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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.06.2006
Aktenzeichen: 14 Sa 21/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
1. Will ein Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen.

2. Der Arbeitgeber kann sich in einem solchen Fall nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen, wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wem er die Beträge abgeliefert hat.


Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 06.10.2005 - 1 Ca 419/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte sowie um im Wege der Widerklage geltend gemachte Rückzahlungsansprüche der Beklagten gegen die Klägerin.

Die 81-jährige Beklagte ist betreuungsbedürftig. Sie hatte ihren Sohn 1994 enterbt und ihrem anwaltlichen Berater Herrn Rechtsanwalt U S Senior eine notarielle Bevollmächtigung erteilt. Dieser schloss mit der Klägerin einen Arbeitsvertrag (Bl. 4f d. A.) der als Betreuungsvertrag bezeichnet wurde und vorsah, dass die Klägerin die Beklagte mit einem monatlichen Zeitaufwand von circa 150 Stunden zu betreuen hatte und hierfür ein Nettogehalt von 1.800,00 € monatlich erhalten sollte, welches inzwischen auf 2.000,00 € erhöht wurde. Nachdem der Sohn der Beklagten im Jahre 2004 bei der Beklagten einzog, kam es vermehrt zu Konflikten zwischen der Klägerin und dem Sohn der Beklagten.

Derweil betrieb die Tochter der Beklagten ein Entmündigungsverfahren gegen die Beklagte.

Ende Januar 2004 hatte die Klägerin von der Beklagten einen Betrag von 3.500,00 € erhalten, den die Klägerin zur Schuldentilgung benötigte. Im Mai 2004 begab sich die Klägerin zeitgleich mit der Beklagten in eine Klinik, wo beide Parteien eine kosmetische Brustoperation durchführen ließen. Die Kosten für die Behandlung der Klägerin in Höhe von 2.240,20 € glich die Beklagte aus.

Zu den Aufgaben der Klägerin gehört es unter anderem, für die Beklagte, die sehr vermögend war, und einen hohen Bargeldbedarf hatte, häufig Schecks einzulösen, die von dem Bevollmächtigten Rechtsanwalt S sen. ausgestellt und unterschrieben waren.

Am 2., 6., 7. und 16. Dezember 2004 löste die Klägerin von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt S Senior ausgefüllte und unterschriebene Schecks in Höhe von jeweils 500,00 € ein. Zwischen den Parteien ist streitig, ob sie die bei der Bank in Empfang genommenen Beträge in voller Höhe an die Beklagte weitergab, wie die Klägerin behauptet, oder lediglich in Höhe von 100,00 €, wie die Beklagte behauptet. Auftragsgemäß löste die Klägerin am 27.01.2005 einen weiteren Scheck in Höhe von 2.500,00 € ein, von einem Teilbetrag kaufte sie Medikamente für die Beklagte.

Mit Schreiben vom 27.01.2005 sprach die Beklagte eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Ebenfalls mit Schreiben vom 27.01.2005 sprach der Sohn der Beklagten unter Bezugnahme auf eine notarielle Urkunde, mit der er nunmehr als Generalbevollmächtigter eingesetzt sei, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Eine weitere Kündigung sprach der Prozessbevollmächtigte der Beklagte mit Datum 15.02.2005 als außerordentliche hilfsweise ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus.

Gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandte sich die Klägerin mit ihrer am 01.02.2005 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Die Beklagte hat widerklagend die Rückzahlung des Betrages von 3.500,00 € sowie der Rechnung für die Brustoperation in Höhe von 2.240,20 € verlangt.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 06.10.2005 (Bl. 160ff. d. A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch eine fristlose Kündigung aufgelöst worden ist, sondern nur unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde. Die Widerklage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht darauf verwiesen, dass die beweisbelastete Beklagte keinen Beweis dafür habe antreten können, dass die Klägerin die von der Beklagten behaupteten Vermögensdelikte begangen habe. Hinsichtlich der Widerklage fehle es an einer substanziierten Darlegung einer Darlehensvereinbarung.

Hiergegen richtet sich die am 05.12.005 eingelegte Berufung der Beklagtenseite.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, für die Tatsache, dass die aus den Scheckeinlieferungen resultierenden Beträge tatsächlich an die Beklagte weitergegeben worden seien, trage die Klägerin die Beweislast. Da die Klägerin keinen Beweis für die entsprechenden Weitergabe der Scheckbeträge angetreten habe, sei die fristlose Kündigung gerechtfertigt.

Hinsichtlich der Widerklage seien alle Tatbestandsmerkmale eines Darlehensvertrages vorgetragen worden. Fehlende Angaben zur Ortszeit und Modalitäten (Höhe der Verrechnungen) der Darlehen stünden einer ausreichenden Substanziierung nicht automatisch entgegen. Es sei zwischen den Parteien vereinbart gewesen, dass die Klägerin den Betrag von 3.500,00 € an die Klägerin zurückführe und zwar über die Verrechnung mit dem monatlichen Gehalt. Hilfsweise mache sich die Beklagte den Vortrag der Klägerin zu eigen. Soweit sich die Klägerin diesbezüglich darauf berufe, einen Teilbetrag von 1.000,00 € sei für die Abgeltung von nicht genommenem Urlaub vereinbart gewesen, sei eine solche Vereinbarung nach § 13 BUrlG rechtsunwirksam. Soweit sich die Klägerin des Weiteren darauf berufe, sie habe einen Teilbetrag von 2.500,00 € als Vorauszahlung auf das ihr von der Beklagten zugesprochene Vermächtnis erhalten (Testament Bl. 137ff. d. A.), könne sich die Klägerin hierauf deshalb nicht mehr berufen, da die damalige Verfügung von Todes wegen inzwischen geändert worden sei.

Hinsichtlich der Kosten für die Brustoperation hätten die Parteien ebenfalls ein Darlehen über 2.240,20 € vereinbart. Es sei vereinbart gewesen, dass die Klägerin das Geld über ihre Arbeitskraft rückführe. Eine Verrechnung durch den dafür zuständigen Bevollmächtigten Herrn Rechtsanwalt S Senior habe aber nicht stattgefunden (Schriftsatz der Beklagtenseite vom 03.08.2005, Bl. 78 d. A.).

Die Beklagte beantragt unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 06.10.2005 - 1 Ca 419/05 - :

die Klage abzuweisen, soweit festgestellt wird dass das Arbeitsverhältnis der Parteien erst am 28.02.2005 und nicht bereits durch die Kündigung vom 27.01.2005 aufgelöst worden ist.

Die Klägerin im Wege der Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 5.740,20 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, die fristlose Kündigung sei ungerechtfertigt. Sie habe das aus den Scheckeinlieferungen stammende Geld stets in voller Höhe der Beklagten bzw. dem Bevollmächtigten Herrn Rechtsanwalt S ausgehändigt. Dabei habe die Beklagte stets genau auf ihr Geld geachtet und die Kontoauszüge wöchentlich kontrolliert. Sie habe auch fast täglich telefonisch mit dem Vermögensberater ihrer Bank gesprochen und zweimal wöchentlich Besuch von dem Bevollmächtigten Herrn Rechtsanwalt S erhalten, der mit ihr die finanziellen Dinge jeweils durchgesprochen habe.

Eine Widerklageforderung bestehe nicht. Hinsichtlich der erhaltenen 3.500,00 € sei vereinbart gewesen, dass 1.000,00 € für nichtgenommenen Urlaub gewährt würden und 2.500,00 € als Vorauszahlung auf das testamentarisch zugedachte Vermächtnis.

Bezüglich der Brustoperationen sei es so gewesen, dass die Beklagte, die eine Operation habe durchführen lassen wollen, nicht allein ins Krankenhaus gehen wollte und deshalb die Klägerin gebeten habe, mit ihr zu gehen und ihr dies dadurch schmackhaft gemacht habe, dass sie ihr zugesagt habe, die Kosten einer Operation zu übernehmen. Rückzahlungsvereinbarungen seien nicht getroffen worden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Mit Recht hat das Arbeitsgericht die fristlose Kündigung für rechtsunwirksam erklärt und die Widerklageforderungen abgewiesen.

I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf den 06.03.2006 innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet worden.

II. In der Sache hatte die Berufung keinen Erfolg und musste kostenpflichtig zurückgewiesen werden.

1. Ein Grund für eine fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass die Beklagtenseite für ihre diesbezüglichen Behauptungen, die Klägerin habe Beträge aus der Einlieferung von Schecks unterschlagen, beweisfällig geblieben ist. Der Kündigende trägt die Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände, die als wichtiger Grund geeignet sein können, siehe Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 6. Auflage, § 626 BGB, Randziffer 301.

Die Darlegungs- und Beweislast liegt somit bei der Beklagten. Erschwerend kommt im vorliegenden Fall dazu, dass die Beklagte nicht einmal den substanziierten Vortrag der Klägerin hinsichtlich der Praxis der Geldzahlungen der Parteien substanziiert bestritten hat. Unstreitig ist die Verfahrensweise, dass die Klägerin über längere Zeit hinweg Schecks eingelöst hat, die zuvor der Bevollmächtigte der Beklagten Herr Rechtsanwalt S ausgestellt und unterschrieben hatte, unbeanstandet praktiziert worden. Dazu gehört, dass die Beklagte wöchentlich Kontoauszüge erhielt und zumindest einmal in der Woche - nach dem Vortrag der Klägerin sogar zweimal pro Woche - Besprechungen mit ihrem Bevollmächtigten Herrn Rechtsanwalt S durchführte sowie häufig mit dem Vermögensberater ihrer Bank telefonierte.

Wenn die Beklagte angesichts dieser Verfahrenspraxis darauf verzichtete, den Erhalt des Geldes jeweils durch schriftliche Quittungen zu bestätigen so führt dies nicht zu einer Verbesserung ihrer Beweissituation. Denn die Beklagte als Arbeitgeberin hatte die Organisationshoheit, das Zahlverfahren so festzulegen, wie sie es für richtig hielt. Aus der Tatsache, dass sie offensichtlich auf ein beweissicheres Verfahren verzichtete, kann sie keinen Anspruch auf Beweiserleichterungen ableiten.

Schließlich ist in die Würdigung einzuziehen, dass die Beklagtenseite zunächst weitergehende Vorwürfe dahin erhoben hat, dass die Klägerin auch weitere Scheckbeträge nicht abgeliefert habe und diese Vorwürfe nicht hat aufrecht erhalten können. Dies gilt insbesondere für die ursprüngliche Behauptung, die Klägerin hat den Scheckbetrag vom 27.01.2005 in Höhe von 2.500,00 € nicht abgeliefert. Mit Recht hat schon das Arbeitsgericht darauf hingewiesen das insoweit unstreitig ist, dass die Klägerin die 2.500,00 € nach Abzug der Ausgaben für Medikamente an Herrn Rechtsanwalts S abgeliefert hat. Dies ergibt sich aus dessen Bescheinigung (Bl. 113 d. A.), deren Inhalt die Beklagte nicht mehr bestritten hat.

Angesichts dessen fehlt es schon an einer substanziierten Darlegung, dass die Klägerin Geld aus Scheckeinlieferungen nicht weiter gegeben, sondern für sich behalten und unterschlagen hätte.

Ein Grund für eine fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB liegt daher nicht vor. Zu Recht hat das Arbeitsgericht daher festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht fristlos durch die Beklagte aufgelöst werden konnte.

2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch die Widerklage abgewiesen.

Die Widerklage ist, selbst wenn man den Vortrag der Beklagtenseite als richtig unterstellt, unschlüssig und daher abzuweisen.

a) Hinsichtlich des Betrages von 3.500,00 € fehlt es, worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, bereits an einer detaillierten und substanziierten Darstellung, dass die Parteien eine Rückzahlung vereinbart hätten.

Unstreitig ist, dass ein testamentarisches Vermächtnis zugunsten der Klägerin in Höhe von 15.000,00 € bestand (Testament Bl. 141 d. A.). Die Beklagtenseite hat nicht bestritten, dass zumindest hinsichtlich eines Betrages von 2.500,00 € eine Vorauszahlung auf dieses Vermächtnis gewollt war. Damit ist ersichtlich, dass die Parteien gerade nicht eine Rückzahlung ins Auge gefasst hatten. Der ohne nähere Spezifizierung behauptete spätere Widerruf dieses Vermächtnisses führt jedenfalls nicht dazu, dass eine Rückzahlungsvereinbarung fingiert werden könnte, an die bei Hingabe des Betrages von den Parteien nicht gedacht worden ist.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, als Rückzahlung sei die Verrechnung mit Lohn- und Gehaltsansprüchen der Klägerin vereinbart gewesen, kann dies nicht zum Erfolg der Widerklage hinsichtlich des Betrages von 3.500,00 € führen. Denn unterstellt man dies als richtig, obwohl nicht substanziiert vorgetragen ist, ab wann und mit welchen Beträgen eine solche Verrechnung vereinbart worden ist, so ergibt sich hieraus jedenfalls auch, dass dieser und kein anderer Rückzahlungsweg, der im übrigen auch für eventuelle Bereicherungsansprüche gelten würde, von der Beklagten beansprucht werden könnte.

Wie die Beklagte selbst vorgetragen hat, hätte in diesem Fall der Bevollmächtigte der Beklagten Herr Rechtsanwalt S , von den monatlichen Lohn- und Gehaltsauszahlungen entsprechende Absetzungen zur behaupteten Darlehenstilgung vornehmen müssen. Dass dies nicht geschehen ist, kann jedenfalls nicht der Klägerin angelastet werden und führt nicht zu deren Haftung. Durch die nachfolgende Kündigung des Arbeitsvertrages hat die Beklagte die Leistung in Gestalt der Gehaltsverrechnung unmöglich gemacht, mit der Folge des § 275 Abs. 1 BGB.

b) Ebenso unbegründet ist der Widerklagebetrag bezüglich der Brustoperationskosten in Höhe von 2.240,20 €. Auch hier hat die Beklagte vorgetragen, es sei vereinbart gewesen, dass die Klägerin das Geld über ihre Arbeitskraft, also durch Gehaltsverrechnung, zurückführe. Gerade wenn man dies unterstellt, ist die Widerklage unschlüssig. Denn abgesehen von den grundlegenden Zweifeln an der ausreichenden Substanziierung dieses Vorbringens wirkt sich auch hier aus, dass die Beklagtenseite dann auch verantwortlich dafür gewesen wäre, dass eine entsprechende Gehaltsverrechnung erfolgte, weil die Beklagte als Arbeitgeberin für die ordnungsgemäße Gehaltsabrechnung und Auszahlung verantwortlich war. Unterblieb eine solche Rückführung durch die Arbeitskraft und wurde sie später aufgrund der Beklagtenkündigung unmöglich, so kann daraus kein Anspruch gegen die Klägerin entstehen.

Insgesamt ergibt sich, dass das Arbeitsgericht zu Recht die Rechtswirksamkeit der fristlosen Kündigung verneint und die Widerklage abgewiesen hat.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, insbesondere lag keine Rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache im Sinne des § 72 ArbGG vor.

Ende der Entscheidung

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