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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 21.03.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 1499/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 9
KSchG § 10
Bei einer Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG ist der Kläger dann beschwert, wenn das Urteil hinter der in der Antragsbegründung dargestellten Höhe zurückbleibt, auch wenn der Antrag selbst nicht zahlenmäßig bestimmt war.

I. Ü.: Einzelfallerwägungen zur Abfindungshöhe


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 08.11.2004 - 1 Ca 3100/04 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Die Klägerin erstrebt mit der Berufung die Erhöhung der im Versäumnisurteil vom 08.11.2004 festgesetzten Entschädigungssumme von 4.000,00 € gemäß §§ 9, 10 KSchG. Die Klägerin war seit dem 19.06.2000 bei der Beklagten als Diplomsportlehrerin mit einer Bruttovergütung von zuletzt 1.808,00 € beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt durchschnittlich 50 Arbeitnehmer. Das Arbeitsverhältnis wurde mit Schreiben vom 27.08.2004 zum 31.10.2004 gekündigt. Neben der Klägerin wurde zwei weiteren Mitarbeiterinnen, die sich noch in der Probezeit befanden, gekündigt. Die Beklagte begründet die Kündigung damit, dass in letzten Wochen vor Ausspruch der Kündigung ein Belegungsrückgang von 15 - 18 % zu verzeichnen gewesen sei. Dies sei Folge des Gesundheitsstrukturgesetzes und des in Krafttretens neuer Richtlinien. Das Gespräch, welches mit der Klägerin bei Übergabe des Kündigungsschreibens geführt worden sei, sei kontrovers verlaufen. Nach Ende der Schulsommerferien habe sich die Belegungsquote der Einrichtung jedoch wieder gebessert, sodass zwei Mitarbeitern die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angeboten werden konnte. Die Beklagte nahm mit Schreiben vom 29.09.2004 die Kündigung zurück und forderte die Klägerin auf, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Dieses lehnte die Klägerin ab und stellte den Auflösungsantrag. In ihren Schriftsätzen vom 12.10.2004 und 03.11.2004 erläuterte sie, dass sie ein Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr für angemessen im Sinne ihres Klageantrags hielte, sodass insgesamt ein Betrag von 8.000,00 € zuzusprechen sei. Die Klägerin hat behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe im Rahmen des Gesprächs bei Übergabe des Kündigungsschreibens erklärt, wenn die Klägerin die Kündigung angreife, würde sie keine Minute mehr ohne Bauchschmerzen arbeiten, man habe dann den totalen Krieg. Weiter habe er geäußert: "Da sie ja eine große Klappe haben, werden sie sicher etwas gegen meine Kündigung unternehmen wollen. Ich kann ihnen jetzt schon sagen, dass sie 100 % im Recht sind. Wenn sie klagen, muss ich sie wieder einstellen, aber das will ich ihnen nicht raten." Unstreitig hat die Beklagte der Klägerin bei Übergabe des Kündigungsschreibens ein Angebot hinsichtlich einer Abfindungsvereinbarung gemacht. Die Höhe des Angebots ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin hat das Angebot vorgerichtlich abgelehnt in der irrigen Annahme, auch nach Ausspruch einer Kündigung Nachteile beim Arbeitsamt zu haben, wenn im Anschluss an die Kündigung eine Abfindungsvereinbarung getroffen wird. Die Beklagte, die vorträgt, dieses Abfindungsangebot habe sich auf ein Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr belaufen, ist im Laufe des Verfahrens nicht mehr bereit gewesen, sich in Höhe dieser Summe zu vergleichen. Zum Kammertermin vom 08.11.2004 ist die Beklagte nicht erschienen. Das Arbeitsgericht hat in diesem Termin Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen und dabei festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.08.2004 nicht beendet worden ist. Es hat sodann das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2004 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 4.000,00 € aufgelöst. Das Urteil enthielt keine Rechtsmittelbelehrung für die Klägerin und insoweit auch keinen klageabweisenden Teil des Tenors. Am 07.12.2004 legte die Klägerin hiergegen Berufung ein. Sie ist der Ansicht, dass das Urteil hinter ihrem ursprünglichen Antrag auf angemessene Abfindung deshalb zurückbleibt, weil das Urteil nur ein halbes Gehalt pro Beschäftigungsjahr als Abfindung berücksichtigt. Sie begründet die Unangemessenheit des ausgeurteilten Abfindungsbetrages erneut damit, die Beklagte habe nach ihrem eigenen Vorbringen bereits eine Abfindung in Höhe von 8.000,00 € angeboten gehabt. Ein halbes Bruttomonatsgehalt sei nur dann gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorlägen, die eine Kündigung begründen könnten. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte keinerlei konkrete Angaben darüber gemacht habe weshalb sie das Arbeitsverhältnis gekündigt habe. Die Beklagte habe auch nicht substantiiert zur Sozialauswahl vorgetragen. Der Auflösungsantrag sei auch deshalb berechtigt weil die Beklagte mit Schriftsatz vom 20.10.2004 geäußert habe, die Klägerin versuche nach Rücknahme der Kündigung mit unlauteren Mitteln aus dieser Situation Geld zu verdienen. Die Klägerin beantragt, unter teilweiser Abänderung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 08.11.2004 - 1 Ca 3100/04 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Abfindung zu zahlen, die mindestens 8.000,00 € betragen sollte. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die Berufung darüber hinaus für unzulässig. Entscheidungsgründe: Die Berufung der Klägerin ist fristgerecht und zulässig. Da wegen der fehlenden Zustellungsnachweise ein konkretes Zustellungsdatum nicht feststellbar ist, nach den gerichtlichen Abvermerken das Urteil aber jedenfalls um den 10.11.2004 herum versandt wurde, ist die am 07.12.2004 beim Berufungsgericht eingegangene und begründete Berufung jedenfalls fristgerecht. Sie ist auch zulässig, da die Klägerin durch das Versäumnisurteil beschwert ist. Zwar ist das Arbeitsgericht in seinem Ausspruch nicht hinter dem als Antrag formulierten Begehren der Klägerin zurückgeblieben. Jedoch ergibt sich die Beschwer unter Auslegung des Antrags im Hinblick auf die von der Klägerin in der Antragsbegründung geäußerten Vorstellungen über eine angemessene Abfindung. Danach war der Antrag bereits in erster Instanz dahingehend auszulegen, dass die Klägerin eine angemessene Abfindung wünschte, die ihrer Ansicht nach jedenfalls 8.000,00 € betragen sollte. Legt man den Antrag der Klägerin dahingehend aus, so ist sie mit einem Betrag von 4.000,00 € beschwert, der gleichzeitig den Berufungsstreitwert ergibt. Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Nach § 10 KSchG, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, ist als Abfindung ein Betrag bis zu 12 Monatsverdiensten festzusetzen. Weitere Festlegungen enthält das Kündigungsschutzgesetz nicht. Vielmehr ist den Tatsacheninstanzen hier ein angemessener Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Rechtsprechung hat insoweit Entscheidungskriterien entwickelt, die bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit Berücksichtigung finden. Zu den wichtigsten Bemessungsfaktoren gehören dabei in erster Linie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Lebensalter des Arbeitnehmers. Das Arbeitsverhältnis hat etwas über 4 Jahre gedauert, die Klägerin ist am 25.08.1971 geboren. Der Bemessungsfaktor Monatsgehalt ist mit 1.808,00 € festzusetzen. Als sonstige Sozialdaten des Arbeitnehmers können darüber hinaus der Familienstand und die Anzahl der unterhaltspflichtigen Personen sowie die Vermittlungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden. Insbesondere kann dabei berücksichtigt werden, dass die Klägerin ausweislich ihrer PKH - Unterlagen bereits zum 01.01.2005 eine neue Stelle gefunden hat, die zwar nur einen Stundenrahmen von 20 Wochenstunden umfasst, deren Stundenvergütung jedoch nicht erheblich schlechter ist als die bei der Beklagten gezahlten Vergütung. Weiterhin kann im Rahmen der Ermessensausübung das Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung Berücksichtigung finden sowie der Umfang des Verschuldens bei der Herbeiführung der Auflösungsgründe. Danach ergibt sich, dass im vorliegenden Fall keinerlei Gesichtspunkte für eine Erhöhung der zugesprochenen Abfindung sprechen. Die Klägerin ist im Verhältnis zu anderen Arbeitnehmern und zu dem Eintritt ins Berufsleben noch jung. Sie hat, soweit ersichtlich und im PKH - Verfahren geltend gemacht, keinerlei Unterhaltspflichten. Das Arbeitsverhältnis hat nicht besonders lange gedauert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Höchstumfang der Abfindung nach § 10 Abs. 1 KSchG 12 Monatsbruttoverdienste umfasst. Hiermit sind alle Beschäftigungszeiten bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres bei gleichzeitiger Dauer von mehr als 15 Jahren des Arbeitsverhältnisses abgedeckt. Um somit eine angemessene Abstufung zu erzielen wird im Regelfall nicht pro Beschäftigungsjahr ein Bruttomonatsgehalt sondern ein halbes Bruttomonatsgehalt als Faustformel angewendet. Diese Berechnungsformel ermöglicht es, angemessen zwischen kurzen und langen Beschäftigungsverhältnissen bei Arbeitnehmern die noch nicht 50 Jahre alt sind zu unterscheiden. Denn der Rahmen von 12 Gehältern kann auch dann nicht überschritten werden, wenn das Arbeitsverhältnis 30 Jahre bestanden hat, der Arbeitnehmer aber noch keine 50 Jahre alt ist. Auch die nur kurze Arbeitslosigkeit der Klägerin führt nicht dazu, dass besondere Faktoren für eine Erhöhung des Abfindungsbetrages sprächen. Eine generell schwierige Lage in ihrem Fachgebiet und für ihre Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Bei der Ermessensausübung ist die konkrete Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht als besonders schwerwiegend zu berücksichtigen. Dies ergibt sich daraus, dass tatsächlich eine Aufklärung der Kündigungsgründe und insbesondere eine Bewertung der unternehmerischen Entscheidung Arbeitsplätze einzusparen wegen der Situation des Versäumnisurteils nicht erfolgte. Vielmehr hat die Beklagte, nachdem sie schriftsätzlich vorgetragen hat, die Situation habe sich dahingehend geändert, dass eine Weiterbeschäftigung angeboten werden könne, von der prozessualen Möglichkeit des Nichterscheinens zum Termin Gebrauch gemacht. Aufgrund der Rechtskraft des danach ergangenen Versäumnisurteils ist zwar festgestellt, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Eine besondere Verwerflichkeit kann aber weder im Ausspruch der Kündigung noch in dem Weiterbeschäftigungsangebot gesehen werden. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass eine sozial gerechtfertigte Kündigung ohnehin keine Abfindung nach sich zieht. In diesem Falle wäre die Klage abgewiesen worden, ohne dass eine finanzielle Kompensation möglich gewesen wäre. Die Zahlung einer Abfindung setzt damit immer voraus, dass die Kündigung gerade nicht den Erfordernissen des Kündigungsschutzgesetzes entspricht. Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass dies in einem besonders hohem Maß der Fall gewesen wäre. Auch im Rahmen des Auflösungsverschuldens seitens der Beklagten sind keine Gesichtspunkte gegeben, die eine Erhöhung der Abfindung zu Gunsten der Klägerin rechtfertigen würden. Auch hier ist der Vortrag der Klägerin nur deshalb zu Grunde zu legen, weil er im Rahmen der Versäumnisurteilssituation als zugestanden zu gelten hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass, würde man das geschilderte Verhalten bei Übergabe der Kündigung nicht als unstreitig unterstellen, der Auflösungsantrag überhaupt nicht begründet wäre. Die Klägerin hätte in diesem Fall kein Versäumnisurteil nach §§ 9, 10 KSchG erzielt, vielmehr wäre die Klage zugesprochen worden sodass die Klägerin das Arbeitsverhältnis hätte fortsetzen müssen. Der Vortrag der Klägerin geht auch nicht über das hinaus, was überhaupt erforderlich war, um den Auflösungsantrag zu rechtfertigen. Hätte der Geschäftsführer der Beklagten nur geäußert, er habe keine Lust mehr mit der Klägerin zusammen zu arbeiten oder er wolle dies nicht, so wäre es äußerst zweifelhaft gewesen, ob dieses Verhalten die Auflösung überhaupt gerechtfertigt hätte. Nach alledem ergibt sich, dass die ausgeurteilte Abfindung geeignet ist, die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes für die Klägerin verbundenen Nachteile angemessen aufzufangen. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung, dass oftmals als Abfindung nur der Betrag vereinbart wird, der zwischen Arbeitslosengeld und entgangener Nettovergütung liegt. Dieser Betrag kann anhand des vorgelegten Arbeitslosengeldbescheides auf ca. 500,00 € pro Monat beziffert werden und liegt damit duetlich unter der zugesprochenen Abfindung. Unter Berücksichtigung der genannten Faktoren erscheint eine mittlere Abfindungshöhe, die sich an einem halben Gehalt pro Beschäftigungsjahr orientiert und damit insgesamt 4.000,00 € beträgt, angemessen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens nach § 97 Abs. 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde wurde mangels Vorliegen der Voraussetzungen nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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