Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 30.07.2001
Aktenzeichen: 2 Sa 1457/00
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 55
BGB § 630
Der Zeugnisanspruch für die gesamte Arbeitszeit richtet sich zumindest dann gegen den Insolvenzverwalter, wenn dieser das Arbeitsverhältnis fortgesetzt hat. Lohnansprüche nach Insolvenzeröffnung sind auch dann Masseverbindlichkeiten, wenn der Arbeitnehmer nicht beschäftigt wurde und ihm der Anspruch aus Annahmeverzug zusteht.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 2 Sa 1457/00

Verkündet am: 30.07.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30.07.2001 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende sowie den ehrenamtlichen Richter Modemann und die ehrenamtliche Richterin Schreck

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.05.2000 - 3 Ca 7224/99 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Masseunzulänglichkeit wird das Urteil erster Instanz hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 auf den Antrag des Klägers wie folgt neu gefasst:

1. Folgende Masseverbindlichkeiten werden zu Gunsten des Klägers festgestellt:

a) Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 01.06.1999 bis 31.10.1999 in Höhe von 36.050,00 DM brutto abzüglich 2.709,60 DM netto, nebst 4 % Zinsen aus dem Gesamtbetrag seit dem 15.08.1999,

b) Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 2.400,00 DM als Direktversicherung bei der Gerling Versicherungs AG (Vers.-Nr. 40-05528652-00-3, Mössinger, Gerd) fällig am 01.07.1999,

c) Bausparbeiträge in Höhe von 360,00 DM an die Leonberger Bausparkasse, Vertragsnummer 043192990/72500 Leonberg unter Berücksichtigung eines Eigenanteils des Klägers von monatlich 26,00 DM sowie des auf ihn entfallenden Steueranteils.

2. Die Beklagte wird verurteilt, unter Berücksichtigung von Ziffer 1 a) bis c) an den Kläger die auf seinen Masseanspruch entfallende Quote zu bezahlen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zuletzt noch um die Feststellung von Zahlungsansprüchen als Masseverbindlichkeiten sowie um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger ein Zeugnis zu erteilen.

Der Kläger war seit 01.03.1998 als Betriebsleiter bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Am 25.05.1999 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte als Insolvenzverwalterin eingesetzt. Zwischen den Parteien war neben dem vorliegenden Verfahren auch ein Rechtsstreit über die Dauer des Arbeitsverhältnisses anhängig. Dieser wurde zwischenzeitlich durch am 13.02.2001 verkündetes Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln im Verfahren 13 (3) Sa 1458/00 dahingehend entschieden, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bis Oktober 1999 fortbestanden hat.

Ab Juni 1999 zahlte die Beklagte die Vergütung des Klägers nicht mehr und setzte ihn mit Ausnahme des Zeitraums vom 02.08. bis 13.08.1999 auch nicht zu Arbeitsleistungen ein. Für diese Zeit vergütete sie dem Kläger 2.709,60 DM netto. Wie unstreitig geblieben ist, betrug die Gehaltshöhe ab Juni 1999 7.210,00 DM brutto pro Monat, daneben war im Juli jeden Jahres dem Kläger ein Beitrag zur Direktversicherung als betriebliche Altersversorgung in Höhe von 2.400,00 DM geschuldet. Für die Monate Juni bis Oktober erbrachte die Beklagte auch die Vermögenswirksamen Leistungen nicht, die bestehend aus einem Arbeitgeberzuschuss von je 52,00 DM und einem Eigenanteil von je 26,00 DM, der aus der Nettovergütung einbehalten werden sollte, an die Leonberger Bausparkasse zu zahlen waren.

Daneben begehrt der Kläger die Ausstellung eines Zeugnisses durch die Beklagte, wobei er zur Begründung darauf hinweist, dass die Beklagte verpflichtet sei, das Zeugnis über die gesamte Beschäftigungszeit zu erstellen.

Das Arbeitsgericht hat allen vom Kläger gestellten Anträgen stattgegeben und die Beklagte somit verurteilt,

1. an den Kläger 36.050,00 DM brutto abzüglich 2.709,60 Netto nebst 4 % Zinsen seit dem 15.08.1999 (mittleres Zinsdatum) zu zahlen;

2. für den Kläger die betriebliche Altersversorgung von 2.400,00 DM als Direktversicherung an die G (Versicherungsnummer: ) zu überweisen;

3. für den Kläger 390,00 DM an die L Vertragsnummer: unter Berücksichtigung eines Eigenanteils des Klägers von 26,00 DM sowie des auf ihn entfallenden Steueranteils abzuführen;

4. dem Kläger ein Zeugnis zu erteilen.

In den Urteilsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass es von dem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.10.1999 ausgeht und die Insolvenzverwalterin hinsichtlich des Zeugnisanspruchs verpflichtet sei, sich ggf. die erforderlichen Informationen vom Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin einzuholen. Auch sei zum Entscheidungszeitpunkt Massearmut noch nicht nachgewiesen.

Erstmals mit der Berufungsbegründung, mit der die Beklagte in erster Linie die vollständige Klageabweisung wegen Nichtbestehens des Arbeitsverhältnisses verfolgt, hat die Beklagte mitgeteilt, dass Masseunzulänglichkeit am 24.05.2000 dem Amtsgericht angezeigt wurde und am 19.06.2000 im Amtsblatt des Regierungsbezirks K veröffentlicht wurde.

Sie vertritt hierzu weiterhin die Ansicht, dass auch diejenigen Vergütungsansprüche, die nach Insolvenzeröffnung wegen des Laufs von Kündigungsfristen noch fällig werden, obwohl eine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht mehr angenommen werde, nicht zu den Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO gehören. Weiterhin hält sie sich nicht für verpflichtet, dem Kläger ein Zeugnis zu erteilen, da sie diesen nicht weiterbeschäftigt habe, sondern die Beschäftigung unterbrochen gewesen sei. Die Beklagte beantragt,

das am 03. Mai 2000 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln 3(12) Ca 7224/99 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger schränkt seinen Klageanspruch nach der nunmehr erfolgten Veröffentlichung der Masseunzulänglichkeit dahingehend ein, dass das Urteil erster Instanz mit folgendem Inhalt aufrechtzuerhalten ist,

1. folgende Forderungen des Klägers als Masseverbindlichkeit festzustellen:

a) Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 01.06.1999 bis 31.10.1999 in Höhe von 36.050,00 DM brutto abzüglich 2.709,60 DM netto nebst 4 % Zinsen auf dem Gesamtbetrag seit dem 15.08.1999,

b) Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 2.400,00 DM als Direktversicherung bei der (Versicherungsnummer: ) fällig am 01.07.1999,

c) Bausparbeiträge in Höhe von 390,00 DM an die Vertragsnummer: , unter Berücksichtigung eines Eigenanteils des Klägers von monatlich 26,00 DM sowie des auf ihn entfallenden Steueranteils,

2. die Beklagte zu verurteilen, unter Berücksichtigung von Ziffer 1 a) bis c) an den Kläger die auf seinen festgestellten Masseanspruch entfallende Quote zu bezahlen,

3. im Übrigen die Berufung zurückzuweisen, soweit sie gegen die Verpflichtung zur Zeugniserteilung gerichtet ist.

Er hält sämtliche nach dem 01.06.1999 fällig gewordenen Vergütungsanteile für Masseverbindlichkeiten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil insbesondere deswegen, weil zwischenzeitlich der Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.10.1999 rechtskräftig ist. Im Hinblick auf die nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils eingetretene Masseunzulänglichkeit sieht er sich jedoch gehindert, den Zahlungsanspruch als Leistungsanspruch zu verfolgen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und im Übrigen fristgerechte Berufung ist nicht begründet.

Auf die als unselbstständige Anschlussberufung zu behandelnde Antragsänderung des Klägers war der Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils wie geschehen neu zu fassen.

Die Antragsänderung des in erster Instanz voll obsiegenden Klägers zum Zwecke der Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Massearmut ist rechtlich als unselbstständige Anschlussberufung im Sinne des § 521 ZPO zu bewerten. Für diese Anschließung war eine eigene Beschwer nicht erforderlich. Insbesondere ist die Anschlussberufung dann zulässig, wenn hiermit sachdienliche Antragsänderungen im Sinne des § 264 Nr. 2 und 3 ZPO verfolgt werden (vgl. Zöller ZPO, 21. Auflage, § 521 Rdnr. 26).

Da das Arbeitsverhältnis wie nunmehr rechtskräftig feststeht, bis zum 31.10.2000 gedauert hat, sind die rechnerisch und sachlich unstreitigen Zahlungsforderungen des Klägers als Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO festzustellen. Bei dem Arbeitsvertrag handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, wobei die Gegenseitigkeit nicht dadurch eingeschränkt wird, dass der Insolvenzverwalter die Arbeitsleistung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht entgegennimmt. Vielmehr sind diejenigen Vergütungsanteile, die aus dem Fortbestand des Vertrages in der Zeit nach Insolvenzeröffnung herrühren, Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO (vgl. Gottwald/Klapp/Kluth Insolvenzrechtshandbuch, 2. Auflage, § 56 Nr. 36). Auch nach dem Kommentar von Obermüller/Hess (InsO, 2. Auflage, Nr. 312) soll der Vergütungsanspruch, der nach Insolvenzeröffnung entsteht, durch Freistellung von der Arbeitsleistung nur dann untergehen, "soweit dies arbeitsrechtlich zulässig ist". Eine Freistellung von der Arbeitsverpflichtung mit der Folge, dass hierdurch der Lohnanspruch untergeht, kennt das Arbeitsrecht aber nicht. Insoweit ist auch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass durch die Neuformulierung des § 55 InsO lediglich die untypischen Masseforderungen, die sich als bevorrechtigte Konkursforderungen darstellten, abgeschafft werden sollten. Eine Änderung hinsichtlich der bisher schon unzweifelhaft als Masseforderung behandelten Vergütungsansprüche aus der Zeit nach Konkurseröffnung war nicht beabsichtigt (vgl. Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, 2. Auflage, § 55).

Die vorliegend vom Kläger nunmehr als Masseverbindlichkeiten zur Feststellung beantragten Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis sind sämtlich in dem Zeitraum nach Insolvenzeröffnung entstanden. Dies gilt auch für den Beitrag zur Direktversicherung, da den vertraglichen Abreden nicht zu entnehmen ist, dass dieser gequotelt auf das Jahr zu verteilen ist. Vielmehr handelt es sich um eine am 01.07.1999 fällig gewordene Sonderleistung.

Die zur Feststellung beantragten Zinsen ergeben sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

Die auf den Kläger entfallende Quote ist im Rahmen der Insolvenzabwicklung abzurechnen und an den Kläger zur Auszahlung zu bringen.

Die Berufung ist auch hinsichtlich des Zeugnisanspruchs unbegründet. Das Gericht folgt der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.01.1991 (5 AZR 32/90 AP Nr. 18 zu § 630 BGB), wonach dem Arbeitnehmer ein Zeugnisanspruch gegenüber dem Insolvenzverwalter auch dann zusteht, wenn das Arbeitsverhältnis nach Insolvenzeröffnung noch zum Insolvenzverwalter fortbesteht. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei ausdrücklich aufgeführt, dass die Verpflichtung des Insolvenzverwalters unabhängig davon besteht, wie lange das Arbeitsverhältnis nach Insolvenzeröffnung fortgesetzt wird. Insbesondere sei der Insolvenzverwalter gehalten, sich die entsprechenden Auskünfte von dem Gemeinschuldner einzuholen, um auch den Teil des Arbeitsverhältnisses beurteilen zu können, der vor der Insolvenzeröffnung liegt. Im vorliegenden Fall ist es der Beklagten insbesondere auch deshalb möglich, eine persönliche Beurteilung des Klägers bezüglich Führung und Leistung abzugeben, da der Kläger vom 02. bis 13.08.1999 tatsächlich für sie Abwicklungsarbeiten durchgeführt hat. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts überzeugt insbesondere deshalb, weil auch im vergleichbaren Fall eines Betriebsüberganges nach § 613 a der letzte Betriebsinhaber die gesamte Zeit des Arbeitsverhältnisses durch die Zeugniserteilung abzudecken hat. Zudem ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzestext, dass das Zeugnis im Sinne des § 630 BGB erst bei Beendigung des Dienstverhältnisses gefordert werden kann. Zum Zeitpunkt des Endes des Arbeitsverhältnisses war die Insolvenzverwalterin bereits Kraft ihres Amtes in die Arbeitgeberstellung und damit in die Stellung des Verpflichteten im Sinne des § 630 BGB eingerückt. Eine eventuell mögliche Erteilung eines Zwischenzeugnisses durch den früheren GmbH-Geschäftsführer erfüllt nicht den Anspruch auf ein Schlusszeugnis.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war mangels allgemeiner Bedeutung nicht zuzulassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück