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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 16.12.2002
Aktenzeichen: 2 TaBV 10/02
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
Das Schreiben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 11.05.1999 stellt für sogenannte Vorzimmerkräfte ein eigenes vom BAT abweichendes Eingruppierungsschema auf. Wenn es in einem Betrieb angewandt wird, verdrängt es insoweit die Eingruppierung nach den Vergütungsgruppen des BAT. Eine Zustimmung zur Eingruppierung für den Fall, dass die Arbeitnehmerin nicht mehr als Vorzimmerkraft beschäftigt wird, ist erst dann zu ersetzen, wenn keine Vorzimmertätigkeiten mehr übertragen sind, nicht aber auf Vorrat.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 2 TaBV 10/02

Verkündet am: 16.12.2002

In dem Beschlussverfahren

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Anhörung vom 21.10.2002 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Schulte und Winthuis

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 14.09.2001 - 3 BV 108/00 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur korrigierenden Rückgruppierung der Arbeitnehmerin S zu ersetzen ist.

Die Arbeitgeberin ist eine in der Rechtsform einer GmbH geführte Forschungseinrichtung der öffentlichen Hand. Gesellschafter der Arbeitgeberin sind zu 90 % die Bundesrepublik Deutschland und zu 10 % das Land Nordrhein-Westfalen. Sie beschäftigt ca. 4.000 Mitarbeiter und unterliegt als institutionell geförderter Zuwendungsempfänger dem öffentlichen Haushaltsrecht sowie der öffentlichen Rechnungsprüfung durch den Bundesrechnungshof. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen der Arbeitgeberin und der Mitarbeiterin S sind gemäß § 2 des Haustarifvertrages vom 05.09.1973 (MTV-KfA) die für die unter dem Geltungsbereich des BAT fallenden Angestellten des Bundes jeweils maßgeblichen Tarifvorschriften anwendbar.

Der Bundesrechnungshof kam im März 1996 auf Grund einer Überprüfung zu dem Ergebnis, dass die bei den Sekretärinnen und Vorzimmerkräften der Beklagten durchweg zu findenden Vergütungsgruppen V b, V c und VI b BAT nicht zutreffend seien. Bei Angestellten, die vorwiegend Schreibarbeiten erledigten, seien die Tarifgruppen IX b bis VII einschlägig bei sachbearbeitenden Tätigkeiten die Tarifgruppe VIII, da es sich in dem letzteren Fall regelmäßig um Arbeitsvorgänge handele, die lediglich dem Klammerzusatz zur Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 1 a BAT entsprechen. Ab 1997 wurden bei der Arbeitgeberin neue Tätigkeitsdarstellungen erstellt. Diese kommt für die Arbeitnehmerin S zu dem Ergebnis, dass zu 25 % Sekretariatstätigkeiten, zu 20 % Textverarbeitung, zu 20 % Organisationsaufgaben und zu 35 % Verwaltungsaufgaben erledigt werden. Als notwendige Voraussetzung für die Tätigkeit der Mitarbeiterin wird eine abgeschlossene Berufsausbildung als Bürogehilfin, Kauffrau/Kaufmann für Bürokommunikation, Bürokaufmann/-frau, Rechtsanwaltsgehilfin, Verwaltungsangestellte oder Justizangestellte vorausgesetzt.

Mit Schreiben vom 11.05.1999 erlaubte das Bundesministerium für Bildung und Forschung der Arbeitgeberin sowie weiteren Forschungsinstituten ähnlicher Struktur die übertarifliche Eingruppierung der Vorzimmerkräfte nach einem in dem Schreiben vom 11.05.1999 näher festgelegten Schema. Dieses Schema enthält drei verschiedene Eingruppierungsmöglichkeiten für Vorzimmerkräfte, die jeweils von der Stellung des Mitarbeiters, für den die Leistungen erbracht werden, abhängen. Für die Mitarbeiterin S ist Ziffer 1 c dieses Schemas anwendbar, da sie für einen Institutsleiter der Besoldungsgruppe C 4 tätig ist. Danach ergibt sich für sie die Vergütungsgruppe VI b BAT.

Tatsächlich wurde die Mitarbeiterin S , die im Juli 1986 eingestellt wurde, zunächst nach Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 4 BAT beschäftigt. 1988 erhielt sie Vergütung nach Vergütungsgruppe VII, 1989 nach Vergütungsgruppe VI b und seit 1992 nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1. Hinsichtlich des Wortlauts dieses Schriftverkehrs mit der Mitarbeiterin S , der sich auf die jeweilige Höhergruppierung bezieht, wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 08.11.1999 beantragte die Antragstellerin bei dem Betriebsrat die Eingruppierung in Vergütungsgruppe VIII unter Mitteilung, dass die Mitarbeiterin S diese Eingruppierungsvoraussetzung seit dem 01.11.1999 erfülle. In Klammern war neben der mitgeteilten Vergütungsgruppe VIII BAT angefügt: VI übertariflich. Nach Verlängerung der Anhörungsfrist bis 10.01.2000 widersprach der Betriebsrat am 07.01.2000, worauf die Arbeitgeberin mit dem 31.07.2000 das Zustimmungsersetzungsverfahren zunächst zur Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 1 a BAT einleitete. Im Laufe des Verfahrens ergänzte die Antragstellerin ihren Antrag dahingehend, dass die Eingruppierung für die Dauer der Tätigkeit im Vorzimmer von Prof. L in Vergütungsgruppe VI b (übertariflich) zu ersetzen sei. Sowohl in der Korrespondenz der Parteien als auch im erstinstanzlichen Beschluss liegt der Schwerpunkt der Ausführungen darauf, welche Eingruppierung die Zutreffende wäre, wenn die Klägerin nicht als Vorzimmerdame tätig wäre. Das Arbeitsgericht hat den Zustimmungs-ersetzungsantrag mit der Begründung abgewiesen, für diesen Fall sei die richtige Eingruppierung zumindest in Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 2 BAT zu sehen. Hinsichtlich der Vergütungsgruppe VI b übertariflich für die Dauer der Vorzimmertätigkeit sei das Anhörungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden.

Hiergegen wendet sich die Arbeitgeberin mit der Beschwerde, wobei sie nunmehr die Zustimmung zur Rückgruppierung in Vergütungsgruppe VII BAT Fallgruppe 2 bzw. für die Dauer der Tätigkeit als Vorzimmerkraft von Prof. L die Zustimmungsersetzung zur Vergütungsgruppe VI b BAT begehrt. Der Betriebsrat hat beantragt, auch diesen Antrag zurückzuweisen. Er vertritt neben der Ansicht, dass die Klägerin in Vergütungsgruppe V c richtig eingruppiert sei, darüber hinaus die Ansicht, dass der Klägerin auch arbeitsvertraglich ein Anspruch darauf zustehe, nach Vergütungsgruppe V c bezahlt zu werden oder Tätigkeiten der Vergütungsgruppe V c übertragen zu erhalten. Deshalb komme eine Rückgruppierung in eine geringerwertige Vergütungsgruppe nicht in Frage.

II. Die fristgemäße und im Übrigen auch zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Eingruppierungsverfahren nach § 99 BetrVG ist mit dem Schreiben vom 08.11.1999 nicht ordnungsgemäß im Hinblick auf den zuletzt gestellten Antrag eingeleitet worden.

Dies beruht zum einen darauf, dass die Arbeitgeberin im Anhörungsschreiben vom 08.11.1999 dem Betriebsrat mitteilt, dass für die Mitarbeiterin Schuhmacher Vergütungsgruppe VIII ab dem 01.11.1999 zum Tragen kommen soll. Diese Anhörung ist bereits fehlerhaft, weil die Mitarbeiterin zu diesem Zeitpunkt selbst ausgehend von Vergütungsgruppe VIII bereits die erforderlichen Bewährungszeiten hinter sich gebracht hatte, die die Eingruppierung in Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 2 rechtfertigen würden.

Darüber hinaus ist das Anhörungsverfahren auch deshalb fehlerhaft eingeleitet, weil sowohl eine "normale" Vergütungsgruppe angegeben wurde als auch eine weitere Gruppe, in die die Arbeitnehmerin ebenfalls - dies allerdings übertariflich - eingruppiert sein soll. Diese Fehler bei Einleitung des Anhörungsverfahrens führen dazu, dass die Zustimmung des Betriebsrates nicht zu ersetzen ist und die Beklagte das Anhörungsverfahren erneut einzuleiten hat.

Das Verfahren nach § 99 Abs. 2 BetrVG eröffnet dem Betriebsrat die Möglichkeit und das Recht, die richtige Eingruppierung nach dem für den betroffenen Arbeitnehmer anzuwendenden Vergütungsgruppensystem zu beurteilen. Dieses Mitbeurteilungsrecht bezieht sich dabei zum einen darauf, welches von möglicherweise im Betrieb Anwendung findenden verschiedenen Vergütungsgruppensystemen überhaupt anwendbar ist und welche Gruppe innerhalb dieses Systems für die Tätigkeiten zutrifft, die der Arbeitnehmer aktuell ausübt (vgl. BAG - 1 ABR 23/00 - vom 12.12.2000 NZA 2002 Seite 56).

Vorliegend wendet die Arbeitgeberin in ihrem Betrieb sowohl einerseits den BAT als auch andererseits das Schreiben vom 11.05.1999 an, welches für die Tätigkeit der Vorzimmerkräfte eine eigene Vergütungsordnung aufstellt. Je nach Position des Vorgesetzten, für den die Vorzimmerkraft arbeitet, sind verschiedene Vergütungsstufen mit teilweise hierauf beruhenden Aufstiegsmöglichkeiten bzw. ohne Aufstiegsmöglichkeit geschaffen worden. Da die Arbeitnehmerin, deren Tätigkeit konkret zu beurteilen ist, zur Zeit für einen Institutsleiter arbeitet, kommt nur eine Eingruppierung nach dem Schreiben vom 11.05.1999 und den dort genannten Vergütungsgruppen in Frage. Eine Doppelbeurteilung durch den Betriebsrat und insbesondere eine Ersetzung der fehlenden Zustimmung zu zwei gleichzeitig anwendbaren Vergütungsordnungen ist deshalb nicht möglich. Die Tätigkeiten der Arbeitnehmerin werden ausschließlich durch das Vergütungssystem vom 11.05.1999 gekennzeichnet. Ob es möglich ist, der Klägerin Tätigkeiten zuzuweisen, die nicht in Sekretariatsarbeit für ein Vorstandsmitglied bestehen, braucht zur Zeit weder geprüft zu werden noch ist es Gegenstand dieses Verfahrens. Zudem wäre zu berücksichtigen, dass durch die Zuweisung von derart geänderten Tätigkeiten ggf. auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich einer Versetzung ausgelöst werden kann.

Es ist deshalb völlig hypothetisch und derzeit keinerlei Rechtsschutzinteresse dafür zu erkennen, dass der Betriebsrat sein Mitbeurteilungsrecht hinsichtlich solcher Tätigkeiten jetzt ausüben muss, die derzeit nicht übertragen sind.

Es kann deshalb im Übrigen dahinstehen, ob es zutreffend ist, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur Eingruppierung auch dann verweigern kann, wenn die vom Arbeitgeber genannte Vergütungsgruppe die für die aktuell ausgeübten Tätigkeiten richtige Vergütungsgruppe darstellt, der Arbeitnehmerin aber durch individuellen Arbeitsvertrag oder nach § 242 BGB das Recht auf Bezahlung oder Beschäftigung nach einer höheren Vergütungsgruppe zusteht. Nach Ansicht der erkennenden Kammer kann es insoweit nicht darauf ankommen, ob der Arbeitgeber die Mitbeurteilung des Betriebsrats zur Eingruppierung deshalb einleitet, weil er eine korrigierende Rückgruppierung oder weil er eine Änderungskündigung beabsichtigt. Das Ergebnis des Beurteilungsvorganges muss immer die Feststellung der richtigen Vergütungsgruppe sein, die der ausgeübten oder nach Änderungskündigung auszuübenden Tätigkeit entspricht. Im Rahmen dieses Mitbeurteilungsrechts ist die Arbeitnehmerin S unabhängig von ihren ggf. bestehenden vertraglichen Ansprüchen, die sie bis jetzt nicht durchgesetzt oder geltend gemacht hat, jedenfalls nach dem Vergütungssystem für Vorzimmerkräfte vom 11.05.1999 in die dortige Gruppe 1 c entsprechend Bezahlung nach Vergütungsgruppe VI b BAT einzugruppieren.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, da insbesondere die Entscheidung nicht auf der Abweichung der seitens des LAG Köln auch geäußerten Meinung, ein Betriebsrat könne der Eingruppierung widersprechen, wenn die richtige Vergütungsgruppe nicht mit der vertraglich geschuldeten übereinstimme, beruht.

Ende der Entscheidung

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