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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 14.08.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 171/06
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 7 Abs. 5 S. 1
BetrAVG § 7 Abs. 5 S. 2
BetrAVG § 7 Abs. 5 S. 3
Anschluss an BAG, Urteil vom 17.10.1995 - 3 AZR 420/94 -

Die Kenntnis von der Existenz des PSV und der gesetzlich geregelten Insolvenzsicherung reicht nicht, um einen Missbrauchstatbestand anzunehmen, wenn eine Sanierung des Arbeitgebers angestrebt war.


Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.11.2005 - 17 Ca 7509/04 - wird in dem Umfang, in die Klage aufrechterhalten wurde, auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Einstandspflicht des Beklagten, der der Träger der Insolvenzausfallsicherung für betriebliche Altersversorgung ist.

Die Kläger sind sämtlich Inhaber einer unverfallbaren Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung aus ihrem Arbeitsverhältnis zu der insolvent gewordenen Firma S F R GmbH in W . Für sie bestand bei der Si I Versicherung AG ein Gruppenversicherungs-vertrag. Die zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisse begannen teilweise bereits im Jahre 1984. Im Jahr 2002 geriet die Arbeitgeberin in wirtschaftliche Schwierigkeiten und erwirtschaftete einen Verlust von 1.260.000,00 €. Bereits im Herbst des Jahres 2002 hatte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin einen Teil der Arbeitnehmerschaft dazu bewegen können, zur Sanierung des Unternehmens Darlehen an die Firma zu gewähren. Am 15.10.2002 erlitt der Geschäftsführer der Arbeitgeberin einen Schlaganfall.

Zwischen Weihnachten und Silvester 2002 suchte der Geschäftsführer die Kläger des vorliegenden Verfahrens zu Haus auf und ließ sich von ihnen die Zustimmung zur Beleihung der betrieblichen Altersversorgung erteilen. In diesem Zusammenhang soll auch von der Insolvenzsicherung durch den Beklagten die Rede gewesen sein. Die Darlehensgewährung erfolgte zum Zwecke der Sanierung der Arbeitgeberin und zur Verbesserung von deren Liquidität. Die Zahlungen sollten durch die Versicherung auf ein Treuhandkonto geleistet werden.

Am 06.01.2003 wurde ein Sanierungsgutachten erstellt, welches grundsätzlich zu einem positiven Ergebnis gelangte. Als Ursache der wirtschaftlichen Schieflage wurde nicht die allgemein schlechte Lage in der Baukonjunktur, sondern mangelndes Controlling, erhöhte Kosten durch übermäßige Reklamationen und die Person des Betriebsleiters bezeichnet.

Am 14.01.2003 erlitt der Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin einen schweren Verkehrsunfall mit lebensgefährlichen Verletzungen. Daraufhin beantragte am 15.01.2003 die Hauptgläubigerbank die Insolvenzeröffnung. Das Verfahren wurde am 01.03.2003 eröffnet. Sämtliche Arbeitnehmer wurden zum 30.06.2003 gekündigt.

Der Beklagte lehnt die Insolvenzsicherung für den durch die Beleihung entstandenen bzw. zukünftig noch entstehenden Schaden hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung der Kläger ab. Er ist der Ansicht, dass es für die Darlegung missbräuchlichen Zusammenwirkens nach § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ausreiche, dass der Arbeitgebergeschäftsführer im Zusammenhang mit der Beleihung auf die Insolvenzsicherung hingewiesen habe. Zudem müsste auch § 7 Abs. 5 Satz 2 und 3 BetrAVG Anwendung finden. Die Arbeitnehmer hätten angesichts der Tatsache, dass das zunächst gegebene private Darlehen nicht zur Sanierung ausgereicht habe, davon ausgehen müssen, dass eine Sanierung nicht erfolgreich sein werde. Das Arbeitsgericht hat die Klage der (verbliebenen) 14 Kläger auf Feststellung, dass der Beklagte ihnen Versicherungsschutz für die aufgrund der Beleihung eingetretene Unterdeckung der Lebensversicherung leisten müsse, zugesprochen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung und beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.11.2005 - 17 Ca 7509/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückweisen.

Sie vertreten die Ansicht, die Eintrittspflicht des Beklagten sei deshalb gegeben, weil die durch die Beleihung freigewordenen Gelder zur Sanierung der Arbeitgeberin eingesetzt werden sollten. Es hätten auch berechtigte Erwartungen bestanden, dass eine solche Sanierung erfolgreich sein könne. Letztlich habe der schwere Verkehrsunfall dazu geführt, dass der kreditgebenden Bank der persönliche Ansprechpartner gefehlt habe. Das Sanierungskonzept sei an die Person des Geschäftsführers gebunden gewesen. Dessen Unfall habe unerwartet das Scheitern der Sanierungsbemühungen ausgelöst. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und fristgerechte Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

Der Feststellungsantrag der Kläger ist zulässig. Er ist dahingehend zu verstehen, dass die Eintrittspflicht des Beklagten für diejenigen Fehlbeträge hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung der Kläger geklärt werden soll, die dadurch entstehen, dass die Beleihung der Lebensversicherungssumme durch die insolvent gewordene Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang und nicht rechtzeitig ausgeglichen werden kann.

Der Beklagte haftet den Klägern nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 anstelle der Arbeitgeberin für deren Verpflichtung aus § 1 b Abs. 2 Satz 3 BetrAVG. Aufgrund der Insolvenz wird, soweit sich nicht aus dem Treuhandverhältnis noch Ansprüche auf Rückführung der Darlehen ergeben, die insolvente Arbeitgeberin zumindest teilweise, nicht mehr in der Lage sei, die beliehenen Summen der Versicherung wieder zuzuführen. Da für die verbliebenen Kläger des Verfahrens die Versorgungsanwartschaft unverfallbar war, liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BetrAVG vor. Auf diese Feststellung erstreckt sich das Feststellungsinteresse der Kläger.

Der Beklagte ist nicht aufgrund § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG von seiner Leistungspflicht befreit. Bereits dem Wortlaut nach erstreckt sich dieser Haftungsbefreiungstatbestand nur auf Zusagen und Verbesserungen von Zusagen der Altersversorgung. Durch die Beleihung der Lebensversicherung wurde aber weder die Altersversorgungszusage verändert noch verbessert. Allenfalls wurde das Haftungskapital, welches der Erfüllung der Zusage dienen soll, geschmälert.

Auch § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG führt nicht dazu, dass der Beklagte von seiner Haftung befreit ist. Zunächst ist dabei die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.10.1995 - 3 AZR 420/94 - zu berücksichtigen. Danach ist die Missbrauchsvermutung des § 7 Abs. 5 Satz 2 und 3 auf die Beleihung von Ansprüchen aus Direktversicherungen überhaupt nicht anwendbar. Auch im Hinblick auf § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG argumentiert das Bundesarbeitsgericht dabei mit dem Wortlaut des Gesetzes. Selbst wenn bei Erteilung der Genehmigung zur Beleihung der Lebensversicherung damit zu rechnen gewesen wäre, dass die Rückführung der Beleihung nicht mehr möglich sein würde bevor der Versorgungszeitpunkt erreicht wird, also das Renteneintrittsalter erreicht ist, so handelt es sich bei der Beleihung nicht um die Erteilung oder Verbesserung einer Versorgungszusage. Eine über diesen Wortlaut hinausgehende Ausdehnung des Tatbestandes kommt insbesondere deshalb nicht in Betracht, weil zwischen der Entscheidung aus dem Jahre 1995 und der jetzigen Entscheidung eine Änderung des § 7 Abs. 5 BetrAVG zugunsten des Beklagen insoweit durchgeführt wurde, dass der Zeitraum des Absatzes 5 Satz 3 von einem Jahr auf zwei Jahre vor Eintritt des Sicherungsfalls ausgedehnt wurde. Es hätte nahegelegen, die Beleihung von Lebensversicherungen, die erstmals innerhalb dieses Zeitraums vor der Insolvenz erfolgt, ebenfalls in diesen absoluten Vermutungstatbestand für einen Missbrauchsfall mit aufzunehmen. Insbesondere angesichts der fehlenden gesetzlichen Regelung ist eine Auslegung entgegen dem Wortlaut nicht möglich.

Die Kammer sieht aber auch dann, wenn man § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG anders lesen würde, die Eintrittspflicht des Beklagten als gegeben an. Selbst wenn man es ausreichen lassen würde, dass bei Erteilung der Zustimmung zur Beleihung der Versicherung wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, dass die Rückführung des Darlehens bis zum Rentenfall nicht möglich sein würde, so hat der Beklagte nicht hinreichend dafür vorgetragen, dass die Arbeitnehmer bei Erteilung ihrer Zustimmung zur Beleihung eine solche wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers kannten und gleichwohl die Zustimmung erteilt haben. Denn für die Rückführung der Beleihung war mit Ausnahme des Klägers zu 13 (H W ) aufgrund des Alters der Mitarbeiter noch ein Zeitraum von mindestens 11 Jahren gegeben. Beim Mitarbeiter H W lagen immerhin noch 1 1/2 Jahre zwischen der Zustimmung zur Beleihung und dem Regeleintrittsalter in die Rente. Ob und wie weit die Mitarbeiter überhaupt einen genauen Einblick in die wirtschaftliche Lage hatten und ob sie zu Recht davon ausgehen konnten, dass ihr Beitrag zu einer erfolgreichen Sanierung des Unternehmens führen würde, kann aus heutiger Sicht nicht mehr festgestellt werden. Denn es ist nicht auszuschließen, dass der Insolvenzantrag letztendlich ausschließlich darauf beruht, dass der Geschäftsführer aufgrund seines schweren Unfalls für die kreditgebende Bank nicht mehr als Ansprechpartner unmittelbar zur Verfügung stand.

Während im Normalfall einer Insolvenz nach Beleihung die Tatsache der Insolvenzeröffnung kurz nach durchgeführter Beleihung dafür spricht, dass bereits im Beleihungszeitpunkt eine Sanierung gar nicht mehr erfolgreich sein konnte, so erscheint es im vorliegenden Fall jedenfalls aufgrund des grundsätzlich positiven Gutachtens vom 06.01.2003, den Unfall einmal hinweggedacht, möglich, dass die Sanierung erfolgreich verlaufen wäre. Es kann deshalb nicht einmal festgestellt werden, ob die Beleihung objektiv eine missbräuchliche Maßnahme im Sinne des § 7 Abs. 5 BetrAVG darstellt. Zudem ist nach der auch mit der Entscheidung vom 19.02.2002 (Az.: 3 AZR 137/01) bestätigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderlich, dass die Arbeitnehmer an der missbräuchlichen Maßnahme des Arbeitgebers beteiligt sind und den missbilligten Zweck der Maßnahme erkennen können mussten. In welchem Maße den einzelnen Klägern jeweils konkret die wirtschaftliche Schieflage überhaupt bekannt war und ob objektiv eine Sanierung unmöglich war und subjektiv dieses ebenfalls von den Klägern erkannt worden ist, gehört selbst bei einer Anwendbarkeit des § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG auf Beleihungen jedenfalls zur Darlegungslast des Beklagten.

Indizien, die den überzeugenden Rückschluss auf die subjektive Beteilung an einem beabsichtigten Versicherungsmissbrauch der Arbeitgeberin zulassen,sind ebenso wenig dargelegt, wie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG.

Gerade der Umstand, dass die Arbeitnehmer sogar bereit waren, privates Vermögen zur Sanierung der Arbeitgeberin einzusetzen, spricht dafür, dass sie an eine Sanierungsmöglichkeit geglaubt haben. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass nach dem vorgelegten Sanierungsgutachten nicht eine mangelnde Auftragslage, sondern übermäßig hohe Reklamationen und eine insoweit mangelhafte betriebliche Vermeidungsstrategie Ursache für die wirtschaftliche Schieflage waren. Dass die Arbeitnehmer dieses erkannt und richtig analysiert hätten und darüber hinaus hätten erkennen müssen, dass gleichwohl eine Sanierungsmöglichkeit nicht gegeben ist, hat der Beklagte nicht substantiiert dargestellt. Es kann auch unterstellt werden, dass der Geschäftsführer der Arbeitgeberin die Zustimmung der Kläger zur Beleihung deshalb erleichtert erreicht hat, weil er auf die gesetzliche Insolvenzsicherung hingewiesen hat. Richtig ist, dass die Insolvenzsicherung dazu führt, dass die Zustimmung zur Beleihung für die begünstigten Arbeitnehmer letztlich risikolos ist. Dies allerdings ist nicht Folge der Erklärung des Geschäftsführers, sondern ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Würde man auf die Kausalität der Erklärung des Geschäftsführer abstellen, wären diejenigen Arbeitnehmer schlechter zu stellen, die sich der Geltung des Gesetzes bewusst sind. Bei Arbeitnehmern, die uninformiert sind und nicht die gesetzliche Lage kennen, würden die Unkenntnis zur Vermutung führen, dass sie stärker an eine Rückzahlung der Beleihung durch den Arbeitgeber geglaubt haben und als letztes Mittel zur Erhaltung ihres Arbeitsplatzes auch ihre betriebliche Altersversorgung einsetzen wollten. Überspitzt hätte dies zur Folge, dass derjenige, der die Insolvenzsicherung kennt, gerade nicht durch sie geschützt wird.

Damit ergibt sich nach der derzeitigen Gesetzeslage, dass von einem Missbrauchstatbestand allenfalls dann auszugehen ist, wenn die Arbeitnehmer die Zustimmung zur Beleihung nicht im Hinblick auf einen allgemeinen Sanierungsplan des Arbeitgebers erteilen, sondern um im Zusammenwirken mit diesem nicht mehr gedeckte eigene Forderungen gegen den Arbeitgeber vorweg zu befriedigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Revision wurde nicht zugelassen, da sich seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.10.1995 (3 AZR 420/94) keine Änderungen des Gesetzes ergeben haben, die eine erneute Klärung des selben Sachverhalts erforderlich machen.

Ende der Entscheidung

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