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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 30.10.2006
Aktenzeichen: 14 Sa 158/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
1. An eine außerordentliche Kündigung bei ordentlicher Unkündbarkeit sind strenge Maßstäbe anzulegen (im Anschluss an BAG, Urteil vom 11.03.1999 - 2 AZR 427/08 - AP Nr. 150 zu § 626 BGB).

2. Eine solche außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn eine Patientenbetreuerin in einer Vielzahl von Fällen unter Gefährdung der Gesundheitsinteressen der Patienten ihre Arbeit nicht oder nachlässig verrichtet und insgesamt vier Abmahnungen zu keiner Besserung führen.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagtenseite wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.08.2005 - 17 Ca 7507/04 - abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz, nach dem ein zusätzlicher Streitpunkt zwischen den Parteien - die Erteilung eines Zwischenzeugnisses - durch die insoweit rechtskräftig gewordene erstinstanzliche Entscheidung erledigt ist, über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Die am 21.05.1959 geborene Klägerin war seit dem 02.01.1989 als Diplom Sozialarbeiterin für die Beklagte tätig.

Die Klägerin arbeitete im Sozialdienst der Beklagten, in dem insgesamt zwölf Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter tätig sind. Der Sozialdienst des beklagten Klinikums ergänzt die ärztliche und pflegerische Versorgung der Patienten bei persönlichen und sozialen Problemen im Zusammenhang mit behandelten Erkrankungen oder Behinderungen. Die jeweiligen Sozialarbeiter haben die Aufgabe, die Probleme der Patienten eigenverantwortlich aufzugreifen und zu einer angemessenen Lösung beizutragen. Hierzu gehört insbesondere, Pläne zur Rehabilitation und zur Reintegration aufzustellen, die Entlassung der Patienten vorzubereiten sowie die Nachsorge sicherzustellen. Eine wichtige Aufgabe besteht ferner darin, Hilfen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation, zur Pflege und Nachsorge sowie wirtschaftliche und hauswirtschaftliche Hilfen zu vermitteln. Dabei werden die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in verschiedenen Kliniken und Stationen eingesetzt. Hinsichtlich der Organisation von Rehabilitationsmaßnahmen haben die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bei krebskranken Patienten die Aufgabe, entsprechende Anträge direkt an die Rehabilitationskliniken zu stellen, dort Termine abzusprechen und die entsprechenden Zusagen einzuholen. Bei anderweitig erkrankten Patienten besteht die Aufgabe bei Rehabilitationsmaßnahmen darin, entsprechende Anträge an die Rentenversicherungsträger bzw. an die entsprechenden Krankenkassen zu stellen und dort die Zusagen zur Kostenübernahme einzuholen sowie Termine mit den Rehabilitationskliniken zu vereinbaren.

Bei der Beklagten existiert eine elektronische Zeiterfassung, wobei die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verpflichtet sind, ihre Arbeitszeit per elektronischer Erfassung zu dokumentieren. Die Klägerin war entsprechend der für sie geltenden Dienstvereinbarung zur Einhaltung einer Kernarbeitszeit zwischen 09:00 und 15:00 Uhr verpflichtet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist seit langem belastet.

Innerhalb des Zeitraums vom 12.06.2001 bis zum 29.06.2001 nahm die Klägerin an neun Tagen keine Einbuchung in das elektronische Zeiterfassungssystem vor. Zudem begann die Klägerin ihren Dienst am 25.06.2001 erst nach Beginn der Kernzeit um 09:24 Uhr. Die Beklagte gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme und erteilte der Klägerin, nachdem diese sich nicht geäußert hatte unter dem Datum vom 29.10.2001 (Anlage 5 des Anlagenkonvoluts) eine erste Abmahnung.

Mit Schreiben vom 31.01.2002 (Anlage 6 des Anlagenkonvoluts) beschwerte sich der Stationsarzt der Klinik und Poliklinik für Neurologie und Psychiatrie des beklagten Klinikums Dr. G darüber, dass die Klägerin in der Angelegenheit des Patienten A. E. äußerst mangelhaft gearbeitet habe. So habe die Klägerin versichert, dass der Patient definitiv am 23.01.2002 in die Fachklinik "R - " in K verlegt werden könne und die Kostenzusage der Krankenkasse vorliege. Wenige Minuten vor dem Abfahrtstermin um 10:00 Uhr habe die Klägerin dann völlig überraschend erklärt, es müsse erst noch ein aktueller körperlicher Befund an die Klinik gefaxt werden, so dass der Transport auf den 25.01.2002 verschoben werden musste. Nachdem die Klägerin erklärt habe, dass die Aufnahme des Patienten E. jetzt definitiv für den 25.01.2002 vorgesehen sei, habe die Klägerin am 25.01.2002 erklärt, dass notwendige Unterlagen noch nicht ausgefüllt worden seien. Nach dem die Klägerin bestätigt habe, dass als Aufnahmetermin der 29.01.2002 von der R-Klinik bestätigt worden sei, sei die Verlegung auf diesen Tag festgelegt worden. Auch dieser Termin habe letztlich nicht realisiert werden können, da sich herausgestellt habe, dass eine Kostenzusage der Krankenkasse fehlte.

Die Beklagte hörte wegen dieser Vorwürfe die Klägerin an, die unter dem 06.02.2002 eine schriftliche Stellungnahme hierzu abgab (Bl. 67f. d. A.).

Nach Eingang dieser Stellungnahme erteilte die Beklagte der Klägerin die zweite Abmahnung unter dem Datum 09.04.2002 (Anlage 7 des Anlagenkonvoluts).

Mit Beschwerdeschreiben vom 12.07.2002 wandte sich der Leiter des Sozialdienstes Herr O an die Personalabteilung (Anlage 8 des Anlagenkonvoluts) und teilte mit, dass die Klägerin am 01.07.2002 um 09:30 Uhr angerufen habe, um einen halben Gleittag zu nehmen, weil ihre Katze krank sei. Am 04.07.2002 habe sich die Klägerin dann gemeldet und mitgeteilt sie sei krankgeschrieben. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei am 05.07.2002 eingegangen. Zudem sei festgestellt worden, dass die Arbeit der Klägerin an vielen Punkten unerledigt gewesen sei. Eine Aktenführung bzw. Dokumentation fehle. Innerhalb der letzten zwei Wochen hätten sich die Beschwerden in der Art sowohl von Patienten als auch von Kliniken und Stationen gehäuft, dass die Klägerin Zusagen gemacht habe, Anträge zu stellen oder Termin zu machen, was jedoch nie erledigt worden sei. In einem Fall sei es sogar so gewesen, dass eine ältere Dame mehrmals weinend auf den Anrufbeantworter der Klägerin angerufen habe, weil sie auf eine Antwort der Klägerin gewartet habe.

Hierzu angehört teilte die Klägerin mit am 16.08.2002 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben mit, ihr sei deutlich geworden, dass sie in der Vergangenheit Überlastungssituationen eher überspielt und nicht angezeigt habe. Sie sei gerne bereit zu erläutern welche Bemühungen erfolgt seien, um eine solche Situation nie mehr entstehen zu lassen. Darauf hin kam es am 22.08.2002 zu einem Gespräch, dass im Schreiben der Personalabteilung der Beklagten vom 22.08.2002 (Anlage 11 des Anlagenkonvoluts) zusammen- gefasst ist. Darin hieß es, dass von einer Abmahnung abgesehen werde. Es werde der Klägerin ein Zeitraum von sechs Monaten gewährt, um unter Beweis zu stellen, dass sie dauerhaft bemüht sei, wieder zu einer guten Arbeitsleistung zurückzufinden. Parallel dazu stellte das beklagte Klinikum die Klägerin in der Zeit vom 10.11. bis 15.11. 2002 und in der Zeit vom 17.11. bis 22.11.2002 von der Arbeit frei, damit die Klägerin an einem Seminar "Emotionale Kompetenz und Selbstmanagement" und an einem weiteren Seminar mit dem Thema "Mit Zeit und Stress positiv umgehen" teilnehmen konnte.

Mit Schreiben vom 25.11.2002 (Anlage 13 des Anlagenkonvoluts) berichtete der Vorgesetzte der Klägerin Herr O der Personalverwaltung über ein Fehlverhalten der Klägerin in drei Fällen, nämlich bezüglich des Patienten P., bezüglich des Patienten Sch. und bezüglich des Patienten G. A.

Dazu nahm die Klägerin, nachdem sie um Stellungnahme gebeten worden war, mit am 17.12.2002 bei der Beklagten eingegangenem handschriftlichen Schreiben (Anlage 15 des Anlagenkonvoluts) Stellung und teilte u. a. mit:

"Damit meine Vorgesetzten entsprechend reagieren können und auch sie informiert werden, habe ich mir überlegt, sie zukünftig schriftlich zu informieren, falls die von mir zu bearbeitenden Fallzahlen unverhältnismäßig hoch sind und eine notwendige zeitnahe Bearbeitung und damit einhergehend eine gute Patientenversorgung deswegen nicht möglich sein sollte."

Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Herrn Ott vom 29.11.2002 und nach Beteiligung des Personalrates sprach die Beklagte unter dem Datum des 22.01.2003 die dritte Abmahnung aus (Anlage 16 des Anlagenkonvoluts).

Gegenstand des Beschwerdeschreibens vom 05.06.2003 (Anlage 17 des Anlagenkonvoluts) war, dass der Vorgesetzte der Klägerin anlässlich des Urlaubs der Klägerin ab 30.05.2003 festgestellt hatte, dass wiederholt die gleichen Fehler wie in der Vergangenheit aufgetreten seien. Belegt wurde dies mit den Beispielen Frau R. in dem die Klägerin es trotz eines entsprechenden Auftrages versäumt habe, eine frühere Rehabilitation einzuleiten sowie hinsichtlich der Fälle Frau W. und Herr R., in denen die Patienten bereits in Rehakliniken gewesen seien, während keine Akten gefunden und keine Kostenübernahmen beantragt worden seien sowie in den Fällen Frau T. und Herr W., die als Patienten nach Hause entlassen worden seien, obwohl sie einen Anspruch auf Rehabilitation gehabt hätten und die Klägerin trotz Kenntnis hiervon keine Rehabilitation eingeleitet habe. Zudem habe man aufgrund telefonischer Anfragen verschiedener Patienten diverse Akten vermisst und festgestellt dass eine Tür des Aktenschrankes verschlossen gewesen sei. Nach Öffnung dieser Tür habe man einen dicken Stapel unsortierter Akten von Reha-Anträgen, Aktendeckeln, Schwerbehindertenanträgen, losen Blättern und Merkzetteln vorgefunden.

Mit Schreiben vom 12.06.2003 (Bl. 10 d. A.) hörte die Beklagte die Klägerin zu diesen Vorwürfen an und machte darauf aufmerksam, dass für den Fall, dass die Klägerin die Vorwürfe nicht entkräften könne, man eine ordentliche Kündigung zum 31.03.2004 beabsichtige. Mit Schreiben vom 23.06.2002 (Anlage 18 des Anlagenkonvoluts) führt die Klägerin aus, Frau S habe ihr die Fälle genannt, bei denen die notwendigen Anträge nicht gestellt worden sein sollten. Diesbezüglich habe sie leider verabsäumt, ihren Urlaubsvertreter noch durch eine Notiz darüber zu informieren, dass sich noch Fälle in einer Mappe zur Bearbeitung befunden hätten. Richtig sei auch, dass es zu Rückständen bei der Urlaubsvertretung leider wirklich gekommen sei. Durch die zusätzliche Krankheitsvertretung, die sich nahtlos an die Urlaubsvertretung des Kollegen angeschlossen hätte, sei es bei ihr scheinbar wieder zu einer Überlastungssituation gekommen ohne dass dies ihr selbst bewusst geworden sei. Es seien tatsächlich drei Fälle unbearbeitet geblieben. Hinsichtlich der in dem Aktenschrank vorgefundenen Akten handele es sich zum Teil um Kopien und Durchschriften zum Teil um Originalanträge, bei denen bereits ein Antrag von anderer Seite gestellt worden sei. Aus Zeitmangel sei sie zum Aussortieren dieses Ablagefachs vor dem Antritt des Urlaubs nicht mehr gekommen. Nach einer ergänzenden Stellungnahme des Herrn O , einer weiteren Stellungnahme der Klägerin vom 23.09.2003 (Bl. 116ff. d. A.) und einer weiteren Stellungnahme von Herrn O vom 06.11.2003 (Bl. 119f. d. A.) hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Personalrat mit Schreiben vom 17.12.2003 (Bl. 121f. d. A.) an und teilte mit, dass eine mögliche ordentliche Kündigung nicht weiter verfolgt, aber eine Abmahnung geplant sei. Der Personalrat beschloss in seiner Sitzung vom 22.12.2003, die Frist für eine Stellungnahme verstreichen zu lassen.

Daraufhin erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem Datum 13.01.2004 (Anlage 19 des Anlagenkonvoluts) eine vierte Abmahnung.

Mit Schreiben vom 28.06.2004 setzte die kommissarische Leiterin des Sozialdienstes Frau Schell-Dürscheidt die Personalabteilung der Beklagten von weiteren Beschwerden über die Arbeitsleistung der Klägerin in Kenntnis (Anlage 20 des Anlagenkonvoluts). Dies betraf den Fall von Frau S , die am 07.06.2004 angerufen hatte und sich darüber beklagt hatte, dass die Klägerin ihr mehrfach versichert habe, dass sie ihre gewünschte Rehabilitationsbehandlung im Juli in der Klinik in St-.Peter-Ording durchführen könne. Tatsächlich habe sich herausgestellt, dass die Rehabilitationsmaßnahme erst zum 1. September begonnen werden könne, worüber die Patientin sehr erbost gewesen sei und sich offiziell beschwert habe. Bezug genommen wurde ferner auf Beschwerden von Prof. E und Schwester I . Ferner warf die Beklagte der Klägerin vor, die Anschlussbehandlung des Patienten V. nicht organisiert zu haben, obwohl Frau Rafael der Klägerin die Akte am 31.03.2004 übergeben und darauf hingewiesen hatte, dass die Nachbehandlung des krebskranken Patienten dringend organisiert werden müsse. Die Klägerin habe in dieser Angelegenheit nichts unternommen. Die Akte sei am 21.05.2004 auf dem Schreibtisch der dafür nicht zuständigen Arzthelferin Frau Kl vorgefunden worden. Weitere Vorfälle betrafen die Patienten U. H., bei der die Klägerin trotz entsprechender Zusage keinen Kostenübernahmeantrag gestellt habe und die Patientin J. Sch., hinsichtlich der Organisation einer Haushaltshilfe.

Aufgrund dessen hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Personalrat durch Schreiben vom 01.07.2004 (Anlage 2 des Anlagenkonvoluts) zur geplanten außerordentlichen Kündigung an. Mit Schreiben vom 09.07.2004 (Anlage 3 des Anlagenkonvoluts) widersprach der Personalrat der geplanten Kündigung.

Die Beklagte kündigte daran anschließend das Arbeitsverhältnis außerordentlich durch Kündigung vom 12.07.2004.

Der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht Köln durch Urteil vom 16.08.2005 (Bl. 156 bis 162 d. A.) statt. Zur Begründung verwies das Arbeitsgericht darauf, dass die gebotene Interessenabwägung hier ergäbe, dass die seit mehr als 15 Jahren beschäftigte und ordentlich unkündbare Klägerin nur durch eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist habe gekündigt werden können. Es sei der Beklagten zumutbar gewesen, die Klägerin noch bis zum Ablauf einer solchen Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechen müsse, weiter zu beschäftigen. Dem im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Zeugnisanspruch hat das Arbeitsgericht, nachdem die Beklagtenseite diesen Anspruch anerkannt hat, stattgegeben.

Gegen dieses am 10.01.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagtenseite, beschränkt auf die Kündigungsschutzklage, am 10.02.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf den 10.04.2006 am 10.04.2006 begründet.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Kündigung sei als außerordentliche Kündigung gerechtfertigt. Die der Klägerin gemachten Vorwürfe seien weitgehend unstreitig. Die Klägerin habe über einen langen Zeitraum hinweg eine Vielzahl von Schlechtleistungen begangen und ihr Verhalten trotz insgesamt vier erteilter Abmahnungen nicht geändert. Deshalb sei hier ausnahmsweise auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt. Denn es habe sich nicht bloß um unterdurchschnittliche Leistungen der Klägerin gehandelt. Vielmehr stützten sich die Abmahnungen und die Vorwürfe, die zur außerordentlichen Kündigung geführt hätten darauf, dass durch diese Pflichtverletzungen massive Beeinträchtigungen bei den Patienten des beklagten Klinikums aufgetreten seien und es bisher nur durch Zufall nicht zu schweren gesundheitlichen Schäden bei Patienten geführt habe. Die Pflichtverletzungen hätten auch zu finanziellen Schäden bei Patienten geführt, da diese aufgrund der Verzögerung der Antragstellung höhere Zuzahlungsleistungen hätten erbringen müssen. Neben dem Leistungsbereich sei auch der Vertrauensbereich betroffen, denn die Klägerin habe mehrfach versucht, durch Täuschung ihr Fehlverhalten zu verdecken. Sie habe Patienten und Mitarbeiter angelogen und behauptet Anträge gestellt zu haben bzw. Kostenzusagen eingeholt zu haben, obwohl sie die Unrichtigkeit dieser Aussagen genau gekannt habe. Es mangle daher an der für das Arbeitsverhältnis unerlässlichen Vertrauensbasis. Zu Lasten der Klägerin sei zu berücksichtigen, das aufgrund der außergewöhnlich hohen Zahl an Pflichtverletzungen, die durchgehend von der Klägerin begangen worden seien, auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mit weiteren Pflichtverstößen zu rechnen gewesen wäre. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin, die sich im ungekündigten Arbeitsverhältnis nicht durch Abmahnungen habe beeindrucken lassen, ausgerechnet nach einer Kündigung innerhalb der Auslauffrist plötzlich ohne Beanstandungen ihre Arbeitsleistung erbringen werde. Angesichts der Gefährdung der Patienteninteressen sei dem beklagten Klinikum eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende einer Auslauffrist nicht zumutbar. Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB/§ 54 Abs. 2 BAT sei eingehalten worden.

Die Beklagtenseite beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.08.2005 - 17 Ca 7507/04 - unter Aufrechterhaltung des anerkannten Zeugnisanspruchs teilweise abzuändern und die Kündigungsschutzklage der Klägerin abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die ausgesprochene außerordentliche Kündigung für rechtsunwirksam.

Das Verhalten der Beklagtenseite sei widersprüchlich. Falls die Vorwürfe der Beklagtenseite so gravierend seien, wie die Beklagte es jetzt darstelle, hätte die Beklagte früher reagieren müssen.

Die Kündigungserklärungsfrist des § 54 Abs. 2 BAT sei nicht beachtet worden. Denn Frau Schell-Dürscheidt als Leiterin des Sozialdienstes und Vorgesetzte der Klägerin habe bereits mehr als zwei Wochen vor dem Ausspruch der Kündigung von den zur Kündigung führenden Vorfällen gewusst. Sie sei gegenüber der Leitung der Beklagten berichtspflichtig. Ihr Wissen müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Frau Schell-Dürscheidt habe bereits am 07.06.2004 von den Vorfällen Kenntnis gehabt. Es werde bestritten dass der Personalverantwortliche Herr J erst durch das Schreiben vom 28.06.2004, zugegangen am 29.06.2004 von den Kündigungsvorfällen Kenntnis erhalten habe.

Die Beklagte habe auch deshalb nicht kündigen dürfen, weil einige behandelnde Ärzte, insbesondere die Orthopädieabteilung, mit der Arbeit der Klägerin sehr zufrieden gewesen seien. Als milderes Mittel sei daher geboten gewesen, der Klägerin ein neues Arbeitsgebiet zuzuweisen. Die Kündigung scheitere ferner daran, dass die Beklagte die Klägerin zu oft abgemahnt habe. Eine Abmahnung könne nur dann die Funktion erfüllen, den Arbeitnehmer zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung die Kündigung drohe, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung ernst nehmen müsse. Dies könne je nach den Umständen nicht mehr der Fall sein, wenn jahrelang die Kündigung nur angedroht werde. Es handele sich dann um eine leere Drohung. Ein solcher Fall liege hier angesichts insgesamt viermaliger Abmahnungen vor. Zudem seien die Abmahnungen vom 22.01.2003 und 13.01.2004 zu unbestimmt.

Die Abmahnung vom 13.01.2004 sei verwirkt, da die Beklagte sich mehr als sechs Monate Zeit gelassen habe, die Abmahnung auszusprechen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Klägerin an einem Burn-Out-Syndrom leide und zudem bei ihr ein Grad der Erwerbsminderung von 30 % vorliege. Ferner sei die Klägerin überbelastet gewesen, insbesondere durch den häufigen Wechsel des Arbeitsgebietes. Insofern werde auf die Stellungnahme des Personalrates Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des umfangreichen Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 12.07.2004 aufgelöst worden.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft gemäß § 64 ArbGG. Sie ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. In zulässiger Weise hat die Beklagtenseite ihre Berufung auf die Kündigungsschutzklage der Klägerin beschränkt, nachdem sie bereits in erster Instanz den Zeugnisantrag der Klägerin anerkannt hatte, sodass das erstinstanzliche Urteil, bezogen auf den titulierten Zeugnisanspruch rechtskräftig geworden ist.

II. Die bezogen auf den Kündigungsschutzantrag der Klägerin eingelegte Berufung hatte auch in der Sache Erfolg. Die Kündigungsschutzklage der Klägerin musste abgewiesen werden.

1. Hinsichtlich der Anforderungen an die außerordentliche Kündigung ist im vorliegenden Fall ein strenger Maßstab anzulegen.

Das Landesarbeitsgericht folgt insoweit im Ausgangspunkt den zutreffenden Überlegungen des Arbeitsgerichts. Denn die Klägerin ist aufgrund tarifvertraglicher Vorschrift ordentlich nicht kündbar. Nur eine außerordentliche Kündigung kommt in Betracht. Sie ist nur möglich, wenn dem Arbeitgeber nicht einmal mehr zumutbar ist, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf einer fiktiv einzuhaltenden ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen, siehe BAG Urteil vom 11.03.1999 - 2 AZR 427/98 -, AP Nr. 150 zu § 626 BGB.

Dem liegt die zutreffende Überlegung zugrunde, dass die außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers nicht deshalb an geringere Voraussetzungen geknüpft werden kann, weil er ordentlich nicht mehr kündbar ist. Nur dann, wenn ein Ausnahmefall dergestalt vorliegt, dass eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf einer fiktiv einzuhaltenden Kündigungsfrist nicht zumutbar ist, kommt eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

Ein solcher Ausnahmefall ist im vorliegenden Fall gegeben.

2. Für eine außerordentliche Kündigung ist nach § 626 Abs. 1 BGB und der entsprechenden tarifvertraglichen Vorschrift in § 54 BAT erforderlich, dass Tatsachen vorliegen müssen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Solche Tatsachen liegen im vorliegenden Fall vor.

Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die den Vorwürfen zugrunde liegenden Tatsachen im wesentlichen unstreitig sind. Dies gilt sowohl für die Vorwürfe, die letztlich zur Kündigung geführt haben, als auch für die Vorwürfe, die Gegenstand der hier vorangegangenen Abmahnungen waren.

Im Einzelnen ist hierzu folgendes festzustellen.

a) Hinsichtlich der ersten Abmahnung ist unstreitig, dass die Klägerin einen erheblichen und den Vertrauensbereich berührenden Vertragsverstoß dadurch begangen hat, dass sie an insgesamt neun Tagen im Juni 2001 keine Einbuchung in das Zeiterfassungssystem vorgenommen hat. Sie hat damit eine Kontrolle ihrer Arbeitszeit vereitelt und sich bereits hierdurch in erheblichem Umfang vertragswidrig verhalten, ohne dass die Klägerin hierfür hat Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe vorbringen können.

b) Im Wesentlichen unstreitig ist weiterhin der Vorwurf, der der Klägerin in der zweiten Abmahnung vom 09.04.2002 gemacht wurde. Diesbezüglich hatte die Klägerin hinsichtlich des Patienten A. E. zugesichert, dass eine Kostenzusage der Krankenkasse vorliege und der Patient in die Rehaklinik verlegt werden könne. In ihrer Stellungnahme hat die Klägerin nicht in Abrede stellen können, dass sie am 23.01.2002 vor dem geplanten Krankentransport mitteilen musste, dass eine Zusage doch noch nicht vorlag und der Patient deshalb nicht verlegt werden konnte. Abgesehen von den psychischen Belastungen, die dies für den Patienten bedeutete, ist damit unstreitig, dass die Klägerin unzutreffende Auskünfte gegeben hatte, die zu Fehlplanungen und Reibungsverlusten führten.

c) Unstreitig sind weiter die Vorwürfe geblieben, die Gegenstand des Beschwerdeschreibens vom 12.07.2002 (Anlage 8 des Anlagenkonvoluts) waren. Diese bezogen sich insbesondere auf die Verletzung der Anzeigepflicht anlässlich einer Erkrankung gemäß § 5 EFZG sowie auf die Feststellung, dass die Arbeit der Klägerin an vielen Punkten unerledigt war und festgestellt werden musste, dass beispielsweise eine Patientin in eine Rehaklinik angereist war, ohne dass der Antrag auf Kostenübernahme gestellt war, sowie auf Beschwerden von Patienten als auch von Kliniken und Stationen, die sich darüber beschwerten, dass das die Klägerin Zusagen gemacht habe Anträge zu stellen oder Termine zu vereinbaren, was tatsächlich nicht geschehen sei. Zu den Vorwürfen diesbezüglich gehörte auch, dass eine ältere Dame mehrmals weinend auf den Anrufbeantworter angerufen hatte, weil sie auf eine Antwort der Klägerin wartete. Die Klägerin antwortete darauf mit am 16.08.2002 eingegangenem Schreiben (Anlage 10 des Anlagenkonvoluts) und führte aus, ihr sei deutlich geworden, dass sie in der Vergangenheit Überlastungssituationen eher überspielt und nicht angezeigt habe. Sie werde zukünftig ihre Arbeitsvorgänge mit Unterstützung ihres Vorgesetzten übersichtlicher strukturieren und den Stand ihrer Arbeiten transparenter gestalten. Damit wird deutlich, dass die Klägerin die Vorwürfe in der Sache nicht bestreiten konnte.

d) Hinsichtlich der Vorwürfe, die Gegenstand der Beschwerde vom 25.11.2002 (Anlage 13 des Anlagenkonvoluts) waren, reagierte die Klägerin mit handschriftlichem Schreiben, das am 17.12.2002 bei der Beklagten einging und in dem sie zu den Vorwürfen im Einzelnen nicht Stellung nahm sondern zusicherte, sie werde zukünftig ihre Vorgesetzten schriftlich informieren, falls die von ihr zu bearbeitenden Fallzahlen unverhältnismäßig hoch seien und eine notwendige zeitnahe Bearbeitung und damit einhergehend eine gute Patientenversorgung deswegen nicht möglich sein sollte.

Auch diesbezüglich werden damit die Vorwürfe in der Sache nicht in Frage gestellt.

e) Unstreitig sind ferner die Vorgänge, die zur vierten Abmahnung führten und die Gegenstand des Beschwerdeschreibens vom 05.06.2003 (Anlage 17 des Anlagenkonvoluts) waren. Hier ging es insbesondere um den Fall von Frau R.. Diesbezüglich hatte Frau Dr. C die Klägerin mehrfach an die Dringlichkeit einer Rehaeinleitung erinnert. Bis zum Beginn des Urlaus der Klägerin am 30.05.2003 hatte diese weder eine Anmeldung noch einen Kostenübernahmeantrag an einen Kostenträger abgegeben. Ferner waren Patienten (Frau W und Herr T) bereits nach Hause entlassen worden, obwohl sie einen Anspruch auf Rehabilitation hatten. Zudem wurden im verschlossenen Teil des Aktenschrankes der Klägerin eine Reihe von Originalanträgen von Patienten vorgefunden. In ihrer Stellungnahme vom 23.06.2002 bestätigte die Klägerin, dass es zu Rückständen bei der Urlaubsvertretung leider wirklich gekommen sei und dass drei Fälle unbearbeitet geblieben seien. Zudem habe sie es versäumt, ihren Vertreter durch eine Notiz darüber zu informieren, dass sich noch Fälle in einer Mappe beim ZDL zur Bearbeitung befanden.

f) Hinsichtlich der vier Fälle, die schließlich zur Kündigung führten, sind zwei Fälle unstreitig. Hinsichtlich des krebskranken Patienten V. war die Klägerin von Frau R am 31.03.2004 darauf hingewiesen worden, dass eine Nachbehandlung des krebskranken Patienten dringend organisiert werden müsse. Die Klägerin unternahm in dieser Angelegenheit nichts. Die Arzthelferin Frau K fand die Akte am 21.05.2004 auf ihrem Schreibtisch vor und übergab sie Frau R . Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass der Patient wütend und verzweifelt über das Verhalten der Klägerin war. Durch die Verzögerung war die Frist von vier Wochen zur Anschlussheilbehandlung bei einer Strahlentherapie verstrichen. Dies hatte zur Folge, dass der Patient weitere Zuzahlungen zu seiner Rehamaßnahme selbst zahlen musste. Unstreitig sind ferner die Pflichtverletzungen in Bezug auf die Patientin U. H. Die krebskranke Patientin war seit Januar 2004 in ärztlicher Behandlung bei dem beklagten Klinikum. Die Patientin meldete sich am 28.05.2004 bei der Klägerin, da zu diesem Zeitpunkt die ärztliche Behandlung abgeschlossen war. Sie beauftragte die Klägerin damit, ihr eine Rehamaßnahme bzw. Anschlussheilbehandlung in St. Peter-Ording zu organisieren. Die Klägerin sagte zu, den Kostenübernahmeantrag zu stellen. Dies geschah jedoch bis zum 18.06.2004 nicht. Erst am 18.06.2004 übersandte die Klägerin per Fax einen Kostenübernahmeantrag, allerdings an die falsche Faxnummer. Da eine kostenneutrale Anschlussbehandlung nur binnen 14 Tagen durchgeführt werden konnte, musste die Patientin eine zuzahlungspflichtige stationäre Nachbehandlung in Anspruch nehmen.

3. Bereits die unstreitigen Vorwürfe sind an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu begründen, weil sie es der Beklagten unzumutbar gemacht habe, die Klägerin auch nur noch bis zum Ablauf einer fiktiven Kündigungsfrist, die im vorliegenden Fall gemäß § 53 Abs. 2 BAT sechs Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres betragen hätte, weiter zu beschäftigen.

Dabei ist eine Unzumutbarkeit bereits dann gegeben, wenn es dem Arbeitgeber zwar zumutbar wäre, den Arbeitnehmer für einen begrenzten, kurzen Zeitraum weiter zu beschäftigen, eine Beschäftigung für die gesamte Kündigungsfrist aber unzumutbar ist, siehe BAG, Urteil vom 13.04.2000 - 2 AZR 259/99, AP Nr. 162 zu § 626 BGB.

Eine solche Unzumutbarkeit liegt hier vor.

Die Klägerin ist in einer Vielzahl von Fällen ihrer Arbeitspflicht gar nicht oder grob nachlässig nachgekommen. So sind Rehamaßnahmen nicht oder nicht fristgerecht beantragt und dadurch Beschwerden von Patienten und von Mitarbeitern der Beklagten verursacht. Dabei handelt es sich nicht nur um den Fall einer Schlechtleistung der Arbeit, der im Regelfall nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigt, weil der Arbeitgeber für die von ihm gezahlte Vergütung keine adäquate Gegenleistung erhält.

Vielmehr ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Klägerin nicht nur keine adäquate Leistung für die von ihre bezogene Vergütung erbracht hat, sondern dass sie durch ihr Verhalten, dass durch eine nicht nachvollziehbare Gleichgültigkeit gegenüber den Interessen und Bedürfnissen der Patienten gekennzeichnet ist, der Beklagten einen erheblichen Ansehensschaden zugefügt hat. Denn die Patienten in den genannten Fällen waren mit der Behandlung ihrer Angelegenheiten durch die Klägerin sehr unzufrieden und hatten auch allen Grund dazu.

Damit hat die Klägerin Kundenunzufriedenheit und Kundenfrustration durch ihr Verhalten herbeigeführt, das dem Ansehen der Beklagten in erheblichem Umfang schadete.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Klägerin ihre unzureichenden Leistungen durch falsche Zusagen und Auskünfte gegenüber Patienten und Mitarbeitern der Beklagten zu verbergen versuchte. Damit ist nicht nur der Leistungs- sondern auch der Vertrauensbereich betroffen.

Dies ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin in ihrer handschriftlichen Stellungnahme, die am 17.12.2002 bei der Beklagten einging, ausdrücklich zugesichert hatte, zukünftig die Vorgesetzten schriftlich zu informieren, falls im Einzelfall eine notwendige zeitnahe Bearbeitung und damit einhergehend eine gute Patientenversorgung nicht möglich sein sollte. Tatsächlich hielt die Klägerin diese von ihr selbst gemachte Zusage im Folgenden nicht ein, so dass die Beklagte in die Zusagen der Klägerin kein Vertrauen mehr haben konnte.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass erhebliche gesundheitliche Interessen der Patienten der Beklagten auf dem Spiel standen.

Die Gefährdung von Gesundheitsinteressen und der Verstoss gegen diesbezügliche ärztliche Anweisungen sind den Kündigungsgrund verstärkende Umstände, siehe BAG Urteil vom 15.11.2001 - 2 AZR 380/00, NZA 2002, 970.

Die Gesundheitsinteressen bestanden darin, dass der Erfolg von Behandlungsmaßnahmen davon abhing, dass die Nachsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen unmittelbar an die medizinischen Eingriffe angeschlossen wurden.

Erst recht gilt dies, soweit die Klägerin darauf hingewiesen worden war, für bestimmte Patienten Rehabilitationsmaßnahmen unmittelbar zu beantragen.

Es leuchtet unmittelbar ein, dass die Beklagte, wie auch die Patienten selbst Wert darauf legten, dass Rehabilitationsbehandlungen und Nachsorgebehandlungen unmittelbar und zeitnah erfolgten und nicht durch nachlässiges Verhalten der Klägerin verzögert wurden.

Tatsächlich ist dies geschehen und hat, wie die Beklagte unstreitig dargelegt hat, in einzelnen Fällen dazu geführt, dass die Patienten Zuzahlungen leisten mussten, die bei regulärer und fristgerechter Erledigung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin nicht angefallen wären.

Insgesamt ist festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis in den letzten drei Jahren seines Bestandes grundlegend gestört war und es in diesen letzten drei Jahren permanent zu vertragswidrigem Arbeitsverhalten der Klägerin gekommen ist, so dass kein längerer störungsfreier Zeitraum zu verzeichnen ist.

Dies ist auch der Grund, weshalb der Beklagten eine Beschäftigung während des Laufs einer fiktiven Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar war. Denn da in den letzten drei Jahren des Arbeitsverhältnisses kein mehrmonatiger störungsfreier Verlauf des Arbeitsverhältnisses stattfand, musste die Beklagte für den Fall, dass sie die Klägerin über den 12.07.2004 hinaus weiter beschäftigt hätte, jederzeit mit weiteren Störungen rechnen, die zu Schäden bei Patienten und einer Ansehensschädigung der Beklagten geführt hätten.

4. Die vorgebrachten Einwände der Klägerin greifen nicht durch.

a) Soweit die Klägerin auf eine von ihr empfundene Überlastung hinweist, muss darauf hingewiesen werden, dass die Klägerin selbst schriftlich zugesichert hatte, dass sie für den Fall der Überlastung sofort ihre Vorgesetzten schriftlich informieren würde, damit es zu einer zeitnahen Patientenbetreuung kommen werde.

Tatsächlich ist genau dies, obwohl die Klägerin im Dezember 2002 eine entsprechende schriftliche Zusicherung machte, in der Folgezeit nicht geschehen.

Eine Erkrankung, ein Burn-out-Syndrom oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 % hätten an dieser Verpflichtung, jeweils eine konkrete Überlastungsmitteilung unter Angabe der dringlich zu bearbeitenden Fälle zu machen, nichts geändert. An solchen Überlastungsmitteilungen musste die Beklagte auch ein überragendes Interesse haben, weil es ihr nur dadurch möglich gewesen wäre, anderweitig für eine fristgerechte Patientenbetreuung zu sorgen.

b) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, durch einen ständigen Wechsel des Aufgabengebietes habe sie ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß erledigen können. Tatsächlich ist festzustellen, dass Patienten aus allen Fachbereichen nicht ordnungsgemäß betreut worden sind. So lagen der zweiten Abmahnung Fälle aus der Psychiatrie und Psychotherapie zugrunde, der dritten Abmahnung lagen Fälle aus der Orthopädie, aus der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung und aus der Krebsbehandlung zugrunde und bezüglich der vierten Abmahnung ging es um Fälle aus der Neurologie sowie zwei Fälle aus der Orthopädie, während es sich bei den letztlich zur Kündigung führenden Fällen um solche aus der Krebsbehandlung handelte.

Gerade weil bei den beanstandeten Fällen auch Fälle aus der Orthopädie waren, konnte der Beklagten nicht zugemutet werden, die Klägerin nunmehr nur noch oder vorzugsweise im Bereich der Orthopädie einzusetzen.

c) Entgegen der Annahme der Klägerin ist sie in ausreichender Weise abgemahnt worden. Bereits nach der ersten und der zweiten Abmahnung, die beide ebenfalls den Vertrauensbereich betrafen, und den weiteren Verstößen wäre eine Kündigung in Betracht gekommen.

Dabei ist darauf hinzuweisen, dass schon die erste Abmahnung mit den weiteren Fällen in Zusammenhang stand. Denn die unterlassene Einbuchung betraf den Vertrauensbereich und führte dazu, dass nicht nachgeprüft werden konnte, ob die Klägerin ihre Arbeitszeit eingehalten hatte. Nichteinhaltung der Arbeitszeit und fehlende Arbeitsleistung weisen einen engen Zusammenhang auf.

Einschlägig ist weiterhin die zweite Abmahnung, die ausgesprochen wurde, weil die Klägerin die Verlegung des Patienten E. in die Reha - Klinik mangelhaft vorbereitet hatte und durch falsche Zusicherungen der Klägerin der Krankentransport organisiert wurde und wenige Minuten vor Abfahrt abgesagt werden musste. Die Abmahnung betrifft, wie die Vorwürfe, die den beiden weiteren Abmahnungen und der Kündigung zugrunde lagen, die grob nachlässige und nicht fristgerechte Erledigung der Leistungen für die Patienten der Beklagten.

Es kann dahinstehen, ob es überhaupt noch einer dritten und einer vierten Abmahnung bedurfte. Jedenfalls die Summe der Pflichtverletzungen, die nach der zweiten Abmahnung vom 09.04.2002 aufgetreten sind, rechtfertigt die außerordentliche Kündigung, zumal die beiden unstreitigen Vorfälle, die letztlich zur Kündigung führten (Patient V. und Patientin U.H.), das Maß voll machten.

Dabei kann der Klägerseite nicht gefolgt werden, wenn sie davon ausgeht, dass die weiteren Abmahnungen verwirkt bzw. leere Drohungen gewesen seien.

Denn die Beklagte hatte jedenfalls hinreichend deutlich gemacht, dass sie weitere Pflichtverletzungen nicht sanktionslos hinnehmen würde, wie sich insbesondere auch darin zeigt, dass die Beklagte bereits in ihrem Anhörungsschreiben vom 12.06.2003 eine ordentliche Kündigung in Betracht gezogen hatte. Eine Verwirkung folgt hinsichtlich der vierten Abmahnung nicht daraus, dass diese letztlich erst nach mehr als sechs Monaten erteilt wurde, denn dies beruhte darauf, dass der Klägerin in ihrem eigenen Interesse zweimal Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.

5. Ein milderes Mittel stand der Beklagten angesichts des Fehlverhaltens der Klägerin nicht mehr zur Verfügung.

Insbesondere konnte die Beklagte nicht darauf verwiesen werden, eine weitere Abmahnung zu erteilen. Denn die Klägerin hatte durch ihr Verhalten und insbesondere auch durch ihren Vortrag im Prozess, die Abmahnungen seien entwertet und als leere Drohung zu betrachten, in unübersehbarer Weise deutlich gemacht, dass sie weitere Abmahnungen nicht ernst nehmen würde. Die Beklagte musste daher davon ausgehen, dass die Klägerin eine weitere Abmahnung ignorieren und ihre Fehlverhalten fortsetzen würde. Die Prognose war daher in jeder Hinsicht negativ.

6. Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung fällt nicht zugunsten der Klägerin aus.

Zwar ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie langjährig beschäftigt ist. Zu berücksichtigen ist ferner das Alter der Klägerin und ihre Schwierigkeit auf dem Arbeitsmarkt einen anderweitigen gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden sowie ihre krankheitsbedingten Beeinträchtigungen.

Auf der anderen Seite fällt ins Gewicht, dass das Arbeitsverhältnis bereits drei Jahre lang tiefgreifend gestört war und der Beklagten nicht zugemutet werden konnte, das Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf einer fiktiven Kündigungsfrist fortzusetzen.

Besonders fällt ins Gewicht, dass die Beklagtenseite der Klägerin zweimal zusätzliche Bewährungschancen eingeräumt, die die Klägerin nicht genutzt hat.

So wurde als Ergebnis des Gesprächs vom 22.8.2002 auf die eigentlich mögliche Abmahnung verzichtet und der Klägerin eine sechsmonatige Bewährungszeit eingeräumt. In dieser Zeit traten jedoch weitere Beanstandungen auf.

Im Juni 2003, als bereits aufgrund der bis daher aufgetretenen Fälle eine ordentliche Kündigung berechtigterweise hätte ausgesprochen werden können, die wegen der damals noch nicht bestehenden ordentlichen Unkündbarkeit möglich war, verzichtete die Beklagte hierauf und gab der Klägerin nochmals eine weitere Chance, zu einer ordnungsgemäßen Arbeitsleistung zurückzufinden.

Beide Chancen hat die Klägerin nicht ansatzweise genutzt.

Zudem hatte die Beklagte der Klägerin durch die Freistellung zur Seminarteilnahme eine entsprechende Hilfestellung ermöglicht. Auch dies hatte sich letztlich als nicht erfolgreich erwiesen, sodass der Beklagtenseite weitere Maßnahmen nicht mehr zumutbar waren.

Aus allem folgt das ein ausreichender Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorlag.

7. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Kündigungsberechtigten von den Kündigungsgründen, siehe Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, 6. Aufl., 2006, § 626 BGB, Rzf. 258.

Die Personalabteilung der Beklagten als Kündigungsberechtigte Stelle hat unstreitig von den Vorwürfen erst durch den Zugang des Beschwerdeschreibens am 29.06.2004 Kenntnis erhalten. Eine Verzögerung der Kenntniserlangung durch schuldhaft fehlerhafte Organisation auf Arbeitgeberseite liegt nicht vor. Die Beklagte muss sich auch nicht das Wissen von Frau Schell-Dürscheidt zurechnen lassen, denn diese war unstreitig nicht kündigungsberechtigt. Zu beanstandende Verzögerungen bei der Informationsweitergabe an die kündigungsberechtigte Stelle sind nicht gegeben.

8. Die Kündigung scheitert schließlich nicht an einer unzureichenden Anhörung des Personalrats. Die Klägerseite hat diesbezüglich gerügt, dem Personalrat seien nicht in ausreichender Weise entlastende Umstände mitgeteilt worden. Angesichts der ausführlichen schriftlichen Anhörungsunterlagen ist diese Wertung nicht zutreffend. Zudem ist unstreitig, dass dem Personalrat die Abmahnungen und in diesem Zusammenhang auch die jeweiligen Stellungnahmen der Klägerin zugänglich gemacht worden sind. All dies wird ferner daran deutlich, dass der Personalrat sich in seiner Stellungnahme auf die von der Klägerin vorgebrachten Entlastungsargumente bezogen hat.

III. Nach allem hatte die Kündigungsschutzklage der Klägerin keinen Erfolg und musste abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich des in erster Instanz anerkannten Teils aus § 93 ZPO, da die Beklagtenseite den diesbezüglichen Anspruch sofort anerkannt hat.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, insbesondere hatte die Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung sondern beruhte auf der Anwendung höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze.

Ende der Entscheidung

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