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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.02.2004
Aktenzeichen: 2 (13) TaBV 65/03
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 40
Die besonderen betrieblichen Verhältnisse können es erforderlich machen, dass für einen 5köpfigen Betriebsrat 4 Amtsleitungen freigeschaltet werden. Solche besonderen Verhältnisse sind gegeben, wenn der Betriebsrat für 21 Filialen im Umkreis von 70 km zuständig ist und in diesen Filialen eine große Zahl von Teilzeitarbeitnehmern bzw. Arbeitnehmern, deren Arbeitszeit nicht parallel zur Arbeitszeit der in anderen Filialen tätigen Betriebsratsmitglieder liegt, eingesetzt werden. Hierdurch steigt das Bedürfnis, das Betriebsratsmitglied des persönlichen Vertrauens auch von außerhalb erreichen zu können.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Verkündet am 09. Februar 2004

In Sachen

mit den Beteiligten

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Anhörung vom 09.02.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Anspach und Büttner

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 24.09.2003 - 3 BV 25/03 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, für zwei weitere Betriebsratsmitglieder Telefone mit freigeschalteter Amtsleitung zur Verfügung zu stellen.

Der Arbeitgeber vertreibt bundesweit Drogeriewaren in Verkaufsstellen. Diese sind auf Grund eines Tarifvertrages Bezirken zugeordnet, in denen jeweils Betriebsräte gebildet sind. Der Antragsteller ist der für den Bezirk M gewählte Betriebsrat. Er besteht aus fünf Mitgliedern und ist für 21 Filialen im Radius von ca. 70 Kilometer Umkreis zuständig. Die einzelnen Betriebsratsmitglieder sind dabei in verschiedenen Filialen beschäftigt. Das Betriebsratsbüro befindet sich in einem Hinterraum der Filiale W . Dort treffen sich die Betriebsratsmitglieder zu ihren wöchentlichen Sitzungen. In der Filiale W ist jedoch kein Betriebsratsmitglied beschäftigt. Das Betriebsratsbüro in der Filiale W ist mit einer Amtsleitung versehen. Die Betriebsratsvorsitzende ist bei dem Arbeitgeber mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt. Da sie zugleich stellvertretene Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates ist, ist sie an 22,5 Stunden in der Woche in dessen Büro in P tätig. Auch das Büro des Gesamtbetriebsrates verfügt über eine Amtsleitung. Es ist allerdings von den einzelnen Filialen nicht per Kurzwahl erreichbar. Darüber hinaus befindet sich in der Verkaufsstelle Mendig ebenfalls ein Telefon mit freigeschalteter Amtsleitung.

Der antragstellende Betriebsrat hat vorgetragen, dass in der Betriebsratssitzung vom 12.05.2003 der Beschluss gefasst wurde, die Zurverfügungstellung der beiden Amtsleitungen zu beantragen. Nach Ablehnung dieses Antrages am 15.05.2003 sei in der darauffolgenden Betriebsratssitzung am 19.05.2003 der Beschluss gefasst worden, das vorliegende Verfahren einzuleiten und den Unterzeichner mit der Interessenwahrung zu beauftragen. Hierüber wurde der für den Betriebsrat zuständige Mitarbeiter der Arbeitgeberin, Herr K , mit Schreiben vom 19.05.2003 informiert.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat unter Bezug auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 27.11.2002 - 7 ABR 36/01 - dem Antrag stattgegeben und dies damit begründet, dass die Erreichbarkeit eines Betriebsratsmitglieds des persönlichen Vertrauens zu den unmittelbaren Betriebsratsaufgaben gehört, die auf Grund der besonderen Betriebsstruktur nur dann erfüllt werden können, wenn Betriebsratsmitglieder im vom Betriebsrat beschlossenen Umfang auch von außen über Amtsleitungen erreichbar sind.

Gegen diesen mit fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung am 15.10.2003 zugestellten Beschluss hat der Arbeitgeber am 28.10.2003 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Er bestreitet erneut das Vorliegen eines Betriebsratsbeschlusses zur Einleitung des Verfahrens. Weiterhin vertritt er die Ansicht, dass eine Erreichbarkeit des Betriebsrates von Mitarbeitern, die sich nicht im Betrieb befinden, nicht erforderlich sei. Sichergestellt werden müsste nur die Erreichbarkeit von Betriebsratsmitgliedern, wenn der Kontakt aufnehmende Arbeitnehmer selbst im Dienst ist. Dies sei über die eingerichteten Kurzwahlen möglich. Im Übrigen reiche für Sonderfälle die Erreichbarkeit über die Amtsleitung in Mendig, die Amtsleitung in Weißenthurm, die während der Betriebsratssitzungen benutzt werden könne und die Amtsleitung des Gesamtbetriebsratsbüros in P .

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Siegburg vom 24.09.2003 - 3 BV 25/03 - den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, insbesondere der geäußerten Rechtsansichten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die zulässige und fristgerechte Beschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Siegburg in dem angegriffenen Beschluss entschieden, dass dem Betriebsrat für den Bezirk M zwei weitere Amtsleitungen zur Verfügung gestellt werden müssen. Soweit im Tenor des Beschlusses zum Ausdruck gebracht ist, dass diese Amtsleitungen in den Verkaufsstellen B und N eingerichtet werden sollen, ist der Arbeitgeber dem nicht entgegengetreten, insbesondere nicht dahingehend, dass in diesen Verkaufsstellen tatsächlich kein Betriebsratsmitglied erreichbar wäre.

Die erkennende Kammer folgt zunächst dem Arbeitsgericht dahingehend, dass es einer weiteren Aufklärung hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrats zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens nur dann bedurft hätte, wenn seitens des Arbeitgebers substantiierte Einwände gegen die Korrektheit des Handelns der Betriebsratsvorsitzenden vorgetragen worden wären. Der Arbeitgeber ist vorgerichtlich und im Verfahren erneut darüber informiert worden, dass der Betriebsrat am 19.05.2003 entschieden habe, ein Beschlussverfahren mit dem gestellten Antrag einzuleiten. Dieser Beschluss ist durch die nicht bestrittene Vollmachtserteilung an den Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats umgesetzt worden. Dass die Betriebsratsvorsitzende, die nach außen rechtsgeschäftlich für den Betriebsrat tätig wird, hierbei nicht im Einklang mit der Willensbildung des Gremiums gehandelt hätte, hat auch der Arbeitgeber nicht dargelegt. Dabei wäre es dem Arbeitgeber durchaus möglich gewesen, im Falle eines Überschreitens der inneren Willensbildung des Betriebsrats durch die Betriebsratsvorsitzende bei der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten hierzu Indizien vorzutragen. Zum einen dürfte er über die Anwesenheit bei der maßgeblichen Betriebsratssitzung dadurch in Kenntnis gesetzt sein, dass sich die Betriebsratsmitglieder auf ihren Arbeitsstätten zur Betriebsratssitzung abmelden müssen. Zudem ist unwahrscheinlich, dass eine ohne Betriebsratsbeschluss handelnde Betriebsratsvorsitzende ein derartiges Verfahren über mehrere Monate fortsetzen kann, ohne dass es hierzu innerhalb des Betriebsrats zu einer korrigierenden Entscheidung gekommen wäre, falls die Betriebsratsvorsitzende im Innenverhältnis ihre Befugnisse überschritten hätte. Da zudem der Betriebsrat auch einen unwirksamen Beschluss nachträglich jederzeit genehmigen kann, kann allein aus der Tatsache, dass das Beschlussverfahren zwischenzeitlich in der Beschwerdeinstanz geführt wird, geschlossen werden, dass das Außenhandeln der Betriebsratsvorsitzenden mit der inneren Willensbildung des Betriebsrats übereinstimmt.

Die Beschwerdekammer folgt auch der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses. Denn die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.11.2002 (7 ABR 36/01) trägt auch die Einrichtung von Amtsleitungen für zwei weitere Betriebsratsmitglieder. Der Arbeitgeber ist gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, die Telefone in den Verkaufsstellen B und N so einrichten zu lassen, dass die dort beschäftigten Betriebsratsmitglieder von Arbeitnehmern des Betriebes auch von Außerhalb angerufen werden können.

Nach § 40 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung sachliche Mittel in erforderlichem Umfang zur Verfügung zu stellen. Der Betriebsrat hat zu prüfen, ob das verlangte Sachmittel für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und deshalb vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist. Dabei darf der Betriebsrat nicht allein nach seinen subjektiven Bedürfnissen entscheiden. Von ihm wird verlangt, dass er bei seiner Entscheidungsfindung die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigt. Dabei hat er die Interessen der Belegschaft einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung seiner Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen.

Die arbeitsgerichtliche Kontrolle der Entscheidung des Betriebsrats ist dabei auf die Prüfung beschränkt, ob das verlangte Sachmittel auf Grund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung einer gesetzlichen Aufgabe des Betriebsrats dient und ob der Betriebsrat nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt hat, sondern bei seiner Entscheidung auch berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat. Dient das jeweilige Sachmittel der Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben, die sonst nicht erledigt werden könnten und hält sich die Interessenabwägung des Betriebsrats im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, können die Gerichte die Entscheidung des Betriebsrats nicht durch ihre eigene ersetzen.

Die vom Betriebsrat gewünschte technische Veränderung an der Fernsprecheinrichtung stellt einen Teil des Sachmittelanspruchs des Betriebsrats dar. Die Nutzung der Telefonanlage zum Informationsaustausch mit den vom Betriebsrat repräsentierten Mitarbeitern betrifft auch die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben des Betriebsrats. Auf Grund der gesetzlichen Regelung der §§ 81 Abs. 4 Satz 3, 82 Abs. 2 Satz 2, 83 Abs. 1 Satz 2 und 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist den Arbeitnehmern das Recht vorbehalten, ein Betriebsmitglied seiner Wahl hinzuzuziehen. Die daraus resultierenden Aufgaben sind jedem einzelnen Mitglied des Betriebsrats zugewiesen und erfordern dessen unmittelbare Erreichbarkeit. Zudem kommt hinzu, dass einzelne Betriebsratsmitglieder, sei es auf Grund ihres Geschlechts, ihrer Eigenschaften oder ihrer speziellen Vorkenntnisse im Einzelfall geeigneter oder besser spezialisiert sind und deshalb der bessere Ansprechpartner für einen Arbeitnehmer sind. Wegen der besonderen Struktur des Unternehmens des Arbeitgebers ist die telefonische Kontaktaufnahme mit Arbeitnehmern auch außerhalb der Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer geeignet und notwendig, um einen ungehinderten Informationsaustausch zu ermöglichen. Dabei ist nicht nur die weite Entfernung der einzelnen Filialen zu berücksichtigen, sondern auch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sowohl Betriebsratsmitglieder in Teilzeittätigkeit eingesetzt sind als auch ein wesentlicher Teil der Belegschaft lediglich Teilzeitarbeitsleistungen erbringt. Dadurch ist es bereits vorgegeben, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass jeder Arbeitnehmer während seiner eigenen Arbeitszeit das Betriebsratsmitglied seiner Wahl über die intern freigeschalteten Kurzwahlen erreichen kann. Zu Recht hat der Betriebsrat auch darauf hingewiesen, dass Informationsaustausch und allgemeine Überwachungspflichten aus §§ 75, 80 BetrVG im Dialog mit den Arbeitnehmern auch dann anfallen können, wenn Arbeitnehmer langfristig erkrankt oder im Urlaub sind oder aus anderen Gründen aktuell keine Arbeitsleistung verrichten. Insoweit können ergänzend noch die Fälle der Beurlaubung wegen Elternzeit angeführt werden.

In die Abwägung ist das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht einzustellen. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung die arbeitgeberseits angeführten Kosten für die beiden Telefonleitungen auf nicht mehr als 400,00 € jährlich geschätzt. Dem wurde arbeitgeberseits nicht entgegengetreten, obwohl die Konkretisierung der Kostenlast Gegenstand des arbeitgeberseitigen Vortrages gewesen wäre. Ob der Betrag zu hoch geschätzt wurde, weil ggf. noch Rabatte für den Arbeitgeber gegenüber dem Telekommunikationsunternehmen zu berücksichtigen sind oder ggf. der Vorsteuerabzug berücksichtigt werden kann, mag dahinstehen. Denn im Rahmen der Kostenbelastung ist wiederum zu berücksichtigen, dass ein Telefonat, welches ein Mitarbeiter von zu Hause aus führt, nicht zum bezahlten Arbeitsausfall führt und damit Kosten des Arbeitgebers erspart. Während der Arbeitgeber bei einem Telefonat während der Dienstzeit die Arbeitsvergütung fortzuzahlen hätte, entfällt diese Kostenbelastung bei einem Telefonat, welches der Arbeitnehmer von zu Hause aus führt. Zudem ist in die Abwägung einzuführen, dass die gleiche Vertraulichkeit wie bei einem Telefongespräch von zu Hause nur durch die Wahrnehmung der Betriebsratssprechstunden während der Arbeitszeit gewährleistet werden könnte. Auch dieses wäre mit erheblichen Lohnkosten für den Arbeitgeber verbunden. Rechnet man diese Kostenentlastung gegen die Kostenbelastung durch die Einrichtung der Freischaltung der Amtsleitungen, so ergibt sich insgesamt, dass der Beschluss des Betriebsrats innerhalb der Grenzen liegt, die das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 27.11.2002 (a.a.O.) vorgegeben hat. Letztlich führt die Freischaltung der Amtsleitungen nur dazu, dass die besonderen Nachteile der Betriebsstruktur ausgeglichen werden und das Maß der Erreichbarkeit von Betriebsratsmitgliedern in einem normal strukturierten Betrieb erreicht wird. In einem Normalbetrieb mag eine Amtsleitung ausreichen, um durch Weiterverbindung bzw. kurze Weiterleitung von Notizen innerhalb kürzester Zeit den Kontakt zwischen dem gewünschten Betriebsratsmitglied und einem internen oder extern befindlichen Arbeitnehmer herzustellen.

Wegen der Bedeutung für die Vielzahl der ähnlich strukturierten Betriebe des Arbeitgebers wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen.



Ende der Entscheidung

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