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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.02.2006
Aktenzeichen: 14 (12) Sa 1338/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
1. Gibt ein städtischer Bediensteter in seiner Freizeit in einer Vielzahl von Fällen Drogen an Minderjährige ab und richtet auf seinem Grundstück eine Art Drogentreff ein und wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt, stellt dies einen Grund für eine fristlose Kündigung dar.

2. In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, auf den Freigängerstatus des Arbeitnehmers hinzuwirken und erst nach Scheitern solcher Bemühungen die Kündigung auszusprechen.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 09.08.2005 - 6 Ca 562/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die fristlose Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte.

Der Kläger ist 1961 geboren, verheiratet und hat 1 minderjähriges Kind.

Bei der Beklagten ist er seit dem 17.08.1987 zuletzt als Gärtner beschäftigt gewesen. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach § 2 des Arbeitsvertrages (Bl. 8 d.A.) die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) Anwendung. Am 18.03.2004 wurde der Kläger an seinem Arbeitsplatz festgenommen; die Untersuchungshaft dauerte bis zum 23.05.2004.

Durch Strafurteil des Amtsgerichts B A vom 17.06.2004 wurde der Kläger wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in 29 Fällen, jeweils tateinheitlich mit unerlaubter Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an Minderjährige und in 4 Fällen tateinheitlich wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten ohne Bewährung verurteilt (Strafurteil Bl. 34 ff. d.A.). Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein, nahm diese dann aber in der Berufungsverhandlung am 31.01.2005 zurück und informierte hierüber die Beklagte am 02.02.2005. Nach Anhörung des Gesamtpersonalrats und der Gleichstellungsstelle (Anhörungsschreiben Bl. 23 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09.02.2005. Hiergegen wehrte sich der Kläger mit der am 26.05.2005 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Der Kläger hielt die ausgesprochene Kündigung für rechtsunwirksam und machte geltend, es sei der Beklagten zumutbar gewesen, auf seine Beschäftigung im Freigängerstatus hinzuwirken und ihn sodann zu beschäftigen. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat die Ansicht vertreten, weder eine Überbrückung der Fehlzeiten des Klägers noch seine Beschäftigung im Freigängerstatus sei zumutbar.

Das Arbeitsgericht hat die Klage des Klägers abgewiesen. Auf das arbeitsgerichtliche Urteil (Bl. 55 ff. d.A.) wird Bezug genommen.

Mit der am 07.10.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung gegen das ihm am 20.09.2005 zugestellte Urteil verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter.

Er macht geltend, er habe bei der Beklagten keine herausragende Stellung gehabt, sondern sei nur als Gärtner tätig gewesen. Von daher sei für die Beklagte kein Ansehensverlust zu befürchten gewesen, der ihr durch die Weiterbeschäftigung des Klägers habe entstehen können, denn der Kläger sei nicht mit hoheitlichen Aufgaben betraut gewesen. Zu berücksichtigen sei, dass die strafrechtlich relevanten Taten in der Freizeit passiert seien, und nicht auf dem Stadtgebiet der Beklagten oder während oder bei Gelegenheit dienstlicher Arbeiten. Die Beklagte habe auch berücksichtigen müssen, dass der Kläger Ersttäter sei. Zudem sei das amtsgerichtliche Strafurteil insoweit von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, als es angenommen habe, der Kläger habe die Drogen beschafft. Tatsächlich seien die Drogen von Herrn Gärtner beschafft worden. Es sei die Pflicht der Beklagten an der Resozialisierung des Klägers mitzuwirken. Deshalb habe die Beklagte auch darauf hinwirken müssen, dass der Kläger den Freigängerstatus erhalte. Die Beklagte habe sich über diese Beschäftigung im Freigängerstatus Gedanken machen müssen und sei nicht berechtigt gewesen, diese Möglichkeit von vorneherein auszuschießen.

Auf eine eventuelle Ungewissheit bezüglich der Straftaten und ihrer Ahndung könne sich die Beklagte nicht berufen, denn ihr sei bereits im Rahmen der Festnahme des Klägers am 18.03.2004 bekannt gewesen, dass dem Kläger gewichtige Straftaten im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen wurden.

Die Straftaten des Klägers seien auch nicht so schwerwiegend zu beurteilen, wie dies das Amtsgericht B N -A in seinem Urteil getan habe. Denn es sei zu berücksichtigen, dass Jugendliche - bedauerlicherweise - ohnehin Erfahrungen mit Drogen bekommen könnten und dass es sich bei Cannabis um eine vergleichsweise leicht zu beschaffende Droge handele. Schließlich sei die Anhörung des Personalsrats fehlerhaft, denn dem Personalrat sei zwar die Tatsache der Verurteilung eines Drogendeliktes mitgeteilt worden, nicht jedoch, dass es der Beklagten nicht zumutbar sei, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen.

Der Kläger beantragt,

das am 09.08.2005 verkündet Urteil des Arbeitsgerichts Bonn (6 Ca 562/05) abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 09.02.2005, zugestellt am 09.02.2005, aufgelöst wurde, sondern über den 09.02.2005 hinaus fortbesteht;

sowie die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziff. 1 für den Fall des Erhalts des Freigängerstatus zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, der durch die Drogendelikte verursachte Vertrauensschaden mache es der Beklagten unzumutbar, den Kläger weiter zu beschäftigen, weil es der Beklagten nicht zuzumuten sei, Mitarbeiter zu beschäftigen, die gegen die Grundsätze des Jugendschutzes verstoßen hätten. Die Beklagte bezieht sich auf den Pressebericht "Stadtgärtner versorgte Schüler mit Drogen" (Bl. 133 d.A.) und verweist darauf, dass die Bevölkerung kein Verständnis dafür haben würde, wenn jemand, der wegen mehrerer nicht unerheblicher Drogendelikte verurteilt worden sei, in den Grünanlagen der Beklagte weiterhin tätig werden dürfte und so zumindest theoretisch Einfluss auf sich dort aufhaltende Jugendliche nehmen könne. Entgegen der Annahme der Klägerseite habe sich die Beklagte sehr wohl Gedanken über die Folgen eines Freigängerstatus für den Kläger gemacht, sei aber zum Ergebnis gekommen, dieses abzulehnen. Keine Berücksichtigung im Berufungsverfahren dürfe finden, dass der Kläger nunmehr erstmalig und anders als in der ersten Instanz bestreite, die Drogen den Jugendlichen zur Verfügung gestellt zu haben.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im zweiten Rechtszug zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die fristlose Kündigung der Beklagtenseite rechtswirksam aufgelöst worden.

1. Ein ausreichender Kündigungsgrund gemäß § 626 Abs. 1 BGB liegt vor. Die hier gegebenen Straftaten sind an sich geeignet, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Sie stellen einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar, der es der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der Interessen beider Seiten unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis noch bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist fortdauern zu lassen.

a. Nach der Rechtssprechung ist anerkannt, dass eine außerdienstliche Straftat von erheblichem Gewicht, die zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses führt, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann (s. BAG Urteil vom 8. Juni 2000, Az: 2 AZR 638/99 - NZA 2000, Seite 1282 ff.). Dabei sind an die Verhaltenspflichten eines im öffentlichen Dienst beschäftigten Mitarbeiters besondere Anforderungen zu stellen. Er hat, wie auch aus den einschlägigen Tarifnormen ersichtlich ist, sich auch außerdienstlich stets so zu verhalten, wie dies von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werden kann. Er muss auch außerdienstlich darauf achten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird. Zwar besteht insoweit das Recht das Privatleben so zu gestalten, wie es dem Einzelnen beliebt. Jedoch hat der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes auch außerhalb des Dienstes die Rechtsordnung zu wahren, (s. BAG Urteil vom 21. Juni 2001, Az: 2 AZR 325/00, NZA 2002, Seite 1030 ff.). Grund hierfür ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtstreue und in die Rechtschaffenheit des öffentlichen Dienstes. Der öffentliche Dienst erfüllt grundlegende Schutzaufgaben für die Bevölkerung und hat für sie die dienende Funktion. Er kann diese Aufgaben nur auf der Basis eines entsprechenden Ansehens und Vertrauens der Bevölkerung erfüllen. Dies wäre beeinträchtigt, wenn der öffentliche Dienst Mitarbeiter weiterbeschäftigen müsste, die in gravierender strafrechtlicher Weise die Schutzinteressen, für die der öffentliche Dienst zuständig ist, konterkariert haben. Andernfalls unterläge der Staat in Gefahr, bei der Erfüllung seiner Schutzaufgaben unglaubwürdig zu werden, (s. BAG Urteil vom 8. Juni 2000, Az: 2 AZR 638/99, NZA 2000, Seite 1282 ff. unter I 2. b der Gründe). Der öffentliche Dienst geriete sonst in den Verdacht, die Schutzaufgabe nicht ernst zu nehmen, weil er Mitarbeiter beschäftigt, die in ihrem Privatleben das Gegenteil der Schutzaufgaben praktizieren und damit das Schutzanliegen ad absurdum führen.

b. Die hier vorliegenden Straftaten stellen einen solchen gravierenden Fall dar. Der Kläger hat in 29 Fällen Betäubungsmittel an Minderjährige abgegeben. Damit hat er in eklatanter Weise den Schutzaufgaben der Beklagten, die diese im Bereich des Jugend-, Minderjährigen- und Gesundheitsschutzes hat, zuwider gehandelt. Mit Recht hat bereits das Arbeitsgericht hervorgehoben, dass dem Schutz von Minderjährigen eine besondere Bedeutung zukommt. Zusammen mit dem Jugendschutz und dem Schutz von Gesundheitsgefahren stellen sie eine wichtige Schutzaufgabe der Beklagten dar. Für wie wichtig diese Schutzaufgabe von der Rechtsordnung gehalten wird, zeigt sich an der Strafandrohung, die für Straftaten der vorliegenden Art gilt. Nach § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG wird mit Freiheitsstrafen nicht unter 1 Jahr bestraft, wer Betäubungsmittel an Minderjährige abgibt. Ein solches Delikt wird von der Rechtsordnung also als Verbrechen gemäß § 12 StGB und nicht mehr nur als Vergehen angesehen. Bereits deshalb kommt es im vorliegenden Fall auf den Status und die konkrete Dienstaufgabe des Klägers bei der Beklagten nicht an. Es liegt im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen Grundpflichten des öffentlichen Dienstes vor, die jeden Mitarbeiter unabhängig von seiner konkreten Arbeitsaufgabe treffen und die er beachten muss, um das Ansehen seines Arbeitgebers bei der Erfüllung der Schutzaufgaben nicht zu beeinträchtigen.

c. Soweit die Klägerseite geltend macht, die Arbeitsgerichtsbarkeit sei an die Feststellungen des Strafgerichts nicht gebunden, ist dies zwar richtig, führt aber nicht zu einer für den Kläger günstigeren Beurteilung im vorliegenden Fall. Zu Lasten des Klägers ist hier zunächst die Häufigkeit der strafrechtlichen Verstöße zu berücksichtigen. Der Kläger hat nicht nur einmal oder wenige Male Betäubungsmittel an Minderjährige abgegeben, sondern in einer Vielzahl von Fällen. Belastend ist des weiteren, dass die Rauschmittel an sehr junge Minderjährige abgegeben wurden, die zum Teil gerade erst 15 Jahre alt waren, wie das strafgerichtliche Urteil feststellt. Belastend ist ferner, dass es sich - auch diese Feststellung des strafgerichtlichen Urteils hat der Kläger nicht angegriffen - um Minderjährige handelte, die bisher nicht drogenerfahren waren. Es muss also festgehalten werden, dass der Kläger durch sein Verhalten die Jugendlichen erst an Rauschmittel herangeführt hat. Deshalb kann der Kläger auch nicht mit dem Einwand gehört werden, es bestehe bei Jugendlichen ohnehin die Gefahr, dass sie mit Drogen in Kontakt kämen. Bei den hier betroffenen Jugendlichen hatte sich diese Gefahr bisher gerade nicht realisiert, vielmehr hat der Kläger durch sein Verhalten die Initiative dafür ergriffen, dass die Jugendlichen in Kontakt mit Rauschmitteln kamen. Soweit der Kläger in tatbestandlicher Hinsicht das strafgerichtliche Urteil angreift und geltend macht, er habe die Drogen nicht beschafft, dies habe vielmehr Herr G getan, kann dahinstehen, ob dieser erstmals in der zweiten Instanz vorgebrachte Vortrag zutreffend ist. Denn nach Auffassung der Kammer ist entscheidend für den Unrechtsgehalt und damit die Ansehensbeeinträchtigung der Beklagten, dass der Kläger die Rauschmittel an die Minderjährigen abgegeben hat und sie damit zum Erstkonsum von Drogen verleitet hat. Besonders erschwerend wertet es die Kammer, dass der Kläger dadurch, dass der Drogenkonsum auf seinem Hausgrundstück im hinteren abgelegenen Teil des Gartens in einer Grillhütte stattfand, überhaupt erst den Raum dafür geschaffen hat, dass die Minderjährigen Drogen konsumieren konnten. Er hat damit eine Räumlichkeit und eine Atmosphäre geschaffen, in der sich die Minderjährigen frei von Beobachtungen durch Außenstehende fühlten. Damit war die möglicherweise bestehende Hemmschwelle, Drogen zu konsumieren, deutlich herabgesetzt. Wie den Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils zu entnehmen ist, die der Kläger auch nicht angegriffen hat, ist durch das Verhalten des Klägers auf dem Grundstück des Klägers eine Art Freizeittreff für Jugendliche etabliert worden, bei dem jeweils die Drogen, nicht nur Cannabis sondern auch Alkohol gemeinsam konsumiert wurden. Letztlich hat der Kläger damit einen räumlich abgelegenen Drogentreff für Jugendliche herbeigeführt, der zu der Vielzahl der Straftaten geführt hat, wegen derer der Kläger verurteilt worden ist. Der Kläger hat damit das initiiert und gefördert, was eine verantwortungsvolle Drogenprävention als öffentliche Schutzaufgabe gerade zu verhindern sucht.

d. Der Kläger kann nicht mit dem Argument durchdringen, die Beklagte habe auf seinen Freigängerstatus hinwirken müssen und aus diesem Grund auf eine Kündigung verzichten müssen. Zwar ist anerkannt, dass ein Arbeitgeber, der wegen einer längeren Strafhaft des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis kündigt, sich je nach den Umständen des Einzelfalls auch um eine solche Überbrückungsmöglichkeit Gedanken machen muss. Dies gilt jedoch nur, wenn die Strafhaft selbst und nicht die zugrundeliegenden Straftaten der Kündigungsgrund sind. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu festgestellt, dass dann, wenn die der Strafhaft des Arbeitnehmers zugrundeliegenden Tat keinen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat, dass sie selbst als - in der Regel - verhaltensbedingter Kündigungsgrund in Betracht kommt, sondern nur der Ausfall der Arbeitsleistung der Kündigungsgrund ist, der Arbeitgeber in den Grenzen des zumutbaren gehalten sein kann, an der Erlangung des Freigängerstatus mitzuwirken, um dem Arbeitnehmer die vertragliche Arbeitsleistung zu ermöglichen (s. BAG Urteil vom 9. März 1995, Az: 2 AZR 497/94, NZA 1995, Seite 777 ff.). Dies gilt damit für jene Fälle, in denen die Kündigung vor allem aus dem Grund heraus erfolgt, dass der Arbeitnehmer wegen der Strafhaft seine Arbeitspflichten nicht erfüllen kann und insoweit ein personenbedingter Kündigungsgrund in Betracht kommt. Eine Verpflichtung, auf den Freigängerstatus hinzuwirken, besteht hingegen wie die vorgenannte Entscheidung deutlich macht, nicht, wenn die zugrundeliegende Straftat bereits einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellt. So liegen die Dinge hier, denn die Beklagte hat - zu Recht - ihre Kündigung, wie schon das Kündigungsschreiben ausweist, auf das Verhalten des Klägers, das zur strafrechtlichen Verurteilung geführt hat ("Drogendelikt mit Minderjährigen") gestützt und im Kündigungsschreiben bereits geltend gemacht, es sei ihr nicht zuzumuten, den Kläger auch nur bis zum Haftantritt weiter zu beschäftigen. Nur wenn die der Haft zugrundeliegenden Straftaten keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis gehabt hätten, wäre auf der Basis der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers eine Mitwirkung zur Erlangung des Freigängerstatus denkbar, (s. Ascheid/Preiss/Schmitt Kündigungsrecht, 2. Auflage, § 626 BGB, Rz. 317).

e. Der Kläger kann schließlich nicht geltend machen, die Beklagte habe im Februar 2005 nicht mehr kündigen dürfen, nachdem ihr seit März 2004 die Straftaten bekannt gewesen seien und sie in der Zwischenzeit von einer Kündigung abgesehen habe und sich deshalb jetzt nicht mehr auf die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung berufen könne. Es kann der Beklagten im Hinblick auf die Unschuldsvermutung nicht vorgehalten werden, dass sie zugunsten des Klägers mit der Kündigung abgewartet hat, bis eine strafgerichtliche Verurteilung erfolgte und diese rechtskräftig wurde. Diese zugunsten des Klägers vorgenommene Verfahrensweise stellte sicher, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz erst verlor, als rechtskräftige Feststellungen zu den Straftaten und zur Schuld des Klägers vorlagen.

f. Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung ergab kein für den Kläger günstigeres Ergebnis. Zwar ist zugunsten des Klägers seine lange Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, ebenso sein legitimes Interesse an Resozialisierung. Demgegenüber stehen auf der anderen Seite die Schwere und vor allem die Häufigkeit der Straftaten des Klägers sowie der Umstand, dass der Kläger durch sein Verhalten dem Drogenkonsum von Drogen unerfahrenen Minderjährigen erst Raum gegeben hat. Das daraus resultierende Interesse der Beklagten, eine Ansehensschädigung zu vermeiden, überwog nach Auffassung der Kammer und schloss es auch aus, den Kläger statt einer fristlosen Kündigung mit unmittelbarer Beendigung eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist, (vgl. BAG Urteil vom 21. Juni 2001, Az: 2 AZR 325/00, NZA 2002, Seite 1030 ff.) zuzubilligen.

2. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt, da die Beklagte innerhalb von 2 Wochen nach Bekannt werden der Rechtskraft des strafgerichtlichen Urteils die Kündigung ausgesprochen hat.

3. Die Anhörung des Gesamtpersonalrats ist ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere hatte die Beklagte ausreichend deutlich gemacht, dass sie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für unzumutbar hielt, wie sich aus dem Anhörungsschreiben (Bl. 23 d.A.), in dem die Beklagte ausführt, das Arbeitsverhältnis wegen eines Drogendeliktes mit Minderjährigen außerordentlich kündigen zu wollen.

Nach allem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen, insbesondere angesichts der Klärung der Rechtsfragen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vorlag.

Ende der Entscheidung

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