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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.02.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 1271/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 104
BGB § 105
BGB § 123
BGB § 306
BGB § 307
Die Fürsorgepflicht eines Arbeitgebers gegenüber einem alkoholkranken Arbeitnehmer geht nicht so weit, dass er ein vom Arbeitnehmer während eines Abmahngesprächs gemachtes Auflösungsangebot ablehnen müsste. Soweit einzelne Bedingungen des Aufhebungsvertrags im Zusammenhang mit der verbleibenden Abwicklung des Arbeitsverhältnisses missverständlich oder benachteiligt wären, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Hauptpflichten des Aufhebungsvertrages sondern nur zur Anwendung der gesetzlichen Regelungen für die Nebenpflichten.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.04.2005 - 3 Ca 11222/04 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zuletzt in der Berufung nur noch darum, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund Aufhebungsvertrag vom 02.09.2004 mit dem 30.04.2005 sein Ende gefunden hat.

Der Kläger bezeichnet sich selbst in der Klageschrift als alkoholkrank. Er hat bereits 2 Entziehungskuren durchgeführt. Im Betrieb der Beklagten herrscht absolutes Alkoholverbot.

Im Jahr 2004 wurde der Kläger von der Betriebsärztin untersucht. Diese stellte fest, dass der Kläger nicht mehr im Gleisbereich, im gleisnahen Bereich und auch nicht mit absturzgefährdeten Arbeiten beschäftigt werden kann. Ferner empfahl die Betriebsärztin umgehend und dringlichst die Einschaltung der Suchtbeauftragten.

Am 26.07.2004 folgte ein erstes Konfliktgespräch mit der Suchtbeauftragten. Diese wies den Kläger auf das absolute Alkoholverbot hin und forderte ihn auf, erneut eine Entziehungskur bzw. Alkoholtherapie durchzuführen. Ab 27.07.2004 war der Kläger arbeitsunfähig. Er wurde für den 02.09.2004 zu einem erneuten sogenannten verschärften Konfliktgespräch geladen. Über dieses Konfliktgespräch ist ein Protokoll geführt worden. Der Kläger hat den Inhalt dieses Protokolls weder in erster Instanz noch mit der Berufung substantiiert und unter Beweisantritt bestritten. Im Laufe des Gesprächs hatte der Kläger zunächst ein Anerkenntnis dahingehend unterzeichnet, dass ihm sowohl das generelle Suchtmittelverbot bekannt sei als auch die Tatsache, dass Alkoholmissbrauch Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis haben werde. Insoweit ist auch unstreitig, dass dem Kläger mit dem Verlust des Arbeitsplatzes für den Fall gedroht wurde, dass er nicht zu einer Therapie bereit sei bzw. dass absolute Alkoholverbot nicht einhalten könne und wolle. Im Anschluss hieran äußerte der Kläger sodann den Wunsch, das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag zu beenden. Die Beklagte möge ihm ein entsprechendes Angebot machen. Noch im Gespräch wurde dem Kläger der von ihm unterzeichnete Aufhebungsvertrag vorgelegt und vom Kläger unterzeichnet. Mit Schreiben vom 01.10.2004 hat der Kläger diesen Vertrag angefochten. Das Arbeitsgericht hat die am 14.10.2004 erhobene Feststellungsklage abgewiesen. Mit der Berufung vertritt der Kläger nunmehr schwerpunktmäßig die Ansicht, die Beklagte habe sein Angebot zum Abschluss des Aufhebungsvertrages aus Fürsorgegesichtspunkten nicht annehmen dürfen. Zudem seien die gesamten Umstände des Vertragsabschlusses zu würdigen und müssten ebenfalls dazu führen, dass dieser nichtig sei. Der Aufhebungsvertrag sei für ihn überraschend und enthalte insbesondere auch wegen der geringen Höhe der Abfindung unangemessene Vertragsbedingungen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.04.2005 - AZ 3 Ca 11222/04 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht und insbesondere nicht durch den "Aufhebungsvertrag" vom 02.09.2004 zum 30.04.2005 beendet wurde.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere der geäußerten Rechtsansichten, wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Aufhebungsvertrag ist nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig. Hinsichtlich einer Anfechtung nach § 119 BGB fehlt es jedenfalls an der Einhaltung der Anfechtungsfrist aus § 121 BGB. Hinsichtlich einer Anfechtung nach § 123 BGB hat der Kläger einen Beweis nicht angetreten. Dabei kann unterstellt werden, dass die Beklagte dem Kläger angekündigt hat, dass sie das Arbeitsverhältnis beenden werde, wenn der Kläger nicht bereit ist, eine erneute Entziehungskur bzw. eine Therapie seiner Alkoholkrankheit durchzuführen. Da bei der Beklagten absolutes Alkoholverbot herrscht und der Kläger nach den Feststellungen der Betriebsärztin nicht einsatzfähig war, musste die Beklagte insbesondere aufgrund der dringenden Empfehlung, die Suchtbeauftragte einzuschalten, davon ausgehen, dass der Kläger auch im Zeitpunkt des Gesprächs vom 02.09.2004 aufgrund seiner Alkoholerkrankung nicht in der Lage war, die geschuldete Arbeitsleistung nüchtern zu erbringen. Auch die vom Kläger selbst vorgelegten Ergebnisse der Blutuntersuchung belegen insoweit, dass der Kläger zum Gesprächszeitpunkt regelmäßig, d.h. nahezu täglich 60 g Alkohol pro Tag oder mehr zu sich nahm. Auch die Blutuntersuchung vom 08.10.2004 spricht nicht hiergegen, da dort erneut der MCV-Wert krankhaft erhöht war. Der CDT-Wert wurde bei der Untersuchung am 08.10.2004 nicht bestimmt, so dass gerade dieser besonders aussagekräftige Wert fehlt. Auch hat der Kläger nicht dargelegt, dass der erheblich erhöhte CDT-Wert aus der Untersuchung vom 21.06.2004 auf einer chronisch aktiven Hepatitis, einer primär biliären Zirrhose oder auf erblichen Störungen des Glukoproteinstoffwechsels beruhte. Damit durfte die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger nicht mehr "trocken" war und seine geschuldete Leistungsfähigkeit durch erneuten Alkoholkonsum stark beeinträchtigt war. Die Androhung, das Arbeitsverhältnis zu beenden, wenn sich dieser Zustand nicht ändern würde, war deshalb bei dem Gespräch vom 02.09.2004 zulässig und angemessen. Zudem hat der Kläger nicht substantiiert bestritten, dass der Vorschlag, das Arbeitsverhältnis zu beenden durch ihn gemacht wurde. Die Beklagte hat also nicht von sich aus dem Kläger eine Alternative zur Wahl gestellt und die Wahl durch die Drohung mit einem rechtswidrigen Mittel beeinflusst. Das Gespräch war überhaupt von Seiten der Beklagten nicht dazu gedacht gewesen, am 02.09.2004 zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu gelangen.

Der Kläger überspannt allerdings die Anforderungen an die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht, wenn er die Ansicht vertritt, die Beklagte habe seinen Antrag auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses aus Fürsorgegesichtspunkten nicht annehmen dürfen. Die Fürsorgepflicht stellt eine Nebenpflicht des bestehenden Arbeitsverhältnisses dar und hat zum Inhalt, vermeidbare Nachteile im Rahmen der Durchführung des Vertrages vom Arbeitnehmer fernzuhalten. Ausfluss der Fürsorgepflicht war es deshalb im vorliegenden Fall gerade, dass der Kläger zweimal intensiv darauf hingewiesen wurde, welches Verhalten von ihm erwartet wird, wenn er das Arbeitsverhältnis aufrecht erhalten will. Nicht Gegenstand der Fürsorgepflicht ist es aber, den Arbeitnehmer von der Abgabe von Willenserklärungen abzuhalten, die darauf gerichtet sind, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Die Verantwortung hierfür trägt der Arbeitnehmer, wenn nicht Sondertatbestände gegeben, sind alleine. Soweit er nicht im Sinne des § 105 BGB in seiner Geistestätigkeit gestört oder geschäftsunfähig nach § 104 BGB ist, ist es nicht Aufgabe des Arbeitgebers den Arbeitnehmer dahingehend zu bevormunden, dass Vertragsaufhebungsangebote nicht abgegeben werden bzw. nicht angenommen werden dürfen durch den Arbeitgeber.

Der Aufhebungsvertrag ist auch nicht durch Widerruf beseitigt worden. Insoweit folgt auch das Berufungsgericht der BAG Rechtsprechung vom 25.05.2005, Aktenzeichen 5 AZR 572/04, bestätigt in der Entscheidung vom 18.08.2005 - 8 AZR 523/04 - , DB 05, Seite 107, 110.

Die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages folgt auch nicht aus §§ 307, 310 Abs. 4 BGB. Zum einen ist bereits vom Arbeitsgericht Köln zutreffend darauf hingewiesen worden, dass die Hauptpflichten des Vertrages nicht der AGB Kontrolle unterliegen. Damit ist sowohl die Erklärung, dass der Vertrag enden soll als auch die seitens der Beklagten als Gegenleistung in diesem Zusammenhang versprochene Abfindung nicht kontrollfähig.

Es kann dahinstehen, ob einzelne Erklärungen des Aufhebungsvertrages unzulässig oder unwirksam sind. Denn gemäß § 306 BGB ist zunächst zu vermuten, dass die verabredeten Hauptleistungen, so wie im Vertrag niedergelegt, bestehen bleiben. Hinsichtlich der durch allgemeine Geschäftsbedingungen geregelten Nebenpflichten tritt bei unzulässigen Klauseln die gesetzliche Regelung. Selbst wenn also Ziffer 2. des Aufhebungsvertrages mangels Auslegungsfähigkeit vollständig unwirksam wäre, so tritt nur das in Kraft, was die Parteien tatsächlich praktiziert haben, nämlich die ordnungsgemäße Abwicklung des Arbeitsvertrages bis zum 30.04.2005. Auch Ziffer 4. des Vertrages kann hinweggedacht werden, ohne dass Ziffer 1. und 3. des Vertrages unwirksam werden. Zudem hat der Kläger weder einen Wiedereinstellungsanspruch geltend gemacht noch die Voraussetzungen hierfür dargestellt. Die Anfechtung des Aufhebungsvertrages hat er vorgenommen und gerade dies ist Gegenstand des vorliegenden Prozesses. Ersichtlich kommt dieser Klausel deshalb keinerlei Wirksamkeit zu. Auch Ziffer 5. des Aufhebungsvertrages bewirkt nicht die Nichtigkeit dieses Vertrages in Bezug auf die Hauptleistungen. Soweit der Vertrag insoweit festhält, dem Kläger sei Gelegenheit gegeben worden sich über die Folgen des Aufhebungsvertrages zu informieren oder Auskünfte über die steuerlichen, sozialrechtlichen und rentenrechtlichen Auswirkungen einzuholen, so besagt dieser Passus nicht, dass der Kläger eine solche Gelegenheit benutzt hat und tatsächlich Auskünfte eingeholt hat. Vielmehr besagt gerade die Unterschrift des Klägers unter den Vertrag trotz dieses Inhalts, dass ihm bekannt war, dass der Aufhebungsvertrag auch steuerliche, sozialrechtlichen und rentenrechtliche Wirkungen haben wird. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers selbst, den Arbeitnehmer hierüber zu beraten besteht nicht. Nur in dem Fall, in dem der Arbeitgeber substantiierte Auskünfte zu den Auswirkungen abgibt, können sich möglicherweise Schadenersatzverpflichtungen ergeben, wenn die Auskünfte schuldhaft falsch waren. Insoweit bringt der vorliegende Aufhebungsvertrag nur zum Ausdruck, dass die Arbeitgeberin keine eigene Beratung hinsichtlich der Auswirkungen vorgenommen hat. Dass der Kläger die Gelegenheit zur Information deshalb nicht gehabt hat, weil ihm unmöglich gemacht worden wäre, dass Besprechungszimmer ohne Unterschriftsleistung unter den Aufhebungsvertrag wieder zu verlassen, hat selbst der Kläger nicht vorgetragen, geschweige denn unter Beweis gestellt.

Das Gericht verkennt nicht, dass der Kläger am 02.09.2004 in einer besonders schwierigen Situation war und dass für einen rückfälligen Alkoholiker die erneute Entziehungskur durchaus ein empfindliches Übel darstellt, welches jedoch nicht rechtswidrig ist. Solange der Gesetzgeber Aufhebungsverträge nicht ausdrücklich mit einer Widerrufsmöglichkeit ausstattet, verbleibt es allerdings bei den hier geprüften Nichtigkeitstatbeständen. Letztlich hat der Kläger aktiv an der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mitgewirkt. Bei bloßer Passivität und ohne die Eigeninitiative des Klägers wäre das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt und mit diesen Wirkungen nicht beendet worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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