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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.09.2003
Aktenzeichen: 2 Ta 227/03
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 2
ArbGG § 5
BGB § 621
BGB § 623
Es handelt sich auch dann um einen die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründenden sic-non-Fall, wenn nicht der Bestand eines Arbeitsverhältnisses festgestellt werden soll, die geltend gemachte Zahlungsforderung aber nur in einem Arbeitsverhältnis gegeben sein kann, weil ein Dienstvertrag wegen der kürzeren Kündigungsfrist aus § 621 BGB und der Möglichkeit der mündlichen Kündigung in dem Zeitraum, für den Annahmeverzugslohn gefordert wird, bereits wirksam beendet gewesen wäre.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Ta 227/03

In Sachen

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln am 24.09.2003 - ohne mündliche Verhandlung - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Rechtswegbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 13.03.2003 - 8 Ca 11077/02 - abgeändert:

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Parteien streiten darum, ob der Klägerin ein Anspruch in Höhe von 8.896,00 € nebst Zinsen aus Annahmeverzug für die Monate Juni und Juli 2002 zusteht.

Die Klägerin, die als Fernsehmoderatorin bekannt geworden ist, betreibt unter der Firmenbezeichnung "I " gemeinsam mit ihrem Ehemann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die die Schulung und das Training von Führungskräften im Hinblick auf Fernsehauftritte und Moderation durchführt. Die Beklagte, deren Geschäftsführerin ebenfalls aus Funk und Fernsehauftritten bekannt ist, betätigt sich im selben Geschäftsfeld. Die Klägerin nahm in der Zeit von Mai 2001 bis Dezember 2001 an einem Seminar der Beklagten teil, für welches sie eine Teilnehmergebühr entrichtete. Ab Januar 2002 bestand zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis, dessen rechtliche Qualifizierung und Inhalt streitig sind. Während die Klägerin ein abhängiges Arbeitsverhältnis darzustellen versucht, behauptet die Beklagte, sie habe der Klägerin lediglich Vergütung für ihre Anwesenheit gezahlt, da es für die Kunden der Beklagten attraktiv sei, wenn bei den Kursen Prominente anwesend seien. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Honorarrechnungen erstellt, so zuletzt im Mai 2002, wobei die Vergütungsforderung dort nach Tagen aufgelistet wurde und für verschiedene Tätigkeitsinhalte verschiedene Tagessätze abgerechnet wurden. Die Klägerin hat Mehrwertsteuer geltend gemacht. Die Rechnung aus Mai 2002 wurde bezahlt.

Am 03.06.2002 erklärte die Geschäftsführerin der Beklagten mit Wirkung zum 04.06.2002 das Vertragsverhältnis mündlich für beendet. Die Klägerin hält diese Kündigung für unwirksam, da sie nicht dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB entspreche Die Beklagte hält die Kündigung für wirksam, da es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis gehandelt habe, so dass ausschließlich § 621 Nr. 1 BGB Anwendung finde. Bereits mit Schreiben vom 25.06.2002 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten die Auffassung vertreten, es bestehe ein Arbeitsverhältnis, welches nicht beendet sei und aus welchem noch Zahlungsansprüche resultierten.

Das Arbeitsgericht hat die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit verneint, da es den geltend gemachten Anspruch nicht für einen sog. sic-non-Fall halte. Die Klägerin habe keinen Feststellungsantrag auf Bestand eines Arbeitsverhältnisses gestellt, dieses könne sie nun auch nicht mehr, da der Anspruch verwirkt sei. Gegen den am 07.07.2003 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 21.07.2003 Beschwerde eingelegt, der nicht abgeholfen wurde.

II. Die zulässige und fristgerechte sofortige Beschwerde ist begründet. Das Arbeitsgericht hat die Entscheidungen des BAG zu den sog. sic-non-Fällen verkannt.

Hinter den sog. sic-non-Fällen verbirgt sich folgende prozessuale Situation: Die klägerische Partei macht einen Anspruch geltend, der nur dann begründet ist, wenn die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist. Die selbe Tatsache, die über die Begründetheit des Anspruch entscheidet, ist auch für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte maßgeblich. In diesen Fällen soll nicht erst vorab eine Zuständigkeitsentscheidung gefällt werden, insbesondere nicht eine Verweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit erfolgen, um dann dort erst die Klage als unbegründet abzuweisen. Vielmehr soll in den Fällen, in denen die Begründetheit des Anspruchs und die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit von denselben Voraussetzungen abhängt, sofort die materielle Entscheidung, also eine Entscheidung über Begründetheit oder Unbegründetheit der Klage erfolgen und zwar durch die Arbeitsgerichtsbarkeit. Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten wird also für diejenigen Ansprüche als gegeben unterstellt, die nur dann begründet seien können, wenn die Arbeitsgerichte auch die zuständigen Gerichte zur materiellen Entscheidung sind (vgl. zuletzt BAG 5 AZB 43/02 vom 11.06.2003).

Nicht erforderlich ist es dabei, dass der Bestand eines Arbeitsverhältnisses als Anspruch geltend gemacht werde. Vielmehr sind auch andere Ansprüche denkbar, die nur dann begründet seien können, wenn zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand.

So ist es hier. War die Klägerin nicht Arbeitnehmerin, sondern selbstständig und als Dienstverpflichtete tätig, so ist die Kündigung der Beklagten gemäß § 621 Abs. 1 Satz 1 BGB zum 04.06.2002 wirksam geworden. Annahmeverzugsansprüche, die nach diesem Zeitraum liegen, können nicht entstanden sein. Die Klage wäre als unbegründet abzuweisen. Handelt es sich dagegen bei dem Vertragsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis, so ist dieses ersichtlich nicht wirksam gekündigt worden, da es an der erforderlichen Schriftform des § 623 BGB mangelt. Annahmeverzugsansprüche sind damit grundsätzlich möglich und zwar auch dann, wenn die Klägerin den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage zusätzlich geltend macht, da insbesondere weder von der Dauer des Vertragsverhältnisses her das Kündigungsschutzgesetz eingreift, noch die Klagefrist des § 4 KSchG auf die Geltendmachung der Formunwirksamkeit von Kündigungen anzuwenden ist.

Für den von der Klägerin geltend gemachten Annahmeverzugslohnanspruch war damit Voraussetzung, dass jedenfalls in den Monaten Juni und Juli ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten bestand, welches konkludent zu prüfen war. Die Geltendmachung dieses Anspruchs ist auch nicht verwirkt. Da die Parteien bereits im Juni 2002 über die Vergütungsansprüche der Klägerin korrespondiert haben, fehlt es sowohl am Zeitelement als auch an irgendeinem Verhalten der Klägerin, welches einen Vertrauensschutz der Beklagten rechtfertigen würde. Die Klägerin macht auch nicht etwa die erneute Abwicklung eines bereits als freies Mitarbeiterverhältnis abgewickelten Vertragsverhältnisses geltend. Denn ersichtlich ist der Juni und Juli 2002 gerade noch nicht vergütet worden. Die Erwägung des Arbeitsgerichts hierzu liegen neben der Sache.

Es kann auch nicht gesagt werden, dass der Klägerin auch dann der Anspruch nicht zustehen würde, wenn sie Arbeitnehmerin wäre. Zwar muss sie sich anrechnen lassen, was sie in der freigewordenen Zeit an anderweitigen Vergütungen bezogen hat oder böswillig zu erwerben unterlassen hat. Insoweit wird sie ggf. geeignete Unterlagen vorlegen müssen. Auch steht nicht zur Entscheidung, ob die Klägerin für die Zeit ab August 2002 noch den Bestand eines Arbeitsverhältnisses geltend machen könnte. Dies ist nicht beantragt. Ebenso wenig ist durch das Beschwerdegericht zu entscheiden, ob die Klägerin tatsächlich Arbeitnehmerin war, wofür mangels substantiierten Vortrages zur Zeit allerdings wenig spricht. Die Klägerin hat insoweit als einzige konkretisierte Arbeitsleistung lediglich das Fallenlassen von Stiften geschildert. Die weiteren Tätigkeiten bleiben bislang derart diffus, dass sie auch trotz Beweisantritt einer Beweisaufnahme nicht zugänglich erscheinen. Dies wird die erste Instanz im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Anspruchs zu würdigen haben.

Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist als Teil der Kosten des Rechtsstreits in der Hauptsache zu entscheiden.

Die Rechtsbeschwerde wurde mangels allgemeiner Bedeutung nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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