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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 03.04.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 1489/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 418 Abs. 1
Der Zustellvermerk auf einem Versäumnisurteil ist eine öffentliche Urkunde. Ist der Akteninhalt nach Aktenordnung wegen Zeitablauf vernichtet, obliegt dem Einspruchführer, die Einhaltung der Einspruchsfrist und die Fehlerhaftigkeit des Zustellvermerks zu beweisen. Hierzu ist der Vollbeweis erforderlich.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.06.2005 - 16 Ca 7656/05 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren, welches im Jahr 1995 begann, den jetzigen Berufungsbeklagten gesamtschuldnerisch mit einem weiteren Beklagten auf Kündigungsschutz und Zahlung in Anspruch genommen. Sie hat seinerzeit Klage gegen beide Beklagte erhoben und hierzu vorgetragen beide seien Arbeitgeber und Inhaber des Lokals gewesen, in dem sie beschäftigt wurde.

Für beide Beklagte bestellte sich zunächst eine Anwaltskanzlei, die die Arbeitgebereigenschaft des Beklagten (damals Beklagter zu 2) nicht bestritt. Im Kammertermin am 23.07.1996 trat für beide Beklagte niemand auf. Es erging Versäumnisurteil. Dieses wurde dem Beklagten zu 1) gemäß Vermerk über die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung am 29.07.1996 zugestellt. Diesem gegenüber wurde das Urteil rechtskräftig. Der damalige Beklagte zu 1) hält sich möglicherweise in den U auf. Eine Vollstreckung war bislang nicht erfolgreich. Auf dem Originalurteil findet sich ferner ein Vermerk in dem die Zustellung gegenüber dem jetzigen Beklagten am 09.01.1998 festgestellt wird. Auch hier blieb die Vollstreckung der Klägerin fruchtlos, da die Klägerin einen Aufenthaltsort des Beklagten nicht ermitteln konnte. Unter dem 04.06.1997, 05.11.1997, 01.07.1999, 31.07.2001 und 01.10.2001 teilte die Stadt K , bei der der Beklagte zuletzt gemeldet war, der Klägerin mit, dieser habe sich nach Ä mit Postfachadresse abgemeldet. Der Beklagte hat Fotokopien von Meldebescheinigungen vorgelegt, wonach er vom 04.11.1996 bis 16.12.1996 in der H gemeldet war, vom 08.09.1997 bis Oktober 1997 in der R , ab 18.11.1997 in der T und ab 15.11.1998 im E in K . Seit 02.02.2004 hat sich der Beklagte erneut nach Ä abgemeldet.

Von der ursprünglichen Prozessakte wurde nur das Originalversäumnisurteil erhalten sowie zwei Zustellungsurkunden über den Kostenfestsetzungsbeschluss und die Kostenrechnung, welche dem Beklagten zu 1) zugestellt werden konnte, dem Beklagten zu 2) jedoch nicht, sowie ein Schreiben der Klägerin, mit dem diese die vollstreckbare Ausfertigung unter dem Datum vom 29.05.2001 beantragt. Alle weiteren Akteninhalte wurde nach Fristablauf vernichtet.

Der Klägerin gelang es jedoch, den Wohnort des Beklagten in K ausfindig zu machen. Mit einem ersten Schreiben vom 12.11.2003 informierte die Gerichtsvollzieherin M den Beklagten davon, dass gegen ihn vollstreckt werden solle. Die zunächst vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte wandten sich mit Schreiben vom 04.12. und 09.12. an die Gerichtsvollzieherin. Der Inhalt dieser Schreiben ist nicht bekannt.

Der Beklagte trägt vor, er sei weder seinerzeit zum Termin des Arbeitsgerichts geladen gewesen, noch sei das Versäumnisurteil ordnungsgemäß zugestellt worden. Er behauptet, er habe das Versäumnisurteil erstmals am 12.12.2003 erhalten. Am 16.12.2003 ging der Einspruch gegen das Versäumnisurteil beim Arbeitsgericht ein. Mit diesem trägt der Beklagte, der nunmehr nur noch alleine am Verfahren beteiligt ist, vor, er sei niemals Arbeitgeber gewesen, sondern habe stets nur für den Beklagten zu 1) freundschaftlich unterstützend gehandelt. Er habe diesem die Prozessbevollmächtigten vermittelt. Im Übrigen habe er bei Gesprächen mit der Klägerin stets darauf hingewiesen, dass er nicht Arbeitgeber sei.

Die Klägerin hat den Schriftverkehr des Arbeitsgerichts vorgelegt, wonach ihr mitgeteilt wurde, dass das Versäumnisurteil gegen den Beklagten am 09.01.1998 durch öffentliche Zustellung zugestellt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil bestätigt und dabei dahinstehen lassen, ob der Einspruch des Beklagten rechtzeitig war. Es hat das Auftreten des Beklagten bei Abschluss des Arbeitsvertrages dahingehend bewertet, dass dieser jedenfalls gegenüber der Klägerin und nach außen in der Öffentlichkeit als Inhaber des Lokals aufgetreten ist.

Mit der Berufung beantragt der Beklagte,

das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.07.1996 - 16 Ca 7656/95 - sowie das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.06.2005 werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, dass das Versäumnisurteil vom 23.07.1996 im Wege der öffentlichen Zustellung wirksam zugestellt wurde und der Beklagte deshalb die Einspruchsfrist versäumt habe. Im Übrigen habe der Beklagte zu keinem Zeitpunkt darauf aufmerksam gemacht, dass er nicht Arbeitgeber sei. Vielmehr sei er die treibende Kraft für die Kündigung der Klägerin während deren Schwangerschaft gewesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf die Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und fristgerechte Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Versäumnisurteil vom 23.07.1996 war bereits deshalb aufrechtzuerhalten, weil der Einspruch des Beklagten verspätet gemäß § 59 ArbGG ist.

Der Zustellvermerk auf dem verbliebenen Original des Versäumnisurteils vom 23.07.1996 ist eine öffentliche Urkunde mit der Beweiskraft des § 418 Abs. 1 ZPO. Damit steht fest, dass das Versäumnisurteil mit Wirkung gegenüber dem Beklagten diesem am 09.01.1998 zugestellt wurde und die Zustellung ordnungsgemäß im Sinne des § 169 Abs. 1 ZPO erfolgt ist. Es wäre damit Sache des Beklagten gewesen, den Beweis des Gegenteils anzutreten. Die bloße Erschütterung oder Zweifel daran, ob die öffentliche Urkunde zutreffend erstellt wurde, sind nicht ausreichend.

Dabei ist der Vortrag des Klägers, es sei kein Beschluss nach § 339 Abs. 2 ZPO auf gesonderte Festsetzung der Einspruchsfrist nachgewiesen, welche für den Fall der öffentlichen Zustellung erforderlich ist, nicht einmal geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des Zustellvermerks zu begründen. Denn da der gesamte Akteninhalt mit Ausnahme des Versäumnisurteils selbst vernichtet wurde und eine Aufbewahrungspflicht auch für die anderen Urkunden, die im Prozess gefertigt wurden, nicht besteht, ist das Fehlen des Beschlusses mit dem bei öffentlicher Zustellung eine gesonderte Einspruchsfrist festgesetzt wird, dadurch begründet, dass dieser Beschluss ebenfalls zu dem Akteninhalt gehört, der zu vernichten war. Da bei Erlass des Urteils nicht bekannt war, dass dieses nicht zustellbar sein würde, befand sich der Beschluss naturgemäß nicht auf dem Urteil sondern wurde, nach erfolgloser Zustellung gesondert gefertigt. Dies entspricht dem üblichen Geschäftsgang und ist deshalb nicht geeignet, Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Zustellung zu begründen.

Die Beweislastverteilung ist auch nicht unbillig. Hätte sich der Beklagte rechtzeitig um das Schicksal des Prozesses gekümmert, wäre ihm bei einer fehlerhaften Zustellung der Beweis ohne weiteres durch die Gerichtsakte selber möglich gewesen. Der Beklagte wusste von der Einleitung des Prozesses. Für ihn hatten sich Anwälte bestellt. Er hat selber eingeräumt, auch für den Beklagten zu 1) den Kontakt zu den Anwälten hergestellt zu haben. Auch nach einem Anwaltswechsel vor dem Kammertermin haben sich die neuen Anwälte erneut für den Beklagten bestellt. Wenn der Beklagte sich bei diesem Sachverhalt dem Prozess durch Abmeldung an eine nicht zustellungsfähige Adresse entzieht, ohne sich weiter um das Ergebnis des Prozesses zu kümmern, ist es nicht unzulässig, ihm die Nachteile eventuell verlorengegangener für ihn günstiger Beweismittel zu versagen. Der Beklagte hat den Beweis, dass das Versäumnisurteil nicht, bzw. nicht ordnungsgemäß zu dem Zeitpunkt zugestellt wurde, der auf dem Urteil vermerkt ist, nicht erbracht.

Damit war der verspätete Einspruch als unzulässig zurück zu weisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.



Ende der Entscheidung

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