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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 27.09.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 383/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 11 a
ZPO § 118
Die Erfolgsaussichten der Klage, bzw. die Anwendbarkeit von § 11 a ArbGG ist in dem Zeitpunkt zu prüfen, in dem erstmals ein formgerechter und vollständiger PKH-Antrag vorliegt. Ist in diesem Zeitpunkt die Aufrechterhaltung der Kündigungsschutzklage mutwillig, weil keine Arbeitgeberkündigung vorliegt und der Arbeitgeber sich auch nicht auf eine solche beruft, kommt PKH-Gewährung nicht mehr in Betracht. Eine Verschlechterung der Erfolgsaussichten, die darauf beruht, dass der Kläger sich mehr als 5 Monate Zeit lässt, bis das PKH-Formular eingereicht und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft gemacht werden, geht zu Lasten des Antragstellers.
Tenor:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 06.06.2006 - 6 Ca 10592/05 - wird teilweise abgeändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO für den Klageantrag zu 6) (Antrag auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses - Streitwert 1.760,00 €). 7) und 8) (Streitwert je 100,00 €) aus dem Schriftsatz vom 26.04.2006 ab 27.04.2006 gewährt Ihm wird Rechtsanwalt K als Prozessbevollmächtigter beigeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I. Am 14.11.2005 reichte der Klägerprozessbevollmächtigte für den Kläger Kündigungsschutzklage gegen eine angebliche mündliche Kündigung der Beklagten vom 07.11.2005 ein. Den ursprünglich auch angekündigten Beschäftigungsantrag nahm der Kläger vor Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zurück.

Eingehend am 22.11.2005 erweiterte der Klägerprozessbevollmächtigte die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch ein arbeitgeberseitiges Bestätigungsschreiben vom 10.11.2005, welches eine Eigenkündigung des Klägers bestätigte, beendet worden sei. Eingehend am 29.12.2005 erfolgte eine Klageerweiterung gegen eine nunmehr schriftliche Kündigung der Beklagten vom 14.12.2005 zum 31.01.2006. In der Güteverhandlung am 10.01.2006 benannte der Geschäftsführer der Beklagten die einzigen beiden weiteren Mitarbeiter der Beklagten und vertrat die Ansicht, dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Gegenüber der behaupteten mündlichen Kündigung vom 07.11.2005 trug die Beklagte vor, dass eine mündliche Kündigungserklärung vom Kläger abgegeben worden sei. Der Kläger habe sich im Laufe des 07.11.2005 von der Arbeit entfernt und habe in einem mit ihm geführten Telefonat erklärt, nicht mehr zur Arbeit zu kommen. In einem weiteren Telefonat am 08.11.2005 habe der Kläger die Arbeitsaufnahme erneut abgelehnt. Am 09.11.2005 habe er auf Wunsch der Beklagten den Betrieb aufgesucht, da die Rechtslage geklärt werden sollte. Er habe den vorbereiteten Aufhebungsvertrag jedoch nicht unterzeichnet, dabei aber erneut erklärt, er sehe das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten als beendet an. Erst daraufhin sei dem Kläger seine Eigenkündigung mit Schreiben vom 10.11.2005 bestätigt worden.

Erstmals mit Schriftsatz vom 26.04.2006 überreicht der Klägervertreter das Formblatt zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und erläutert, dass der Kläger (noch) keine Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit erhalte, da die Bescheinigung nach § 312 SGB III durch die Beklagte nicht ausgefüllt worden sei.

Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes hat der Kläger letztlich nur behauptet, er sei davon überzeugt, dass die Beklagte zehn oder mehr Arbeitnehmer beschäftige.

Hinsichtlich des Zeugnisanspruchs hat die Beklagte behauptet, dieser sei durch ein Zeugnis vom 06.12.2005 bereits erfüllt. Den Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung nach § 312 SGB III könne sie nicht erfüllen, da der Kläger bislang das Formblatt hierzu nicht vorgelegt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg und Mutwilligkeit abgelehnt. Die Zustellung des Beschlusses ist nicht feststellbar. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde vom 18.07.2006.

II. Die mangels Feststellbarkeit eines Zugangsdatums als rechtzeitig zu behandelnde sofortige Beschwerde (§ 9 Abs.5 ArbGG) ist nur zum Teil begründet. Maßgeblich dafür war, dass der Kläger die erforderlichen Unterlagen insbesondere den Erklärungsvordruck (Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) erstmals am 27.04.2006 vorgelegt hat. Die Entscheidung, ob Erfolgsaussichten gegeben sind bzw. das Aufrechterhalten der Klage mutwillig ist im Sinne des § 11 a ArbGG ist in dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem das Gericht erstmals über den Antrag hätte entscheiden können. Dies ist der Zeitpunkt, in dem die zur Entscheidung erforderlichen Unterlagen erstmals vollständig vorliegen. Nachteile, die dadurch entstehen, dass der Antragsteller sich mit den Antragsunterlagen Zeit lässt, gehen zu seinen Lasten. Der Prozesskostenhilfeantrag war nicht vor dem 27.04.2006 entscheidungsreif. Dem Kläger war auch nicht eine Frist zur Nachreichung von Nachweisen gesetzt worden. Es fehlte vielmehr bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt an einem formgerechten Antrag.

Bezogen auf den 27.04.2006 war die Feststellungsklage hinsichtlich einer mündlichen Arbeitgeberkündigung vom 07.11.2005 mutwillig. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte längst in der Güteverhandlung vom 10.01.2006 klargestellt, dass eine solche Arbeitgeberkündigung nicht einmal mündlich ausgesprochen worden war und auch zu keinem Zeitpunkt Rechte aus einer solchen Arbeitgebererklärung hergeleitet. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger die Klage deshalb für erledigt erklären können. Da zudem bei Aufsuchen des Anwalts der Kläger nicht über eine schriftliche Kündigung verfügte und deshalb auch die Klagefrist des § 4 KschG nicht in Gang gesetzt war, wäre die richtige Sachbehandlung nicht die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gewesen, sondern unter Inanspruchnahme von Beratungshilfe der Hinweis an den Kläger, dass dieser im bestehenden Arbeitsverhältnis seinen Lohnanspruch dadurch wahrt, dass er seine Arbeitskraft in natura zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle erneut anbietet. Dies wäre insbesondere deshalb der richtige Hinweis gewesen, weil für Ansprüche aus Annahmeverzug der Kläger, wenn er seinen Arbeitsplatz verlässt, die Beweislast dafür trägt, dass der Arbeitsplatz zuvor durch den Arbeitgeber entzogen worden ist.

Auch die Kündigungsschutzklage gegenüber dem Bestätigungsschreiben vom 10.11.2005 war zum Beurteilungszeitpunkt am 27.04.2006 ohne Aussicht auf Erfolg und mutwillig. Die Beklagte hat dargelegt, dass dieses Schreiben allein der Klarstellung diente, dass die Arbeitgeberin von einer mündlichen fristlosen Kündigung des Klägers ausgehe. Am 27.04.2006 hat sie aus diesem Schreiben längst keine Rechte mehr hergeleitet, wie sich bereits daraus ergibt, dass sie den Kläger im Dezember sogar, obwohl sie nicht dazu verpflichtet war, zur Arbeitsaufnahme aufgefordert hat. Das von der Beklagten im Prozess vorgelegte Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages unter dem 07.11.2005 ist von keiner der Parteien unterzeichnet worden und auch nicht Gegenstand des Prozesses gewesen.

Auch die Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 04.12.2005 zum 31.01.2006 war am 27.04.2006 ohne jede Aussicht auf Erfolg und mutwillig. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger sich seit über drei Monaten mit der Existenz von mehr als den beiden vom Geschäftsführer in der Güteverhandlung benannten einzigen weiteren Arbeitnehmern auseinandersetzen. Die im Schriftsatz vom 26.04.2006 geäußerte "Überzeugung", es würden zehn oder mehr Mitarbeiter beschäftigt, ist nicht geeignet, ernst genommen zu werden. Ein ernsthafter Vortrag zur Geltung des Kündigungsschutzgesetzes hätte zumindest so ausgesehen, dass der Kläger diejenigen Arbeitsaufgaben benennt, die regelmäßig von Beschäftigten des Betriebes verrichtet werden. So hätte der Kläger zumindest die Anzahl der LKW-Fahrer mit den im Betrieb eingesetzten Betriebsfahrzeugen benennen können, einzelne Gartenbauaufgaben (Baustellen der Beklagten) benennen können und die Anzahl der dort mit ihm zusammen beschäftigten Mitarbeiter vortragen können. Er hätte diejenigen Bürotätigkeiten benennen können, die er aus eigener Anschauung erlebt hat und umschreiben können, wer diese Tätigkeiten in seiner Anwesenheit verrichtet hat (z. B. Lohnabrechungen, Buchhaltung, Arbeitseinteilung).

Da die Beklagte mit der Benennung der beiden weiteren Mitarbeiter im Gütetermin ihrer Auskunftspflicht nachgekommen ist, war der Kläger auch nicht gehindert, mangels Auskunft über die Beschäftigten weiteren Vortrag zu leisten.

Hinsichtlich des Antrags auf Erteilung eines Endzeugnisses war die Beschwerde erfolgreich. Zwar hat sich die Beklagte auf die Erfüllung des Zeugnisanspruchs berufen, eine solche Erfüllung allerdings nicht nachgewiesen. Zudem hat sie behauptet, ein solches Zeugnis datiere vom 06.12.2005. Dieses ist jedoch nicht die ordnungsgemäße Erfüllung des Zeugnisanspruchs, da das Arbeitsverhältnis erst am 31.01.2006 geendet hat und deshalb das Zeugnis kein früheres Datum tragen darf. Ebenfalls Prozesskostenhilfe war dem Kläger für den Antrag auf Herausgabe der Lohnsteuerkarte zu gewähren. Dabei erscheint es zwar zweifelhaft, ob die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten, also die Beiordnung eines Anwalts, überhaupt erforderlich war, zumal nichts dafür vorgetragen ist, ob die Beklagte vor Erhebung der auf Herausgabe der Lohnsteuerkarte gerichteten Klage überhaupt gemahnt worden war. Da jedenfalls Erfüllung durch die Beklagte darzustellen war, kann aber nicht gesagt werden, dass im Zeitpunkt der tatsächlich getroffenen Entscheidung insoweit das Verfolgen dieses Anspruchs als mutwillig im Sinne des § 11 a ArbGG anzusehen ist.

Gleiches gilt für den Anspruch auf Erstellung einer Bescheinigung nach § 312 SGB III. Zwar ist es Aufgabe des Klägers, der Beklagten das entsprechende Formular zur Verfügung zu stellen. Er hat auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dieses Formular überhaupt bereits eingegangen ist. Der Streit hierüber kann jedoch im Prozesskostenhilfeverfahren nicht aufgeklärt werden, so dass zumindest davon auszugehen ist, dass die Antragstellung nicht mutwillig im Sinne des § 11 a ArbGG ist.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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