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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 27.03.2006
Aktenzeichen: 14 (9) Sa 1335/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 398
BGB § 399
1. Eine Gehaltsabtretung, die zu einer Übersicherung des Kreditgebers führt, ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung rechtsunwirksam.

2. Eine Gehaltsabtretung erfasst mangels ausdrücklicher Festlegung nicht Abfindungsansprüche des Arbeitnehmers.

3. Ein tarifliches Abtretungsverbot erfasst alle Ansprüche, die nach Inkrafttreten des Tarifvertrages entstehen und fällig werden.


Tenor:

1. Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Lohn- und Gehaltsabtretung im Hinblick auf einen Arbeitnehmerabfindungsanspruch.

Der Arbeitnehmer L D war bei der Beklagten seit September 1978 beschäftigt. Bei der Rechtsvorgängerin der Kläger nahm der Arbeitnehmer L D einen Kredit zusammen mit seiner Ehefrau auf und unterzeichnete am 11.07.1991 eine Gehaltsabtretung (Bl. 9 d. A.).

Bei der Beklagte trat am 01.05.1994 der Tarifvertrag Nr. 444 in Kraft, der in § 14 Abs. 11 (Bl. 26 d. A.) festlegte:

"Der Anspruch auf die Abfindung kann nicht abgetreten oder verpfändet werden; er ist vererblich."

Mit Schreiben vom 27.05.1994 wurde die Lohn- und Gehaltsabtretung gegenüber der Beklagten angezeigt und offen gelegt.

Im Juni 2002 schied der Arbeitnehmer D aufgrund eines Aufhebungsvertrages, der die Zahlung einer Abfindung von 6.900,00 € netto vorsah, aus den Diensten der Beklagten aus.

Diesen Abfindungsbetrag verlangte die Klägerin von der Beklagten mit der Klage unter Berufung auf die Lohn- und Gehaltsabtretung.

Die Beklagte verweigerte die Zahlung unter Berufung auf das tarifvertraglich geltende Abfindungsverbot.

Das Arbeitsgericht hat das tarifliche Abfindungsverbot für wirksam gehalten und die Klage durch am 19.08.2005 verkündetes Urteil abgewiesen (Bl. 45 bis 51 d. A.). Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung und trägt vor, die zeitlich frühere Lohn- und Gehaltsabtretung könne nicht durch einen später in Kraft getretenen Tarifvertrag mit einem Abfindungsverbot konterkariert werden. Eine solche nachträgliche kollektivrechtliche Vereinbarung greife in unzulässiger Weise in das Recht des Arbeitnehmers ein, über seine Entgeltansprüche individualrechtliche Vereinbarung zu treffen. Deshalb sei die zeitlich frühere Abtretung von dem späteren tarifvertraglich in Kraft gesetzten Abtretungsverbot nicht erfasst. Mit dem später vereinbarten Abtretungsverbot habe die Klägerin auch nicht rechnen müssen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 19.08.2005 - 7 Ca 3204/04 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.900,00 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das tarifvertragliche Abtretungsverbot sei wirksam. Die Beklagte habe auch ein berechtigtes Interesse an einem solchen Abtretungsverbot, um die finanzielle Abwicklung zu erleichtern.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze im Berufungsverfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

I. Es bestehen bereits durchgreifende Zweifel, ob die hier streitgegenständliche Lohn- und Gehaltsabtretung überhaupt rechtswirksam ist und aus ihr irgendwelche Rechte abgeleitet werden können. Denn eine formularmäßig erklärte Lohn- und Gehaltsabtretung war nach § 9 AGB-Gesetz (jetzt § 307 Abs. 1 S. 1 BGB) rechtsunwirksam, wenn sie zu einer übermäßigen Sicherung des Kreditgebers führte. Um den Vorwurf der Übersicherung zu entgehen, musste die Abtretung eine zeitliche und betragsmäßige Begrenzung enthalten und mittels einer Freigabeklausel und einer Bindung der Offenlegung der Abtretung an die geltenden Verbraucherschutzvorschriften dafür sorgen, dass der kreditnehmende Verbraucher nicht unangemessen benachteiligt wird (siehe BGH, Urteil vom 07.07.1992, NJW 1992, S. 2626; Erfurter Kommentar-Preis, 6. Aufl., § 611 BGB Rz. 582). Diesen Ansprüchen genügt die Lohn- und Gehaltsabtretung hier nicht. So hängt die Freigabe bei fortschreitender Tilgung von einem Verlangen der Darlehnsnehmer ab und erfolgt nicht automatisch. Die Abtretung kann bereits offen gelegt werden, wenn die Darlehnsnehmer mit einem Betrag in Höhe von zwei Raten in Verzug sind. Nach der gesetzlichen Verbraucherschutzregelung ist eine Kündigung nach § 498 BGB (vor der Schuldrechtsmodernisierung § 12 Verbraucherkreditgesetz) aber erst möglich, wenn nicht nur Verzug hinsichtlich zwei aufeinander folgender Teilzahlungen eingetreten ist, sondern auch der ausstehende Betrag einen Mindestprozentsatz der Gesamtkreditsumme erreicht und zusätzlich der Darlehnsnehmer eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrages verstreichen lässt. Insbesondere dass die Abtretung offen gelegt werden kann, ohne dass dem zuvor Darlehnsnehmer eine entsprechende Nachfrist mit entsprechendem Hinweis auf die sonst folgende Offenlegung gesetzt werden muss, führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Darlehnsnehmers.

II. Selbst wenn die Lohn- und Gehaltsabtretung rechtswirksam wäre, kann daraus nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass sie auch Abfindungsansprüche umfassen würde. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Pfändung von Lohn und Gehalt auch einen Abfindungsanspruch erfasst, weil der Wortlaut des § 850 Abs. 4 ZPO alle Vergütungen einbezieht, die dem Schuldner aus der Arbeits- oder Dienstleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart und weil dementsprechend der Wortlaut von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen sich auf Arbeitseinkommen bzw. auf Zahlung aller sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Bezüge gerichtet ist (siehe BAG, Urteil vom 13.11.1991 - 4 AZR 20/91 - NZA 1992, S. 381).

Dieser zur Pfändung ergangene Rechtsprechung ist aber nicht ohne Weiteres auf die Abtretung von Lohn- und Gehaltsansprüchen übertragbar. Ob eine solche Abtretung auch eine Abfindung ergreift, ist vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung festzustellen (siehe LAG Hamm, Urteil vom 16.01.1987 - 16 (11) Sa 1921/86 - zitiert nach Juris). Die vorliegende Lohn- und Gehaltsabtretung spricht lediglich von Lohn-, Gehalts-, Pensions- und sonstigen Entgeltansprüchen sowie von Provisions- und sonstigen Entgeltansprüchen. Abfindungen werden dort nicht genannt. Bei Abfindungen handelt es sich auch nicht um Entgeltansprüche. Eine Auslegung dieser Formularformulierung über den Wortlaut hinaus ist nicht möglich, zudem gehen Zweifel bei der Auslegung dieser allgemeinen Geschäftsbedingung gemäß § 305 c Abs. 2 BGB ohnehin zu Lasten der Klägerin.

III. Auf jeden Fall scheitert der Anspruch der Klägerin an dem tarifvertraglichen Abtretungsverbot für Abfindungen. Dabei kann dahinstehen, ob der Tarifvertrag aufgrund beiderseitiger Tarifbindung oder aufgrund der bei der Beklagten praktizierten Gleichstellungsabrede Geltung hat, die Klägerin hat nicht bestreiten können, dass die Beklagte die Gleichstellung für alle bei ihr beschäftigen Arbeitnehmer praktiziert. Auf einen zeitlichen Vorrang der Lohn- und Gehaltsabtretung vor der Inkraftsetzung des Tarifvertrages kann sich die Klägerin nicht berufen. Freilich wirkt das tarifvertragliche Abtretungsverbot erst für die Ansprüche, die nach dem Inkrafttreten des Abtretungsverbots entstehen und fällig werden. Denn wird ein Abtretungsverbot hinsichtlich zukünftiger Forderungen vereinbart, werden diese von einer früheren Vorausabtretung nicht erfasst (siehe BGH, Urteil vom 18.06.1980, NJW 1980, S. 2245; Palandt-Heinrichs, § 399 BGB, Rz. 8).

Der hier streitige Abfindungsanspruch ist jedoch erst durch die Aufhebungsvereinbarung im Jahre 2002 entstanden. Erst die Aufhebungsvereinbarung hat den Rechtsgrund für diese Abfindung geschaffen. Er wird daher vom Abtretungsverbot erfasst.

IV. Erfolglos beruft sich die Klägerin, wie schon das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, darauf, es bestehe dadurch die Gefahr, dass zu ihren Lasten Missbrauch getrieben werde. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das tarifvertraglich im Jahre 1994 vereinbarte Abtretungsverbot geschlossen worden wäre, um 8 Jahre später anlässlich der Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages die Klägerin als Gläubigerin zu benachteiligen. Im Übrigen muss der Klägerin, da es sich bei Lohn- und Gehaltsabtretungen um zukünftige Forderungen handelt, bewusst sein, dass sie ständig mit Änderungen zu rechnen hat, sei es, dass sich die gesetzlichen Verhältnisse verändern, z. B. durch Änderung der Pfändungsfreigrenzen, sei es, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse dadurch ändern, dass ihre Kreditnehmer die Arbeit verlieren oder in ein neues Arbeitsverhältnis wechseln, in dem ein Abtretungsverbot besteht oder eben durch einen Sachverhalt wie den hier vorliegenden, in dem ein später vereinbartes Abtretungsverbot die Abtretbarkeit künftiger Forderungen nicht mehr zulässt.

Das Urteil des Arbeitsgerichts hatte deshalb in vollem Umfang Bestand. Die Berufung war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen, insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 72 ArbGG, da es um die Anwendung der in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien auf einen Einzelfall ging.

Ende der Entscheidung

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