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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 28.02.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 1016/04
Rechtsgebiete: BetrAVG
Vorschriften:
BetrAVG § 2 | |
BetrAVG § 7 |
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 28. Februar 2005
In Sachen
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28.02.2005 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Glock und Heider
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.03.2004 - 16 Ca 13463/03 - wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.357,74 € für die Zeit vom 01.01.2003 bis zum 30.11.2003 nebst 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 24.11.2003 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger beginnend ab dem 01.12.2003 über den unstreitigen Betrag von 752,50 € monatlich hinaus weitere 214,34 € monatlich zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Höhe der Betriebsrente des Klägers.
Der am 27.05.1939 geborene Kläger war seit dem 01.07.1970 zuletzt als Zentraleinkäufer bei der K beschäftigt und erzielte bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein Jahreseinkommen in Höhe von 155.000,00 DM brutto. Er erhielt ab 01.10.1978 eine Versorgungszusage, die als feste Altersgrenze das 65. Lebensjahr und eine zeitanteilige Kürzung bei vorzeitigem Ausscheiden vorsah.
Im Jahr 1994 stimmte der Kläger als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat erfolglos gegen eine Verlängerung des Dienstvertrags seines Vorsetzten, der Vorstandsmitglied bei der K war. Im zeitlichen unmittelbaren Zusammenhang hierzu stellte die K den Kläger zunächst von seiner Arbeitsleistung frei und machte ihm sodann das Angebot eines Aufhebungsvertrags. Der Beklagte bestreitet hierzu mit Nichtwissen, dass die K die Absicht gehabt habe, den Kläger aus dem Arbeitsverhältnis herauszudrängen. Der Aufhebungsvertrag wurde unter den Daten 10.01./13.01.1995 abgeschlossen und beendete das Arbeitsverhältnis zum 31.01.1995 "auf Veranlassung der Firma K zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung einvernehmlich". Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 650.000,00 DM. Zur betrieblichen Altersversorgung vereinbarten die Parteien des Aufhebungsvertrags folgendes:
"Die Parteien sind sich darüber einig, dass Herr P aus der betrieblichen Altersversorgung der Firma K eine unverfallbare Anwartschaft auf Leistung erworben hat.
Die Firma K verpflichtet sich weiterhin, diese betriebliche Altersversorgung zu Gunsten Herrn P bis zum Eintritt der Fälligkeit, d. h. spätestens zum Eintritt des Einreichens des 65. Lebensjahres, vertragsgerecht zu bedienen. Dies bedeutet, dass die Firma K für den Zeitraum 01.01.1995 bis zum Fälligkeitszeitpunkt 0,5 % pro Jahr bezogen auf das zuletzt gezahlte Gehalt (Jahresgehalt) in die betriebliche Rentenversicherung zu Gunsten Herrn P einstellt. Im Ergebnis führt dies dazu, dass auf die bisher erworbenen Anwartschaften in Höhe von 25 % bezogen auf das Jahreseinkommen (1983) weitere 9 % des letzten Jahreseinkommens (1994) als Rentenanwartschaft hinzukommen."
Unter § 10 des Aufhebungsvertrages vereinbarten die Vertragsparteien folgende salvatorische Klausel:
"Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen hiervon nicht berührt.
Die Parteien verpflichten sich, anstelle der unwirksamen Bestimmungen eine Bestimmung zu treffen, die dem von dem Parteien wirtschaftlich gewollten am nächsten kommt, dies gilt auch im Falle einer Lücke."
Die Firma K erteilte dem Kläger am 04.09.1995 eine Auskunft über die aufrechterhaltene Anwartschaft, die eine monatliche Gesamtrente von 2.218,27 DM mit Beginn des 65. Lebensjahres auswiest sowie darüber informierte, dass bei vorzeitigem Pensionsbezug vor Vollendung des 65. Lebensjahres die Pension um 0,5 % für jeden Monat des vorzeitigen Pensionsbezuges (maximal jedoch 18 %) gekürzt wird.
Dem Kläger gelang es in der Folgezeit, mit einem anderen Arbeitgeber ein weiteres Arbeitsverhältnis zu begründen. Am 01.03.2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der K eröffnet. Seit 01.01.2003 bezieht der Kläger eine gesetzliche Altersrente.
Der Beklagte als gesetzlicher Insolvenzsicherer zahlt an den Kläger seit diesen Zeitpunkt eine monatliche Rente von 752,50 Euro. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass bei Berücksichtigung von Nachdienstzeiten bis zum Insolvenzstichtag die Rente des Klägers 966,84 Euro betragen müsste. Die Verpflichtung des Beklagten einen weiteren Rentenanteil von 214,34 Euro pro Monat zu zahlen, ist damit zwischen den Parteien streitig.
Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die Aufhebungsvereinbarung eine wirksame Nachdienstvereinbarung enthalte und das der Beklagte an diese Regelung gebunden sei. Der Sachverhalt sei vergleichbar mit demjenigen, den das BAG in der Entscheidung 3 AZR 140/91 am 10.03.1992 entschieden habe. Sein Arbeitsgeber habe den uneingeschränkten Willen gehabt, ihn wegen des Konfliktes mit dem Vorstandsmitglied aus dem Arbeitsverhältnis zu entfernen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass er während der knapp 10 Jahre bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres noch einen anderen Arbeitgeber finden würde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass die besonderen Voraussetzungen des angezogenen Präzedenzfalles des Bundesarbeitsgerichts nicht gegeben seien. Im übrigen sei der gesetzliche Insolvenzschutz wie das Bundesarbeitsgericht mehrfach geäußert habe nicht disponibel.
Der Kläger beantragt mit der Berufung
1. unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 23.03.2002 - Az 16 Ca 13463/03 - den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.357,74 Euro für die Zeit vom 01.01.2003 bis 30.11.2003 nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist an den Kläger beginnend ab dem 01.12.2003 über den unstreitigen Betrag in Höhe von 752,50 Euro hinaus weitere 240,34 Euro monatlich zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er vertritt im wesentlichen die Ansicht, dass sich aus Folgeentscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ergebe, dass das Bundesarbeitsgericht von der Möglichkeit einer insolvenzgeschützten Nachdienstzeitvereinbarung abgerückt sei. Der Kläger müsse seine nicht befriedigten Rentenanteile bei seiner ehemaligen Arbeitgeberin als Insolvenzforderung geltend machen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, insbesondere der geäußerten Rechtsansichten wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und im übrigen fristgerechte Berufung ist begründet. Nach Ansicht der erkennenden Kammer des Landesgerichts ist eine vertragliche Vereinbarung von Nachdienstzeiten regelmäßig auch von dem Beklagten zu berücksichtigen, soweit die Fristen des § 7 BetrAVG für eine Verbesserung der Versorgungszusage eingehalten sind.
Angesichts der Misere der gesetzlichen Rentenkassen tritt in der betrieblichen Praxis häufig der Fall auf, dass Arbeitnehmer der rentennahen Jahrgänge nicht bereit sind, an der vorzeitigen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mitzuwirken, wenn hierdurch bei der betrieblichen Altersversorgung Nachteile für sie entstehen, weil sie die Betriebszugehörigkeit nicht voll erreichen. Den Parteien des Arbeitsvertrages stehen dabei mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die von beiden Seiten gewünschte Rechtsfolge eines ungeschmälerten Betriebsrentenbezuges trotz vorzeitigem Ausscheiden zu realisieren. So ist es denkbar dass im Zusammenhang mit dem Ausscheiden die Versorgungszusage verbessert wird, in dem der Gesamtversorgungsbetrag zunächst angehoben wird und sodann um die Quote des § 2 BetrAVG nach dem "m/n-tel Prinzip" gekürzt wird. Dieser Rechenweg hat den Vorzug, dass die so errechnete scheinbare Quote dem Zahlungsbetrag entspricht, der bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Rentenalter erreicht worden wäre, aber auf jeden Fall insolvenzfest ist, weil die Kürzung nach § 2 BetrAVG schon vorgenommen wurde. Dies ergibt sich aus der ständigen Rechtssprechung des BAG, insbesondere aus den Verfahren 3 AZR 140/91 und 3 AZR 684/98.
Eine weitere Möglichkeit, die nach der ursprünglichen Versorgungszusage geschuldete Vollrente bei Ausscheiden mit 65 Jahren zu vereinbaren, besteht darin, dass die Versorgungszusage dahingehend verbessert wird, dass die feste Altersgrenze vorverlegt wird (vgl. BAG 3 AZR 872/98). Zwar soll eine solche Regelung dann nicht insolvenzfest sein, wenn sie mit dem Aufhebungsvertrag getroffen wird. Eine vorher zwischen den Parteien der Versorgungszusage getroffene Herabsetzung der Altersgrenze ist hiervon jedoch nicht betroffen, so lange ersichtlich ist, dass die geschuldete Versorgung eine solche wegen des Versorgungstatbestandes "Alter" ist.
Weiterhin besteht zwischen den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit, dass Arbeitsverhältnis mit seinen Hauptpflichten zum Ruhen zu bringen, auf das Wettbewerbsverbot im bestehenden Arbeitsverhältnis ausdrücklich zu verzichten und evtl. Zwischenverdienst als nichtanrechenbar zu vereinbaren. In diesem Falle besteht aus dem ehemaligen Arbeitsverhältnis letztlich nur noch die Versorgungszusage fort. Auch in diesem Falle ist die während der Zeit des Ruhens des Arbeitsverhältnisses hinzu gewonnene Betriebszugehörigkeit für die gesetzliche Insolvenzsicherung bindend.
Als vierte Gestaltungsmöglichkeit steht darüber hinaus den Arbeitsvertragsparteien auch die Vereinbarung einer sogenannten Nachdienstzeit zur Verfügung. Das heißt, die Arbeitsvertragsparteien regeln, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls wirtschaftlich im Bezug auf seine Betriebsrente so gestellt werden soll, als habe das Arbeitsverhältnis fortbestanden. Diese Vereinbarung wird überwiegend als nichtbindend für den Beklagten angesehen.
Die erkennende Kammer des Landesarbeitsgerichts folgt dieser Meinung nicht. Zum einem lässt sich nicht erklären, worin der Unterschied zwischen der Vereinbarung einer Nachdienstzeit, eines hypothetisch ruhenden Arbeitsverhältnisses ohne Pflichten oder einer theoretischen Anhebung der Gesamtversorgung um nach Quotelung wiederum zum gewünschten Endbetrag der Rente zu gelangen, liegen soll. Hätten sich die Parteien des Versorgungsversprechens schlicht darauf beschränkt einen bezifferten Rentenbetrag im Aufhebungsvertrag zu nennen ohne einen Rechenweg anzugeben, so hätte der Kläger auch behaupten können diese Summe habe sich nach Erhöhung der Gesamtversorgung und Kürzung nach dem "m/n-tel Prinzip" ergeben. Es ist nicht ersichtlich, dass die bloße Mitteilung eines Berechnungsweges (Nachdienstzeiten anstelle von Erhöhung und anschließender Kürzung) eine anderes Ergebnis hinsichtlich der Insolvenzsicherung der Forderung rechtfertigen kann.
Dies gilt insbesondere deshalb, weil es dem Arbeitgeber bei Abschluss des Aufhebungsvertrags regelmäßig nur auf die Summe ankommt, die zu zahlen ist, und nicht, auf welchem Weg dieses Ergebnis erreicht wird. Für den Arbeitgeber, der nicht insolvent wird, ergibt sich kein Unterschied. Eine Ungleichbehandlung zwischen besonders trickreichen oder sehr gut informierten Arbeitnehmern, die sich in der schwierigen Rechtsmaterie der Insolvenzsicherung auskennen und regelmäßig Bundesarbeits-gerichtsentscheidungen lesen und denjenigen, die nur Interesse an der Höhe des geschuldeten Rentenbetrages haben und nicht erkennen können, welche Folgen die Vereinbarung einer Nachdienstzeit anstelle einer vorherigen Erhöhung und danach quotenmäßigen Berechnung nach § 2 BetrAVG haben, erscheint nicht sachgerecht.
Dafür, dass die Vereinbarung von Nachdienstzeiten jedenfalls bis zur Insolvenzeröffnung auch von dem Beklagten zu berücksichtigen ist, spricht weiterhin, dass diese Regelung die ausgeschiedenen Arbeitnehmer und die weiterhin betriebstreuen Arbeitnehmer im Insolvenzfall gleichstellt, denn auch die ausgeschiedenen Arbeitnehmer können in diesem Fall nicht mehr anteilige Rente erreichen, als sie bis zum Insolvenzstichtag bei Betriebstreue erhalten hätten. Setzt sich in der arbeitsrechtlichen Praxis jedoch die individuelle erhöhte Rentenzusage bei Ausscheiden und sodann die Rückrechnung nach dem "m/ntel Prinzip" auf das Maß der nach § 2 BetrAVG zu kürzenden Anwartschaft durch, so erhalten die betroffenen Arbeitnehmer auf diesem Wege unabhängig von Insolvenzdatum sogar eine bessere Absicherung als wären sie weiterhin betriebstreu geblieben.
Im vorliegenden Fall spricht zu dem eine weitere Besonderheit des Aufhebungsvertrages dafür, dass jedenfalls im Einzelfall der Beklagte verpflichtet ist, die Klageforderung zu erfüllen. Denn in der salvatorischen Klausel des Aufhebungsvertrages haben die Parteien vereinbart, dass diejenige Bestimmung gelten soll, die dem von den Parteien wirtschaftlich Gewollten am nächsten kommt. Würde man die Ansicht vertreten, dass die Vereinbarung von Nachdienstzeiten jedenfalls insoweit minderwertig ist, als mit dieser Vereinbarung kein Insolvenzschutz verbunden ist so kann doch angenommen werden, dass die K als redliche Arbeitgeberin mit dem Kläger eine andere Berechnung des gewünschten Rentenergebnisses vereinbart hätte, um bei gleicher Höhe der Rentensumme eine Insolvenzsicherung zu bewirken.
Der Zinsanspruch ist aus §§ 284 Abs.2, 288 Abs.1 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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