUR mit diesem Zeitwertfaktor ergibt sich ein Ruhegeldanspruch in Höhe von 1.442,72 EUR. Abzüglich der geleisteten Zahlung von monatlich 1.230,70 EUR ergibt sich eine Differenz von 212,02 EUR pro Monat. Nur auf diese Differenz, nicht aber auf einen höheren monatlichen Zuzahlungsbetrag hat der Kläger Anspruch.

Die beschränkte Berufung hatte daher Erfolg.

Bei der Kostenentscheidung war § 92 Abs. 1 ZPO anzuwenden. Dabei war zu berücksichtigen, dass einerseits das erstinstanzliche Urteil nur im Umfang von 212,02 EUR monatlich aufrecht zu erhalten war, andererseits die von vorneherein auf den Differenzbetrag beschränkte Berufung in vollem Umfang erfolgreich war. Angesichts dessen war es sachgerecht, dem Kläger und dem Beklagten jeweils die Hälfte der Kosten aufzuerlegen.

Die Revision wurde nicht zugelassen, da keine grundsätzliche Bedeutung der Sache vorlag, sondern die konkrete Auslegung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung unter Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Gegenstand des Verfahrens war.

Ende der Entscheidung

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