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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 12.12.2005
Aktenzeichen: 2 Ta 457/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 823 | |
ZPO § 940 |
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 09.12.2005 - 7 Ga 212/05 - abgeändert:
1. Dem Antragsgegner wird untersagt, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer der Antragstellerin zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen am 13.12.2005 aufzurufen, um den Abschluss eines artspezifischen Tarifvertrages für die als Ärzte beschäftigten Arbeitnehmer der Antragstellerin durchzusetzen.
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Streikaufruf an seine Mitglieder für den Streik am 13.12.2005 in geeigneter Weise zu widerrufen.
3. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht aus Ziffer 1 ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000,00 € angedroht.
4. Dem Antragsgegner wird für den Fall der Nichtvornahme der Handlungspflichten aus Ziffer 2 ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft zu vollziehen an dem Vorsitzenden Dr. FM angedroht.
Die Zustellung zur Nachtzeit wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe: I. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner für den 13.12.2005 Streikmaßnahmen in den von ihr betriebenen Krankenanstalten durchführen will und hierzu aufgerufen hat. Die Antragstellerin hat weiterhin glaubhaft gemacht, dass der bislang auf die Mitglieder des Antragsgegners anwendbare BAT nicht durch den Antragsgegner gekündigt wurde. Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob der BAT für die Mitglieder des Antragsgegners weiterhin zur Anwendung kommt, woraus u. a. die Friedenspflicht im vorliegenden Verfahren seitens der Antragstellerin hergeleitet wird, oder ob der BAT zwar ungekündigt ist aber durch den TvöD abgelöst wird, da dieser auf Grund des Rechtsinstituts der Tarifeinheit zur Anwendung komme. Die Antragstellerin hat die Arbeitsverhältnisse sowohl der ver.di-Mitglieder als auch die Arbeitsverhältnisse der nicht organisierten Arbeitnehmer in den neu abgeschlossenen TvöD übergeleitet, da die Mehrzahl der organisierten Arbeitnehmer Mitglieder in der Tarifvereinigung ver.di sind. Der Antragsgegner vertritt die Ansicht, dass der BAT ersatzlos beendet worden sei, soweit nicht der TvöD unmittelbare Anwendung finde. Zudem habe die Antragstellerin bzw. der VKA die weitere Führung von Tarifverhandlungen abgelehnt, da der TvöD auch für die vom Antragsgegner repräsentierten Mitglieder Anwendung finde. Das Arbeitsgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung abgelehnt, da ein Antrag nur als Fotokopie vorgelegen habe und damit auch eine Glaubhaftmachung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Mit der sofortigen Beschwerde macht die Antragstellerin nunmehr nur noch die Untersagung des Streiks am 13.12.2005 geltend, zudem legt sie die eidesstattlichen Versicherungen und die Beschwerdeschrift im Original vor. Sie beantragt,
1. dem Antragsgegner zu untersagen, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer der Antragstellerin zu Streiks, Warnstreits und sonstigen Arbeitsniederlegungen am 13.12.2005 aufzurufen, um den Abschluss eins artspezifischen Tarifvertrages für die als Ärzte beschäftigten Arbeitnehmer der Antragstellerin durchzusetzen.
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Streikaufruf an seine Mitglieder, mit denen dieser zum Streik am 13.12.2005 aufruft, zu widerrufen.
3. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflichten gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000,00 € angedroht.
4. Dem Antragsgegner wird für den Fall der Nichtvornahme der Handlungspflichten gemäß Ziffer 2 ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft zu vollziehen an dem Vorsitzenden Dr. F M angedroht.
5. Weiter wird beantragt, die Zustellung zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen zuzulassen.
II. Aufgrund der Eilbedürftigkeit und des für den morgigen Tag angekündigten Streiks hat das Landesarbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung und durch die Vorsitzende alleine ohne Anhörung des Antragsgegners entschieden. Nach der Einschränkung auf den morgigen Streik war ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht mehr gegeben. Der Begriff der Arbeitsniederlegung ist für sich gesehen eindeutig bestimmt genug, um die Reichweite der begehrten Untersagung hinreichend zu präzisieren.
Eine Streikmaßnahme kann im einstweiligen Verfügungsverfahren nur dann untersagt werden, wenn sie eindeutig rechtswidrig ist und dies glaubhaft gemacht ist. Die beantragte Untersagungsverfügung muss zum Schutz des Rechts am eingerichteten ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile geboten und erforderlich sein. Zur Prüfung, ob eine auf Unterlassung eines Arbeitskampfes gerichtete einstweilige Verfügung im Sinne des § 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, hat eine Interessenabwägung stattzufinden, in die sämtliche in Betracht kommenden materiell-rechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Erwägungen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Parteien einzubeziehen sind (vgl. Hessisches LAG, Urteil vom 02.05.2003 - 9 SaGa 637/03 -, LAG Köln, Urteil vom 14.06.1996 - 4 Sa 177/96 -).
Ein Streik ist dann offensichtlich rechtswidrig, wenn zwischen den Tarifvertragsparteien noch eine Friedenspflicht besteht. Dies ist im vorliegenden Fall ausreichend glaubhaft gemacht, da die zum Empfang einer Kündigungserklärung berechtigte Partei eidesstattlich versichert hat, dass eine Kündigung des BAT durch den Antragsgegner bislang nicht eingegangen ist. Dass dies zutreffend ist, ergibt sich auch aus der Aussage des Antragsgegners, wonach der BAT in vollem Umfang ohne Überleitung in den TvöD auf die tarifgebundenen Mitglieder des Antragsgegners weiterhin Anwendung findet. Letztlich ist zwischen den Parteien die Rechtsfrage umstritten, ob die Mitglieder des Antragsgegners in den TvöD ohne weiteres übergeleitet werden können, so dass die arbeitsvertraglichen Regelungsinhalte des BAT nicht angewendet werden oder ob die Mitglieder des Antragsgegners weiterhin die vollen Ansprüche aus dem BAT für sich geltend machen können. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die nicht durch Streik geklärt werden kann. Ein Streik darf nicht zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen, also schon gegebenen Ansprüchen eingesetzt werden (vgl. BAG AP Nr. 58 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 22).
Da der BAT nicht gekündigt wurde, findet er weiterhin auf die Arbeitsverhältnisse der von dem Antragsgegner vertretenen Mitglieder Anwendung. Der Abschluss des TvöD hat nicht zur Beseitigung des BAT geführt, denn er ersetzt die Regelungen des BAT nur für diejenigen Tarifvertragsparteien, die den TvöD abgeschlossen haben. Eine Rechtsmacht den BAT auch für den Antragsgegner zu beseitigen, ist den Parteien, die den TvöD abgeschlossen haben, nicht zuzumessen. Es ist nicht ersichtlich, woraus sich die Wirksamkeit von deren Erklärungen für einen Vertrag ergeben sollen, der zwischen dem Antragsgegner und den Arbeitgeberverbänden geschlossen wurde. Auch die Frage, ob eine Tarifpluralität in dem Sinne zulässig wäre, dass Arbeitnehmer mit einer Spezialfunktion einem anderen Tarifvertrag unterliegen als die Mehrheit der anderen Arbeitnehmer ist zwischenzeitlich durch das Bundesarbeitsgericht geklärt. Der Beschluss vom 14.12.2004 - 1 ABR 51/03 - besagt ausdrücklich, dass Tarifverträge mit einem spezielleren Inhalt neben Grundverträgen in ein und demselben Betrieb zur Anwendung gelangen können (so auch Hensler Willemsen Kalb Art 9 GG Nr. 284). Der speziellere Inhalt kann sich dabei auch daraus ergeben, dass ein spezieller Teil der Belegschaft besonders behandelt wird. Deshalb kann es auch Ziel einer Arbeitnehmervereinigung sein, für einen besonders hoch spezialisierten herausgehobenen Bestandteil der Arbeitnehmerschaft gesonderte Tarifverträge abzuschließen. Voraussetzung zur Durchsetzung dieses Zieles durch einen Streik ist jedoch, dass diese Arbeitnehmerschaft zum Streikzeitpunkt nicht einer Friedenspflicht unterliegt. Dies ist dann der Fall, wenn auch seitens des Antragsgegners der BAT gekündigt würde und der Versuch einer Einigung stattgefunden hat. Da bislang nicht einmal ersichtlich ist, dass der Antragsgegner konkrete Regelungsziele für die Tarifverhandlungen benannt hat, sondern nur überhaupt den Eintritt in Verhandlungen erzwingen will während die Antragsteller dies ablehnen, da sie davon ausgehen, die Arbeitsverhältnisse seien bereits endgültig und abschließend geregelt, fehlt es darüber hinaus auch an einem zulässigen Arbeitskampfziel. Die Rechtsfrage, ob den Arbeitnehmern, die Mitglieder des Antragsgegners sind, weiterhin die Vergütung und die weiteren arbeitsvertraglichen Inhalte nach dem BAT geschuldet sind, ist eine Rechtsfrage, die im ordentlichen Verfahren geklärt werden kann.
Damit ergibt sich in der Gesamtabwägung, dass der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes auch dann vorrangig ist, wenn der Antragsgegner die Streikmaßnahmen nur auf nicht mit Notfallbehandlungen beschäftigte Arbeitnehmer erstreckt. Die Arbeitsniederlegung am morgigen Tag würde einen nicht wieder aufzuholenden Arbeitsrückstau verursachen, der die Verpflichtung der Antragstellerin beeinträchtigt, die Versorgung der Bevölkerung mit medizinischen Leistungen sicherzustellen und in die unternehmerische Freiheit der Antragstellerin rechtswidrig und unzumutbar eingreifen.
Damit ergibt sich auch der Anspruch auf Festsetzung des Ordnungsgeldes. Der Antragsgegner ist auch verpflichtet, seine Mitglieder von der Streikteilnahme abzuhalten und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Arbeitsniederlegungen nicht stattfinden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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