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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 25.05.2009
Aktenzeichen: 2 Sa 135/09
Rechtsgebiete: KSchG, TzBfG
Vorschriften:
KSchG § 1 | |
TzBfG § 8 Abs. 4 |
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.01.2009 - 5 Ca 1987/08 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer der Klägerin am 31.07.2008 zugegangenen Änderungskündigung zum 31.01.2009, mit dem die Arbeitszeit der Klägerin von 30 Stunden auf 15 Stunden abgesenkt werden soll.
Die am 02.02.1953 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 01.07.1978 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger beschäftigt. Sie war zuletzt mit 30 Arbeitsstunden in B beschäftigt. Dieser Arbeitsort bildet einen gemeinsamen Betrieb mit der Niederlassung K der Beklagten. In B war die Klägerin durchschnittlich zur Hälfte der Arbeitszeit mit Wohnungseigentumsverwaltung und zur Hälfte der Arbeitszeit mit Gebäudemanagementaufgaben beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis sind die jeweiligen Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken anwendbar. Nach § 17 Abs. 3 des Manteltarifvertrages sind Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens 10 Jahre ununterbrochen angehören nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen i. S. d. § 111 BetrVG kündbar. Weiterhin lautet § 17 Abs. 3 MTV:
Die Möglichkeit der Änderungskündigung bleibt unberührt. Für die Verdienstsicherung gilt § 7 Ziffer 5 MTV.
Dieser lautet wie folgt:
Wenn Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens 10 Jahre angehören, aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, eine Tätigkeit übertragen wird, die einer niedrigeren Tarifgruppe entspricht, als der, in die sie in den vergangenen drei Jahren eingruppiert waren, ist ihnen weiter das Tarifgehalt ihrer bisherigen Tarifgruppe zu zahlen. Leistungsminderung infolge Alters oder Krankheit ist kein von ihnen zu vertretender Grund.
Zu § 17 Abs. 3 ist folgende Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien vermerkt:
Bei Zweigstellen, die aus betriebswirtschaftlichen Gründen geschlossen werden müssen und bei denen keine Möglichkeit der Unterbringung in anderen Geschäftsstellen besteht, ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Im Falle der Kündigung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Entschädigung nach den Grundsätzen eines Sozialplanes.
Mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat die Klägerin am 29.12.2006 einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen, wonach auf Grundlage des Altersteilzeitgesetzes i. V. m. dem anwendbaren Altersteilzeittarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken das Arbeitsverhältnis ab 01.03.2009 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt werden sollte und mit Ablauf des 28.02.2015 enden soll. Die Altersteilzeit soll in der Form des Blockmodells durchgeführt werden, so dass die Klägerin bis zum 28.02.2012 in der Arbeitsphase weiterhin 30 Arbeitsstunden leisten sollte, während sich sodann hieran die Freistellungsphase bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses anschließen sollte.
Die Beklagte hat behauptet, durch den Wegfall bestimmter Aufgaben aus der Wohnungseigentumsverwaltung in B sei sie motiviert worden, den Betriebsteil in B zum 31.12.2008 zu schließen und die Arbeitsplätze nach K zu verlagern. Gleichzeitig seien hierdurch die Tätigkeiten der Klägerin im Bereich der Wohnungseigentumsverwaltung entfallen, wodurch die Arbeitszeit der Klägerin von 30 auf 15 Stunden halbiert werden müsse. Da die Klägerin Teilzeitkraft sei, aber die unternehmerische Entscheidung dahin gehe, nur Vollzeitkräfte zu beschäftigen, sei eine Sozialauswahl nicht zu treffen. Die verbleibenden Arbeiten seien ausschließlich auf Vollzeitkräfte zu verteilen. Die Klägerin hat bestritten, dass bei der Beklagten eine Organisationsstruktur gegeben sei, die es ausschließe, dass Arbeit an mit 30 Arbeitsstunden beschäftigte Arbeitskräfte verteilt werde. Es sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte auch nach der Änderung der Arbeitsbedingungen in der Lage sei, der Klägerin Arbeit mit 15 Stunden Umfang zuzuteilen. Wenn Teilzeitarbeit unmöglich sei, hätte die Beklagte eine vollständige Beendigungskündigung oder eine Änderungskündigung auf einen Vollzeitarbeitsplatz aussprechen müssen. Zudem belaufe sich die Betriebsöffnungszeit auf 10 Stunden arbeitstäglich in der Zeit von Montag bis Freitag, decke also 50 Stunden wöchentlich ab, während die tarifliche Arbeitszeit 39 Wochenstunden betrage. Deshalb sei es ohne Weiteres möglich, der Klägerin auch im bisherigen Arbeitsumfang Arbeitsaufgaben zuzuordnen. Ein Rückgang in den Arbeitsaufgaben um 15 Stunden, so er denn tatsächlich gegeben sei, hätte gegenüber dem sozial am wenigsten schutzwürdigen Arbeitnehmer umgesetzt werden müssen.
Das Arbeitsgericht hat die Kündigung für unwirksam erachtet, da die Beklagte bereits durch die Tatsache, dass die Möglichkeit besteht, die Klägerin mit 15 Stunden zu beschäftigen, dargestellt habe, dass eine Teilzeitbeschäftigung einem betriebsorganisatorischen Konzept nicht widerspreche.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und vertritt die Rechtsansicht, dass eine unternehmerische Entscheidung, nur Vollzeitkräfte zu beschäftigen ein unternehmerisches Konzept sei, welches die Sozialauswahl ausschließe.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.01.2009 - 5 Ca 1987/08 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses haben sich durch die Änderungskündigungen vom 29.07.2008 nicht zum 31.01.2009 geändert. Vielmehr ist das Arbeitsverhältnis nach Ausübung des Direktionsrechts und Versetzung der Klägerin nach K weiterhin mit 30 Stunden fortzusetzen sowie ab 01.03.2009 im Rahmen des Altersteilzeitvertrages fortzuführen. Es kann dahinstehen, ob überhaupt die Summe aller nach Verlegung der Arbeitsplätze von B nach K gegebenen Arbeitsmöglichkeiten sich zum 31.01.2009 in der Weise verringert hat, dass insgesamt das betriebliche Bedürfnis für eine Beschäftigung einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmer im Stundenumfang von wöchentlich 15 Stunden entfallen ist oder ob nicht durch neue Aufträge die Gesamtanzahl der zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben erforderlichen Arbeitsstunden gleich geblieben ist. Der Arbeitgebervortrag hierzu fehlt vollständig. Denn die Klägerin ist im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 KSchG mit den von der Beklagten in K beschäftigten Vollzeitarbeitnehmern im Gebäudemanagement und in der Wohnungseigentümerverwaltung vergleichbar. Die Beklagte verkennt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vergleichbarkeit von Teilzeit- und Vollzeitkräften, wenn sie meint, dass ein Geschäftsführerbeschluss, nur Vollzeitkräfte beschäftigen zu wollen ausreichend sei, um die Klägerin aus der Sozialauswahl herauszunehmen.
In der Entscheidung vom 07.12.2006 (2 AZR 748/05) hat das Bundesarbeitsgericht Folgendes ausgeführt:
Ob bei der Kündigung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer Vollzeitbeschäftigte und bei der Kündigung vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer Teilzeitbeschäftigte in die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG einzubeziehen sind, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats von der betrieblichen Organisation ab. Der Senat hat in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmer mit Vollzeitkräften - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - dann für vergleichbar gehalten, wenn es dem Arbeitgeber lediglich um die Reduzierung eines Arbeitszeitvolumens ging, ohne dass organisatorische Entscheidungen über die Gestaltung der Arbeitszeit auf bestimmten Arbeitsplätzen getroffen worden war. Liegt dagegen ein nachvollziehbares unternehmerisches Konzept zur Arbeitszeitgestaltung vor, demzufolge bestimmte Tätigkeiten bestimmten Arbeitszeiten zugeordnet sind, so ist die dem zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung jedenfalls im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens von den Gerichten hinzunehmen, wenn sie nicht offenkundig unsachlich, d. h. missbräuchlich ist. Arbeitnehmer, die auf Grundlage solcher Organisationsentscheidungen unterschiedliche Arbeitszeiten aufweisen, die nur durch Änderungskündigung angepasst werden könnten, sind nicht miteinander vergleichbar.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der gesetzlich normierte Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung nach § 8 Abs. 4 TzBfG ebenfalls unter den gleichen Voraussetzungen besteht, welche bei der Frage der Vergleichbarkeit im Rahmen der Sozialauswahl anwendbar sind. Maßgeblich ist, ob ein im Betrieb praktiziertes Arbeitszeitsystem besteht, welches bewirkt, dass Teilzeitwünschen nicht entsprochen werden kann. Voraussetzung ist also nicht der bloße Arbeitgeberentschluss, Teilzeitbeschäftigte nicht beschäftigten zu wollen, sondern eine tragfähige betriebliche Struktur, welche es ausschließt, dass Arbeit als Teilzeitarbeit verrichtet wird. Eine solche Betriebsstruktur hat die Beklagte nicht dargestellt.
Auch in der Entscheidung vom 22.04.2004 - 2 AZR 244/03 - hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass die Darlegung einer unternehmerischen Organisationsentscheidung voraussetze, dass das unternehmerische Arbeitszeitgestaltungskonzept nachvollziehbar dargelegt und begründet wird. Ein Organisationskonzept, aus dem sich ergibt, in welchem Zeitraum, welcher in K beschäftigter Arbeitnehmer, welche konkreten einzelnen Arbeitsaufgaben verrichtet und das diese Arbeitsaufgaben und ihre Verteilung zwingend bedingen, dass 39 Stunden, nicht aber 30 Stunden wöchentlich gearbeitet wird, hat die Beklagte nicht dargelegt. Ebenfalls nicht dargelegt wurde, weshalb eine Teilzeittätigkeit mit 15 Stunden, nicht aber eine Teilzeittätigkeit von 30 Stunden dem unternehmerischen Konzept entsprechen soll. Hierauf war die Beklagte durch das erstinstanzliche Urteil hingewiesen worden. Auch hat sie nicht dargestellt, wie eine Arbeitszeit von 39 Stunden und eine Betriebsöffnungszeit von 50 Stunden sich in einem einzigen unternehmerischen Konzept miteinander vereinbaren lassen. Es ist deshalb nicht erkennbar, dass im K Betrieb überhaupt ein Arbeitszeitkonzept existiert, welches auf sachlichen Gründen beruht und von der Beklagten so umgesetzt wird, dass die Möglichkeit einer Teilzeitarbeit mit 30 Arbeitsstunden nicht mehr durchführbar ist.
Auch die Entscheidung des EuGH vom 26.09.2000 - C 322/98 - widerspricht dem nicht. Hiermit hat sich bereits das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 22.04.2000 - 2 AZR 244/03 - auseinandergesetzt. Der Europäische Gerichtshof hat sich nur dazu geäußert, ob europarechtliche Bestimmungen zwingend erfordern, dass Teilzeit- und Vollzeitarbeitsplätze stets sozial miteinander vergleichbar sind. Diese Frage hat das EuGH verneint nicht aber postuliert, dass Teilzeit- und Vollzeitarbeitskräfte nie miteinander vergleichbar seien.
Die Kündigung ist aber auch noch aus einem weiteren Grund unwirksam. Die Beklagte hat, wenn man einmal unterstellt, dass das Arbeitsvolumen nur noch 15 Stunden wöchentlich umfasst, nicht den mildesten Eingriff in den Arbeitsvertrag vorgenommen. Denn zwischen den Parteien sollte ab dem 01.03.2009 ein Altersteilzeitvertrag in Kraft treten, der über die Dauer seiner Laufzeit eine durchschnittliche Arbeitsleistung von nur noch 15 Stunden allerdings in der Verteilung im Blockmodell vorsah. Als milderes Mittel wäre jedenfalls die Verteilung der ohnehin herabgesetzten Arbeitszeit im Teilzeitmodell für die gesamte Laufzeit des Altersteilzeitvertrages infrage gekommen. Denn in diesem Fall hätte sich an dem Vergütungsanspruch der Klägerin nichts verändert. Sie hätte den Zuschuss zur erarbeiteten Altersteilzeitvergütung nicht verloren. Die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung zielt demgegenüber darauf ab, das Arbeitsvolumen der Klägerin auf 15 Wochenstunden zu senken, ohne die Zuschläge nach dem Altersteilzeitvertrag leisten zu müssen. Ein arbeitgeberseitiges Interesse, angesichts der ordentlichen Unkündbarkeit der Klägerin von den vereinbarten Kosten der Altersteilzeit freizukommen, besteht nicht. Ob darüber hinaus tatsächlich im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 111 BetrVG, nämlich die Stilllegung eines wesentlichen Betriebsteils gegeben war, kann dahinstehen. Aufgrund des Verweisungszusammenhangs des § 17 MTV ergibt sich jedenfalls, dass nur im Falle einer zugelassenen Kündigung auch die Möglichkeit der Änderungskündigung erhalten bleibt. Eine Änderungskündigung ohne Verdienstsicherung nach § 7 Ziffer 5 MTV ist demgegenüber nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG möglich.
Nach alledem steht fest, dass die arbeitsvertragliche Bedingungen sich durch die Änderungskündigung vom 29.07.2008 nicht geändert haben.
Die vom Direktionsrecht gedeckte Zuweisung von Tätigkeiten am Arbeitsort K ist von der Klägerin nicht angegriffen worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.
Ende der Entscheidung
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