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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 20.08.2007
Aktenzeichen: 2 TaBV 21/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 19
BetrVG § 117
Wird in einem Tarifvertrag nach § 117 BetrVG geregelt, dass die (ausschließlich beschäftigten) Angestellten anteilig nach berufsspezifischen Untergruppen (Piloten/Kabinenpersonal) in der Personalvertretung vertreten sein sollen, wird diese Regelung nicht gegenstandslos, nachdem das Betriebsverfassungsgesetz keine Gruppenwahl zwischen Angestellten und Arbeitern mehr vorsieht. Eine nach dem Gruppenwahlprinzip durchgeführte Personalvertretungswahl ist nicht nichtig.
Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 01.03.2007 - 1 BV 179/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Nichtigkeit der Wahl einer Personalvertretung bei einer Luftfahrtgesellschaft, der Beteiligten zu 3. Antragsteller ist ein Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3, Beteiligter zu 2 ist die bei der Arbeitgeberin gewählte Personalvertretung für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer des Luftfahrtunternehmens.

Gemäß § 17 Abs. 2 BetrVG sind die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen grundsätzlich nicht vom Betriebsverfassungsgesetz erfasst. Dieses ist nicht anwendbar. Durch Tarifvertrag kann jedoch eine Arbeitnehmervertretung eingerichtet werden.

Am 19.02.1976 schloss die Arbeitgeberin mit der damals noch existierenden DAG einen solchen Tarifvertrag zur Errichtung einer Personalvertretung. § 3 dieses Tarifvertrages lautet:

"Anwendung des Betriebsverfassungsgesetztes 1972

1. Für das fliegende Personal (Bordpersonal) der D findet das Betriebsverfassungsgesetz vom 15.01.1972 in seiner jeweils gültigen Fassung mit allen Rechten und Pflichten Anwendung, sofern durch diesen Tarifvertrag nichts anderes bestimmt wird.

2. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass das Betriebsverfassungsgesetz in seiner geltenden Fassung nur bedingt auf Luftverkehrsbetriebe allgemein und von der Struktur her auf die D im besonderen anwendbar ist. Aus diesem Grund werden die Parteien alsbald prüfen, ob der Abschluss eines ausformulierten Tarifvertrages über die Personalvertretung erforderlich und sinnvoll ist. Deshalb gilt die Bestimmung der Ziffer 1 zunächst als Überbrückung. Die Prüfung und der evtl. Abschluss eines ausformulierten Tarifvertrages Personalvertretung ist unabhängig von der Laufzeit und der Kündigung des heute abgeschlossenen Tarifvertrages.

3. Als Arbeitnehmergruppen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gelten die berufsspezifischen Gruppen im Bereich des fliegenden Personals (Bordpersonal). Sie sind entsprechend ihrer zahlenmäßigen Relation zueinander in der Personalvertretung zu berücksichtigen."

§ 4 des Tarifvertrages regelt die Wahlvorschriften dahingehend, dass ausschließlich Briefwahl zulässig ist und eine Persönlichkeitswahl durchgeführt wird. Abs. 1 der Regelung zu den Wahlvorschriften lautet wie folgt:

"Die Wahl der Personalvertretung erfolgt nach den Bestimmungen der ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung 1972), in der jeweils gültigen Fassung, die analog und unter Beachtung der Bestimmungen dieses Tarifvertrages anzuwenden sind."

Die damals gültige Fassung des Betriebsverfassungsgesetzes sah eine Gruppenwahl von Arbeitnehmern und Angestellten vor. Auch die Wahlordnung war auf diese durch Gesetz vorgeschriebene Gruppenwahl eingerichtet. Zum Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses beschäftigte die Arbeitgeberin keinerlei Arbeiter im Flugbetrieb, sondern ausschließlich Angestellte, es bestand jedoch Einigkeit, dass die bordspezifischen Arbeitnehmergruppen, die in § 3 Abs. 3 des Tarifvertrages erwähnt werden, zum einen die Gruppe der Pilotinnen und Piloten, zum anderen das Kabinenpersonal umfasst. Entsprechend der Gruppenwahl für Arbeiter und Angestellte wurde die Personalvertretung bis zur Reform des Betriebsverfassungsrechts im Jahr 2001 aus der Gruppe der Piloten und Pilotinnen bzw. aus der Gruppe des Kabinenpersonals zusammengesetzt.

Mit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001 entfiel die Gruppenaufteilung in Angestellte und Arbeiter. Für Postunternehmen, die noch Beamte beschäftigen, wurde das Prinzip der Gruppenwahl jedoch für die Gruppe der Beamten und die Gruppe der Arbeitnehmer beibehalten. Ohne die Einführung einer Gruppenwahl schreibt das Betriebsverfassungsgesetz 2001 nunmehr die Berücksichtigung einer Frauenquote durch den verfassungsrechtlich umstrittenen sog. Listensprung vor.

Am 09.05.2006 fand bei der Arbeitgeberin eine Personalvertretungswahl für das fliegende Personal statt, wobei die Gruppenwahl für Piloten/Pilotinnen und Kabinenpersonal beibehalten wurde. Die Arbeitgeberin beschäftigte zu diesem Zeitpunkt 1730 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen als fliegendes Personal, so dass eine aus 17 Mitarbeitern bestehende Personalvertretung zu bilden war. Von den Beschäftigten waren 758 Piloten, die unter Anwendung des Gruppenwahlprinzips 7 Mitglieder stellten sowie 927 Kabinenmitarbeiter, die 10 Mitglieder der Personalvertretung stellten. Dementsprechend konnte jeder Kabinenmitarbeiter 10 Stimmen, jeder Pilot 7 Stimmen abgeben und dabei lediglich Arbeitnehmer aus der Gruppe wählen, zu der er selbst zugehörig war. Aufgrund der geringeren Gruppengröße benötigte ein Pilot 38 Unterschriften für einen gültigen Wahlvorschlag, ein Kabinenmitarbeiter 49 Unterschriften.

Das Wahlergebnis wurde am 09.05.2006 bekannt gegeben. Das vorliegende Verfahren zur Feststellung der Wahlnichtigkeit wurde am 20.11.2006 anhängig gemacht.

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, nach der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes sei eine Gruppenwahl nicht mehr zulässig. Der Tarifvertrag sei insoweit nicht mehr anwendbar. Es sei undemokratisch, wenn ein Pilot keine Stützunterschrift des Kabinenpersonals erhalten könne. Durch die Zusammenführung der beiden Gruppen in dem Gremium sei nun ein Personalvertretungsvorsitzender gewählt worden, der alle Arbeitnehmer vertreten soll, aber von einer Gruppe überhaupt nicht gewählt worden sei. Die Vorgabe der Tarifvertragsparteien, dass Kabinenpersonal und Piloten im Verhältnis ihrer Beteiligung zum gesamten fliegenden Personal in der Personalvertretung repräsentiert sein sollen, sei auch nach dem d`Hondtschen Höchstzahlprinzip zu erreichen. Richtigerweise hätte jeder im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer 17 Stimmen haben müssen. Diese hätten unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit verteilt werden können, danach seien dann die 7 Piloten mit den insgesamt meisten Stimmen und die 10 Flugbegleiter mit den meisten Stimmen als gewählt anzusehen. Es sei unwahrscheinlich, dass alle Flugbegleiter ausschließlich Piloten wählen würden.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und dies damit begründet, dass gravierende Wahlfehler, wie sie für eine Wahlnichtigkeit erforderlich sind, nicht gegeben seien. Es hat jedoch gleichwohl die Ansicht vertreten, dass eine Gruppenwahl nicht hätte stattfinden dürfen.

Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde vertritt der Antragsteller erneut seine erstinstanzlichen Rechtsansichten. Die Arbeitgeberin und die Personalvertretung treten dem entgegen. Sie halten den Tarifvertrag für in vollem Umfange weiterhin anwendbar. Da der Tarifvertrag als eigenständige Regelung die quotenmäßige Aufteilung der Sitze der Personalvertretung nach Piloten und Kabinenpersonal vorsehe, sei zwingend die Durchführung der Wahl nach den Vorschriften der Gruppenwahl beizubehalten. Andernfalls könne es dazu kommen, dass ein Wahlbewerber mit nur einer Stimme in die Personalvertretung gewählt wird, wenn nur insgesamt in einer Gruppe für Gruppenmitglieder sehr wenige Stimmen abgegeben werden, diese Gruppe also überwiegend ihre Stimmen für Mitglieder der anderen Gruppe abgibt. Da zwischenzeitlich im Betrieb 3 Gewerkschaften um Arbeitnehmer konkurrieren, sei auch nicht damit zu rechnen, dass der Tarifvertrag geändert werde.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln - 1 BV 179/06 - vom 01.03.2007 abzuändern und festzustellen, dass die Wahl des Beteiligten zu 2 am 09.05.2006 nichtig ist.

Der Beteiligte zu 2 und die Beteiligte zu 3 beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die zulässige und fristgerechte Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.

Der Antragsteller kann mit seinem Begehren nur dann obsiegen, wenn bei der Wahl zur Personalvertretung derart schwere Verstöße gegen das Wahlverfahren vorliegen, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (- 7 ABR 24/03 - vom 19.11.2003, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG) reicht allerdings eine Vielzahl verschiedener Verstöße gegen Wahlvorschriften nicht aus, um die Nichtigkeit zu bejahen. Erforderlich ist dagegen ein derart schwerer Verstoß gegen die Grundsätze einer demokratischen Wahl, dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl erkennbar ist.

Im vorliegenden Fall sind zwei Alternativen denkbar, unter denen die Wahl nichtig sein könnte. Zum einen könnte der Tarifvertrag nach der gesetzlichen Neuregelung überholt und sinnentleert sein, so dass er nicht mehr als Legitimation für das durchgeführte Wahlverfahren dienen kann. Zum anderen könnte der Tarifvertrag nach der Gesetzesänderung dahin auszulegen sein, dass das Gruppenwahlprinzip nicht mehr anwendbar sein soll unter Aufrechterhaltung der weiteren Regelungen des Tarifvertrages im Übrigen.

Im ersten Fall müsste der Antragsteller allerdings mangels Rechtsschutzbedürfnisses mit seinem Antrag unterliegen, denn eine vom Arbeitgeber tolerierte Wahl des Flugpersonals ohne tarifvertragliche Grundlage beschwert den Antragsteller nicht. Eine ohne Tarifvertrag gebildete Vertretung ist keine betriebsverfassungsrechtliche Vertretung und eröffnet damit das Beschlussverfahren nicht (vgl. Richardi, BetrVG, 10. Aufl. 2006, § 17 Rdnr. 12).

Für den zweiten Fall (Gruppenwahl, obwohl eine solche nicht mehr zulässig ist) kann zunächst dem Arbeitsgericht zugestimmt werden, dass eine solche Wahl nicht von vornherein nichtig ist. Das Gruppenwahlprinzip hat nicht nur bis zum Jahr 2001 das Betriebsverfassungsgesetz beherrscht und findet immer noch bei der Betriebsratswahl in Postunternehmen Anwendung. Auch der Bundesrat wird letztlich durch eine besondere Form des Gruppenwahlprinzips zusammengesetzt. Gruppenwahl führt dazu, dass in einem höheren Maße ein Repräsentationsgedanke umgesetzt wird, als bei einer ausschließlichen Personenwahl. Die Gruppenwahl garantiert, dass das Gremium prozentual das Verhältnis der Gruppen zueinander widerspiegelt/abbildet und dabei innerhalb der Gruppen jede Stimme gleiches Gewicht hat. Das Gruppenwahlprinzip ist deshalb nicht von vorneherein undemokratisch, sondern immer dann sinnvoll, wenn einzelne an der Wahl zu beteiligende Gruppen sich in ihren Interessen und Zielen erheblich unterscheiden. Eine Gruppenwahl anstelle einer gruppenübergreifenden Persönlichkeitswahl stellt damit jedenfalls keinen so schweren Wahlverstoß dar, dass die Wahl als insgesamt unbeachtlich und nichtig angesehen werden muss. Letztlich kann eine Entscheidung hier jedoch dahinstehen, denn der Tarifvertrag Personalvertretung vom 19.02.1976 ist dahin auszulegen, dass es auch trotz der Änderung des Betriebsverfassungsrechts bei der Bildung der Personalgruppen Piloten/Pilotinnen einerseits und Kabinenpersonal andererseits bleibt und damit auch die bis zum Jahr 2001 anwendbaren Wahlvorschriften zur Gruppenwahl Anwendung finden. Die Gruppenwahl war damit auch richtig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Zusammenhang ist abzustellen. Verbleiben sodann noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübungen und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung kommt (BAG vom 24.09.2003 - 10 AZR 14/03 -).

Danach ist zunächst festzustellen, dass der Tarifvertrag nicht ausdrücklich die Durchführung einer Gruppenwahl vorsieht, sondern einerseits auf die Wahlordnung 1972 zum damaligen Betriebsverfassungsgesetz verweist andererseits aussagt, dass die jeweils gültige Fassung der Wahlordnung Anwendung finden soll, dies aber nur analog und unter Beachtung der Bestimmungen dieses Tarifvertrages.

Weiterhin lässt sich dem Wortlaut des Tarifvertrages entnehmen, dass die berufsspezifischen Gruppen des fliegenden Personals, obwohl sie insgesamt alle unter den Oberbegriff des Angestellten fallen, so behandelt werden sollen, wie die Arbeitnehmergruppen (Arbeiter/Angestellte) im seinerzeit geltenden Betriebsverfassungsgesetz. Ausdrücklich ordnet der Tarifvertrag an, dass in der Personalvertretung die berufsspezifischen Gruppen zahlenmäßig in der Relation vorhanden sein müssen, wie sie den Beschäftigtenzahlen zueinander entsprechen. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige Regelung, da das Betriebsverfassungsgesetz eine repräsentative Darstellung von Arbeitnehmerinteressen je nach Arbeitsschwerpunkt innerhalb der Gruppe der Angestellten nicht vorgesehen hat. Die Tarifvertragsparteien hätten also zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages die repräsentative Widerspiegelung der berufsspezifischen Gruppen nicht vornehmen müssen. Dies spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien die Gruppeninteressen für derartig unterschiedlich angesehen haben, dass sie sie so behandelt wissen wollten, wie das Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung vor 2001 die Gruppeninteressen von Arbeitern und Angestellten behandelt hat. Dabei spricht für die Bedeutung, die die Tarifvertragsparteien den Unterschieden in den Gruppeninteressen beigemessen haben insbesondere, dass bei Abschluss des Tarifvertrages die Betriebsvertretung aufgrund der Anzahl der Wahlberechtigten lediglich aus 1 Mitglied bestand und hierdurch bei der angeordneten Gruppenwahl die zahlenmäßig geringere Gruppe zwingend verdrängt werden musste. Es war den Tarifvertragsparteien also klar, dass die damals zahlenmäßig geringere Gruppe unter keinen Umständen einen Vertreter in die Personalvertretung entsenden konnte. Selbst angesichts dieser Konsequenz haben die Tarifvertragsparteien aber nicht von der Gruppenwahl abgesehen.

Berücksichtigt man auch, dass der Gesetzgeber, wie er in § 117 BetrVG zum Ausdruck gebracht hat, grundsätzlich die betriebliche Mitbestimmung für fliegendes Personal nicht selbst regeln wollte und die Tarifvertragsparteien es deshalb im Jahr 1976 bereits in der Hand gehabt hätten, entgegen dem Betriebsverfassungsgesetz Gruppenwahl auszuschließen, ergibt sich, dass die Regelungen zur Gruppenbildung hinsichtlich der bordspezifischen Arbeitnehmergruppen eine eigenständige tarifvertragliche Regelung beinhaltet, die nicht durch die Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001 berührt wird.

Die Regelung, dass die Wahlvorschriften der Wahlordnung 1972 zwar in der jeweils gültigen Fassung aber eben auch analog und unter Beachtung der Bestimmungen dieses Tarifvertrages anzuwenden sind, hat damit die Bedeutung, dass wegen der Aufrechterhaltung der Gruppen auch das Gruppenwahlprinzip weiter anwendbar bleibt. Nur das Gruppenwahlprinzip garantiert, dass der Anteil der Unterstützungsunterschriften im Verhältnis zur Gesamtmenge der Gruppenbeschäftigten für beide Arbeitnehmergruppen gleich ist. Auch die Wertigkeit der einzelnen Stimme, die nur innerhalb der Arbeitnehmergruppe vergeben werden kann, ist unter Berücksichtigung der möglicherweise unterschiedlichen Wahlbeteiligung der einzelnen Gruppen gleich. Dem gegenüber würde die tarifliche Vorgabe der Berücksichtigung der zahlenmäßigen Relation der berufsspezifischen Gruppen bei allgemeiner Wahl dazu führen, dass selbst dann, wenn im konkreten Fall nur 10 Einzelstimmen für je 1 Arbeitnehmer des Kabinenpersonals abgegeben worden wären, diese mit dieser 1 Stimme gewählt wären, während der Pilot, der an 8. Stelle der gewählten Piloten steht, ggf. trotz einer erheblich höheren Stimmanzahl nicht gewählt wäre. Das Gruppenwahlprinzip ist damit dann das einzig demokratische Verfahren, solange die Tarifvertragsparteien die prozentuale Aufteilung der Berufsgruppen in der Personalvertretung nicht aufheben.

Sollte man entgegen der Ansicht der Kammer jedoch vertreten wollen, dass nach der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001 die von den Tarifvertragsparteien gewollte Gruppenaufteilung nach berufsspezifischen Gruppen grundsätzlich nicht mehr möglich und unzulässig ist, so wäre der Antrag als unzulässig zurückzuweisen, denn in diesem Falle ist die einzige selbstständig gestaltende Regelung des Tarifvertrages entfallen. Hieraus folgt nach § 139 BGB die Gesamtnichtigkeit des Tarifvertrages, denn es kann nicht gesagt werden, dass die Tarifvertragsparteien diesen Tarifvertrag so abgeschlossen hätten, wenn sie eine Gruppenaufteilung nicht hätten vornehmen können. Abgesehen davon, dass der weite Spielraum des § 117 BetrVG auch die Beibehaltung einer Gruppenwahl nach berufsspezifischen Gruppen ohne Weiteres ermöglicht, sind der juristischen Phantasie bei den denkbaren Vertretungsvarianten keine Grenzen gesetzt. So ist es denkbar, dass die Tarifvertragsparteien anstelle einer einheitlichen Personalvertretung ohne Gruppenwahl die Schaffung von 2 verschiedenen Gremien getrennt nach den bordspezifischen Gruppen vereinbaren. Auch ist es möglich, verschiedene Gremien nach räumlicher Aufteilung zu installieren. Es kann daher nicht gesagt werden, dass der vorliegende Tarifvertrag genauso abgeschlossen worden wäre, wenn die Aufteilung in berufsspezifische Gruppen unzulässig wäre.

Ende der Entscheidung

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