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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.08.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 405/07
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Unklare Regelung zur Meldepflicht bei lang andauernder Erkrankung in Betriebsvereinbarung, Einzelfall.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31.07.2007 - Aktenzeichen 3 Ca 4618/06 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine verhaltensbedingte Kündigung vom 30.05.2006 sowie eine Wiederholungskündigung vom 14.06.2006 zum 30.09.2006.

Die im Juli 1974 geborene Klägerin ist seit Dezember 2001 bei der Beklagten als Küchenhilfe mit einem Stundenumfang von 30-Wochen-Stunden zu einer Bruttomonatsvergütung von 2.000,00 € beschäftigt. Bei der Beklagten sind die Verhaltenspflichten im Zusammenhang mit Arbeitsunfähigkeit in einer Vertriebsvereinbarung geregelt. Diese lautet wie folgt:

"1.9.1 Wer verhindert ist, zur Arbeit zu kommen, hat unverzüglich Ursache und voraussichtliche Dauer der Abwesenheit der Abteilungs- bzw. Geschäftsstellenleitung mitzuteilen.

2. Dauert eine Krankheit länger als drei Kalendertage, so ist der Abteilungs- bzw. Geschäftsstellenleitung unverzüglich eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzureichen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, so ist eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Ist die Krankheitsdauer nicht abzusehen, so ist die Abteilungs- bzw. Geschäftsstellenleitung möglichst alle vier Wochen über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu unterrichten.

Diese Bestimmungen gelten auch für alle Mitarbeiter des Reinigungs- und Küchenhilfspersonals sowie für das Stammpersonal der Gästehäuser."

Unter dem 06.12.2005 wurde die Klägerin abgemahnt. Sie war nach einer Arbeitsunfähigkeit vom 07.11.2005 bis 18.11.2005 am 19.11.2005 nicht zur Arbeit erschienen, ohne die Vorgesetzten unmittelbar über die Abwesenheit zu informieren. Die Klägerin hatte lediglich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Post gegeben.

Am 26.04.2006 erhielt die Klägerin eine Erstbescheinigung durch ihren behandelnden Arzt ausgestellt, welche Arbeitsunfähigkeit bis Freitag, den 06.05.2006, bescheinigte. Hinsichtlich dieser Arbeitsunfähigkeit ist unstreitig, dass die Klägerin sich sowohl unverzüglich telefonisch meldete, als auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unverzüglich zur Post brachte. Mit Schreiben vom 04.05.2006 wurde seitens der Krankenkasse der Klägerin mitgeteilt, dass es sich nicht um einen Lohnfortzahlungsfall handele, sondern um eine Erkrankung, die bereits ab 27.04.2006 unmittelbar zum Bezug von Krankengeld berechtige. Am Montag, den 08.05.2006, meldete sich die Klägerin telefonisch bei ihrem Vorgesetzten. Unstreitig kündigte sie an, dass weitere Untersuchungen bis zum 11.05.2006 erfolgen würden. Sie behauptet, sie habe in diesem Zusammenhang erklärt, nichts weiter über die Erkrankung und deren Dauer sagen zu können. Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe zugesagt, entweder am 12.05.2006 zur Arbeit zu erscheinen oder sich erneut telefonisch zu melden. Die Klägerin meldete sich nicht und blieb bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.09.2006 arbeitsunfähig.

Erst am 23.05.2006 kam zwischen der Klägerin und der Beklagten auf betreiben der Beklagten ein telefonischer Kontakt zustande. Die Beklagte behauptet, die Klägerin sei vorher nicht erreichbar gewesen. Die Klägerin bestreitet dies. Sie behauptet weiter, es sei für die Beklagte ein Leichtes gewesen, die jeweilige Dauer des Krankengeldbezuges über einen kurzen Anruf bei der Betriebskrankenkasse in Erfahrung zu bringen, so dass keinerlei Zweifel über die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten bestanden haben dürfte. Im Übrigen hält die Klägerin eine etwaige Pflichtverletzung für nicht so schwerwiegend, dass sie geeignet sei das Arbeitsverhältnis zu beenden. Die Abmahnung sei auch nicht einschlägig, da sich der Sachverhalt von dem Abgemahnten erheblich unterscheide. Die Pflichten aus der Betriebsvereinbarung seien nicht eindeutig. Insbesondere sei sie nicht verpflichtet, die Ursache der Erkrankung bekannt zu geben. Da sie selber keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr erhalten habe, habe sie auch keinerlei Hinweise gehabt, wie lange gegebenenfalls die Erkrankung dauern werde. Eine Pflicht, regelmäßig die Auszahlungsscheine der Krankenkasse vorzulegen, ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung nicht. Die Informationspflicht bei lang andauernder Krankheit sei als Sollregelung ausgestaltet. Sie hält darüber hinaus die erste Kündigung für unwirksam, da sich dem Kündigungsschreiben nicht entnehmen lasse, welche natürlichen Personen gekündigt hätten. Die zweite Kündigung sei ohne erneute Anhörung des Betriebsrates erfolgt und deshalb ebenfalls unwirksam.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage zugesprochen. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung. Sie vertritt die Ansicht, die Tatsache, dass die Klägerin sich am 11.05.2006 nicht erneut gemeldet habe, sei als Kündigungsgrund ausreichend, da die Abmahnung vom 06.12.2005 einschlägig sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgericht Köln vom 31.07.2007 - AZ 3 Ca 4618/06 -

abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Kündigungsgründe im Verhalten der Klägerin, welche die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 1 des anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes rechtfertigen würden, liegen nicht vor.

Es kann dahin stehen, ob es eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht der Klägerin gewesen wäre, die Beklagte am 11.05.2006 erneut telefonisch zu kontaktieren oder ob es sich insoweit lediglich um eine Gefälligkeit gehandelt hätte, die die Klägerin am 08.05.2006 ihrem Vorgesetzten zugesagt haben soll. Denn selbst bei Annahme einer Nebenpflicht ergibt die Gesamtwürdigung keine so schwerwiegende Pflichtverletzung, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses gerechtfertigt wäre.

Am 11.05.2006 bestand für beide Vertragspartner des Arbeitsverhältnis keine Verpflichtung, die Hauptleistung zu erbringen. Die Klägerin war aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage, ihre Arbeitskraft anzubieten. Die Beklagte war aufgrund des Ablaufs der Lohnfortzahlungsfrist von der Vergütungszahlung freigeworden. Hierüber war sie durch die zuständige Betriebskrankenkasse bereits informiert. Die Klägerin hatte sich auch am 08.05.2006 bereits gemeldet und erklärt, dass sie weiterhin arbeitsunfähig sei und weitere ärztliche Untersuchungen durchgeführt werden müssten. Dabei unterscheidet sich eine Arbeitsunfähigkeit mit Krankengeldbezug von einer Arbeitsunfähigkeit mit Lohnfortzahlungspflicht dadurch, dass der Arbeitnehmer mit Ausnahme der für die Krankenkasse bestimmten Auszahlungsscheine keinerlei Belege mehr in der Hand hält, aus denen er entnehmen kann, wann der Arzt von einer Genesung ausgeht. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen enthalten jeweils ein Enddatum, zu dem die Arbeitsunfähigkeit zwingend endet, wenn nicht eine erneute ärztliche Untersuchung vorgenommen wird und die Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird. Auf dieser Bescheinigung ist damit für einen Arbeitnehmer leicht ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber zwingend neu zu informieren ist. Am 08.05.2006 wusste die Klägerin dem gegenüber nur, dass sie weiterhin arbeitsunfähig war, ohne dass sie einen Beleg in der Hand hatte, aus dem sich ein konkretes Enddatum wie bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergab. Sie hatte deshalb am 08.05 alles mitgeteilt, was ihr zu diesem Zeitpunkt mitzuteilen möglich war. Anders als bei dem Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergab sich damit für die Klägerin ein konkreter Termin, zu dem zwingend eine erneute Information des Arbeitgebers erforderlich war, nicht, da ihr ein Endtermin der Arbeitsunfähigkeit nicht bekannt war.

Auch die Betriebsvereinbarung beinhaltet eine solche eindeutige Verpflichtung, nach der die Klägerin definitiv sich hätte bewusst sein müssen, dass sie am 11.05. erneut telefonisch Kontakt aufnehmen musste, nicht. Zum einen enthält die Betriebsvereinbarung eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Ursache der Abwesenheit mitzuteilen. Soweit man dieses dahingehend auslegt, ein Arbeitnehmer sei nicht nur verpflichtet mitzuteilen, dass er erkrankt ist, sondern auch die Ursache der Erkrankung mitzuteilen, konnte ein solcher Anspruch durch die Betriebsvereinbarung überhaupt nicht geregelt werden. Eine Verpflichtung die Krankheitsursache mitzuteilen, kann durch Betriebsvereinbarung nicht geschaffen werden. Die Klägerin war deshalb nicht verpflichtet irgendwelche Ergebnisse, insbesondere im Hinblick auf die Art der Erkrankung nach Durchführung der ärztlichen Untersuchungen mitzuteilen. Sie konnte die Betriebsvereinbarung insoweit missachten, ohne hier durch Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu verletzen. Die Betriebsvereinbarung ist im Abschnitt 1.9.2 aber auch nicht so eindeutig, dass sich konkret für den 11.05.2006 eine Verpflichtung der Klägerin zur telefonischen Kontaktaufnahme ergab. Denn spätestens seit dem 08.05.2006 war für die Klägerin die Krankheitsdauer nicht mehr abzusehen, da sie keine mit Enddatum versehene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr in Händen hatte. Für diesen Fall sieht die Betriebsvereinbarung keine konkrete Pflicht zur Information, sondern nur noch den Wunsch des Arbeitgebers vor, möglichst alle vier Wochen unterrichtet zu werden. Die Klägerin durfte diesen Teil der Betriebsvereinbarung jedenfalls dahingehend verstehen, dass bei Erkrankungen, deren konkretes Ende nicht absehbar ist, die Beklagte kein dringendes Interesse an einer stets aktuellen Information hat. Die Verpflichtung eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen, konnte die Klägerin nicht erfüllen, da sie eine solche nicht ausgestellt erhielt. Eine Regelung wann und in welchem Zeitrahmen Kopien von Auszahlungsscheinen zum Krankengeldbezug vorzulegen waren, enthält die Betriebsvereinbarung nicht. Insgesamt kann die Betriebsvereinbarung im Abschnitt 1.9.2 deshalb so ausgelegt werden, dass sich die beiden ersten Absätze auf eine Erkrankung mit ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bezieht, während ohne Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und bei Krankengeldbezug regelmäßig der Fall der nicht absehbaren Krankheitsdauer vorliegt und die Informationspflichten in diesem Fall auch von den Parteien, die die Betriebsvereinbarung abgeschlossen haben, als weniger dringend angesehen wurden. Da sich die Erkrankung der Klägerin tatsächlich als lang dauernd herausgestellt hat und im Zeitpunkt der von der Beklagten angenommenen Meldepflicht eine Genesung nicht absehbar war, ergibt sich aus den arbeitsvertraglichen Regelungen keine eindeutige Handlungspflicht für die Klägerin.

Selbst wenn man aber einmal davon ausgehen würde, die Klägerin habe ihrem Vorgesetzten bei dem Telefonat am 08.05.2006 ausdrücklich zugesagt und versprochen, ihn am 11.05.2006 anzurufen und zu informieren, so erachtet die erkennende Kammer die fehlende Einhaltung dieser Zusage als nicht so schwerwiegend, dass das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der konkreten Sozialdaten der Klägerin durch sozial gerechtfertigte Kündigung nach § 1 KSchG beendet werden könnte. Die Unterhaltspflicht für ein Kind und die Tatsache, dass die objektiv gegebene lang andauernde Erkrankung und die für die Klägerin nicht erkennbare Chance auf Heilung zum Zeitpunkt der unterstellten Pflichtverletzung führen jedenfalls dazu, dass in der Gesamtabwägung diese Pflichtverletzung nicht so schwerwiegend ist, dass sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Dabei berücksichtigt die Kammer auch, dass die Abmahnung vom 06.12.2005 nicht vollständig einschlägig ist, denn das dortige Fehlverhalten bezog sich auf einen Zeitpunkt, während dessen die Klägerin Lohnfortzahlung erhalten hat und darüber hinaus auch auf eine nur geringfügigen Pflichtenverstoß, da die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung jedenfalls rechtzeitig versandt hatte. Auch aus ihrem Verhalten bis einschließlich 08.05.2006 ist ersichtlich, dass die Klägerin für den Fall der Erteilung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sich nach der Abmahnung an ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gehalten hat und ihre Informationspflichten erfüllt hat. Es kann deshalb nicht gesagt werden, dass die Klägerin bei einem Abmahngespräch, in dem ihr noch einmal dringlich klar gemacht wird, dass das Interesse des Arbeitsgebers an einem funktionierenden Einsatzplatz durch rechtzeitige Information zu beachten ist, für die Zukunft in dieser Beziehung unbelastet fortgesetzt werden kann. Die erkennende Kammer teilt nicht die Prognose des Arbeitsgebers, dass das Arbeitsverhältnis wegen zukünftiger erheblicher Vertragspflichtverletzungen der Klägerin im Bereich der Meldepflichten unzumutbar belastet werden wird, wenn der Klägerin spätestens durch diesen Prozess klar geworden ist, welche Bedeutung die rechtzeitige und eindeutige Information für den Arbeitgeber hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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