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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 10.12.2007
Aktenzeichen: 14 Sa 1108/07
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 823 As. 2
StGB § 263
1. Ein Schadensersatzanspruch eines Arbeitnehmers gegen den Insolvenzverwalter nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB kommt in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter dem Arbeitnehmer wider besseres Wissen vorspiegelt, der Betrieb werde definitiv geschlossen und ein Betriebsübergang sei ausgeschlossen, und hierdurch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages erreicht.

2. Ergibt sich die Möglichkeit einer Betriebsfortführung erst später, kann ein solcher Schadensersatzanspruch hingegen nicht eingreifen.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 19.07.2007 - 1 Ca 1346/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage von dem beklagten Insolvenzverwalter persönlich Schadensersatz wegen Prozessbetruges.

Der Kläger war seit dem 26.02.1991 als Servicetechniker bei der Firma R N G & C K Maschinen- und Apparatebau (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) beschäftig. Seit Mai 1992 war der Kläger einem schwer behinderten Menschen gleichgestellt.

Das Grundgehalt des Klägers betrug zuletzt 3.885,82 EUR.

Die Insolvenzschuldnerin selbst stellte am 01.07.2004 Insolvenzantrag. Am 06.07.2004 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 09.07.2004 gründete er mit dem Gesellschafter und Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin Herrn N und der Mitarbeiterin der Insolvenzschuldnerin Frau E A eine Firma Z M T G Messmaschinen (im Folgenden: Z M neu).

Am 20.07.2004 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts B (Bl. 41 f. d. A.) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Unter derselben Postanschrift wie die Insolvenzschuldnerin wurde ferner eine Firma Z M T G betrieben, deren Geschäftsgegenstand darauf gerichtet war, Mess- und Anreißmaschinen in Kooperation mit der Insolvenzschuldnerin zu vertreiben, die dabei auf das Personal der Insolvenzschuldnerin zurückgriff. Der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin Herrn N hielt 100 % der Gesellschaftsanteile dieses Unternehmens, Prokuristin war Frau E A . Über das Vermögen der Z M T G wurde ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet.

Auf einer Betriebsversammlung am 12.07.2004 verwies der Beklagte auf die anstehende Betriebsschließung und kündigte an, die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer kündigen zu wollen. Mit Schreiben vom 30.07.2004 (Bl. 46 f. d. A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.10.2004 und wies darauf hin, dass dem Kläger bekannt sei, dass der Betrieb geschlossen werden müsse. In dem vom Kläger daraufhin angestrengten Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht S (Aktenzeichen: 3 Ca 2929/04) trug die Prozessbevollmächtigte der Beklagten vor, der Beklagte habe beschlossen, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin stillzulegen, es würden nur noch Restaufträge abgewickelt. Daraufhin schlossen die Parteien folgenden Vergleich:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass alle bislang ausgesprochenen Kündigungen seitens des Beklagten bzw. seitens der Firma N G & C K gegenstandslos sind und das Arbeitsverhältnis der Parteien zur Zeit ungekündigt fortbesteht.

2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die bislang ausgesprochenen Abmahnungen gegenstandslos sind und aus der Personalakte des Klägers entfernt werden.

3. Die Parteien sind sich ferner darüber einig, dass der Kläger gegen eine noch von dem Beklagten auszusprechende ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses, die unter ordnungsgemäßer Beteiligung des Integrationsamtes erfolgt, nicht gerichtlich vorgehen wird.

4. Damit findet der Rechtsstreit 3 Ca 2929/04 sein Ende.

Der Beklagte beantragte daraufhin die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung und gab diesbezüglich an, er habe die Stilllegung des Betriebes beschlossen (Bl. 76 f. d. A.).

Nachdem das Integrationsamt seine Zustimmung zu dieser Kündigung erteilt hatte, sprach der Beklagte dem Kläger unter dem 30.09.2004 die ordentliche Kündigung zum 31.12.2004 aus (Bl. 81 ff. d. A.), unter Hinweis darauf, dass der Betrieb nicht fortgeführt werden könne. Am 02.12.2004 trat der Gläubigerausschuss der Insolvenzschuldnerin zusammen. Der Kläger war als Arbeitnehmervertreter Mitglied dieses Gläubigerausschusses und nahm an der Sitzung des Gläubigerausschusses vom 02.12.2004 teil. Ausweislich des Protokolls der Gläubigerausschusssitzung (Bl. 133 ff. d. A.) wurde unter Ziffer 5. das Thema Betriebsfortführung behandelt. In dem Protokoll heißt es: "Der Insolvenzverwalter erstattet einen Bericht über den Stand der Abwicklung des Insolvenzverfahrens und die bis heute anhaltende Betriebsfortführung."

Der Gläubigerausschuss stimmte einstimmig der Veräußerung des Geschäftsanteils der N K an der Z M neu an Frau E A zum Kaufpreis von 27.500,-- EUR zu. Der Entwurf eines Vertrages über die Veräußerung der Firmen N K und Z M alt an die Z M neu G wurde umfassend diskutiert. Der Gläubigerausschuss kam überein, vor abschließender Zustimmung noch verschiedene Einzelheiten klären zu lassen. In dem Protokoll der Sitzung des Gläubigerausschusses hieß es ferner:

"Vorab wird die Z M (neu) den Geschäftsbetrieb ab 01.12.2004 übernehmen. Dies bedeutet, dass die noch beschäftigten Arbeitnehmer, außer den Mitarbeitern aus dem Service, übernommen werden. Z M (neu) ist berechtigt, ab 01.12.2004 Umsätze zu fakturieren.

Dies gilt auch für Service-Aufträge. Insoweit wird die N K die Z M (neu) mit 95 % der Service-Umsätze - wie dies auch in der Vergangenheit mit Z M (alt) gehandhabt wurde - belasten. Die Z M (neu) wird den Anteil der N K an den Umsätzen umgehend nach Eingang der Zahlungen durch den Endkunden zur Auszahlung bringen."

Jedenfalls seit Dezember 2004 führte die Z M neu mit den Betriebsmitteln und einem Teil der früheren Belegschaft der Insolvenzschuldnerin in deren Betriebsräumen unter Übernahme des Kundenstamms einen Betrieb, der ebenso wie die Insolvenzschuldnerin die Herstellung von Messmaschinen zum Gegenstand hatte.

Unter dem 14.01.2005 unterbreitete die Firma H M (im Folgenden: H ) ein schriftliches Angebot zum Kauf des Geschäftsbetriebes der Insolvenzschuldnerin. In der anschließenden Sitzung des Gläubigerausschusses vom 24.01.2005 votierte der Kläger für die Annahme des Angebotes der Firma H , während die Mehrheit des Gläubigerausschusses einer Veräußerung an die Z M neu zustimmte. In dem Kaufvertrag (Bl. 128 ff. d. A.) heißt es u. a.:

"...

I.

...Z -M -Neu beabsichtigt, den Geschäftsbetrieb mit Ausnahme der selbständigen Service-Abteilung fortzuführen ...

Der Vertrag beinhaltet Regelungen bezüglich des Überganges der nicht zum Service-Bereich gehörenden Arbeitnehmer ....

VIII.

Stichtag für den Betriebsübergang ist der 1. Dezember 2004.

Die Vertragsschließenden gehen davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt die Arbeitsverhältnisse gemäß § 613 a BGB auf die Z -M -Neu übergehen..." (Bl. 119/123 d. A.).

Mit der am 22.05.2007 bei Gericht eingegangen Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Beklagte habe einen Prozessbetrug zu seinen Lasten begangen und schulde daher Schadensersatz in Höhe der zu erwartenden Regelabfindung. Der Beklagte habe bereits vor dem 01.12.2004 geplant, der neuen Firma des Herrn N das Geschäft der Insolvenzschuldnerin zu übertragen. Hätte der Kläger die wahren Umstände gekannt, hätte er nicht in den Vergleich vom 17.09.2004 eingewilligt. Wie aus den Parallelrechtsstreitigkeiten anderer Arbeitnehmer, die sich gegen ihre Kündigung gewehrt hätten und auf die sich der Kläger bezogen hat, hätte der Kläger voraussichtlich seinen Arbeitsplatz erhalten können und einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma Z M Neu geltend machen können. Durch den wahrheitswidrigen Vortrag, der Betrieb sei stillgelegt worden bzw. werde stillgelegt, habe der Beklagte den Kläger zum Abschluss des für ihn nachteiligen Vergleichs gebracht. Als Schaden stehe dem Kläger daher die üblicherweise im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs anfallende Abfindung in Höhe von mindestens einem halben Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr zu.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen an den Kläger 29.534,33 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.03.2007 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, die Z M Neu sei nur als Vorratsgesellschaft gegründet worden. Ab Juli 2007 sei nur noch eine Ausproduktion durchgeführt worden. Die Betriebsstilllegung habe sich als unausweichlich dargestellt. Dies habe sich erst am 10.11.2007 geändert, als Frau A und Herr N telefonisch dem Beklagten mitgeteilt hätten, dass sie an einer Fortführung des Unternehmens interessiert und die dafür notwendige Kreditgrundlage sichergestellt hätten.

Durch Urteil vom 19.07.2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass der Kläger bereits nicht dargelegt habe, dass sein Arbeitsverhältnis überhaupt auf die Firma Z M Neu übergegangen wäre. Zudem habe der Kläger nicht ausreichend dargelegt, dass der Beklagte bereits bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom 17.09.2004 geplant habe, eine Fortführung des Betriebes zu vereinbaren. Schließlich scheitere ein Anspruch daran, dass als Schadensersatz nicht eine Abfindung, sondern nur der Zustand verlangt werden könnte, der bestünde, wenn das schädigende Ereignis nicht stattgefunden hätte, so dass der Kläger allenfalls seine Weiterbeschäftigung, nicht jedoch eine Abfindung begehren könne.

Gegen dieses ihm am 06.08.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.09.2007 Berufung einlegen und diese am Montag, den 08.10.2007 begründen lassen.

Der Kläger trägt vor, zu Unrecht habe das Arbeitsgericht dem Kläger vorgehalten, er hätte sich auf einen Wiedereinsetzungs- und Fortsetzungsanspruch berufen können. Denn ein solcher Wiedereinstellungsanspruch knüpfe an den Tatbestand an, dass sich die in einer betriebsbedingten Kündigung enthaltene Prognose über den Wegfall des Arbeitsplatzes wider Erwarten nicht realisiert habe. Vorliegend habe der Vergleich hingegen eine endgültige Lösung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen sollen, unabhängig von der zukünftigen Entwicklung des Betriebes. Als der Kläger von der Täuschung erfahren habe, seien die Fristen für eine Anfechtung des Vergleichs und für eine nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage gemäß § 5 KSchG aber bereits abgelaufen gewesen.

Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht dem Kläger darüber hinaus vorgehalten, dass der Kläger nicht dargelegt habe, dass die Service-Abteilung, in welcher der Kläger beschäftigt war, vom Betriebsübergang mit erfasst gewesen sei. Zu berücksichtigen sei der nicht bestrittene erstinstanzliche Vortrag des Klägers, dass die Firma Z M Neu den gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin R N G & C K sowie der Z M T G ohne Veränderung der Geschäftsfelder fortgeführt habe. Der gesamte Betrieb sei durchgehend aufrecht erhalten worden. Es treffe nicht zu, dass die Firma Z M Neu keine Serviceleistungen erbringe oder erbracht habe. Beispielsweise sei Herr F B Mitarbeiter der Service-Abteilung gewesen und habe durchgehend Wartungsarbeiten durchgeführt. Dies ergäbe sich auch aus einer Reihe von Auftragsbestätigungen und Rechnungen zur Wartungsdurchführung und für Serviceleistungen. In diesem Zusammenhang sei es völlig unplausibel, dass der Beklagte von einem von Herrn N unterzeichneten Schreiben an einen Kunden vom 08.10.2004 nichts gewusst haben wolle. Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger eine bewusste wahrheitswidrige Täuschung nicht substantiiert dargelegt habe. Der Kläger habe eine ganze Reihe wichtiger Indizien dafür vorgetragen, die letztlich nur den Schluss zuließen, dass die Fortführung des Betriebes durch den ehemaligen Geschäftsführer Herrn N und dessen Prokuristin Frau A von vorneherein beabsichtigt gewesen sei.

In diesem Zusammenhang sei auch zu würdigen, dass der Beklagte unter Verstoß gegen die Insolvenzordnung den Verkauf des Betriebes an Herrn N und Frau A nur im Gläubigerausschuss habe behandeln lassen, aber nicht die notwendige Zustimmung der Gläubigerversammlung eingeholt habe.

Hinsichtlich der Anspruchshöhe dürften die Anforderungen nicht überspannt werden. Die Höhe der zu erwartenden Abfindung sei gegebenenfalls unter Anwendung des § 287 ZPO zu schätzen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 19.07.2007, Aktenzeichen 1 Ca 1346/07 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 29.534,33 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.03.2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte bestreitet, eine bewusst wahrheitswidrige Täuschung des Klägers begangen zu haben. Die Gründung der Vorratsgesellschaft am 09.07.2004 sei keineswegs ungewöhnlich, sondern werde in Insolvenzverfahren häufiger praktiziert, um für den Fall, dass wider Erwarten doch eine Betriebsveräußerung möglich sei, gerüstet zu sein. Erstmals am 10.11.2004 habe Frau A wieder Übernahmeinteresse geäußert. Im Übrigen würden die Ausführungen des Klägers zum Schaden bestritten. Bei Erfolg seines Begehrens hätte der Kläger nur damit rechnen können, weiter beschäftigt zu werden. Schon angesichts des geradezu feindschaftlichen Verhältnisses zwischen dem Kläger einerseits und Frau A und Herrn N andererseits sei es unwahrscheinlich, das Letztere bereit gewesen wären, dem Kläger eine Abfindung zu zahlen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage des Klägers abgewiesen.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 64 ArbGG. Sie ist auch

fristgerecht eingelegt und fristgerecht begründet worden. Die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist ist ausgehend von der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 06.08.2007 durch die am Montag, den 08.10.2007 eingegangene Berufungsbegründungsschrift deshalb gewahrt, weil das Ende der Berufungsfrist auf einen Samstag, den 06.08.2007 fiel, so dass gemäß § 193 BGB die Einreichung der Berufungsbegründungsschrift am Montag, den 08.10.2007 noch ausreichend war.

II. In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht einen Anspruch des Klägers aus den allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen § 823 Abs.2 BGB i. V. mit § 263 StGB sowie § 826 BGB verneint.

1. a. Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 i. V. mit § 263 StGB besteht nicht. Es mangelt bereits an einer vorsätzlichen wahrheitswidrigen Täuschung durch den Beklagten. Der Klägerseite ist allerdings zuzugeben, dass es eine Reihe von Indizien gibt, die dafür sprechen, dass der Geschäftsführer und Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin Herr N und Frau A von Beginn des Insolvenzverfahrens an versucht haben, eine Fortführungslösung, gegebenenfalls auch in beschränktem Umfang, zu erreichen. Nicht zuletzt hat der Gesellschafter und Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin Herr N dies in dem Kündigungsschutzverfahren vor dem Landesarbeitsgericht, Aktenzeichen 14 (13) Sa 1359/05 im Verhandlungstermin vor dem Landesarbeitsgericht am 30.01.2006 bekundet. Auch die Korrespondenz mit Kunden im weiteren Verlauf sowie das Auftreten von Herrn N und Frau A mögen für diesen Eindruck sprechen. Von einer vorsätzlichen und wahrheitswidrigen Täuschung des Klägers könnte jedoch nur ausgegangen werden, wenn zum einen bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs am 17.09.2004 sicher festgestanden hätte, dass es zu einer solchen Fortführung kommen würde, und zum anderen feststünde, dass der Beklagte bei Vergleichsabschluss am 17.9.2004 positive und sichere Kenntnis davon gehabt hätte, dass eine solche Betriebsfortführung zustande kommen und die Betriebsstilllegung abgewendet werden könnte. Von beidem kann jedoch nicht ausgegangen werden. Zwar ist in Rechnung zu stellen, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung der Beschluss, den Betrieb stillzulegen, noch nicht endgültig war (siehe dazu LAG Köln, Urteil vom 30.01.2006, Aktenzeichen 14 (13) Sa 1359/05).

Andererseits gibt es aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gegenteil - nämlich die Betriebsübernahme und Betriebsfortführung - bei Ausspruch der Kündigung oder im September 2004 schon sicher gewesen wäre. Zugunsten des Klägers kann allenfalls angenommen werden, dass es vor und auch nach Ausspruch der Kündigung fortdauernde Versuche gab, eine Betriebsfortführungslösung zu erreichen. Daraus könnte aber nur dann eine vorsätzliche wahrheitswidrige Täuschungshandlung abgeleitet werden, wenn bis zum 17.09.2004 schon sicher und definitiv festgestanden hätte, dass eine Fortführungslösung zustande kommen würde. Für eine solche Sicherheit ist jedoch nichts ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass Herr N und Frau A bereits im September eine ausreichende Kreditgrundlage für die Übernahme beschafft hätten und dass der Beklagte dies gewusst hätte. Vielmehr hat sich diese Kreditgrundlage, die Bedingung zur Weiterführung war, nach den Bekundungen des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 10.12.2007 erst im November 2004 ergeben, als sich Frau A bei dem Beklagten gemeldet habe und eine gesicherte Finanzierung in Bezug auf einen Kredit der Raiffeisenbank und eine a-Kontozahlung eines Kunden aus dem Iran angeführt habe. Dem hat der Kläger nicht widersprechen können insbesondere nicht darlegen können, dass diese Kreditgrundlage bereits im September 2004 zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses vorhanden und dem Beklagten bekannt gewesen wäre. Von einer Sicherheit des Zustandekommens der Betriebsübernahme konnte der Beklagte zudem deshalb nicht ausgehen, weil ohnehin dafür die Zustimmung des Gläubigerausschusses notwendig war und die Entscheidungsfindung im Gläubigerausschuss belegt, dass tatsächlich die Zustimmung erst nach Erfüllung weiterer Prüfaufträge erteilt worden ist.

Von einer vorsätzlichen wahrheitswidrigen Täuschung durch den Beklagten im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses am 17.09.2004 kann daher nicht ausgegangen werden.

b. Zu Recht hat das Arbeitsgericht einen auf einen Abfindungsanspruch gerichteten Schadensersatzanspruch unabhängig vom Vorstehenden auch deshalb verneint, weil dies nicht der durch das angebliche schädigende Ereignis herbeigeführte Schaden gemäß § 249 BGB ist. Nach § 249 Abs. 1 BGB richtet sich der Schadensersatzanspruch darauf, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dies bedeutet, dass der Zustand hergestellt werden muss, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde (siehe Palandt, BGB 66. Auflage 2007, § 249, Rz. 2 ff.).

Ohne das schädigende Ereignis - die angebliche Täuschung des Klägers durch den Beklagten am 17.09.2004 - wäre der vom Kläger betriebene Kündigungsschutzprozess nicht durch den geschlossenen Vergleich, der letztlich eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses beinhaltete, beendet sondern fortgesetzt worden. Unterstellt man für den Kläger einen günstigen Verlauf, weil er sich erfolgreich auf einen Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB berufen hätte, hätte er in jenem Kündigungsschutzverfahren in zweiter Instanz ebenso obsiegt, wie dies anderen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin gelungen ist, beispielsweise der Arbeitnehmerin in dem Verfahren Landesarbeitsgericht Köln, 5 (10) Sa 660/05, Urteil vom 21.07.2005 sowie dem Kündigungsschutzverfahren des Arbeitnehmers Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 30.01.2006, 14 (13) Sa 1359/05. Der Grundsatz der Naturalrestitution hätte dazu geführt, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz erhalten hätte. Darin besteht auch der Wert des Arbeitsplatzes, nämlich die Gelegenheit, durch die Erbringung einer Arbeitsleistung eine Gegenleistung, nämlich die Arbeitsvergütung zu erzielen. Einen Abfindungsanspruch hätte der Kläger hingegen bei Fortführung des Prozesses nicht erwerben können. Ein gesetzlicher Abfindungsanspruch wäre nur gemäß § 9 KSchG möglich gewesen; die Voraussetzungen dafür wären jedoch, denkt man sich das schädigende Ereignis weg, ersichtlich nicht gegeben gewesen. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass andere Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin eine Abfindung erhalten hätten. Dem Ansatz des Klägers könnte nur gefolgt werden, wenn es eine generelle Übung gegeben hätte, alle Arbeitnehmer, die ihre Kündigungsschutzklage fortführen, im Rahmen der jeweiligen Klageverfahren mit einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu lassen. Solche gerichtlichen Vergleiche sind aber gerade in den oben angeführten Urteilsverfahren weder in der ersten Instanz noch in der Berufungsinstanz zustande gekommen.

Auch ein Sozialplan für alle Arbeitnehmer, der eine generelle Abfindungsübung begründen könnte, ist nicht geschlossen worden, so dass sich auch insoweit nicht die Annahme begründen lässt, der Beklagte habe stets eine Abfindung bezahlt. Gegen die generelle Annahme einer Abfindungszahlung spricht zudem, dass der Betrieb der Insolvenzschuldnerin tatsächlich mit einem Teil der Belegschaft fortgeführt worden ist.

Soweit einzelnen Arbeitnehmern tatsächlich eine Abfindung gezahlt worden ist, hat dies offenkundig nicht auf einer generellen Handlungsweise beruht; zudem sind Teile der Belegschaft in die Betriebsübernehmerin übernommen und damit gerade nicht abgefunden worden. Da keine generelle Regelung, denjenigen, die ihren Kündigungsschutzprozess fortführen, eine Abfindung zu zahlen, festgestellt werden kann, ist eine Anwendung des § 287 ZPO im Sinne eine Schadensschätzung nicht möglich, denn es fehlt die tatsächliche Grundlage dafür, im vorliegenden Fall eine gewünschte Abfindung als eingetretenen Schaden zu bewerten. Ohne das vom Kläger angeführte schädigende Ereignis hätte nur der Rechtsanspruch auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als gemäß § 249 BGB ersatzfähiger Schaden geltend gemacht werden können.

c. Unabhängig vom Vorstehenden scheitert ein möglicher Schadensersatzanspruch des Klägers schließlich an einem überwiegenden Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 Abs. 2 BGB. Gemäß § 254 Abs. 2 BGB kann ein den Schadensersatzanspruch ausschließendes Mitverschulden auch dann vorliegen, wenn der Geschädigte es unterlassen hat, den Schaden abzuwenden. Der Schaden, der für den Kläger in dem Verlust des Arbeitsplatzes bestand, hätte durch rechtzeitige Schadensabwendungsmaßnahmen verhindert werden können. Wenn der Kläger rechtzeitig gegen den nach seiner Ansicht durch wahrheitswidrige Täuschung zustandegekommenen Vergleich vorgegangen wäre, hätte er seinen Arbeitsplatz erhalten können.

Unterstellt man an dieser Stelle zugunsten des Klägers, dass er tatsächlich bei Abschluss des Vergleichs am 17.09.2004 wahrheitswidrig darüber getäuscht worden ist, dass tatsächlich von Anfang an keine Betriebsstilllegung beabsichtigt war, so hätte der Kläger den dadurch zustande kommenden Vergleich gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung anfechten können. Zugleich hätte er gegen die nachfolgend ausgesprochene Kündigung vom 30.09.2004 Kündigungsschutzklage erheben und deren nachträgliche Zulassung gemäß § 5 KSchG beantragen können. Die Anfechtungsfrist beträgt gemäß § 124 Abs. 1 BGB 1 Jahr. Die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage hätte spätestens innerhalb von 6 Monaten gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 KSchG gestellt werden müssen. Beide Fristen hätte der Kläger einhalten können.

Denn er hatte spätestens nach der Sitzung des Gläubigerausschusses vom 02.12.2004 an der er teilgenommen hatte, Kenntnis davon, dass jedenfalls ab dem 02.12.2004 ein Betriebsübergang geplant war. Als Mitglied des Gläubigerausschusses hatte der Kläger zugestimmt, dass die Z M Neu ab dem 01.12.2004 den Geschäftsbetrieb übernehmen werde. Der Kläger kann in diesem Zusammenhang nicht damit gehört werden, dass er davon ausgegangen sei, dass der Bereich Service, dem er angehörte, nicht übernommen werde. Denn der Kläger hat geltend gemacht, dass der Beklagte auf der Betriebsversammlung im Juli 2004 und auch später, sowohl in seinem Kündigungsschutzverfahren als auch beim Integrationsamt angegeben habe, dass der gesamte Betrieb stillgelegt werde. Dass jedenfalls dies nicht mehr der Realität im Dezember 2004 entsprach, ließ sich den Erörterungen im Gläubigerausschuss unmittelbar entnehmen. Wenn der Kläger, wie er vorträgt, auf die Richtigkeit der Aussage des Beklagten im September 2004 vertraut habe, der gesamte Betrieb werde stillgelegt, so wusste er jedenfalls anlässlich der Beratungen des Gläubigerausschusses am 01.02.2004, dass dies nicht zutreffend war. Aus der Perspektive des Klägers musste die Unrichtigkeit der früheren Angaben des Beklagten daher am 02.12.2004 feststehen.

Dem entspricht es im Übrigen auch, dass der Kläger erstinstanzlich und zweitinstanzlich vorgetragen hat, es sei eine durchgehende Betriebsfortführung inklusive des Servicebereichs erfolgt. Nicht zuletzt hat der Kläger selbst die Passage im Protokoll der Versammlung des Gläubigerausschusses vom 02.12.2004 hervorgehoben, in der über eine "bis heute anhaltende Betriebsfortführung" berichtet wird. Eine fristgerechte Anfechtung und ein fristgerechter Antrag auf nachträgliche Klagezulassung gemäß § 5 KSchG wären zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen. Diese Anstrengungen hätte der Kläger jedoch unternehmen müssen, um sich seinen Arbeitsplatz zu erhalten. Denn wenn ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang aufgrund eines Aufhebungsvertrages ausgeschieden ist, ist Voraussetzung für die Wiedererlangung des Arbeitsplatzes, dass die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages beseitigt wird (siehe BAG, Urteil vom 23.11.2006, 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866 ff., 868 und insbesondere Leitsatz 5). Es handelt sich dabei um eine nahe liegende und unabdingbare rechtliche Vorgehensweise, um den Verlust des Arbeitsplatzes anlässlich der Betriebsübernahme abzuwenden.

Anerkannt ist, dass er Geschädigte zumutbare Möglichkeiten der rechtlichen Gegenwehr ergreifen muss, um den Eintritt eines Schadens abzuwenden (siehe BGH, Urteil vom 12.03.1990 - II ZR 179/89 - , NJW 1990, Seite 2877; BGH, Urteil vom 20.02.2003 - IX ZR 384/99 - , NJW RR 2003, Seite 931 ff.; Palandt, BGB 66. Auflage 2007, § 254, Rz. 46 f.).

Im vorliegenden Fall war es zumutbar und zugleich notwendig, für den Erhalt des Arbeitsplatzes den gerichtlichen Vergleich anzufechten und die nachträgliche Zulassung der Klage gemäß § 5 KSchG zu begehren. Dies ist jedoch trotz Kenntnis des Klägers am 02.12.2004 nicht geschehen.

Dieses Mitverschulden des Klägers schließt einen etwaigen Schadensersatzanspruch von vorneherein aus. Bei der Bewertung des Mitverschuldens ist gemäß § 254 Absatz 1 BGB der Anteil der Verursachung und in zweiter Linie das Maß des Verschuldens zu berücksichtigen. Hierzu ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass der mögliche Schaden - der Verlust des Arbeitsplatzes - vollständig vermieden worden wäre, wenn der Kläger die rechtlichen Möglichkeiten der Gegenwehr ergriffen hätte,. Angesichts dieses Verursachungsanteils ist eine Haftung gemäß § 254 Abs. 2 BGB ausgeschlossen.

2. Auf § 826 BGB kann der Kläger einen Schadensersatzanspruch ebenfalls nicht stützen. Wie bereits dargetan ist weder eine vorsätzliche wahrheitswidrige Täuschungs- und Schädigungshandlung des Beklagten gegeben, noch könnte die eingeklagte Abfindung als Schaden gemäß § 249 BGB anerkannt werden. Schließlich käme auch hier der Einwand des schadensausschließenden Mitverschuldens zum Tragen.

III. Nach allem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben, sondern musste kostenpflichtig gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte, sondern die Anwendung höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall betraf.

Ende der Entscheidung

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