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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 02.05.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 1511/04
Rechtsgebiete: InsO, KSchG


Vorschriften:

InsO § 125
KSchG § 1
Die grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl mit Namensliste nach § 125 InsO ist als Prüfungsmaßstab auch bei der Bildung der Vergleichsgruppen anzuwenden (BAG - 2 AZR 368/02 -). Eine grob fehlerhafte Sozialauswahl liegt nicht vor, wenn die Gruppenbildung berücksichtigt, dass eine Umsetzung, Neuschulung und Neueinarbeitung weitgehend vermieden wird. Damit sind Mitarbeiter, die in der Vergangenheit eine Maschine noch nie bedient haben, nicht mit Mitarbeitern vergleichbar, die schon an dieser Maschine gearbeitet haben.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.08.2004 - 6 Ca 10861/03 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Von der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Im Berufungsverfahren streiten die Parteien nur noch darum, ob die Sozialauswahl aufgrund der zwischen den Betriebsparteien vereinbarten Namensliste grob fehlerhaft im Sinne des § 125 Abs. 1 2. Alternative InsO ist. Hierzu hat der Kläger mit der Berufung zunächst vorgetragen, dem Mitarbeiter H -G A , 36 Jahre alt, ledig, seit 19 Jahren bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt, sei nicht gekündigt worden. Der Beklagte hat hierzu erwidert, dass diesem Mitarbeiter ebenso wie dem Kläger zunächst gekündigt worden ist. Er hat das Kündigungsschreiben vorgelegt. Diese Kündigung wurde aber am 14.11.2003 zurückgenommen, da zwischenzeitlich ein anderer Mitarbeiter fristlos ausgeschieden ist. Der Mitarbeiter H -G A wurde sodann in der Abteilung und auf dem Arbeitsplatz, den er zuvor bereits inne hatte, nämlich in der Abteilung ABB I in der Kleinkesselfertigung weiter beschäftigt. Der Beklagte hat hierzu erläutert, dass für das Weiterbeschäftigungsangebot maßgeblich war, dass der Mitarbeiter diese Tätigkeiten bereits früher ausgeübt hat und deshalb Kenntnisse in der Kleinkesselfertigung hat. Der Kläger war in der Kleinkesselendmontage bislang nicht tätig. Er behauptet hierzu, die notwendigen Handgriffe ließen sich in wenigen Tagen erlernen. Weiterhin rügt der Kläger, die Sozialauswahl gegenüber dem Mitarbeiter B sei fehlerhaft. Der Kläger hat auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, er habe im Gegensatz zum Mitarbeiter B an der neuen Laseranlage noch nicht gearbeitet. Er habe lediglich die alte Laserschneideanlage bedient. An der CNC-Revolverstanze habe bis zum Kündigungszugang weder er noch der Mitarbeiter B bislang gearbeitet. Der Mitarbeiter B ist 34 Jahre alt, ledig und erst ca. 1 Jahr vor der Insolvenz bei der Beklagten eingestellt worden. Der Beklagte hat hierzu erläutert, dass der Mitarbeiter B die neue Laserschneideanlage in der Weise beherrscht, dass er sie nicht nur bedienen könne, sondern sie auch einrichten, d.h. programmieren könne. Im Übrigen habe der Mitarbeiter B auch an der CNC-Revolverstanze gearbeitet und könne diese bedienen. Demgegenüber sei der Kläger zuletzt im Wesentlichen nur an zwei Schwenkbiegemaschinen, an einer Exenterpresse und einer hydraulischen Presse eingesetzt gewesen. Der Kläger ist in Vergütungsgruppe 6 eingruppiert. Er hat in der mündlichen Verhandlung behauptet, seiner Qualifikation nach müsste er in Vergütungsgruppe 7 eingruppiert sein. Der Mitarbeiter A ist in Vergütungsgruppe 5 eingruppiert. Der Beklagte verteidigt die Sozialauswahl insbesondere damit, dass der Kläger nicht in der Lage sei, in zumutbarer Zeit die erforderlichen Kenntnisse zu erwerben, um die Laserschneideanlage zu programmieren und bedienen zu können. Gleiches gelte für die CNC-Revolverstanze. Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln - 6 Ca 10861/03 - vom 05.08.2004 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Firma F G & C K durch die Kündigung des Beklagten vom 26.08.2003 nicht beendet worden ist; 2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger als Maschinenarbeiter über den 30.11.2003 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Entscheidungsgründe: Die zulässige und im übrigen fristgerechte Berufung ist nicht begründet. Die Kündigung ist nach § 125 InsO, der vorliegend anwendbar ist, i.V. mit § 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Das Gericht legt dabei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus der Entscheidung vom 28.08.2003 - 2 AZR 368/02 - zugrunde. Danach reduziert die gesetzliche Regelung des § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer vom Insolvenzverwalter erklärten betriebsbedingten Kündigung mit Namensliste. Mit der Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle auf grobe Fehler wird zugleich der Prüfungsmaßstab gesenkt. Der Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers bei der sozialen Auswahl wird zugunsten einer vom Insolvenzverwalter und Betriebsrat vereinbarten betrieblichen Gesamtlösung erweitert. Dabei bezieht sich der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit nicht nur auf die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst. Vielmehr wird die gesamte Sozialauswahl, insbesondere auch die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen, von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf grobe Fehler überprüft. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gebieten eine weite Anwendung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs bei der Sozialauswahl. § 125 InsO dient der Sanierung insolventer Unternehmen. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass das Überleben eines nur eingeschränkt fortführbaren Betriebs davon abhängt, dass die notwendige Umstrukturierung im Bereich der Personalbesetzung zügig durchgeführt werden kann und Rechtssicherheit bietet. Deshalb wird im Insolvenzfall der individuelle Kündigungsschutz aus § 1 des KSchG zugunsten einer kollektivrechtlichen Regelungsbefugnis der Betriebsparteien eingeschränkt. Den Arbeitnehmern, die durch Ausübung ihres Wahlrechts Einfluss auf die Besetzung des Betriebsrats haben, wird zugemutet, sich einer übereinstimmenden Einschätzung von Betriebsrat und Insolvenzverwalter hinsichtlich der Richtigkeit der Sozialauswahl und auch hinsichtlich der auswahlrelevanten Gruppen zu unterwerfen. Der Insolvenzverwalter soll nicht in eine Fülle von langwierigen und schwerkalkulierbaren Kündigungsschutzprozesse gezogen werden. Durch den Einfluss des Betriebsrats wird deshalb im Insolvenzfall regelmäßig eine ausreichende Gewichtung der sozialen Komponenten herbeigeführt. Die Richtigkeit der Namensliste kann deshalb nur in Ausnahmefällen in Frage gestellt werden. Diese Ausnahmefälle darzustellen und zu beweisen ist nach dem Willen des Gesetzgebers Aufgabe des Arbeitnehmers. Grobfehlerhaft in diesem Sinne ist damit eine soziale Auswahl, wenn ein schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Im vorliegenden Fall lässt sich feststellen, dass die Betriebsparteien bei der Festlegung der Namensliste und der Überprüfung, welche Maschinen zukünftig von welchen Mitarbeitern bedient werden, davon ausgegangen sind, dass die Mitarbeiter, die bereits an einer Maschine gearbeitet haben und deshalb einen geringeren Schulungsbedarf haben, ihren Arbeitsplatz behalten können. Dabei haben die Betriebsparteien auch die individuelle persönliche Schulungsfähigkeit bewertet und bei der Gruppenbildung berücksichtigt. Diese Gruppenbildung hält auch das Landesarbeitsgericht für (soeben noch) nicht grob fehlerhaft. Denn es ist zuzugeben, dass im Falle der zügigen Sanierungsbedürftigkeit eine Umsetzung und Neuschulung von Mitarbeitern den Sanierungserfolg gefährden oder vernichten kann. Eine Gruppenbildung nach dem Merkmal, ob ein Mitarbeiter eine Maschine in der Vergangenheit bereits bedient hat und deshalb ein geringerer Schulungsbedarf anfällt und die Arbeit reibungslos fortgesetzt werden kann, erscheint deshalb nicht grob fehlerhaft. Damit ist die Sozialauswahl gegenüber dem Mitarbeiter B , auch wenn sie bei isolierter Betrachtung der Sozialdaten als grob fehlerhaft einzuordnen wäre, jedenfalls wegen der durchgeführten nicht grob fehlerhaften Vergleichsgruppenbildung zutreffend. Gleiches gilt für den Mitarbeiter A , soweit der klägerische Vortrag, dieser sei nicht gekündigt worden als zutreffend unterstellt wird. In diesem Falle trifft auch hier zu, dass der Mitarbeiter A den Arbeitsplatz in der Vergangenheit bereits innegehabt hat, während der Kläger dort nicht gearbeitet hat und in die Arbeitsläufe, Vorgänge und Maschinenbedienung erst neu eingearbeitet werden müsste. Soweit der Kläger den Beklagtenvortrag, wonach der Mitarbeiter A lediglich ein Wiedereinstellungsangebot erhalten habe, sich zu Eigen macht, ergibt sich auch hier, dass aufgrund der gleichen Überlegungen dem Mitarbeiter A der Vorzug zu geben war. Es ist nicht treuwidrig, wenn der Arbeitgeber eine im Laufe der Kündigungsfrist freigewordene Stelle mit einem Mitarbeiter besetzt, der diese Tätigkeiten in der Vergangenheit bereits ausgeübt hat. Hinzukommt, dass der Mitarbeiter A einer anderen Vergütungsgruppe zugeordnet ist als der Kläger. Dem Kläger hätten die Tätigkeiten nur nach Ausspruch einer Änderungskündigung zugewiesen werden können. Auch insoweit ist es nicht fehlerhaft, wenn der Beklagte für die Wiederbesetzung der Stelle nur diejenigen Mitarbeiter in der Auswahl berücksichtigt, die bereits die für diesen Arbeitsplatz zutreffende Vergütungsgruppe haben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde nicht zugelassen, da es im Wesentlichen um eine Einzelfallbeurteilung geht.

Ende der Entscheidung

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