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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 19.06.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 1206/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Bei Bekanntwerden neuer Verdachtselemente ist es nach Anhörung der Personalvertretung auch zulässig, Kündigungsgründe in das Verfahren einzuführen, die eine Verdachtskündigung begründen. Dies gilt auch dann, wenn zunächst eine Tatkündigung ausgesprochen wurde. Eine zusätzliche Anhörung des Arbeitnehmers, der sich bereits im Ermittlungsverfahren eingelassen hat und der im Klageverfahren Stellung genommen hat, ist nicht erforderlich.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.03.2005 - 8 Ca 3340/04 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der am 01.04.1954 geborene Kläger, verheiratet und Vater von fünf zwischen 1982 und 1989 geborenen Kindern ist seit dem 01.06.1987 Arbeitnehmer des beklagten Landes. Auf das Arbeitsverhältnis sind die Tarifregelungen für Angestellte des öffentlichen Dienstes anwendbar. Der Kläger war als Diplom-Ingenieur (Elektrotechnik) beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb K als Sachbearbeiter in der Planung, Durchführung und Überwachung öffentlicher Baumaßnahmen tätig. Er war in Vergütungsgruppe II a/b BAT eingruppiert und erzielte eine Monatsvergütung von 4.150,00 €.

Vor seinem Eintritt in den öffentlichen Dienst war der Kläger bei dem Ingenieurbüro K angestellt. Im Jahr 1993 und 1994 hatte das Bauamt die Baumaßnahme "Datenverarbeitung Mudra-Kaserne" zu betreuen, der Kläger war der zuständige Sachbearbeiter. Zur Durchführung der Planungs- und Bauüberwachungsmaßnahmen wurde als externer Dienstleister das Ingenieurbüro K eingeschaltet. Eine solche Beauftragung eines externen Dienstleisters ist dann möglich, wenn die Kapazitäten des Bauamtes nicht ausreichend sind, um die verschiedenen Arbeitsaufgaben mit eigenen Kräften zu erledigen. Grundsätzlich ist das Bauamt jedoch in der Lage, die extern vergebenen Ingenieurleistungen auch mit eigenen Kräften zu erbringen. In den Jahren 2001 bis 2003 war der Kläger unter anderem zuständiger Sachbearbeiter hinsichtlich der elektrotechnischen Belange bei der Sanierung der Luftwaffenkaserne K . Auch in diesem Zusammenhang wurde das Ingenieurbüro K beauftragt.

In der Zeit von 1992 bis 1999 erhielt der Kläger insgesamt unstreitig 794.616,40 DM durch das Ingenieurbüro K gezahlt. Nach einer im Herbst 2003 erzielten Einigung mit Herrn K sollten dem Kläger noch weitere Differenzbeträge bis zum Ausgleich einer Gesamtforderung von 904.471,77 DM gezahlt werden. Die Ermittlungen haben zwischenzeitlich ergeben, dass der Kläger im Jahr 2000 weitere 13.577,60 DM brutto seitens des Ingenieurbüros K erhalten hat, sowie im Jahre 2003 weitere 38.686,00 € brutto.

Der Kläger unterhielt unter dem Namen seiner jeweiligen Ehefrau ein Schreibbüro, welches dem Ingenieurbüro K für Schreibleistungen Rechnungen ausstellte. Die Rechnungsinhalte bzw. angegebenen Leistungen der Rechnungen sind unstreitig fiktiv. Der Kläger gibt an, für das Ingenieurbüro K Zeichnungen erstellt zu haben und Teile der an K nach HOAI beauftragten Leistungen, wie zum Beispiel die Erstellung von Ausschreibungen und Leistungsverzeichnissen, in seiner Freizeit zu Hause auf seinem privaten Computer erstellt zu haben. Weitere Teile der Vergütung, die von K an den Kläger geleistet wurden, seien für Zeichnungen bezahlt worden, die die technische Zeichnerin G , die ebenfalls Arbeitnehmerin des beklagten Landes im BLB K war, für den Kläger erstellt haben soll.

Am 16.12.2003 wurde der Kläger vorläufig inhaftiert. Am gleichen Tag wurden verschiedene Hausdurchsuchungen insbesondere auch in den Geschäftsräumlichkeiten des BLB K durchgeführt. Gegen den Kläger wird wegen Verdachts der Untreue, Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit ermittelt. Die Ermittlungen sind nicht abgeschlossen. Die Ermittlungsakte umfasst derzeit mehr als 7.000 Seiten.

Darüber hinaus erhielt der Kläger weitere Gelder seitens der Firma R welche in der Baumaßnahme Mudra-Kaserne beauftragt war. Die Zahlungen erfolgten nach Rechnungsstellung durch das Schreibbüro der Ehefrau des Klägers. Von der Firma U , welche in der Baumaßnahme Luftwaffenkaserne K eingesetzt war, erhielt der Kläger Barzahlungen in Höhe von 10.000,00 €.

Am 26.02.2004 wurden dem beklagten Land erstmals Auszüge aus der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte übergeben. Am 09.03.2004 sprach das beklagte Land die streitgegenständliche fristlose Kündigung gegenüber dem Kläger aus. Im Rahmen des Berufungsverfahrens hat das beklagte Land weitere Sachverhalte nach Anhörung des Personalrats in das Verfahren eingeführt.

Das beklagte Land vertritt die Ansicht, dass gegenüber dem Kläger der erhebliche Verdacht bestehe, dass die von ihm bezogenen Gelder nicht für von ihm tatsächlich erbrachte Ingenieurleistungen gezahlt wurden, sondern entweder dafür, dass der Zahlende den entsprechenden Auftrag überhaupt erhielt oder bei den Leistungen der beiden Elektrofirmen R und U dafür, dass diese die Gelegenheit erhielten, überhöhte oder doppelte Leistungen abzurechnen. Der Verdacht ergebe sich insbesondere aus folgenden Indizien:

- der fehlenden Nebentätigkeitsgenehmigung

- der Tatsache, dass der Kläger Rechnungen durch seinen Untermieter und seinen Neffen erstellen ließ

- der Höhe der Zahlungen

- der Tatsache, dass Zahlungen teilweise in bar auf Baustellen erfolgten

- der Tatsache, dass Zahlungen nur durch die Firmen erfolgten, die in Projekten des Klägers eingesetzt waren

- der Tatsache, dass der Kläger Ausschreibungstexte durch den Zeugen H , der Mitarbeiter der Firma U war erstellen ließ

- der Tatsache, dass der Kläger im Rahmen eines Nachtragsauftrags für die Firma U (Telefondosen zählen) einen um 5,00 € zu hohen Stundensatz akzeptierte

- der Tatsache, dass der Kläger sogenannte Fusionsspleiße in einem Nachtragsauftrag beauftragte, obwohl diese Leistungsposition bereits im Ursprungsauftrag enthalten war. Bei der Vergabeverhandlung zu diesem Ursprungsauftrag hatte ein Mitbewerber, der nicht zum Zuge gekommen war, die Kosten für die Fusionsspleiße extra ausgewiesen. In der Begründung zur Auswahl des Mindestbietenden wird darauf hingewiesen, dass diese Position nicht gesondert abgerechnet werden kann, worauf sich die Ablehnung dieses Bieters ergab. Zwischen dem Vergabevermerk zur ersten Ausschreibung und dem Nachtragsangebot lag nicht einmal ein ganzes Jahr.

- der Tatsache, dass der Kläger bei der Vergabe vom 10.05.2001 den Preisspiegel und die Auswertung der von den Bietern angebotenen Alternativen nicht durch das hierzu beauftragte Ingenieurbüro IGE hat vornehmen lassen, sondern, obwohl Zeitdruck nicht gegeben war, in unüblicher Weise eine von ihm gefertigte Aufstellung lediglich von einem Mitarbeiter des Ingenieurbüros IGE hat abzeichnen lassen

- der den Kläger belastenden Aussage des Zeugen R , wonach dieser vom Kläger ein vollständig mit Preisen versehenes Leistungsverzeichnis erhalten habe mit der Maßgabe, dieses als Angebot einzureichen

- der den Kläger belastenden Aussage der Zeugin G , wonach diese von ihr gefertigte Ausführungspläne im Auftrag des Klägers und in der Dienstzeit in Revisionspläne der Firma U umbenannt habe

- der den Kläger belastenden Aussage des Zeugen S wonach der Kläger der Firma I zugestanden habe, die Ingenieurleistungen für den zweiten Nachtragsauftrag an die Firma U in der Luftwaffenkaserne W vollständig abzurechnen obwohl hierzu keine Ingenieurleistungen erbracht werden sollten

Der Kläger behauptet, allen abgerechneten Leistungen gegenüber dem Ingenieurbüro K und gegenüber der Firma R sowie hinsichtlich der durch die Firma U erhaltene Zahlungen lägen werthaltige Dienstleistungen zugrunde, die er in seiner Freizeit zu Hause erledigt habe bzw. an die Mitarbeiterin G weitergegeben habe. Diese habe die Leistungen privat und bei sich zu Hause erbringen sollen. Er ist der Ansicht, dass die bloße Durchführung von Nebentätigkeiten ohne Nebentätigkeitsgenehmigung die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertige. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Verdacht einer Straftat bereits deshalb besonders nahe liege, weil der Kläger im monatlichen Durchschnitt durch die nicht genehmigten Nebentätigkeiten eine Vergütung bezogen habe, die bereits über seinem regulären Gehalt liege. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und die zur Akte gereichten Auszüge aus dem Ermittlungsverfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 06.11.2003 2 AZR 631/02 - mit weiteren Nachweisen) kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines noch nicht erwiesenen strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

Die im Tatbestand unter den Spiegelstrichen aufgeführten einzelnen unstreitigen Sachverhaltselemente sowie die Tatsache, dass das Ermittlungsverfahren, welches seit Dezember 2003 andauert, auch bis heute nicht wegen erwiesener Unschuld des Klägers eingestellt werden konnte, rechtfertigen die Wertung, dass das Vertrauen des beklagten Landes in die Unbestechlichkeit des Klägers und in eine ausschließlich die Landesinteressen in den Vordergrund stellende Sachbearbeitung durch den Kläger in einem Maße erschüttert ist, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bei Ausspruch der Kündigung unzumutbar gemacht haben.

Die erkennende Kammer folgt dem Schluss des Arbeitsgerichts, dass sich aus der durchschnittlichen Monatsvergütung die der Kläger über das Ingenieurbüro Ki erhalten hat bereits der dringende Verdacht ergibt, dass dieser Vergütung keine werthaltige Gegenleistung, jedenfalls nicht in vollem Umfange zugrunde liegt. Die im öffentlichen Dienst für eine Vollzeittätigkeit gezahlte Vergütung für einen Ingenieur der Elektrotechnik entspricht durchaus durchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten angestellter Ingenieure im Vollzeitarbeitsverhältnis. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger weitere 38,5 Stunden wöchentlich für das Ingenieurbüro K tätig war, dass also den gezahlten Beträgen auch wertmäßig und umfangsmäßig Ingenieurleistungen eines Vollzeitarbeitsverhältnisses gegenüberstehen, konnte der Kläger nicht darstellen. Durch den Zeugen K konnte bei seiner Vernehmung nicht einmal ein einziges vom Kläger erbrachtes Arbeitsergebnis vorgelegt werden. Selbst wenn die durch die Mitarbeiterin G erstellten Zeichnungen durch die Zahlungen des Ingenieurbüros K honoriert werden sollten, so handelt es sich um Dienstleistungen auf der Ebene einer technischen Zeichnerin. Es ist nicht ersichtlich, dass und warum diese Leistungen, die der Kläger gegenüber der Zeugin G mit wenigen 100,00 € honorierte, vom Ingenieurbüro K nicht auch anderweitig zu diesen günstigen Preis hätten eingekauft werden können. Zumindest hat das Ingenieurbüro auf den Mehrwert zwischen eigener HOAI-Abrechnung und den Vergütungsaufwendungen für eine technische Zeichnerin verzichtet. Es drängt sich damit der Verdacht auf, dass der Kläger diese Vergütung dafür verlangt hat, dass der Auftrag überhaupt an das Ingenieurbüro vergeben wurde oder, dass eine "wohlwollende" Überwachung der Leistungen des Ingenieurbüros durch ihn erfolgte. Wäre es tatsächlich möglich in einigen wenigen Stunden wöchentlich ohne weitere Angestellte und ohne wesentliche Investitionen als Elektroingenieur über 4.000,00 € monatlich zu verdienen, so erschließt sich nicht, warum der Kläger den Fortbestand seines dann doch eher unlukrativen Arbeitsverhältnisses durchzusetzen versucht, wobei er sich nunmehr im Klaren ist, dass bei einer solchen Fortsetzung keinerlei Nebentätigkeit möglich ist. Der Verdacht, dass der Kläger tatsächlich keine den geflossenen Beträgen entsprechenden werthaltigen Leistungen für das Ingenieurbüro K erbracht hat, wird auch dadurch unterstützt, dass bei der Wiederherstellung der auf dem Computer des Klägers im Dezember 2003 gelöschten Dateien und Programme keinerlei Spuren des Programms Idealog gefunden werden konnten, mit dem die Ausschreibung, die der Kläger zu Hause erstellt haben will, gefertigt wurden. Unbestritten gelang die Wiederherstellung von Dateien bis zum Jahre 1998. Hierbei befand sich kein Leistungsverzeichnis, welches mit dem Programm Idealog bearbeitet worden wäre. Selbst wenn zum heutigen Zeitpunkt Spuren des Programms oder von mit dem Programm bearbeiteten Dateien auf dem Computer vorhanden wären, so würde dies nichts dazu aussagen, ob zum Zeitpunkt der behördlichen Untersuchung des Computers Programme oder Dateien, die mit dem Programm Idealog geschrieben worden waren, auf dem Computer vorhanden waren.

Der Verdacht, dass der Kläger seine Arbeitsposition ausgenutzt hat, um sich auch von beauftragten Elektrofirmen rechtswidrige Vorteile gewähren zu lassen, wird auch durch das Vorgehen in Zusammenhang mit dem Tatkomplex Fusionsspleiße sowie der überhöhten Stundenvergütung bei der Telefondosen Zählaktion genährt. Es mag sein, dass im Einzelfall jedem Arbeitnehmer einmal ein Versehen unterlaufen kann. Das Zusammentreffen der verschiedenen ungewöhnlichen Verhaltensweisen belastet den Kläger jedoch in einem Maß, das das Vertrauen in seine ordnungsgemäße Arbeitsleistung entfallen läßt.

So war bei der Ausschreibung der Spleißgehäuse aufgrund der Bewertung der Angebote bereits thematisiert worden, dass die Fusionsspleiße Gegenstand der funktionsfähigen Spleißgehäuse sind. Die Behauptung des Klägers, er habe dies vergessen bzw. übersehen und der Zusammenhang mit der Tatsache, dass der Kläger gerade dieses Nachtragsangebot nicht über das mit dem Erstauftrag beauftragte Ingenieurbüro hat bearbeiten lassen, rechtfertigen deshalb die Annahme, dass es sich lediglich um eine Schutzbehauptung handelt. Es besteht deshalb der dringende Verdacht, dass die Aufnahme der Fusionsspleiße in das Nachtragsangebot und die Erklärung des Klägers, dies sei bei der ursprünglichen Ausschreibung versehentlich nicht mit ausgeschrieben gewesen, der Refinanzierung der an den Kläger geleisteten Zahlungen diente.

Auch in diesem Zusammenhang ist nicht zu erkennen, dass der Kläger werthaltige Leistungen für die Firma U erbracht hätte. Soweit eine Baumaßnahme so durchgeführt wird, wie sie in den Ausführungsplänen vorgegeben wird, entsprechen die Revisionspläne als Zusammenstellung des nach Abschluss des Baumaßnahme gegebenen Bestandes zu 100 % den Ausführungsplänen. Wird von den Ausführungsplänen abgewichen, so sind die Ausführungspläne abzuändern. Die Mitarbeiterin G hat angegeben, bei der Beklagten vorhandene Ausführungspläne dadurch zu Revisionsplänen der Firma U gemacht zu haben, dass sie lediglich im Auftrag des Klägers das Logo der Firma U als Planhersteller in den bereits vorhandenen Ausführungsplan eingetragen hat. Eine solche Leistung ist ersichtlich nicht werthaltig. Es besteht deshalb der Verdacht, dass die Zahlungen der Firmen U und R dazu dienten, Leistungen doppelt abrechnen zu können oder Leistungen mit überhöhten Stundensätzen abzurechnen.

Auch die Gesamtheit der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen rechtfertigt den erheblichen Verdacht, dass der Kläger bei der Ausführung seiner Arbeitsaufgaben nicht die Interessen des Landes gewahrt hat, sondern seine eigenen finanziellen Interessen sein Handeln bestimmt haben. So ergibt sich aus dem Schreiben vom 18.09.2002 der Firma I an die Firma U , dass nicht sämtliche zur Zahlungsfreigabe erforderlichen Pläne erstellt worden waren, dass insbesondere Anordnungs- und Aufbauplan des Hauptverteilers, Aufbauplan der Gebäudehauptverteilung und Stromlaufplan entweder nicht vollständig oder überhaupt nicht vorlagen. Gleichwohl hat der Kläger die Zahlung an die Firma U vollständig freigegeben.

Auch das Verhalten bei der Vergabe am 10.05.2001 ist mehr als ungewöhnlich. Die Firma IGE hatte nicht nur ausreichend Zeit den Preisspiegel zu erstellen und die Alternativangebote auszuwerten. Dies gehörte zu ihren beauftragten Leistungen. Die Durchführung dieser Leistungen durch den Kläger und die Einbestellung des Sachbearbeiters der Firma IGE zur Unterzeichnung der vom Kläger gefertigten Auswertung ist deshalb geeignet, den Verdacht aufkommen zu lassen, dass der Kläger bei der Aufstellung der Exceldateien oder beim Umgang mit den Angeboten nicht korrekt vorgegangen ist, um die Firma U zu begünstigen.

Auch die Fertigung eines Teils eines Ausschreibungstextes durch einen Bieter, der dann tatsächlich auch den Zuschlag erhält, stellt eine erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei sachgerechter Überprüfung durch einen Dritten andere, günstigere Komponenten zur Ausschreibung gelangt wären. Auch die Tatsache, dass der Kläger trotz ganz erheblicher Abweichung in Einzelpreisen die ihm deshalb gebotene Überprüfung, wie es zu solchen Preisen kommen konnte, nicht vorgenommen hat, sondern trotz entsprechender Arbeitsanweisung lediglich die Auskömmlichkeit der Gesamtkalkulation überprüft hat, belastet das Vertrauensverhältnis stark. Es ist nicht auszuschließen, das bei ordnungsgemäßer Überprüfung auch für den Kläger erkennbar war, dass die Positionen, so wie sie ausgeschrieben waren, überhaupt nicht zur Durchführung kommen würden. Ein Anbieter, der eine Ausschreibung deshalb gewinnt, weil er aufgrund interner Kenntnisse erkennen kann, das ausgeschriebene Positionen überhaupt nicht zum Tragen kommen werden, kann diese Positionen risikolos besonders preiswert anbieten. Tatsächlich ist er dann bei den zur Ausführung kommenden Positionen gegenüber dem Mitbieter, der die Ausschreibung nicht gewinnen kann, erheblich teurer. Es besteht der Verdacht, dass der Kläger die Aufklärung der besonders erheblichen Abweichungen in den Einzelpreisen unterlassen hat, um der Firma U den Zuschlag erteilen zu können.

Die Gesamtsumme aller den Kläger belastenden Einzelindizien ergibt einen Sachverhalt, der die außerordentliche Verdachtskündigung nach § 626 BGB rechtfertigt. Auch die vorzunehmende Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Lebensalters, der Arbeitsmarktsituation, des Ausbildungsstands des Klägers und seiner Unterhaltspflichten führt nicht zu einem Überwiegen der Arbeitnehmerinteressen am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Eine gesonderte Anhörung des Klägers zu diesen nachträglich durch Anhörung der Personalvertretung nachgeschobenen Gründen der Verdachtskündigung war zum einen deshalb nicht mehr erforderlich, weil die Kündigung bereits ausgesprochen war, als die zusätzlichen Verdachtsgründe dem beklagten Land bekannt wurden. Das Nachschieben von Kündigungsgründen nach entsprechender Anhörung der Personalvertretung ist grundsätzlich zulässig (Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, 5. Aufl. § 626 BGB Nr. 78). Nach erneuter Anhörung des Personalrats muss deshalb auch die Möglichkeit gegeben sein, zumindest bei nachträglichem Bekannt werden von Verdachtsgründen diese als eigenständigen Kündigungsgrund in das laufende Verfahren einzuführen. Ob zudem auch die Möglichkeit gegeben ist, nachträglich von der Tatkündigung wegen desselben Sachverhalts im laufenden Verfahren zur Verdachtskündigung überzugehen, kann unentschieden bleiben. Hierfür spricht allerdings, dass der Kläger im Verfahren seine Einlassungsmöglichkeit nutzen kann und oftmals erst die Einlassung selbst die für den Verdacht und den damit einhergehenden schwerwiegenden Vertrauensverlust hinreichenden Indizien beinhaltet.

Vorliegend war eine gesonderte Anhörung des Klägers zu den einzelnen Verdachtsindizien vor Einführung in den Prozess nicht erforderlich, da der Kläger im Rahmen des Strafverfahrens bereits ausreichend Gelegenheit hatte, sich mit den Verdachtselementen auseinander zusetzen. Die Beklagte konnte von einer weiteren persönlichen Anhörung deshalb absehen und die im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung abgegebenen Einlassungen des Klägers ausreichen lassen. Denn der Kläger war durch seine Stellungnahmemöglichkeit im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht überraschend von dem Verdacht der gegen ihn erhobenen Straftaten betroffen worden und der Arbeitgeber hatte vor Ausspruch der Kündigung die Möglichkeit sich mit den vom Kläger vorgebrachten Entlastungsargumenten auseinander zu setzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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